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18.03.2004: 174. Prozesstag

Kurzer Prozess: Am Ende gibt's mehrjährige Haftstrafen

Heute machte der 1. Strafsenat kurzen Prozess. Überraschend verkündete er die Urteile in Sachen Berliner RZ. Wenig überraschend war dagegen der Tenor der Urteile: Der Kronzeuge Tarek Mousli ist in allen Punkten glaubwürdig, die Anklage der Bundesanwaltschaft (BAW) stimmig und die fünf Angeklagten deshalb ohne Zweifel zu verurteilen.

Weder sei Tarek Mousli von den Ermittlungsbehörden massiv unter Druck gesetzt worden (Stichwort: Knüller), noch habe er irgendeinen Grund gehabt, falsche Beschuldigungen auszusprechen. Die Einlassungen der Angeklagten hätten dessen Glaubwürdigkeit nicht erschüttert, sