Plädoyers der Verteidigung beendet
"Zum Kotzen" fand RA Eisenberg zusammenfassend
die gesamte Prozessführung vor dem 2. Strafsenat des Berliner
Kammergerichtes. Gemeinsam mit RA Becker setzte die Verteidigung
der Angeklagten Sabine E. so heute den Schlussakkord der Plädoyers.
Zunächst trug RA Becker die Indizien für
den Flickenteppich an Lügen vor, den der Kronzeuge gewoben
hätte. Eine schlüssige Theorie über Motivation,
Absicht und Entstehungsgeschichte seiner Aussagen könne er
nicht liefern. Doch der Nachweis einer intensiven und wirksamen
Bearbeitung durch das Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für
Verfassungsschutz und der Bundesanwaltschaft wäre im Prozess
erbracht worden. Der Kronzeuge sei als professioneller und schamloser
Lügner aufgetreten. Die angebliche Rädelsführerschaft
seiner Mandantin könne nicht bewiesen werden, genauso wenig
wie ihre Beteiligung am Bombenbau und an dem Anschlag auf den
Richter Dr. Korbmacher. RA Eisenberg legte dar, dass seine Mandantin
spätestens 1988 der RZ nicht mehr angehört haben könne,
eine Verjährung deshalb bereits eingetreten sei. Gegenstände
fließen nicht stromaufwärts und ein unbekannter Dritter
müsse den Sprengstoff im Seegraben deponiert haben, so seine
abschließenden Feststellungen.
Donnerstag, den 15.01., geht es um 9:15 Uhr weiter.
Womit blieb heute offen.
162. Prozesstag: 8. Januar 2004
Abrechnung mit politischer Justiz
Ein für dieses Verfahren eher ungewöhnliches Plädoyer
der Verteidigung von Harald G. stand heute im Mittelpunkt des
dreieinhalbstündigen Verhandlungstages. Davor verlas Rechtsanwalt
Geimecke 14 Hilfsbeweisanträge. Darin beschäftigte sich die Verteidigung
von Axel H. erneut mit den widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen
zu den Anschlägen gegen Richter Korbmacher, Hollenberg, der Siegessäule,
dem von ihm behaupteten Sprengstoff- und Waffendepot im MehringHof,
sowie dem sogen. Waldspaziergang. Der Senat wird sich zu diesen
Themen wohl noch einmal den Kopf zerbrechen müssen.
Im Verlauf des sich anschließenden Plädoyers der
Verteidigung von Harald G. lies das, wie immer aufschlussreiche
Minenspiel von Richter Alban den ein oder anderen Adrenalinstoß
vermuten. In einem politischen Prozess – so Rechtsanwältin Studzinsky
– sei die Wahrheit außer Kraft gesetzt. Daher mache es keinen
Sinn erneut auf die Widersprüche, Halbwahrheiten und eindeutigen
Lügen des Kronzeugen einzugehen, zumal dies in den fast 70 Beweisanträgen
und Erklärungen sattsam geschehen sei. Nach einem Exkurs zu Grundsatzentscheidungen
des für Asyl zuständigen 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts
von 1986 sowie der Berliner Asyl- und Flüchtlingspolitik in der
damaligen Zeit, befasste sich Rechtsanwältin ausführlich mit dem
hiesigen Verfahren als Ausdruck politischer Justiz. Da das Plädoyer
hier nachzulesen ist, entfällt ein ausführlicher Bericht.
Der Prozess wird am Freitag, den 9.1.2004 zu gewohnten
Zeit fortgesetzt. Es plädiert Rechtsanwalt Becker.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
161. Prozesstag: 29.12.2003
Pakt zwischen dem Kronzeugen Mousli und Oberstaatsanwalt
Monka
"Knüller gegen Bewährung"
Der heutige 161. Verhandlungstag wurde durch das
Plädoyer der Verteidigung des Angeklagten Axel H. bestritten.
Wie schon in den vorangegangenen Verteidigerplädoyers,
wurden auch von Rechtsanwalt von Schlieffen in detaillierter Weise
die Entstehungsgeschichte des Kronzeugen und die damit in Verbindung
stehenden Beschuldigungen gegen seinen Mandanten Axel H. nachgezeichnet.
Allein schon aus der dem Kronzeugen von der Bundesanwaltschaft
(BAW) angedrohten "Sanktionenschere" (mehrjährige Haftstrafe oder
aber Bewährungsstrafe bei der Lieferung von "Knüllern") ergebe
sich die Notwendigkeit die Beschuldigungen besonders sorgfältig
zu überprüfen. Auch in Bezug auf den Angeklagten Axel H. seien
diese äußerst widersprüchlich und unglaubwürdig. Weitere Angaben
des Kronzeugen hätten sich durch die Beweiserhebung in wichtigen
Punkten als unzutreffend herausgestellt. Eine Verurteilung könne
sich demzufolge nicht auf die alleinigen Angaben von Mousli stützen.
Daher forderte von Schlieffen einen Freispruch
für seinen Mandanten. Da das Plädoyer
hier im Wortlaut nachgelesen werden kann, wird auf eine ausführliche
Wiedergabe an dieser Stelle verzichtet.
Der Prozess wird am 8.1.04 um 9.15 Uhr mit dem Plädoyer
der Verteidigung des Angeklagten Harald G. fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
160.Prozesstag: 19.12.2003
Keinen blauen Schimmer
Mit besonderer Spannung war das Plädoyer des Rechtsanwaltes
Euler erwartet worden, ist er es doch, der nach Verhandlungen
mit der Bundesanwaltschaft seinen Mandanten Rudolf S. zur weitestgehenden
Aussage in diesem Verfahren bewegen und damit neben den Prozessbeobachtern
vor allem die anderen Angeklagten und deren VerteidigerInnen überraschen
konnte. Worauf würde denn einer, der mit der Gegenseite schon
das Strafmaß ausgedealt hatte, nun noch plädieren können, fragten
sich viele.
Und doch dauerte Eulers Plädoyer am vierten Jahrestag
der Mehringhof-Stürmung ganze viereinhalb Stunden und war sichtlich
vom Zorn des Juristen über das Plädoyer der Bundesanwaltschaft
vor einer Woche getragen. Ergebnis seiner spannenden Ausführungen
war eine weitere vernichtende Demontage der Aussagen des Kronzeugen,
dessen Namen permanent im Munde führen zu müssen Euler "ärgerlich"
nannte. Außerdem stellte Euler mehrere Hilfsanträge, um für den
Fall, dass das Gericht Mousli uneingeschränkte Glaubwürdigkeit
einräume, der zunächst anhand der Akten erfolgten Zerpflückung
des Kronzeugen Beweise folgen zu lassen. Insbesondere die frühere
Lebensgefährtin Mouslis Karmen T. solle ihm dann gegenüber gestellt
werden.
In langen, ausführlichen Blöcken ging Euler auf
das Lügenkonstrukt Mouslis zum Themenkomplex "Seegraben",
"Decknamen-Änderung", "Anschlag Hollenberg",
und "Anschlag Korbmacher" ein. Im Zusammenhang mit dem
Seegraben verdeutlichte Euler die Ungeheuerlichkeiten in Mouslis
Aussagen im Laufe der Jahre 1999 und 2000 mit einem Auskunftgebenden,
der ein verstecktes Depot zunächst mit vollkommener Sicherheit
in einem Fußball-Stadion, und dort im Strafraum lokalisiere, nach
erfolgloser Suche zunächst seinen Hinweis jedoch bis zum Anstoßpunkt,
dann auf das gesamte Spielfeld und schließlich gar auf ein anderes
Stadion ausdehnt. Nur das Mousli nach allen immer wieder geographisch
ausgedehnten und ergänzten Aussagen zum "Sprengstoff-Einwurfort"
am Seegraben im Oktober 2000 wieder zu seiner allerersten Aussage
zurückkam und an besagter Stelle bei späteren Spaziergängen stets
den blauen Plastiksack will durch das Wasser schimmern haben sehen.
Insbesondere erzürnt und empört zeigte sich Euler
über die nicht angemessene, kaltschnäuzige Missachtung der Bundesanwaltschaft
für die von Euler ins Verfahren gebrachte Zeugin Barbara W. Diese
völlige Unterschlagung ihres Beweiswerts gegen Mouslis Aussagen
rührt nach Ansicht Eulers auch an seine Ehre als Anwalt und Verteidiger,
habe er doch persönlich Aussagen zu diesem Komplex vor Gericht
gemacht. Euler widmete diesem Sachverhalt eine ausführliche Erörterung.
Das Plädoyer endete mit Eulers Aufruf an das Gericht,
dem Kronzeugen dessen Lügen nicht durchgehen zu lassen, und mit
den Forderungen:
- Das Verfahren gegen seinen Mandanten wegen Rädelsführerschaft
in den RZ einzustellen;
- Ihn zu sechs Monaten Freiheitsentzug wegen eines minderschweren
Falls von Sprengstoffdelikt zu verurteilen und
- den Haftbefehl gegen S. aufzuheben.
Ein ausführlicher Bericht folgt in Kürze.
Am 29. Dezember 2003 geht es um 14 Uhr mit dem Plädoyer
des Rechtsanwalts von Schliefen für den Angeklagten Axel H. weiter.
Am 8 Januar wird voraussichtlich die Verteidigung des Angeklagten
G. plädieren.
ausführlicher Bericht
159.Prozesstag: 18.12.2003
Sprengsätze für die Wahrheitsfindung
Einen "Prozess der politischen Justiz" nannte RA Kaleck
für den Angeklagten Matthias B. das RZ-Verfahren zu Beginn seines
Plädoyers, nach Otto Kirchheimer einen "dubiosen Abschnitt
der Rechtsgeschichte" und konstatierte, das 129a- Verfahren
gegen mutmaßliche einstige RZ-Mitglieder mute angesichts einer im
Vergleich zu den 70-er Jahren völlig veränderten Situation anachronistisch
an. Der Nimbus der Staatsschutzbehörden verblasse, doch der alte
Beißreflex nach links funktioniere immer noch, wie Göteborg und
Magdeburg zeigten.
Ein weiteres Mal verwies er auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Naumburg im Magdeburger Verfahren, dass der problematische Paragraph
129 a nicht bei "terroristischen Vereinigungen" greife,
welche sich aufgelöst hätten, zumal ihnen eine spezifische Gefährlichkeit
dann ja mangele. Die BAW habe mit dem billigen rhetorischen Trick,
den Angeklagten den Willen zur Aufarbeitung der RZ-Geschichte abzusprechen,
versucht, in einen politischen Diskurs dort einzusteigen, wo ihr
die konkreten Verfahrensergebnisse nicht gepasst hätten.
Breit rechnete Kaleck einmal mehr mit der Kronzeugenregelung ab,
die er mit dem SZ-Kommentator Heribert Prantl (8.12.03) als "gesetzliche
Anstiftung zur Falschaussage" nannte. Die Geschichte und Entwicklung
der Vernehmungen und Aussagen des Kronzeugen im Laufe des nun vier
Jahre laufenden Verfahrens gäben all jenen Kritikern der Kronzeugenregelung
recht, die darin hohe Anreize zur Lüge und eine Eigendynamik von
Falschaussagen sehen. Im übrigen, das komme erschwerend hinzu, sei
ein Gutteil der Vernehmungen nicht einmal durch Aktenvermerke dokumentiert
und somit nicht nachvollziehbar, mithin auch kaum für eine Verurteilung
zu gebrauchen, welche allein auf Tarek Mouslis Aussagen beruhen
soll.
Außerdem seien die Aussagen der vernehmenden Beamten, insbesondere
der beiden BKA-Beamten Schulzke und Trede nicht glaubwürdig, was
Kaleck einmal mehr (u.a. im Zusammenhang mit der unendlichen Seegraben-Geschichte)
nachwies. Trede hätte "objektiv die Unwahrheit" gesagt
und es gebe grundsätzliche Zweifel an den Aussagen der beiden Vernehmungsbeamten
und - daraus folgend - am Zustandekommen der Mousli-Aussagen, so
Kaleck. Bezug nehmend auf den BAW-Vorwurf der allzu blühenden Fantasie
der VerteidigerInnen, reklamierte Kaleck geradezu ein Höchstmaß
an Fantasie, um dem Denken der Staatsschützer auf die Spur kommen
zu können: er erinnerte im Zusammenhang mit dem Seegraben an eine
Episode im Schmücker-Prozess, wo im Mittellandkanal eine Schreibmaschine
gesucht und - wie bei der Seegraben-Posse beim zweiten Anlauf -
auch gefunden wurde. Einmal mehr machte Kaleck auch auf das Auseinanderklaffen
von echtem Täterwissen und reinem Hörensagen in den Aussagen des
Kronzeugen aufmerksam und wies in für eine Verurteilung relevanten
Passagen nach, dass sich Mousli auf reines Hörensagen und Wissen
aus zweiter Hand bezieht.
Liebedienerei, Kumpelhaftiggkeit und unsägliche Tölpelhaftigkeit
Rechtanwältin Edith Lunnebach plädierte für ihren Mandanten Matthias
B. auf Freispruch. Sie machte in einem geschliffenen Plädoyer deutlich,
dass es niemandes Ernst sein könne, ihren Mandanten allein wegen
der Aussagen des Kronzeugen verurteilen zu wollen. Dabei bezog sie
sich u.a. auf Aussagen des Bundesgerichtshofes (BGH) in diesem Zusammenhang:
Der kritischen Bewertung der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen müsse
der Tatrichter danach mit besonderer Qualifikation, nämlich Kenntnissen
der modernen Aussagepsychologie, nachkommen, hier seien besonders
strenge Maßstäbe anzulegen. Die auf durchsichtige Weise gelenkte
und, in der Dynamik von Erwartungshaltung der Behörden, Erfolgsdruck
des Kronzeugen und entstehenden persönlichen Beziehungen, sich vollziehende
Entwicklung seiner Aussage strotze nur so haarsträubenden Widersprüchen,
von offenen Lügen und großzügig übersehenen Fehlern, denen zwingend
ein Freispruch für den solchermaßen belasteten Angeklagten folgen
müsse, so Frau Lunnebach.
Ausführlich ging die Verteidigerin auf die einzelnen Ungeheuerlichkeiten
von Vernehmungen und Aussagen des Kronzeugen ein. Insbesondere bei
dem, was die Anwältin im Zusammenhang mit der Identifizierung ihres
Mandanten durch Mousli an Aussagen zusammengetragen hatte, kann
sich der unvoreingenommene Beobachter einmal mehr nur an den Kopf
fassen. Da wirkt die Aussage der BAW in ihrem Plädoyer, Mouslis
Aussagen enthielten "ausreichend viele Real-Kennzeichen",
angesichts deren "skandalös dürftiger Bewertung" geradezu
lächerlich.
"Bei uns im Rheinland", so führte Frau Lunnebach aus,
gebe es bei Gericht eine Art Gegenprobe zu Zeugenaussagen in der
Frage: "Was haben wir eigentlich ohne die Aussagen des Kronzeugen".
Diese Kontrollfrage sei dem hiesigen Gericht dringend zu empfehlen,
denn - so ihre Schlussfolgerung - es habe der "erkennende Senat
keine ausreichende Sachkenntnis, den Sachverhalt zu bewerten".
Auch sie ging noch einmal auf die Vernehmungsbeamten Schulzke ("unsägliche
Tölpelhaftigkeit") und Trede sowie Mouslis Kontaktpersonen
im Zeugenschutz und bei der BAW ein, sprach von deren "liebedienerischem
Ansatz" nichts zu hinterfragen oder offensichtliche Unklarheiten,
Widersprüche oder Falschaussagen "in kumpelhafter Weise"
einfach stehen zu lassen. Dies Verhalten sei ein "Sprengsatz
für die Wahrheitsfindung". Mousli habe, so Lunnebach, bis zum
Schluß ein, was den Wahrheitsgehalt betrifft, wohl dosiertes, taktisches
Aussageverhalten an den Tag gelegt, mithin "sein Spielchen"
mit den Beamten gespielt, "überschießende Belastungstendenzen"
offenbart und stets das ausgesagt, was er für die Erwartung der
Vernehmenden hielt.
Rechtsanwältin Lunnebach stellte zur Untermauerung ihrer niederschmetternden
Bilanz drei Hilfsbeweisanträge: Mouslis sämtliche Aussagen als -
zunächst - Beschuldigter, dann gleichzeitig Zeuge und Beschuldigter
und schließlich als Kronzeuge zwischen 1999 und Januar 2001 sollen
vor Gericht zur Verlesung kommen, um beweisen zu können, dass er
von Anfang an - was er eingestand - "kunstvoll und bewußt gelogen"
hat, dann weiterhin bis zum 31.12.99 wahrheitswidrig erfunden hat
und ab da quasi als Sachverständiger betrachtet und unhinterfragt
gehört wurde. Zu laden sei Prof. Köhnken, forensischer Psychologe
an der Uni Kiel, der anhand des Aussageverhaltens des Kronzeugen
zu den Lichtbildmappen nachweisen werde, dass die Vorlage "offensichtlich
nicht korrekt" vonstatten ging, die Identifizierung des vermeintlichen
"Heiner" eine "suggestive Vorgeschichte" hat
und der Aussagewert mithin gleich null ist.
Verlesung der Passagen aus Mouslis Aussage zum berühmten Waldspaziergang
der Berliner RZ-Mitglieder, um zu beweisen, dass der Waldspaziergang
eine reine Erfindung sei. In Mouslis Aussage nehmen an diesem fast
schon legendären RZ-Ausflug in etlichen aufeinander folgenden Aussagen
immer mehr Personen teil: was anfangs eine lauschige Vierergruppe
war wächst sich im Laufe der Kronzeugenschaft geradezu zum Volkswandertag
aus, der da durchs Unterholz bricht.
Am Freitag, 19. Dezember 2003 (4. Jahrestag!!!), geht es um 9.15
Uhr mit dem Plädoyer von RA Euler weiter. Das Gericht hob den Termin
am 2. Januar auf. d.h. nach dem Kurztermin am 29. Dezember 2003
(Richterin Hennig: "Muss ja!") geht es dann erst am 8.
Januar weiter!
Ein noch längerer Bericht entfällt.
158. Prozesstag: 11.12.2003
Strafe muß sein
Haftstrafen zwischen 2 Jahren/6 Monaten für den Angeklagten Axel
H. und 4 Jahren/3 Monaten für Matthias B. forderten die Bundesanwaltschaft
(BAW) beim Berliner Kammergericht. Nach fast 160 Prozesstagen hielt
heute die BAW ihr Schlussplädoyer und stellte die Strafanträge für
die fünf Angeklagten.
Der knapp sechsstündigen Vortrag wiederholte in allen wesentlichen
Abschnitten die Anklageschrift aus dem Jahr 2000. Die Aussagen des
Kronzeugen Mousli im Prozess wurden von den Bundesanwälten Bruns
und Walenta durchgängig als glaubwürdig, schlüssig und wahrheitsgetreu
bewertetet. Sie würden sich widerspruchsfrei in den gesamten Geschehnisablauf
einpassen und die tatsächlichen Tathergängen widerspiegeln.
Die Beweisführung der Verteidigung, dem Kronzeugen Falschaussagen
nachzuweisen, sei auf ganzer Linie gescheitert. Keine einzige Erkenntnis
in dem Verfahren hätte seine Aussagen auch nur ansatzweise erschüttern
können. Im Gegenteil, die Vernehmungen vieler anderer Zeugen könnten
als Bestätigung interpretiert werden. Die ständigen Beschwerden
über fehlende Prozessunterlagen und weitere verdeckte Ermittlungsergebnisse
durch die Verteidigung wären einer reinen Verschwörungstheorie entsprungen.
Die Inhalte der Einlassungen einiger Angeklagte während des Prozesses
bestünden aus Schutzbehauptungen und würden so den Angaben des einzigen
Zeugen nicht widersprechen können. Bei der unterschiedlichen Strafzumessung
flossen u.a. die Koperationswilligkeit mit der Justiz, die Rädelsführerschaft,
die Abkehr von militanter Politik, das Lebensalter und ein bundesanwaltschaftlich
selbstgebasteltes Persönlichkeitsprofil der TäterIn ein. Die Haftbefehle
seien aufzuheben, u.a. weil diese Angeklagten inzwischen in die
Mitte unserer bürgerlichen Gesellschaft zurückgefunden hätten.
Am Do., den 18.12., wird der Prozess mit dem ersten Plädoyer der
Verteidigung um 9:15 Uhr fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
157. Prozesstag: 05.12.2003
Pausenclown: Plädoyer der Bundesanwaltschaft hat begonnen
Erneut wurden von der Verteidigung Beweisanträge gestellt und Gegendarstellungen
abgegeben, die - nach einer Pause (9.40-11.10 Uhr) - von der Bundesanwaltschaft
negativ kommentiert und - nach einer Pause (11.20-11.40 Uhr) - entsprechend
vom Senat abgelehnt wurden (so auch alle vom gestrigen Prozesstag);
keine einzige beantragte Zeugenbefragung wurde zugelassen.
Nach einer Pause (11.45-12.05 Uhr) beschloss die Vorsitzende Richterin
Hennig, die Mittagspause eintreten zu lassen (bis 13.00 Uhr); ssnicht
jedoch, ohne mitzuteilen, dass sie danach noch einige Dokumente
zu verlesen und dann die Beweisaufnahme zu schließen gedenke; sodann
solle die Bundesanwaltschaft (BAW) mit ihrem Plädoyer beginnen.
Bundesanwalt Bruns, der darauf verwies, sein Plädoyer würde "netto
sechs Stunden" umfassen, und er würde "lieber erst am kommenden
Donnerstag" plädieren, hatte angesichts der Widerworte der Vorsitzenden
Richterin aber "keinen Arsch in der Hose", wie ihm ein Anwalt zuwarf.
So wurde die Sitzung um 13.10 Uhr mit der Verlesung von Dokumenten
zur Mitgliedschaft des Angeklagten Rudolf S., zwei Anwesenheitslisten
von Genossenschaftssitzungen sowie - nach einer Pause (13.35-13.45)
- den Strafregisterauszügen aller Angeklagten wieder aufgenommen,
worauf der Bundesanwalt nun doch noch heute den Pausenclown geben
musste.
"Hohes Gericht, meine Damen und Herren, der Mythos der terroristischen
Organisation ‚Revolutionäre Zellen' ist verblasst, die RZ ist weitgehend
von selbst dahingeschieden", mit diesen Worten begann Bundesanwalt
Bruns sein Plädoyer. Das Ende der RZ habe zum einen an "der personeller
Überalterung", vor allem aber daran gelegen, dass "die RZ ihren
Auftrag, viele Revolutionäre Zellen zu schaffen und massenhaft Widerstand
zu organisieren", nicht habe umsetzen können; sie habe es nicht
geschafft, "Nachwuchs rekrutieren" zu können. Das zeige sich bereits
bei Tarek Mousli, dieser habe auch nichts mit "der Plattitüde vom
Verrat" zu tun, sondern sei vielmehr das "Symbol für das Versagen
der Stadtguerilla."
In den verbleibenden etwa 30 Minuten beschwerte sich Bruns sodann
über die fehlende Bereitschaft der Angeklagten, (mit ihm) über die
politischen Überzeugungen und die ideologische Aufarbeitung der
RZ zu diskutieren. Statt "das Wagnis der historischen Aufarbeitung
einzugehen", hätten sich die Angeklagten mit Unterstützung ihrer
Anwälte "wie eine Autoschieberbande verhalten" und lediglich "opportunistisch
taktiert."
Umfangreich und zustimmend zitierte Bruns sodann aus dem im Internet
dokumentierten Papier des, so Bruns, "in Sachen Terrorismus ja nicht
gerade unerfahrenen Klaus Viehmann", der richtig geschrieben habe,
dass die Angeklagten "auf eine politische Dimension" in diesem Verfahren
verzichtet hätten. Wenn es sich aber, so der Bundesanwalt, "bei
den RZ um mehr als um eine Erscheinungsform von Organisierter Kriminalität
gehandelt haben soll", dann hätte es politischer Erklärungen bedurft.
Dafür seien auch die Voraussetzungen angesichts "einer - nennen
wir es mal - politisch interessierten Öffentlichkeit" gegeben gewesen
und "angesichts von anwesenden Bundestagsabgeordneten und Vertretern
internationaler Menschenrechtsorganisationen" habe es ja durchaus
"auch ein Forum" gegeben. Doch, so Bruns, "selbst denjenigen Angeklagten,
die Einlassungen gemacht haben, war nicht daran gelegen, über empfangene
Huldigungen der interessierten Öffentlichkeit hinaus, Stellung zu
beziehen." Aus ihrer "bürgerlichen Idylle", in der sie sich eingerichtet
hätten, wollten sie nicht mehr hinaus; so haben die Einlassungen
der Angeklagten zu ihren Taten (bei ihm) nicht einmal den Eindruck
"einer Jugendsünde", sondern lediglich den Eindruck eines "peinlichen
Irrtums" hinterlassen.
Sodann setzte Bruns sich mit der - offenbar wieder von einer interessierten
Öffentlichkeit kolportierten - "Losung vom Terroristenprozess" und
dem "Senat als willfährigem Erfüllungsgehilfen der Bundesanwaltschaft"
auseinander. Diese Haltung der Angeklagten haben sich die Anwälte,
so Bruns, teilweise zu Eigen gemacht und dabei "mit zum Teil unerträglichen
Anwürfen gegen den Senat" gearbeitet. Von der Klage vor dem Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof und dem "Anwurf rechtsstaatswidriger Anklagen"
werde "nichts übrig" bleiben; wenn von Verteidigung und Angeklagten
trotzdem an dieser Formulierung und Haltung festgehalten wird, dann
sei der Grund dafür, "die mögliche Verurteilung der Angeklagten
als Willkürurteil darstellen zu können."
Zwar habe es Fehler und Pannen auf allen Seiten gegeben, "auch
auf Seiten der Bundesanwaltschaft", so Bruns, "das ist einzugestehen".
Von absichtsvollen Unterschlagungen und dergleichen mehr könne aber
keine Rede sein. Der "seitens der interessierten Öffentlichkeit"
gemachte Vorwurf des "unbedingten Verfolgungswillens" der Bundesanwaltschaft
liege "nicht nahe"; vielmehr sei Strafverfolgung bei Schusswaffengebrauch
und Sprengstoff - unabhängig von politischen Richtungen - notwendig.
Abschließend wandte sich Bruns der "Kronzeugenproblematik" zu,
die zwar "formal keine Anwendung fand." Es sei "aber nicht zu verkennen,
dass für Tarek Mousli ein starkes Motiv bestand, ein Geständnis
abzulegen." Die Aussage sei "aber daher nicht als unverwertbar anzusehen",
vielmehr sei die Aussage für Mousli mit vielen biographischen Brüchen
verbunden und stelle bedeutende Einschnitte für sein weiteres Leben
dar. "Angesichts einer Alimentierung auf Sozialhilfeniveau" sei
von finanziellen Anreizen nicht auszugehen. Gleichwohl seien seine
Vorwürfe mit besonderer Sorgfalt geprüft worden, und die Aussagen
von Tarek Mousli hätten sich in wesentlichen Punkten bestätigt.
Es gehe darum, dass von den Angeklagten kriminelles Unrecht begangen
wurde, "und sie werden sich dafür zu verantworten haben."
Zusammengefasst: Bundesanwalt Bruns vermisst die politische und
ideologische Auseinandersetzung sowie Aufarbeitung der Geschichte
der RZ, ist offensichtlich einer Meinung mit Klaus Viehmann und
offenbar auch für die Erhöhung der Sozialhilfe auf 2.400 DM (ca.
1.200 Euro) monatlich plus Pkw und regelmäßig bezahlter Telefonrechnung.
In Sachen Beweisausführungen wird es in der nächsten Woche kleinlauter
zugehen.
Bruns bat hier, seine wegweisenden Ausführungen vorerst beenden
zu dürfen; der Prozess wird mit der weiteren Verlesung des Plädoyers
durch die Bundesanwaltschaft am kommenden
Donnerstag, 11. Dezember 2003 um 9.15 Uhr fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
156. Prozesstag: 4.12.2003
Für die einen Prozessverschleppung, für die anderen ein kapitaler
Verfahrensverstoß
Laut Bundesanwaltschaft (BAW) und dem Senat fußten
der Haftbefehl gegen den Angeklagten Axel H. und der Durchsuchungsbeschluss
für den Mehringhof im Dezember 1999 auf nicht beweisbare Behauptungen
bzw. eine missverständliche Beweislage (vgl. 154. Prozesstag).
Jedenfalls soll es keine Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli
aus dieser Zeit geben, in der er davon gesprochen habe, dass im
Mehringhof der Sitz eines ominösen "Koordinierungsausschusses"
war, der Gelder an aktive und untergetauchte RZ-Militante verteilt
habe, und dem Axel H. angehört haben soll.
Für die BAW und das Gericht ist dieser Umstand nicht
weiter von Bedeutung. Anders sieht dies die Verteidigung, die
mit entsprechenden Beweisanträgen Aufklärung verlangt. Ein Beweisantrag
auf Ladung des BKA-Beamten Weidebach und Verlesung einer Seite
von www.freilassung.de der Verteidigung von Harald G. vom letzten
Verhandlungstag wurde heute jedoch nach einer entsprechenden Stellungnahme
der BAW abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet, so Bundesanwalt
Bruns, zudem zeigten die Umstände der Antragsstellung, dass es
der Verteidigung nur um Prozessverschleppung ginge. Der Senat
bezog sich in seinem ablehnenden Beschluss ausdrücklich auf die
BAW-Stellungnahme, "die er sich der Sache nach zu eigen macht",
wie das Gericht bekundete.
Die Verteidigung von Axel H. beantragte daraufhin
die Ladung von Bundesanwalt Griesbaum, der den Haftbefehl gegen
ihren Mandanten damals beim Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof
(BGH) angefordert hatte. Sollte sich dabei herausstellen, dass
der Haftbefehl auf Grund willkürlicher Mutmaßungen beantragt worden
sei, wäre damit ein schwerwiegender Verfahrensverstoß gegeben,
der einem rechtstaatlichen fairen Verfahren widerspreche. Laut
Rechtssprechung habe ein solcher Verstoß Einfluss auf die Strafzumessung.
Nach einer der zahlreichen Unterbrechungen, die
die heutige Hauptverhandlung erneut prägten, erklärte die BAW,
der Antrag sei zurückzuweisen. Er sei unbegründet und die in Beweis
gestellten Tatsachen seien aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung,
so Bundesanwalt Bruns. Ausdrücklich wies die BAW daraufhin, dass
selbst wenn ein Verfahrensverstoß vorliegen würde, dies keine
Relevanz habe, da die Behauptung, Axel H. sei Mitglied im "Koordinierungsausschuss"
gewesen, weder Eingang in die Anklage gefunden habe, noch Gegenstand
der Hauptverhandlung gewesen sei.
Dass der Haftbefehl gegen Axel H. durch unrichtige
Angaben der BAW erschlichen wurde und ein solches rechtstaatswidrige
Verhalten der Ermittlungsbehörden rechtlich relevant sei, ist
für die Verteidigung von Sabine E. zwar offensichtlich - für Bundesanwalt
Bruns ist diese Aussage allerdings eine "Unverschämtheit". Wie
dieses das Gericht sieht, erfährt man morgen, wenn der Prozess
wie gewohnt um 9.15 Uhr fortgesetzt wird.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
155. Prozesstag: 28.11.2003
Tag der Unterbrechungen
Insgesamt sieben Beratungspausen und sonstige Unterbrechungen
prägten den heutigen Verhandlungstag und ließen die reine Verhandlungszeit
mal wieder auf ca. eine halbe Stunde schrumpfen.
Zu Beginn wollte Rechtsanwalt Becker von der Vorsitzenden
Richterin wissen, ob sie in Vorbereitung des Gerichtsbeschlusses
vom 27. November mit dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof
Dr. Wolst und Bundesanwalt Monka gesprochen hätte, und ob die
Begründung des Kammergerichts, beide seien bei der Antragstellung
bzw. bei der richterlichen Ausstellung von Durchsuchungsbeschlüssen
einem Irrtum unterlegen (vgl. 154. Prozesstag), auf deren eigenen
Angaben beruhen würden. Dies wurde von der Vorsitzenden mit einem
knappen "Nein" beantwortet und ein diesbezüglicher Protokollierungsantrag
wurde ebenfalls abgelehnt.
Die Anträge vom Vortag (vgl. 154. Prozesstag) wurden
mit der zur Routine gewordenen Abfolge von bundesanwaltschaftlicher
Stellungnahme und sich darauf stützender richterlicher Ablehnung
zurückgewiesen. So wird der Zeuge Tarek Mousli keinen begleiteten
Ausflug in die Oranienstrasse machen müssen, um dort die angeblich
von ihm häufig aufgesuchte Konspirative Wohnung zu lokalisieren.
Auch der Antrag auf Vernehmung zweier BKA-Beamten zu Tarek Mouslis
Aussagen über den angeblichen "Koordinierungsausschuss", die sich
nicht in den Akten befinden, wurde vom Gericht abgelehnt.
Allerdings versuchte die Verteidigung des Angeklagten
Harald G. mit einem erneuten Antrag, den angeblich nicht auffindbaren
Aussagen Tarek Mouslis doch noch auf die Spur zu kommen. Da die
BAW sich nicht kurzfristig in der Lage sah, eine Stellungnahme
dazu abzugeben, wurde vertagt auf Donnerstag den 4.12. um 9.15
Uhr.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
154. Prozesstag: 27.11.2003
Alles nur ein Missverständnis
"Alles nur ein Missverständnis", so das Kammergericht heute,
weshalb auch der Beweisantrag der Verteidigung von Harald G. vom
letzten Verhandlungstag (vgl. 153.
Prozesstag) abgelehnt wurde, mit dem erneut einer Lüge des
Kronzeugen Tarek Mousli auf die Spur gekommen werden sollte. Mousli
hatte bei einer Vernehmungen im November/Dezember 1999 - die sich
allerdings "nicht in den hiesigen Akten befindet", so die Verteidigung
- behauptet, Axel H. sei Mitglied in einem so genannten Koordinierungsausschuss
gewesen, der Gelder an Illegale der RZ verteilt und seinen Sitz
im Berliner Mehringhof gehabt habe. Diese Aussage fand dann auch
Eingang in die Durchsuchungsbeschlüsse für die Razzia im Mehrinhof
und die Wohnung von Axel H. sowie in dessen Haftbefehl vom Dezember
1999. Kurze Zeit später hat Mousli diese Aussage revidiert, und
angegeben, der Ausschuss habe in einer WG in Berlin-Kreuzberg
getagt. Zum gleichen Thema gab es einen weiteren Beweisantrag.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) wusste heute lediglich zu berichten,
eine Aussage Mouslis zum "Koordinierungsausschuss" im Mehringhof
sei "hier nicht bekannt". So sah es auch das Gericht - "nach Recherchen
des Senats und der Bundesanwaltschaft". Bleibt also die Frage,
wie eine solche Behauptung in den Haftbefehl und die Durchsuchungsbeschlüsse
eines Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs kommt, unbeantwortet
im Raum stehen. War halt alles nur ein Missverständnis.
Da Rechtsanwalt Johnny Eisenberg heute den Beweisantrag stellte,
die Prozessbeteiligten sollten mit Tarek Mousli einen Ausflug
in die Oranienstraße machen, wo der Kronzeuge die Hausnummer 7
als Ort einer angeblichen Konspirativen RZ-Wohung identifizieren
würde, wurde gegen Mittag die Hauptverhandlung unterbrochen. Die
BAW wollte für eine Stellungnahme bis 14 Uhr Zeit haben, was aber
bei Gericht auf wenig Gegenliebe stieß.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
153. Prozesstag: 20.11.2003
Ermüdende Macht-Spielchen des Senats
Da will jemand zum Ende kommen - koste es was es
wolle. Der 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin unter Vorsitz
der ehrwürdigen Richterin Gisela Hennig machte heute erneut kurzen
Prozess mit den Beweisanträgen der Verteidigung. Aber Vorsicht,
wer jetzt meint, es habe mal wieder nur einen kurzen Prozesstag
gegeben, der/die liegt total daneben.
Bevor der Senat zur Tat schritt, kam wie gewohnt
die Bundesanwaltschaft (BAW) mit sachdienlichen Hinweisen zum
Zuge. Der Antrag der Verteidigung von Harald G. vom letzten Verhandlungstag
auf Ladung von BKA-Beamten, die bestätigen würden, dass die BAW
zeitnah über die Ermittlungsergebnissen zu der angeblichen konspirativen
Wohnung in der Kreuzberger Oranienstraße unterrichtet worden sei,
sei zurück zuweisen. (vgl. 144.Prozesstag) Bei dem Antrag handele
es sich um einen Beweisermittlungsantrag, dessen Nachzugehen die
Aufklärungspflicht nicht gebiete. Neben dieser Standardformulierung
beschied die BAW dem Antrag zudem, er sei aus der Luft gegriffen,
bloße Mutmaßung und ohne tatsächlichen Anhaltspunkt. Kein Wunder:
Waren den übrigen Prozessbeteiligten doch diese Ermittlungen erst
im März 2003 bekannt gemacht worden. An einem erneuter Nachweis
der massiven Aktenmanipulation kann der BAW wahrlich nicht gelegen
sein, also galt das Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Auch die Gegendarstellung zu einem Gerichtsbeschluss
vom 4. September und dem damit verbundenen Antrag der Anwältinnen
von Harald G. auf Ladung der Verfassungsschützer, die zwischen
April und September 2000 Gespräche mit Tarek Mousli geführt haben,
fand keine Gnade in den Augen der Bundesanwälte Bruns und Wallenta.
Die Verteidigung hatte erneut das Gericht aufgefordert, nach der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlins (vgl. Extra-Meldung
vom 18.8.2003) die Protokolle dieser Gespräche anzufordern. Zusammen
mit den zu ladenden VS-Zeugen sollte damit nachgewiesen werden,
wie der Kronzeuge mit Informationen gefüttert wurde, die er dann
bei Vernehmungen durch das BKA bereitwillig wiederkäute. Das Urteil
der BAW: "Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind für die Schuld-
und Straffrage ohne Bedeutung." Ob Mousli "Erinnerungshilfen"
erhalten habe, sei "für dieses Verfahren" nicht von Belang.
So kundig gemacht, schritt der Senat zur Verkündigung
seiner Beschlüsse. Anlass, seinen Beschluss vom 4. September zu
korrigieren, sah das Gericht nicht, da das VG-Urteil nicht rechtskräftig
sei. Das Verwaltungsgericht hatte im August die so genannte Sperrerklärung
des Bundesinnenministeriums (BMI) für rechtswidrig erklärt, durch
die weite Teile der Gesprächsprotokolle lediglich geschwärzt herausgegeben
worden waren. Das BMI hat bislang keine Rechtsmittel gegen diese
Entscheidung eingelegt, was zwar nicht so recht zur Begründung
des Senats passt, aber ihn nicht weiter stört. Die VS-Männer erklärte
das Gericht kurzer Hand zu unerreichbaren Zeugen; dass deren Namen
genannte werden würde, sei nicht zu erwarten. Außerdem sei die
Aufklärung der Frage, ob der Kronzeuge präpariert worden sei,
"aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung", denn - so die Mannen
um Frau Hennig - entspricht es der allgemeinen Erfahrung, dass
Erinnerungen wiederkehren.
Dass Mousli sich in seinem Prozess im Dezember 2001
darauf festgelegt habe, dass eine konspirative Wohnung der RZ
von Wolfgang B. in der Oranienstraße 7 oder 9 zur Verfügung gestellt
worden sei, so der Senat, sei "eine aufs gerade wohl ins Blaue
gestellte Behauptung" , deshalb: Antrag abgelehnt. Und von Aktenmanipulation
bzw. -zurückhaltung könne keine Rede sein, denn "maßgeblich ist
allein, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungsergebnisse
dem Gericht vorgelegt hat". Was macht da schon eine "Verzögerung"
von zwei Jahren.
Doch die Verteidigung lässt sich nicht entmutigen.
Die Anwältinnen von Harald G. legten gleich mit zwei weiteren
Beweisanträgen nach. In dem einen wurde beantragt, die Ermittlungsakten
zum so genannten Koordinierungsausschuss
bei zuziehen. Laut Mousli soll dieser Ausschuss seinen Sitz im
Mehringhof gehabt haben und sei zuständig gewesen für die Verteilung
von Geldern an aktive und untergetauchte Mitglieder der Revolutionären
Zellen. Diese Aussage fand Eingang in den Haftbefehl für Axel
H. und in den Beschluss zur Durchsuchung des Mehringhof im Dezember
1999. Später wurde Mousli vom VS der Tipp gegeben, sich vielleicht
nicht so sehr auf das Alternativzentrum in Kreuzberg, sondern
besser auf eine WG in der Skalitzer Straße im selben Bezirk zu
kaprizieren. Eingang in das Verfahren hat dieser Umstand bislang
nicht gefunden; da die Ermittlungen andauerten, wurden entsprechende
Akten nicht überreicht. In den Augen der Verteidigung ein weiterer
Beweis, dass "mit Kalkül die Angeklagten entlastende Ermittlungen
in Strukturakten abgelegt" wurden.
Der zweite
Antrag handelte mal wieder von dem Sprengstoff, der in Mouslis
Keller eine Woche gelagert gewesen sein soll, bevor er von zwei
Kleinkriminellen 1995 geklaut wurde. (vgl. 59. Prozesstag) 1998
wurden durch entsprechende Wischproben aus dem Keller Rückstände
von gewerblichen Sprengstoff nachgewiesen. Ob hier alles mit rechten
Dingen zu ging, will die Verteidigung in Erfahrung bringen, zumal
es in den Jahren 1995 und 1996 zu Überschwemmungen durch Rohrbruch
in den Keller gekommen ist. Nach der Überschwemmung des Kellers
dürften, so die Verteidigung, allerdings schwerlich im Jahr 1998
aus einer einwöchigen Lagerung im Jahr 1995 Rückstände nachweisbar
gewesen sein.
An dieser Stelle wurde die Hauptverhandlung unterbrochen.
Ein Blick auf Uhr verriet, es war 10.29 Uhr. Weiter gehen sollte
es um 15 Uhr. Der Senat hoffte, dass die BAW dann ihre Stellungnahmen
zu den beiden Anträgen abgegeben könnte. Diese hatte aber schon
mal vorsorglich angedeutet, bei ihr könne es länger dauern, werde
ihr doch zum wiederholten Male doppelte und dreifache Aktenführung
vorgeworfen und deshalb müsse man erst mal in die Akten schauen.
Aber das Gericht wollte nicht hören, sondern sich die Freude machen,
die Angeklagten ein bisschen zu schikanieren. Also ging es um
15 Uhr weiter. Der Senat erklärte sich flugs für sachkundig genug,
um die Frage beurteilen zu können, ob nach drei Jahren, zwei Überschwemmung
und bei einwöchiger Lagerung von Sprengstoff in einer Tasche,
die auf Kisten abgelegt war, Bestandteile von gewerblichem Sprengstoff
auf dem Kellerboden nachgewiesen werden kann. Bei dem zweiten
Antrag wurde des Senat von der BAW allerdings im Stich gelassen.
Sie hatte die entsprechende Fundstelle in den Akten auch nicht
herausbekommen. Also erfolgte um 15.14 Uhr eine erneute Unterbrechung
der Hauptverhandlung. Erst gegen 16.30 Uhr sah sich der Senat
gemüßigt, der Sache ein Ende zu setzen. Nachdem die BAW zugesichert
hatte, sie könne die Akten bis morgen um 11 Uhr beschaffen, vertagte
sich das Gericht. Es war 16.32 Uhr. Verhandlungsdauer brutto:
sieben Stunden, netto: 56 Minuten. Und da sage noch einer, dieses
Gericht lege sich nicht ins Zeug.
Der Prozess wird morgen, Freitag, 21. November,
um 11 Uhr fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
152. Prozesstag: 14.11.2003
Bald Schluss mit lustig?
Das Kammergericht will die Beweisaufnahme zügig
beenden. Nächste Woche könnten bereits die ersten Plädoyers gehalten
werden. Diese Absicht unterstrichen heute die RichterInnen durch
postwendend erlassene Ablehnungsbeschlüsse von Beweisanträgen
der Verteidigung, wie in einem Schnellverfahren. Der Antrag von
RAin Lunnebach sollte die Hypothese der Bundesanwälte (BAW) erschüttern,
der angeblich in Salzhemmendorf entwendete Sprengstoff Gelamon
40 sei ausschließlich bei den vermuteten Anschlägen der sogenannten
RZ verwendet worden. RAin Würdinger wollte durch eine Zeugenaussage
beweisen, dass der Kronlügner Mousli bei seinen Angaben über Herkunft
und Verwendung von größeren Geldbeträgen seinem Namen alle Ehre
gemacht hat. Beides Mal entschied das Gericht, jeweils auf Vorlage
der BAW, die Beweiserhebung sei aus tatsächlichen Gründen nicht
erforderlich. Zwei weitere Anträge der Verteidigerin des Angeklagten
Harald G. folgten. Einer zielte auf die Behauptung des Tarek Mousli
zu einer angeblich existierende Konspirativen Wohnung in der Oranienstr.
in Berlin - Kreuzberg. Mit dem anderen solle bewiesen werden,
dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Aussagen des Kronlügners
bei seinen Vernehmungen vorsätzlich manipuliert hat. Die umfangreichen
und ausführlichen Begründungen der Beweisanträge brachten die
Ablehnungsrituale doch etwas ins Stocken. Jedenfalls bis Do.,
den 20.11. um 9:15 Uhr. Dann heißt es wieder, ' es ergeht der
folgende Beschluss: der Antrag der Verteidigung wird abgelehnt......'
ausführlicher Bericht
151.Prozesstag: 13.11.2003
Über das "historische Verfallsdatum" des Besten
Anfangs schien sich dieser Verhandlungstag auf eine
etwas länger andauernde Verleserunde, zum Thema Auflösung bzw. Nicht-
Existenz der Berliner RZ und entsprechende Anwendbarkeit einer Regelung
des §129a StGB in einem derartigen Fall, zu beschränken, am Ende
allerdings kam noch eine Überraschung.
Den Beginn der Lesestunde machte die Angeklagte Sabine
E. mit einer längeren Erklärung, in der sie der Stellungnahme der
Bundesanwaltschaft (BAW) vom 30. Oktober (vgl. 149. Prozesstag)
ihre eigene Interpretation über den Inhalt und die Zielsetzung des
Papiers "Das Spiel ist aus. Anmerkungen zur Geschlechterdifferenz"
(auch unter dem Titel "Was ist das Patriarchat" bekannt) entgegen
zu setzen versuchte. Im Kern ging es darum, noch einmal zu betonen,
wie sehr sie und ihr Ehemann Rudolf Sch. sich bereits 1987, nach
dem Knieschussattentat auf den Asylrichter Dr. Korbmacher, für die
Auflösung der RZ eingesetzt haben, deren "historisches Verfallsdatum"
sie damals schon erkannt hätten.
"Ich habe mein Bestes getan und wir sind nicht für
Leute verantwortlich, die partout nicht aus ihrem sozialrevolutionären
Denkschema herauskamen." Ob ihre philosophischen Ausführungen zur
Geschlechterdifferenz und ihr historischer Ausflug in die Zeit der
Aufklärung im 17. und 19. Jahrhundert, um nur einige Beispiele zu
nennen, den Adressaten, die BAW und das Kammergericht, erreicht
haben und entsprechend honoriert werden, dürfte allerdings sehr
zweifelhaft sein.
Der Angeklagten Sabine E. folgte als Vorlesender
ihr Verteidiger Rechtsanwalt Nicolas Becker, der in, für dieses
Gerichtsverfahren ungewöhnlich selbstkritischer Art, feststellte,
"alle Verfahrensbeteiligten müssten eigentlich ehrlicherweise ein
peinliches Versehen eingestehen, nämlich dass sie die Norm des §129
Abs. 6 letzter Satz StGB mit ihrem Verweis auf §129a StGB übersehen
haben ... Erst der Beschluss des OLG Naumburg , die anschließende
aufgeschreckte Reaktion BA Griesbaums sowie die letztlich bloß dialogische
Zwischenentscheidung des BGH haben den §129 Abs. 6 auf die Tagesordnung
gesetzt." (vgl. Stellungnahme von heute) Ergänzend zu den philosophischen
Ausführungen seiner Mandantin versuchte RA Becker die BAW und deren
Interpretation des §129a mit einer ausführlichen juristischen Argumentation
zu widerlegen und insbesondere auf den "optimalen Einsatz" seiner
Mandantin für eine Auflösung zu verweisen.
Als nächstes verlas RA Dr. Stefan König den Antrag
als Sachverständigen Prof. Dr. Herfried Münkler zu laden, der aus
der Analyse des Textes "Das Spiel ist aus" zur Schlussfolgerung
kommen werde, dass der Text sich sehr deutlich von anderen RZ-Papieren
unterscheiden würde und nur als ein "Auflösungspapier" bewertet
werden könnte. Die allgemeine Vorlesestunde wurde dann fortgesetzt
durch Richter Alban, der verschiedene RZ-Diskussionstexte aus dem
Jahre 1992 vortragen durfte. Angefangen von "Wenn die Nacht am tiefsten
... ist der Tag am nächsten" über "Tendenz für eine internationale
soziale Revolution" bis zu "Wir müssen so radikal sein, wie die
Wirklichkeit" sowie der dazugehörigen Vorbemerkung aus den "Früchten
des Zorns". (alle Texte sind unter www.freilassung.de nachzulesen)
Auch die Erklärung von RZ zu den Anschlägen 1993 auf Bundesgrenzschutz-Einrichtungen
in Frankfurt/Oder und Rothenburg mussten sich die Prozessbeteiligten
noch anhören. Danach attestierte die BAW den Richter dieses Strafsenats
noch genügend Sachkunde in Sachen RZ, die sie in immerhin 150 Verhandlungstagen
gewonnen hätten, weswegen der heutige Antrag auf Ladung eines Sachverständigen
abzulehnen sei. Ob die BAW an einem Verhandlungstag gefehlt hat
oder schlicht nicht richtig zählen kann, wurde von OstA Bruns nicht
beantwortet, da selbst der Senat auf 151 Verhandlungstagen bestand.
Die ruhige Vorlesestimmung wurde jäh unterbrochen,
als die Vorsitzende für alle überraschend ihr Vorhaben ankündigte,
den heutigen Verhandlungstag für zwei Stunden zu unterbrechen, danach
Beschlüsse zu verkünden und am morgigen Freitag noch diverse Schriftstücke
zu verlesen, um damit die Beweisaufnahme abzuschließen.
Vorschläge von RA Johnny Eisenberg, die Beschlüsse
doch vielleicht erst morgen zu verkünden, um damit ein Wiedererscheinen
am heutigen Tag überflüssig zu machen, wurden in der bekannt charmanten
Art der Vorsitzenden ("Das wird heute gemacht") und mit der ihr
eigenen überzeugenden Argumentationsweise ("Ich muss das nicht begründen")
beschieden.
Also wurden dann nach zwei Stunden Mittagspause noch
zehn Minuten lang drei Beschlüsse verlesen, bevor das Ende für den
heutigen Verhandlungstag verkündet wurde. Der Antrag des RA König
wurde mit dem Verweis auf die Sachkunde des Senats abgelehnt, der
Antrag von RA Eisenberg hinsichtlich der Anwendung eines persönlichen
Strafaufhebungsgrundes nach §129a Abs. 5 i.V.m. §129 Abs. 6wurde
abgelehnt, da die Einlassung der Angeklagten nicht geeignet seien,
"ein auf das Nichtfortbestehen der Berliner RZ zielendes freiwilliges
und ernsthaftes Bemühen zu belegen". Der ebenfalls auf die Strafaufhebung
nach §129a zielende Antrag von RA Kaleck wurde ebenfalls abgelehnt,
da "es der Beurteilung des Senats (unterliegt), ob den Angeklagten
der Strafaufhebungsgrund nach §129a zur Seite steht. Die Auflösung
der Berliner RZ oder Einstellung ihrer Aktivitäten allein sagt darüber
ohnehin nichts aus".
Der Prozess wird morgen, Freitag, 14. November, zur
gewohnten Stunde (9.15 Uhr fortgesetzt).
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
150. Prozesstag: 06.11.2003
RZ eine 'Schläfer'- Vereinigung?
Mit einer Lehrstunde zur Geschichte der Revolutionären Zellen aus
Sicht des Verfassungsschutzes entledigte sich heute das Kammergericht
seiner Sachaufklärungspflicht. Schließlich ist in den §§ 129 u.
129a eine Strafaufhebung vorgesehen, wenn die inkriminierte Terroristische
Vereinigung sich bereits aufgelöst hatte.
Von einem diesbezüglichen Beschluss des OLG Naumburg und entsprechenden
Anträgen der Verteidigung offensichtlich aufgeschreckt, wurde aus
Berichten des Bundes- bzw. des Landesamtes (Berlin) für Verfassungsschutz
der Jahre 1992 bis 1998 zitiert. Die Berliner VerfassungsschützerInnen
ordneten im Juni 1991 einen letzten Anschlag den RZ zu. Danach folgten
ausschließlich Mutmaßungen über die weitere Existenz dieser Gruppierung.
Der TäterInnenkreis wäre ohnehin schwierig einzugrenzen bei diesem
'Feierabendterrorismus', jammerten die ErmittlerInnen. Offenbar
zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze wurde gebetsmühlenartig bis 1996
über ein weiterhin bestehendes theoretisches Gefährdungspotenzial
fabuliert.
Das Bundesamt will ebenfalls eine grundlegende Konzeptdiskussion
seit 1992 bei den RZ verfolgt und Kenntnis von einem Auflösungsbeschluß
haben. Aber erst 1994, mit einem Anschlag auf einen Fahrkartenschalter
in Frankfurt/M., wurden den RZ bzw. sogenannter 'Nachahmer- oder
Resonanzgruppen' die letzte Aktivität zugeordnet.
Abschließend reagiert RA Kaleck auf eine Stellungnahme der Bundesanwälte
(BAW) vom vorangehenden Verhandlungstag. Das bereits oben erwähnte
Urteil mag der BAW in ihrem unbedingten Verurteilungswillen hinderlich
sein, doch das dürfe kein Grund sein, diese erste richterliche Entscheidung
zur Strafaufhebung und die Schlußfolgerungen für dieses Verfahren
schlichtweg zu ignorieren.
Nächste Verhandlung: Do., 13. November 2003 um 9:15 Uhr.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
149. Prozesstag: 30.10.2003
Gesinnungsjustiz in Reinform
"Hoher Senat, meine Damen und Herren", so förmlich hob Bundesanwalt
Bruns heute an, als er die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft
(BAW) zu den Beweisanträgen der Verteidigung vortrug, mit denen
der Frage nachgegangen werden soll, ob nach Auflösung der RZ überhaupt
eine Verurteilung der Angeklagten nach §129a möglich ist. Man war
also vorgewarnt - und das war auch gut so, denn was folgte, war
eine absurde Textexegese der BAW, mit dem alleinigen Ziel die andauernde
Gefährlichkeit der "Revolutionären Zellen" im allgemeinen und der
Angeklagten im besonderen Jahre nach dem letzten Anschlag der RZ
und der Anfang der 1990er Jahre geführten Auflösungsdiskussion zu
belegen.
Obwohl alle Welt davon ausgeht, dass die "Revolutionären Zellen"
Geschichte sind, und selbst in der Anklage zum hiesigen Prozess
von der "Selbstauflösung der 'Berliner Zelle' im Jahre 1995" die
Rede ist, wurde diese "gesicherte Lebenserkenntnis" nach mehr als
eineinhalb Jahren zum Gegenstand der Hauptverhandlung - aus gutem
Grund (s.u.). Um aus "berufenen Mund" eine Bestätigung für die erfolgte
Einstellung der Aktivitäten in Berlin zu erhalten, beantragte die
Verteidigung die Ladung u.a. des Berliner Innensenators, des Präsidenten
des Bundesamtes für Verfassungsschutzes bzw. des Berliner Verfassungsschutzes
sowie von verschiedenen, zum Teil noch aktiven Leitern des polizeilichen
Staatsschutzes und anderer Dienste. (vgl. 146. und 148. Prozesstag)
Für die BAW, so war heute zumindest den Ausführungen von Bundesanwalt
Bruns zu entnehmen, ist allerdings die "unter Beweis gestellte Tatsache
(also die Auflösung der Berliner RZ) ohne Bedeutung". Vor dem Hintergrund
einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg eine durchaus
gewagte These. Hatten doch die Naumburger Richter im August in einer
Haftsache doch entschieden, dass die drei zur Zeit wegen "Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung" vor Gericht stehende Magdeburger
Antifaschisten nicht nach §129a zu verurteilen seien, da sich die
unterstellte Vereinigung bereits aufgelöst habe und seit geraumer
Zeit nicht mehr in Erscheinung getreten sei. Der/die JuristIn spricht
hierbei von einem "persönlichen Strafaufhebungsgrund". Der Bundesgerichtshof
hob zwar den Beschluss des OLG Naumburg auf, allerdings nur, weil
er die zweifelsfreie Auflösung in der Beweisaufnahme festgestellt
sehen wollte.
Einen "persönlichen Strafaufhebungsgrund" sah Bundesanwalt Bruns
also für die Angeklagten im RZ-Verfahren nicht gegeben, und in Richtung
des Senats mahnte er an, diese Schlussfolgerung dürfe auch "keinesfalls
gezogen werden". Und warum? Nach "herrschender und zutreffender
Meinung", so jedenfalls Bruns, sei Voraussetzung für einen Strafaufhebungsgrund,
das "freiwillige und ernsthafte Bemühen" und die "aktive Verhinderungstätigkeit
des Täters". Bezeichnend, dass er im weiteren - entgegen üblicher
Gepflogenheit - keine einzige Kommentierung zur Illustration und
Unterfütterung seiner Behauptung anführte, wenn auch kaum verwunderlich,
fällt diese doch mehrheitlich ganz anders aus. (vgl. Antrag der
Verteidigung von Matthias B.) Weder eine "qualifizierte, aktive
Verhinderungstätigkeit, die zumindest subjektiv optimal sei muss",
sah Bruns bei den Angeklagten, noch habe die Beweisaufnahme Anhaltspunkte
gegeben, "dass einer der Angeklagten nach §129a Abs.5 i.V.m. §129
Abs. 6 ernsthafte Aktivitäten entwickelt hat".
Was tun, wenn man die unumstößliche Tatsache, dass die RZ seit
Jahren nicht mehr aktiv sind, nicht einfach aus der Welt schaffen
kann? Was tun, wenn die "Beseitigung des durch eine terroristische
Vereinigung bewirkten hohen Gefährlichkeitspotentials" (OLG Naumburg)
längst eingetreten ist und somit der Strafaufhebungsgrund greift?
Man behauptet einfach dreist das Gegenteil, so auch Bundesanwalt
Bruns für die Zeit nach dem Ausstieg von Sabine E. und Rudolf Sch.:
"Die Berliner RZ hat mit dem personellen und sachlichem Bestand
weiter gewirkt." Sabine E., Rudolf Sch. und Matthias B. hätten sich
nie von militanter Politik distanziert, ihr Verhalten sie lediglich
"ein persönliches Zurückgehen in die Legalität". Die Erklärung von
Rudolf Sch., dass von Sabine E. Ende der 1980er Jahre verfasste
Papier "Was ist das Patriarchat" sei eine Abrechnung mit Konzepten
militanter Politik und dokumentiere einen "grundsätzlichen Perspektivenwechsel",
sei nicht glaubhaft. (Die Prozessbeteiligten hatten im Anschluss
an die Ausführungen der BAW die Gelegenheit, sich von diesem Papier
selbst ein Bild zu machen - dank des besitzenden Richters Hanschke,
der zum Vorlesen verdonnert worden war.) Fleißig hatte Bundesanwalt
Bruns für seine Stellungnahme die Papiere aus dem RZ-Zusammenhang
studiert, die Anfang der 1990er Jahre erschienen sind und den Auflösungsprozess
nach außen hin dokumentierten. Auf Grund seiner Lektüre kam er zu
der Einschätzung, dass Papier von Sabine E. hätte ganz im Gegenteil
den Anstoß zu einer neuen RZ-Kampagne geben sollen. Zwar hat es
nie eine anti-patriarchale RZ-Kampagne gegeben, was ja - wenn diese
Interpretation einer "radikalen Neubestimmung" zutreffen sollte
- wiederum ein Indiz für die erfolgte Auflösung wäre, doch solche
dialektischen Feinheiten interessieren einen Bundesanwalt nicht,
gibt es da ja immer noch den Kronzeugen, auf den man sich in der
Not stützen kann. Und so wurde flugs noch eine entsprechende Aussage
Tarek Mouslis aus dem Hut gezaubert.
Und weil die Lage für die BAW ernst ist und viel auf dem Spiel
steht, fehlt in den Ausführungen auch nicht der Verweis auf das
Knieschussattentat auf den Verwaltungsrichter Dr. Korbmacher 1987,
lies: der Appell an den Senat zur Klassensolidarität, zumal das
Opfer ja einer aus den eigenen Richter-Reihen war. Beinahe genüsslich
zitierte Bruns aus der Anschlagserklärung, um anschließend feststellen
zu können, wer solche "Hasstiraden" zu verantworten habe, könne
nicht glaubhaft von einem zeitgleich einsetzenden "Perspektivwechsel"
reden, der dann zum Ausstieg aus der RZ geführt habe, wie es Rudolf
Sch. in seiner persönlichen Erklärung vom letzten Verhandlungstag
getan hat.
Hätte es noch eines Beweises bedurft, die Bundesanwaltschaft hätte
nicht deutlicher dokumentieren können, was für ein Verfahren sie
hier betreibt und welchen Charakter dieser Prozess hat. Die Angeklagten
sind politische Gegner, die zu bekämpfen sind, der Prozess ist ein
politischer Prozess, in dessen Zentrum die politische Gesinnung
der Angeklagten steht. Dem gemäß kann es aus Sicht der BAW Strafaufhebung
auch nur für den/die geben, der/die kapituliert und öffentlich von
seiner politischen Überzeugung abschwört.
Mit einer Entscheidung des Senats zu den Beweisanträgen der Verteidigung
ist frühestens kommenden Donnerstag (6.11.) zu rechnen. Die beiden
Verteidiger Kaleck und Becker kündigten jedenfalls eine Stellungnahme
zu den Ausführungen der BAW an, die eventuell die Zeitplanung des
Senats zunichte machen könnten. Die morgige Hauptverhandlung wurde
aufgehoben.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
148. Prozesstag: 23.10.2003
Die RZ gibt's schon lange nicht mehr
Nur auf Grund einer halbstündigen Unterbrechung - Rechtsanwalt
Eisenberg hatte sich verspätet -, wurde heute bis 10.15 Uhr verhandelt.
Erneut ging es kurz und knapp zur Sache.
Rechtsanwalt Eisenberg stellte einen Beweisantrag, der darauf abzielte,
den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und den Anfang
der 1990er Jahre amtierenden Leiter des Berliner Staatsschutzes
zu laden. Beide Herrn sollen bekunden, dass alle relevanten Sicherheitsbehörden
bereits 1991 davon ausgegangen sind, dass sich die Berliner Revolutionären
Zellen (oder Zelle?) (RZ) aufgelöst haben, und dass das so genannte
Patriarchatspapier als Auflösungspapier angesehen worden ist. Zudem
versuchte Rechtsanwalt Becker, den Senat dazu zu bewegen, eine Erklärung
abzugeben, dass auch die Kammer grundsätzlich davon ausgehe, dass
die RZ nicht mehr existiere. Doch auf den Stühlen des Senats bewegte
sich nichts.
Dafür gab Rechtsanwalt Euler im Namen seines Mandanten Rudolf
Sch. eine Erklärung
ab. In dieser erklärte Rudolf Sch. erneut, dass bei ihm und seiner
Frau Sabine E. nach dem Anschlag auf Korbmacher und mit Beendigung
der RZ-Flüchtlingskampagne ein grundsätzlicher Perspektivwechsel
eingesetzt habe. Die Pistole, die für das Attentat auf Korbmacher
benutzt worden sei, habe man in ein Tuch eingewickelt und von einer
Brücke in den Landwehrkanal geworfen. Sabine E. habe diesen Perspektivwechsel
zudem in dem von ihr 1987 verfassten Patriarchatspapier, das im
Februar 1989 veröffentlicht worden ist, umfänglich begründet. "Da
wir kein offizieller Verein waren", so Rudolf Sch., "konnten
wir keinen Auflösungsantrag stellen, um unsere Haltung zu dokumentieren.
Unser konsequent durchgehaltener Ausstieg konnte und sollte aber
genau so verstanden werden. Er ist auch so verstanden worden. Schließlich
sind die anderen uns gefolgt."
Auf die Frage, wann von der Bundesanwaltschaft eine Stellungnahme
auf den Antrag von Rechtsanwalt Kaleck vom vorhergehenden Prozesstag
zu erwarten sei, erklärte Bundesanwalt Bruns, nachdem er seinen
vorschnellen Gehilfen Walenta zurechtgewiesen hatte, die ganze Sache
sei in Vorbereitung. Man habe die für heute angekündigte Erklärung
von Rudolf Sch. abwarten wollen, um die Sache "ganzheitlich"
abarbeiten zu können. Vielleicht bringt ja diese ganzheitliche Methode
wieder mehr Spannung in den Prozess.
Der nächste Prozesstag findet am 30.10.2003 statt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
147. Prozesstag: 16.10.2003
Das Kammergericht wirkt angeschlagen...
Der Beweisantrag der Verteidigung vom letzten Verhandlungstag (146)
hat offenbar Spuren hinterlassen. Das Kammergericht hatte heute
nur Luft für eine 20minütige, kurzatmige Verlesung dreier Dokumente.
Der Antrag von RA
Kaleck vom 13.10. scheint die KammerrichterInnen doch nachhaltig
zu beschäftigen. Immerhin steht u.a. ihre gerichtliche Zuständigkeit
und die Zulässigkeit der Anklage für das gesamte Verfahren mehr
als nur in Frage. So diente die heutige Kurzlesung des Beisitzende
Richters Hanschke ausschließlich der Fristwahrung und als Atempause
in der Kammer.
Die vorgetragenen bzw. in Augenschein genommenen Schriften bestanden
z.B. aus einem vergleichenden Gutachten des Bundeskriminalamtes
von 1987. Die Ähnlichkeiten der bei den Anschlägen auf die Beamten
Hollenberg und Korbmacher verwendeten Waffen wurde untersucht. Mehr
Aufschluß bot dagegen das verlesene politische Bekennerschreiben
zu dem Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber
aus dem selben Jahr. Die damalige Asyl- und Abschiebepolitik wird
darin beschrieben, wie auch die mangelhafte Versorgung der Asylsuchenden
in Zusammenarbeit mit dem DRK. Der Vereinsregisterauszug der Forschungsstelle
für Flucht und Migration e.V. aus dem Jahr 1995 bildete den trefflichen
Abschluß.
Einen ausführlichen Bericht wollen wir heute niemanden zumuten.
Nächster Auftritt: Donnerstag, der 23.10., um 9:15 Uhr
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
13.10.2003: 146. Prozesstag:
RZ war bereits aufgelöst - Kammergericht daher gar nicht zuständig
Am heutigen Prozesstag wurden zwei Anträge verlesen und die Umhüllungen
des in Kempen gefundenen Sprengstoff Gelamon 40 in Augenschein genommen.
Bundesanwalt Wallenta verlas den Antrag der Bundesanwaltschaft
(BAW), den Antrag der Verteidigung Borgmann vom 2. Oktober 2003
zurückzuweisen; die Verteidigung hatte gefordert, Zeugen zu laden,
um klären zu lassen, ob es sich bei dem am 1. Mai 1998 in Kempen
gefundenen Sprengstoff um denjenigen handele, der am 25. August
1999 im Berliner Seegraben gefunden wurde.
Die Inaugenscheinnahme der von der BAW Sprengstoffumhüllungen ergab,
dass drei die Chargennummer 00573-3 trugen, zwei weitere zwar unleserlich
seien, aber sicher ausgeschlossen werden könne, dass es sich um
eine Nummer mit der Endziffer "1" handele. Mithin könne, so das
Kammergericht nach einer Beratungspause von 25 Minuten, ausgeschlossen
werden, dass es sich bei dem Sprengstoff aus Kempen um eben jenem
aus dem Berliner Seegraben gehandelt habe, der erst nach mehreren
Versuchen dort "gefunden" wurde; die Klärung war notwendig geworden,
nachdem der als Zeuge vernommene Bunddesanwalt Griesbaum nicht ausschließen
konnte, dass es sich um die Endziffer "1" gehandelt habe.
In einem weiteren umfangreichen Antrag (siehe hier),
der auf einem Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) in einer
anderen Strafsache beruht, beantragte der Verteidiger Wolfgang Kaleck
die Ladung zweier weiterer Zeugen. Der Berliner Innensenator Ehrhart
Körting und Claudia Schmid, Leiterin der Abteilung II des Berliner
Landesamtes für Verfassungsschutz seien "als sachverständige Zeugen
zu laden und zu vernehmen und zwar zum Beweis der Tatsache, dass
die Berliner Sicherheitsbehörden sichere Erkenntnisse darüber haben,
dass sich die 'Berliner Zelle' der 'Revolutionären Zellen' spätestens
im Jahre 1995, möglicherweise sogar früher, selbst aufgelöst hat."
Das Kammergericht, sichtlich überrascht von diesem Antrag, wird
nun zunächst entscheiden müssen, ob es diesem Antrag in höchst heikler
Sache zustimmt. Die Vernehmung der beiden "sachverständigen Zeugen",
könnte letztlich dazu führen, dass das Kammergericht irrtümlich
die Zuständigkeit für dieses Verfahren gehabt hat, denn eine Anklage
wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" wäre
nach Auffassung des OLG Naumburg nach Auflösung einer solchen Organisation
gar nicht möglich gewesen - völlig unabhängig davon, so die Verteidigung,
ob man den unglaubwürdigen Äußerungen des Kronzeugen Mousli Glauben
schenke oder nicht.
Die meisten VerteidigerInnen schlossen sich dem Antrag an, Rechtsanwalt
Becker kündigte für seine Mandantin einen eigenständigen Antrag
an, der sich insbesondere auch mit der Frage auseinandersetzen werde,
ob überhaupt bis 1995 eine "Berliner Zelle" habe bestehen können.
Der Prozess wird am Donnerstag, 16. Oktober um 09.15 Uhr fortgesetzt,
der darauffolgende Freitag (17.10.) ist aufgehoben.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
02.10.2003: 145. Prozesstag:
Sehr langes Wochenende und ein Vorschlag...
Am heutigen, recht regnerischen Prozesstag erklärte die Vorsitzende
Richterin am Kammergericht, Gisela Hennig, sie habe die Schnauze
voll; was damals eigentlich wirklich passiert sei, interessiere
sie ohnehin nicht und, ehrlich gesagt, aus diesem Quatsch von Deutscher
Einheit am 3. Oktober sollte man wenigstens ein langes Wochenende
machen. Für heute sei Schluss, und am Montag, 13. Oktober würde
sie die ganze Geschichte hier einstellen. Wer Lust habe, könne um
14.00 Uhr kommen, sie würde kochen: Bis dahin bleibe der Laden hier
dicht.
Na ja, so war es nicht, sondern:
Der Beisitzende Richter Hanschke musste den Beschluss des Kammergerichts
verlesen, dass die Anträge der Verteidigung Glöde (siehe hier)
und Schindler vom 18. September 2003 , die sich auf Mouslis Lügen
in Zusammenhang mit seinem Finanzgebaren bezogen, abgelehnt werden,
weil das Gericht keinen Bezug zu fehlender Glaubwürdigkeit des Kronzeugen
Mousli erkennen könne (5 Minuten).
Hennig verlas sodann ein Schreiben von Rechtsanwalt Kliesing, der
den in kanadischer Auslieferungshaft sitzenden Lothar Ebke in Berlin
vertritt; danach werde Lothar umfassend von seinem Aussageverweigerungsrecht
nach § 55 StPO Gebrauch machen (2 Minuten).
Die Verteidigung Borgmann stellte sodann den Antrag, im Zusammenhang
mit einem Sprengstofffund in Kempen am 1. Mai 1998 verschiedene
Zeugen, unter ihnen auch den ehemaligen Bundesanwalt Krantz, zu
laden. In Kempen waren bei der Durchsuchung einer Ladenwohnung fünf
Patronen Gelamon 40 gefunden worden, die - nach Aussagen von Bundesanwalt
Griesbaum am 25. September 2003 vor dem Berliner Kammergericht -
dieselben Chargennummern hatten, wie die erst am 25. August 1999
im Berliner Seegraben gefundenen 24 Patronen Sprengstoff. Zu klären
wären also dringend die Widersprüche (4,5 Minuten).
Die Vorsitzende Richterin beendete den heutigen Termin und vertagte
(0,5 Minuten).
Nach 12 Minuten war damit der heutige Prozesstag beendet. Weiter
geht es am Montag, 13. Oktober, 14.00 Uhr im Kammergericht (Geschirr
nicht vergessen, wg. Sicherheit und so, bitte Plastikbesteck!)
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
25.09.2003: 144. Prozesstag
Bundesanwalt Griesbaum macht keine gute Figur
Der bislang wohl längste Prozesstag in diesem Jahr (die Hauptverhandlung
dauerte bis gegen 13.00 Uhr) stand ganz im Zeichen der Befragung
von Bundesanwalt Griesbaum. Mit einer erweiterten Aussagegenehmigung
des Generalbundesanwalts ausgestattet - die ihn allerdings wie am
letzten Verhandlungstag nicht daran hinderte, immer wieder die Beantwortung
von Fragen mit Verweis auf diese Genehmigung zu verweigern - äußerte
er sich zu den Ermittlungen zu den vom Kronzeugen Tarek Mousli in
der Oranienstraße behaupteten Konspirativen Wohnungen (KW) und zu
einem Sprengstofffund in Kempen (NRW) im Mai 1998, der nur durch
Zufall den Prozessbeteiligten bekannt geworden war. Bei beiden Punkten
zeigte sich Griesbaum wenig aussagefreudig. Immer wieder wurde die
Befragung von Erörterungen um den Umfang der Aussagegenehmigung
unterbrochen.
Ob Mousli mit den Ermittlungsergebnissen des BKA zu den KW in der
Oranienstraße konfrontiert wurde, wusste der Bundesanwalt nicht
zu sagen. Auskunft konnte er auch nicht darüber geben, warum ein
entsprechender Vermerk zu diesen Ermittlungen vom 10. April 2001
nicht zu den Verfahrensakten gelangt ist. Die Erklärung von Bundesanwalt
Bruns, diese "fehlerhafte Handhabung des BKA", stehe u.a. im Zusammenhang
mit den immerhin fünf Monate später eingetretenen Anschlägen vom
11. September 2001 - , hielt er allerdings auch heute noch "für
nachvollziehbar".
Zum Sprengstofffund äußerte sich der Referatsleiter der Bundesanwaltschaft
(BAW) ebenfalls nur sehr zögerlich - vor allem verweigerte er alle
Aussagen, die sich konkret auf Ermittlungsschritte bezogen. So schilderte
er zwar detailliert die Herkunft und den Verbleib des Sprengstoffes
- so die entsprechende Formulierung des Beweisthemas, legte es allerdings
sehr eng aus: Herkunft - Sprengstoff der Sorte Gelamon 40, der aus
einem Diebstahl in Salzhemmendorf 1987 stammen soll. Verbleib: Weil
"handhabungsunsicher" kurz nach dem Fund vernichtet. Mehr war aus
ihm nicht herauszuholen. Und warum dieser Sprengstofffund nirgendwo
in den Verfahrensakten auftaucht, dazu konnte er natürlich auch
nichts sagen.
Weil "die in Beweis gestellten Tatsache ohne Bedeutung" seinen,
beantragte seine Kollegen die Beweisanträge der Verteidigung von
Rudolf Sch. und Harald G. vom letzten Verhandlungstag abzulehnen.
Am Ende der Hauptverhandlung gab die Vorsitzende Richterin Gisela
Hennig bekannt, dass die Verteidigung des in kanadischer Auslieferungshaft
sitzenden Lothar E. mitgeteilt habe, sie habe ihren Mandanten über
die Anfrage des Senats informiert und werde in den nächsten Tagen
mitteilen, ob Lothar E. bei einer Zeugenbefragung von seinem Aussageverweigerungsrecht
gebrauch machen werde.
Die morgige Hauptverhandlung wurde aufgehoben. Der Prozess wird
am Donnerstag, 2. Oktober, um 9.15 fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
143. Prozesstag: 18.09.2003
Finanzjongleur Mousli und ein erneut belogenes Kammergericht
Am heutigen Prozesstag waren wieder einmal die seinerzeit ermittelnden
Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft, der 55-jährige Bundesanwalt
Griesbaum und sein Kollege Monka (39), diesmal zum Thema angebliche
konspirative Wohnungen in der Kreuzberger Oranienstraße geladen.
Sie wurden zu Widersprüchen befragt, die sich aus dem Aussageverhalten
Mouslis in den vergangenen Wochen und Monaten sowie aus der fehlenden
Dokumentation polizeilich- bundesanwaltschaftlicher Arbeit ergeben
hatten, und sollten vor allem die Frage klären, von wem innerhalb
der BAW ein Ermittlungsauftrag an das Bundeskriminalamt (BKA) ergangen
war, zu angeblichen konspirativen Wohnungen in der Kreuzberger Oranienstraße
zu ermitteln. Ein solcher Auftrag, das geht aus einem im März 2003
aufgetauchten Schreiben hervor, muss bereits am 10. April 2001 erteilt
worden sein, ist aber weder dem Kammergericht noch der Verteidigung
bekannt gemacht worden, sondern diesen durch einen Zufall zur Kenntnis
gelangt.
Beide verweigerten die Aussage in Hinblick auf ihre Aussagegenehmigung,
betonten, sie könnten sich nicht erinnern oder seien nicht mehr
zuständig. Auch zu etwaigen Ermittlungsergebnissen in Hinblick auf
konspirative Wohnungen machten sie keine Angaben und waren ebenfalls
nicht bereit, dazu Stellung zu nehmen, ob die diesbezüglichen Ermittlungen
abgeschlossen seien. Erwartungsgemäß konnten sich die beiden Beamten
wahlweise auch sonst "nicht erinnern" oder waren der Auffassung,
sie hätten für diesen oder jenen Fragekomplex "keine Aussagegenehmigung."
Insbesondere Griesbaum mobilisierte seine gesamte Arroganz, wenn
er Aussagen verweigerte. Ohnehin, so betonte Monka, habe man sich
"um Widersprüche bei den Aussagen von Mousli", die schon in dessen
Hauptverhandlung im Dezember 2000 aufgetaucht waren, "nicht gekümmert,
weil im Kern alles auf Linie" war.
In einem umfassenden Beweisantrag
der Verteidigerinnen Andrea Würdinger und Silke Studzinsky, der
auf der Auswertung von Telefonüberwachungsbändern basiert, die -
wir erinnern uns - zum Teil von der BAW unterschlagen worden waren,
ging es um Mouslis Finanzgebaren. Aus dem Inhalt der Bänder zeichneten
die Anwältinnen detailliert nach, dass Mousli nicht nur seine damaligen
Kollegen im Kampfsportstudio, sondern auch seine Freundin belogen
hatte. Denn nach den anwaltlichen Auswertungen der Telefonprotokolle
hat der Kronzeuge nicht nur zugesagtes Geld an Kunden seines Sportstudios
nicht zurückgezahlt, sondern offenbar für sich selbst eine Summe
von mindestens 7.000 DM verbraucht; darüber hinaus hat Mousli das
Kammergericht in Hinblick auf seine finanzielle Situation systematisch
und wiederholt belogen.
Bereits nach der Hauptverhandlung, die von permanenten Unterbrechungen
gekennzeichnet war, gab die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig,
zur Kenntnis, sie habe die Verteidigung des seit vergangenen Freitag
in kanadischer Auslieferungshaft sitzenden Lothar Ebke gebeten,
ihr mitzuteilen, ob dieser beabsichtige, von seinem Aussageverweigerungsrecht
Gebrauch zu machen. Bundesanwalt Bruns machte auf Nachfrage deutlich,
dass er mit der Überstellung aus Kanada etwa Mitte Oktober rechne;
nach seinen Angaben sei noch unklar, wo Lothar in Haft genommen
werden soll.
Der Prozess wird am Donnerstag, 25. September 2003 um 9.15 Uhr
fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
142. Prozesstag: 11.09.2003
Beweisaufnahme wird beendet
Die Vorsitzende Richterin kündigte für den 25. September 2003 die
Schließung der Beweisaufnahme in diesem Verfahren an. Um die gerichtliche
Terminplanung nicht zu gefährden, hagelte es heute Ablehnungsbeschlüsse
von Beweisanträgen der Verteidigung.
Genauere Auskünfte über widersprüchlich dargestellten Geldtransaktionen
und die undurchsichtige finanzielle Lage des Kronzeugen werden weder
von der Deutschen Bank, vom damaligen Geschäftspartner, von Mitschnitten
der Telefonüberwachung noch von Richtern in seinem eigenen Prozess
eingeholt. Der Kronzeuge hätte zu diesem Komplex so vage und unschlüssige
Angaben gemacht, dass selbst eine Widerlegung einzelner getätigter
Aussagen das Gericht nicht zu einer negativen Schlussfolgerung über
die Glaubwürdigkeit Mouslis veranlassen würde. Er hätte sich damals
schließlich in einer 'angespannten' Situation befunden.
Die Beiziehung weiterer vorhandener 'Strukturakten' beim Bundeskriminalamt
(BKA) bzw. der Bundesanwaltschaft (BAW) wurde als 'verfahrensfremd'
tituliert. Das Gericht vertraut weiterhin der BAW, die nach sorgfältiger
Prüfung alle prozessrelevante Akten und Auskünfte eingebracht hätte.
Die erneute Vernehmung von BKA-Beamten zu Mousli's diversen Aussagen
zur angeblichen von B. überlassenen konspirativen Wohnung (KW) in
der Oranienstr., sowie die Einvernahme von Hausverwaltung und AnwohnerInnen
werden wir auch nicht erleben. Der Kronzeuge hätte nur die 'Zur-
Verfügung- Stellung' der besagten Räume behauptet. Dies könne auch
ohne jegliche vertragliche Bindung oder eigenen Anwesenheit geschehen
sein. Deshalb bräuchten keine weiteren ZeugInnen vernommen zu werden
und die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen könne dadurch ohnehin nicht
erschüttert werden. Das gilt auch für die frühere Nennung der konkreten
Hausnummer 7 oder 9 für die KW durch Mousli. Die dafür von der Verteidigung
beigebrachten Zeuginnen wären unglaubwürdig und die früheren Aussagen
des Kronzeugen in dem gegen ihn selber geführten Prozess wären eigentlich
nicht verwertbar. Was stört mich mein Geschwätz von gestern? Nur
RA Euler wurde heute ganz sanft vom Schwert der Justitia berührt:
die von ihm gewünschte Vorladung des damaligen Sitzungsvertreters
der BAW Griesbaum zu diesem Thema wurde wundersam erhört.
Vom Einsturz des turmhohen Lügengebäudes in diesem Prozess war
auch an diesem 11.09.2003 nichts zu spüren. Vermutlich auch nicht
am nächsten Verhandlungstag, den 18.09.03 um 9:15 Uhr.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
141. Prozesstag: 04. September 2003
Reiche Ernte - Aussetzungsantrag abgelehnt
Anscheinend kann es im Berliner RZ-Prozess derzeit nur noch darum
gehen, "in den Genuss revisionsrechtlicher Früchte zu gelangen",
wie es Rechtsanwalt Johnny Eisenberg heute in seiner unnachahmlichen
Art ausdrückte. Dass dem Senat an einer "richtigen" Verhandlung
nicht mehr gelegen ist - trotz gegenteiliger Bekundung -, zeigt
heute nicht nur die Prozessdauer von nicht einmal dreißig Minuten.
Deutlich wurde dies auch an der Nonchalance, mit der der 1. Strafsenat
den Aussetzungsantrag der Verteidigung von Harald G. vom 28. August
ablehnte.
Nachdem eine so genannte Sperrerklärung des Bundesinnenministeriums
(BMI) über die geschwärzten Passagen der Gesprächsprotokolle zwischen
dem Verfassungsschutz und dem Kronzeugen Tarek Mousli vom Verwaltungsgericht
(VG) als rechtswidrig aufgehoben worden war (vgl. Extra-Meldung
vom 18.8.2003), hatte die Verteidigung beantragt, das Verfahren
bis zur Übermittlung der ungeschwärzten Protokolle auszusetzen.
(vgl. 140. Prozesstag)
Der Senat allerdings konnte keine "maßgeblich veränderte" Sachlage
erkennen, die eine Revision seines Beschlusses vom 4. Juli notwendig
machen würde, in dem er bereits das erste Mal eine Aussetzung in
diesem Zusammenhang abgelehnt hatte.
Als habe man damals nicht das Gegenteil behauptet, tat man heute
so, als hätten am "Ausgang des Hauptverfahrens (vor dem Verwaltungsgericht)
kaum Zweifel" bestehen können. (vgl. 134.
Prozessbericht) Gleichzeitig verwies der Senat darauf, dass
das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, und es deshalb weder den
Senat noch andere Behörden binden würde. Zudem sei das BMI sowieso
nur dazu verpflichtet, eine neue Sperrerklärung zu formulieren,
die dann allerdings den vom VG benannten Kriterien entsprechen müsste,
wenn es weiterhin auf eine lediglich zensierte Weitergabe der Gesprächsprotokolle
bestehe. Aber ohnehin habe man mit dem Beschluss vom 4. Juli bereits
eine ausreichende Abwägung zwischen den Belangen "der Wahrheitsermittlung
und der Verfahrensbeschleunigung" vorgenommen, die auch nicht nach
der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu revidieren sei. Gleiches
gelte für die vom Senat unterstellte geringe Beweisbedeutung der
Gesprächsprotokolle. Insofern lehnte der Senat es auch ab, beim
Bundesamt für Verfassungsschutz erneut auf Herausgabe der ungeschwärzten
Protokolle vorstellig zu werden.
Die Angeklagten und die Verteidigung nahmen - Kummer gewohnt? -
die Beschlussverkündung kommentarlos hin. Lediglich die Mikrophonanlage
im Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit hob zu einem minutenwährende
Protestpfeifen an - so könnte man zumindest den Ausfall der Technik
interpretieren, wäre man nicht frei von metaphysischen Anwandlungen.
Die in der Folge abgeschaltete Verstärkeranlage hinderte Rechtsanwalt
Eisenberg ("Bei mir geht's auch ohne Mikrophon bekanntlich!") nicht
daran, einen Brief von Mouslis Zeugenbeistand an das Gericht zum
Thema zu machen. Mit diesem Brief informiert Rechtsanwalt Birkhoff
den Senat, dass sein Mandanten sich jetzt sicher sei, dass alle
Einzahlungen für einen später abgesagten Kinderlehrgang in Oberoderwitz
an die Eltern zurückgezahlt wurden.
Nicht alleine der Inhalt des Schreibens, vor allem die Art und
Weise seines Zustandekommens war Anlass für Rechtsanwalt Eisenberg
zur Frage, "ob der Inhalt der Hauptverhandlung Tarek Mousli oder
seinem Zeugenbeistand von der Bundesanwaltschaft oder den Senat
kommuniziert wird". Der Senat wies dies natürlich weit von sich.
Und auch die BAW gab sich wie die Unschuld vom Land: "Es ist eine
Frechheit, das gefragt zu werden", so Bundesanwalt Wallenta. Der
dann allerdings nicht einmal Manns genug war, zu seiner Aussage
zu stehen, sondern seinen Adlatus mit der Bemerkung vorschickte,
nicht die Frage als solche, der Unterton sei eine Frechheit.
Keine gute Figur machte Wallenta auch bei der anschließenden Stellungnahme
der Bundesanwaltschaft (BAW) zu dem Beweisantrag der Verteidigung
von Harald G. in Sachen Kinderlehrgang Oberoderwitz, mit dem Mousli
eine weitere Falschaussage nachgewiesen werden soll. (vgl. 140.
Prozesstag) Die Stellungnahme war offensichtlich noch in Unkenntnis
des Briefes von Birkhoff verfasst worden. Die Angaben Mouslis in
der Hauptverhandlung seien alle unter "Erinnerungsvorbehalt" gemacht
worden, behauptete Wallenta ahnungslos, also keinen Pfifferling
wert. Außerdem seien "die unter Beweis gestellten Tatsachen für
die Entscheidung ohne Bedeutung". Und selbst wenn sich erweisen
würde, dass Mousli vor Gericht gelogen habe, gab sich die BAW überzeugt:
Der Senat wird daraus nicht den Schluss ziehen, "dass der Zeuge
generell unglaubwürdig ist". So einfach geht das.
Vor dem Hintergrund des sich aus dem Schreiben von Mouslis Zeugenbeistands
neu ergebenden Sachverhalts, tauchte die Frage auf, ob das Gericht
eine erneute Zeugenladung Mouslis vorsehe. "Bisher nicht", so die
knappe Antwort der Vorsitzenden Richterin. Und trotz ihrer Ankündigung,
man werde über Beweisanträge noch am selben Tag entscheiden, gab
sie trotz einwöchiger Verspätung bekannt, dass heute kein Beschluss
über den Antrag vom 28. August gefällt werde. "Wir haben zwar einen
gefertigt, wollen ihn aber noch einmal überdenken", bekannte die
Vorsitzende Richterin. Ob dadurch der Genuss weiterer revisionsrechtlicher
Früchte verhindert werden sollte, wird sich also erst an den nächsten
Verhandlungstagen zeigen.
Auch wenn die BAW erneut gezeigt hat, dass für sie die Glaubwürdigkeit
des Kronzeugen nur von untergeordneter Bedeutung ist, lässt die
Verteidigung an diesem Punkt nicht locker. Dieses Mal war es Rechtsanwalt
Dr. König der im Namen seines Kollegen Euler mit einem Beweisantrag
am Ball bleib. Gefordert wurde die Ladung und Befragung des Richters
am Kammergericht Scharf gefordert, der bestätigen wird, dass Mousli
in seinem Prozess im Dezember 2000 ausgesagt hat, er habe während
seines Studiums in Kiel von Gelegenheitsarbeiten und einem Erbe
von 10.000 bis 15.000 DM gelebt. Drei Jahre später, im August 2003,
stellt sich die Sache allerdings anders dar: So hat die Zeugin H.
am 7. August ausgesagt, Mousli habe in dieser Zeit ein Erbe von
rund 100.000 DM angetreten. Mit dieser Aussage konfrontiert, hatte
Mousli in der Hauptverhandlung am 15. August diese bis dahin nicht
erwähnte Erbschaft bestätigt und sogar von "etwas mehr als 100.000
Mark" gesprochen. Laut Mouslis Mutter in einer Vernehmung vom 10.8.1999
hat das Erbe rund 180.000 Mark betragen - also "tatsächlich etwas
mehr", wie es Euler charmant formulierte. Die Verteidigung will
mit diesem Antrag beweisen, wie taktisch und auf den eigenen Vorteil
bedacht der Kronzeuge mit der Wahrheit umgeht, wie er es "mit der
Wahrheit nicht nur nicht genau nimmt, sondern 'seine' Wahrheit"
den Umständen entsprechende "variiert".
Ob die Verteidigung mit diesem Beweisgegenstand beim Senat Erfolg
hat, oder ob es wieder nur reicht, um die Genusssucht in Sachen
Revision zu befriedigen, blieb heute offen - und auch morgen ist
keine Antwort auf diese Frage zu erwarten. Die Hauptverhandlung
am Freitag wurde aufgehoben. Weiter geht's am 11. September um 9.15
Uhr.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
28.08.2003: 140. Prozesstag
Beschleunigung, komme was da wolle
Zwei Themenkomplexe waren heute Gegenstand der Hauptverhandlung:
zum einen das Finanzgebaren des Kronzeugen Tarek Mousli, zum anderen
seine Kontakte mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und
daraus zu ziehende Folgen (im weitesten Sinne) für den Prozess.
Welche Restschuld, von wem und wann bei der Mitsubishi Kredit Bank
(MKG) beglichen wurde, darüber gab eine Mitarbeiterin der MKG Auskunft.
Hintergrund ist der Verkauf des Pkw von Mousli Anfang 2000, mit
dessen Erlös (ca. 8.000 DM) nach Auskunft des Kronzeugen angeblich
privaten Schulden teilweise beglichen worden sein sollen. Am vorletzten
Verhandlungstag hat Mousli hierzu nur ausweichend Antwort gegeben.
Auch hatte er sich geweigert, diejenige Person zu benennen, von
der er die "Zuwendung" zur Begleichung der Restschuld bei der MKG
von rund 18.500 DM bekommen hat. Heute stellte sich zumindest heraus,
dass dieser Betrag mittels einer Überweisung vom Konto seiner Lebensgefährtin
Janette O. Mitte April 2000 bei der MKG eingegangen ist, woraufhin
der Fahrzeugbrief an einen von Mousli benannten Rechtsanwalt übergeben
wurde.
Abgelehnt wurde vom Kammergericht der Beweisantrag der Verteidigung
vom Matthias B. vom 21. August, die Verfassungsschützer als Zeugen
zu laden, die im April 2000 Gespräche mit Mousli geführt hatten.
Zuvor hatte die BAW ein entsprechende Stellungnahme zu diesem Beweisantrag
abgegeben und dabei unterstellt, der Antrag habe lediglich den Zweck,
"blindlings nach neuem Verteidigungsmaterial" zu suchen.
Was dann folgte, war ein weiteres Beispiel dafür, wie nach Ansicht
des Kammergerichts ein faires Verfahren aussieht. Die BAW-Stellungnahme
lag dem Senat seit Dienstag vor, der eigene Beschluss war bereits
formuliert. Die Verteidigung hingegen erhielt erst heute eine Kopie
der BAW-Stellungnahmen. Gleichwohl wollte der Senat Rechtsanwalt
Kaleck zwingen, eine von ihm angekündigte schriftliche Gegenstellungnahme
in einer mehrstündigen Prozessunterbrechung zu formulieren, da man
ja nun "richtig" verhandeln wolle, wie es die Vorsitzende Richterin
Hennig ausdrückte. Rechtsanwalt Kaleck zog es unter diesen Bedingungen
vor, nicht zu einer Nachbesserung des nach dem Disput tatsächlich
verkündeten Ablehnungsbeschlusses beizutragen, sondern behielt sich
vor, anderweitig das Anliegen erneut in die Hauptverhandlung einzuführen.
Den Verbleib von rund 12.000 DM von einem Konto Mouslis beantragte
die Verteidigung von Harald G. durch Ladung dreier Zeugen, Verlesung
von Protokollen diverser Telefonüberwachungen und Auskunft der Konto
führenden Bank aufzuklären. Auf das entsprechende Konto, das als
Alleininhaber von Mousli geführt wurde, wurden 1999 Teilnahmebeiträge
für einen dann abgesagten Kinderkaratelehrgang in Höhe von 14.000
DM eingezahlt, von denen lediglich später 2.000 DM erstattet worden
waren.
Ebenfalls von der Verteidigung von Harald G. wurde heute der bereits
angekündigte Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung gestellt.
Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin am 18. August die Sperrerklärung
des Bundesinnenministeriums hinsichtlich der geschwärzten Stellen
der Gesprächsprotokolle zwischen dem BfV und Mousli als rechtwidrig
aufgehoben hat, forderte die Verteidigung den Senat auf, die ungeschwärzten
Protokolle vom BfV anzufordern und den Prozess bis zur Herausgabe
dieser Unterlagen auszusetzen.
Die während der Hauptverhandlung angekündigte morgige Fortsetzung
wurde am Nachmittag zurückgezogen. Weiter geht es also am Donnerstag,
4. September, um 9.15 Uhr.
ausführlicher
Bericht
21.08.2003: 139. Prozesstag
Bundesanwalt Bruns erkennt "abenteuerliche Verrohung der Sitten"
Eine Zeugin, ein Antrag der Verteidigung, ein Beschluss des Senats
und eine Erklärung des Angeklagten Rudolf Sch. - so sah das (Kurz-)Programm
der heutigen Hauptverhandlung aus.
Die Zeugin Anna-Magdalena W. (55), eine "preisgekrönte Stenografin"
alter Schule, war im Dezember 2000 von der Verteidigung im hiesigen
RZ-Verfahren beauftragt worden, die Aussagen von Tarek Mousli in
dem gegen ihn gerichteten Strafprozess zu protokollieren. Laut der
von der Zeugin abgelieferten Reinschrift ihrer stenografischen Notizen
hatte Mousli am zweiten Verhandlungstag zu zwei Wohnungen in Berlin-Kreuzberg
ausgesagt, in denen Ende der 1980er Jahre konspirative Treffen der
Berliner RZ stattgefunden haben sollen. In seiner damaligen Aussage
hat er sich bei einer der Wohnungen in der Oranienstraße auf die
Hausnummern 7 oder 9 festgelegt. Inzwischen ist jedoch festgestellt,
dass die Person, von der Mousli behauptet, er habe zum damaligen
Zeitpunkt in dem bezeichneten Haus gewohnt und die Wohnung für Treffen
zur Verfügung gestellt, dort erst ab November 1989 polizeilich gemeldet
war.
Rechtsanwältin Edith Lunnebach stellte für ihren Mandanten Matthias
B. einen Beweisantrag, in dem gefordert wurde, die Beamten des Bundesverfassungsschutz
(BfV) zu laden, die Mousli nachweislich bei verschiedenen Gelegenheiten
besucht hatten. Die Verteidigung möchte durch die Einvernahme der
Zeugen klären, vor welchem Hintergrund Mousli zu verschiedenen Sachverhalten
Inhalte vermittelt wurden. Dass schon allein auf Grund der zum Teil
geschwärzten Gesprächsprotokolle des BfV deutlich wird, wie sehr
der Kronzeuge durch Gespräche mit den Verfassungsschützern inhaltlich
gefüttert wurde, hatte schließlich auch das Berliner Verwaltungsgericht
am vergangenen Monatag dazu bewogen, die entsprechende Sperrerklärung
des Bundesinnenministeriums als rechtswidrig zu erklären. Die Verteidigung
von Harald G., deren Klage vor dem Verwaltungsgericht stattgegeben
worden war, kündigte für den kommenden Prozesstag einen erneuten
Aussetzungsantrag an. In einem Gerichtsbeschluss zurückgewiesen
wurde der Beweisantrag der Verteidigung von Matthias B. vom 27.6.2003,
mit dem die Ladung des BfV-Präsidenten erreicht werden sollte. Der
Antrag sei "spekulativ" und für eine "Sachaufklärung nicht dienlich",
so das Gericht. Erneut wurde damit deutlich, dass der Senat offensichtlich
ohne Wenn und Aber an den Aussagen des Kronzeugen festhält.
Für einige Aufregung bei der Bundesstaatsanwaltschaft (BAW) sorgte
zum Abschluss der rund zweistündigen Verhandlung eine Erklärung
von Rudolf Sch.. Darin hob er hervor, dass durch die Zeugin
Irmgard H. zum wiederholten Male der schlechte Gesundheitszustand
von Sabine E. in den 1980er Jahren deutlich geworden sei. Mousli
hätte jedoch von Sabine E. für diese Zeit ein völlig anderes Bild
gemalt, an dem er nun festhalten müsse, auch wenn mehrere Zeugen
von Gegenteil berichtet hätten. Die Erklärung schließt mit dem Satz:
"… man kann Tarek Mousli nichts glauben, es sei denn seine Angaben
sind überprüfbar und verifiziert worden. Wenn man ihm einfach nur
glaubt, macht man sich zu einem Idioten."
Insbesondere Bundesanwalt Bruns empörte sich über diesen Abschlusssatz.
Er wertete diese Aussage als Indiz, dass in diesem Verfahren eine
"abenteuerliche Verlotterung der Sitten" heraufziehen. Immerhin
habe die BAW ja auf Grundlage der Aussagen von Mousli eine Anklageschrift
verfasst. Die offensichtliche Betroffenheit von Bundesanwalt Bruns
konnte dann auch Rechtsanwalt Euler nicht mehr auffangen, der sich
redlich bemühte, den Inhalt des Satzes noch einmal in Ruhe vorzutragen.
Schließlich - so Euler - werde darin ja nur derjenige als Idiot
bezeichnet, der die Aussagen des Kronzeugen ungeprüft übernehme.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
15. August 2003: 138. Prozesstag
Kunsthaar, Konten und Kredite
Fast war der Tag herbei gesehnt worden, wo es ein Wiedersehen mit
dem Kronzeugen geben würde, um mal allerlei Ungereimtheiten, Verkürzungen
und offensichtliche Lügen in seinen Aussagen mit ihm durch zu sprechen.
Doch der Auftritt Tarek Mouslis blieb deutlich hinter den Erwartungen
der ZuschauerInnen zurück. Ob es an seinem neuen Lebenswandel liegt,
fragten sich besorgte Stammgäste. Er sieht nicht gut aus, der Kronzeuge,
mit seinem schlecht gescheitelten Kunsthaar-Toupet und scheint auch
körperlich deutlich abzubauen. Vorbei die Tage des Kraft strotzenden
Kampfsport-Profis und smarten Ex-Revolutionär. Eher blass schlich
er mit seinen Bodyguards herein und wo seine diensteifrige Eilfertigkeit
schon früher nur schwer erträglich war, wirkte sie jetzt fast schon
verbiestert, bitter und verkniffen.
Und zur Sache war kaum mehr aus ihm heraus zu holen als schon bei
früheren Vernehmungen - immer wenn's ernst wird, werden Erinnerungslücken
oder Belange des Zeugenschutzes in Anschlag gebracht.
Zunächst sollte Mousli zur Frage der konspirativen Wohnungen (KW)
jene Lichtbilder identifizieren, die ihm vom BKA vorgelegt worden
waren.
Weiter sollte den - gelinde gesagt - widersprüchlichen Aussagen
Mouslis zu seinen finanziellen Verhältnissen vor, während und nach
seiner Verhaftung 1999 auf den Grund gegangen werden. Dabei ging
es um den Verkauf eines Firmen-Fahrzeugs von Mouslis einstigem Fitnessstudio,
aus dessen Erlös er Schulden bezahlt haben will.
Mousli wurde auch mit den Aussagen einer früheren Lebensgefährtin
konfrontiert, die vor einer Woche ausgesagt hat. Dabei war unklar,
inwieweit sich Mousli über die Hinweise aus dem hiesigen Kurzbericht
(136. Prozesstag) und einem knappen Ladungstext hinaus, hatte vorbereiten
können. Er stellte in seiner Aussage hierzu in Abrede, dass er je
für die Bestrafung verantwortlicher Beamter und Politiker etwa mittels
Anschlägen als moralisch gerechtfertigt plädiert habe. Auch habe
er nach 1986 an keiner gewalttätigen Demo teilgenommen.
Zum für den Kronzeugen desaströsen Themenkomplex Sprengstoff-Depot
im Mehringhof bot Richter Alban Mousli die Version an, dass das
Lager mit 20 Kilo Sprengstoff, einer MP und etlichen Pistolen möglicherweise
mal verlegt worden sein könnte.
Gerd Albartus, so ging das Themenhopping weiter, sei nie Mitglied
einer der Berliner RZ-Zellen gewesen, sondern habe - als "Springer"
- an deren Diskussionen etwa über die Flüchtlingskampagne oder den
(missglückten, weil tödlichen) Anschlag auf den hessischen Wirtschaftsminister
Hans-Herbert Karry teilgenommen, so der Kronzeuge.
Auch dass er mal in den 1970er Jahren über 100.000 Mark geerbt
habe, gestand er ein. Er will sich ein Auto gekauft, jedoch auch
gespendet und gut gelebt haben. Und er blieb dabei, dass seine psychisch
kranke Schwester aus Deutschland ausgewiesen worden sei.
Vorhalte aus den berühmten geschwärzten Verfassungsschutz-Protokollen,
die RA Kaleck lancierte, erbrachten kein befriedigendes Ergebnis.
(Über die Herausgabe der ungeschwärzten VS-Mitschriften von Mousli-Vernehmungen
wird übrigens am kommenden Montag, 18. August 2003, um 11 Uhr vor
dem Verwaltungsgericht in der Kirchstraße 7, Berlin-Moabit entschieden).
Und ob Mousli seinem verstorbenen Freund "Roger" um 60.000
Mark erleichtert hat unter Vortäuschung einer finanziellen Notlage
des "Vereins" (= RZ), blieb ebenso ungeklärt wie andere
brisante Fragen zum Finanzgebaren des Kronzeugen.
Bonmot des Tages
Nachdem BAW und Richter Alban mal wieder respektlose Bemerkungen
in die Zeugenbefragung von RA Kaleck gefaucht hatten, entgegnete
dieser entnervt: "Ja genau, auf diese Muppet- Show- Einlage
habe ich noch gewartet".
Der Prozess wird am kommenden Donnerstag, 21. August 2003, wie
stets um 9.15 fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
14. August 2003: 137. Prozesstag
Wer schreibt ist klüger!
Der Kronzeuge hatte doch im Dezember 2000 die Existenz einer 'konspirativen
Wohnung' der RZ in der Oranienstraße 7 oder 9 (Berlin-Kreuzberg)
vor Gericht ausdrücklich behauptet. Das bestätigte heute die Zeugin
Ute L. aus Berlin anhand ihrer Mitschriften im Prozess gegen Tarek
Mousli selbst vom 11.12.00. Auch für diese Bezichtigung des Kronzeugen
konnten bis heute keinerlei Beweise erbracht werden. So wundert
es nicht, dass sich inzwischen weder Zeuge Mousli noch das Gericht
an diese Aussage haben erinnern wollen. Die schriftlichen Protokolle
der Zeugin wurden dem Kammergericht nun als Beweis dafür übergeben,
nachdem die Richter Fechner und Alban versuchten ihr eine parteiliche
Gefälligkeitsaussage zu unterstellen. Auch für Bundesanwalt Bruns
schien es schwer nachvollziehbar, was Nichtbetroffene bewegen könnte
Aufzeichnungen anzufertigen und diese dann noch aufzubewahren.
Die erneute Ladung der Ermittlungsführer Schulzke und Trede lehnte
das Gericht als unbegründet ab.
RA Euler fasste die Aussagen der Zeugin H. vom letzten Verhandlungstag
(136.) zusammen: Mousli's Behauptungen über seine eigene Schwester,
seine persönliche Einstellung zur Gewaltanwendung und den Verbleib
von DM 100.000,- auf seinem Konto wären widerlegt worden. Auch diese
Zeugin hätte die Unglaubwürdigkeit des Kronzeugen bewiesen.
Nächste Aufführung ist am 15.08.03 um 9:15 Uhr. Der Kronlügner
ist anwesend.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
7. August 2003: 136. Prozesstag:
Die Mütter aller Schlachten
Diesmal war es einer der Verteidiger, der einen veritablen
Bock geschossen hat, und auch noch derjenige, der für den inhaltlichen
Part des heutigen Tages verantwortlich zeichnete.
RA Euler nämlich hatte in einem Beweisantrag vom 19.
Juni die Ladung einer früheren Freundin des Kronzeugen Tarek Mousli
beantragt. Die Zeugin war erschienen, doch zur Überraschung der
KollegInnen, ihrer MandantInnen und des Gerichts erschien Herr Euler
nicht um 9.15 Uhr.
Ein Anruf per Mobiltelefon riss den Säumigen aus
Morpheus Armen, der ihn nicht etwa um die Ecke sondern im fernen
Frankfurt umschlungen hielt. Als vier Stunden später mit der Wiederaufnahme
der Hauptverhandlung nach der Sommerpause begonnen werden konnte,
entschuldigte sich der gerade eingeflogene RA Euler bei allen Betroffenen
auf's Glaubwürdigste.
Die Zeugin, die mit Mousli fest wohl nur zu Anfang
der 1980er Jahre zusammen war, eine Freundschaft mit Unterbrechungen
zu ihm jedoch bis zum Beginn der 1990er Jahre gehabt hat, konnte
einmal mehr die zwiespältige Persönlichkeit des Kronzeugen schildern.
Er sei witzig gewesen, spontan, vital, von einnehmendem Wesen, sehr
unternehmungsfreudig und weckte auf Anhieb Sympathie. Er vermochte
stets gut Menschen für sich einzunehmen, erinnerte sich die heute
46-jährige Angestellte aus Westdeutschland. Des weiteren bestätigte
sie im wesentlichen die im Beweisantrag enthaltenen Behauptungen.
(Ausführlicher Bericht folgt) Wortwechsel des Tages zwischen RAen
und der Zeugin: RA Becker: "Hat er denn je von solchen Demos, an
denen er teilgenommen hat, erzählt? So ungefähr wie unsere Großväter
von der Schlacht von Sedan erzählt haben?" - Zeugin: "Ja, von der
Schlacht von Brokdorf hat er schon erzählt. (....) Einmal soll er
da auch irgendwie in einem Kessel gewesen sein." RA Eisenberg: "Stalingrad?"
Den Richtern war die Tatsache, dass vier RAInnen
die Zeugin im Laufe des Verfahrens kontaktiert hatten, Grund zu
misstrauischer Nachfrage, den vier Beargwöhnten zu Richtigstellungen.
Es gab noch Beweisanträge zur Telefonüberwachung
einer weiteren Mousli-Freundin und dem Verkauf des Autos des damals
frisch inhaftierten Kronzeugen; zu Aussagen des BKA-Beamten Schulzke
und deren Fragwürdigkeit im Bezug auf die Gelamon-40-Funde in Salzhemmendorf
und Kempen; sowie auf Ladung einer Zeugin der Hauptverhandlung gegen
Mousli, in welcher er Aussagen zu konspirativen Wohnungen in Kreuzberg
gemacht hatte.
ausführlicher
Bericht
Meldungen der Prozesstage
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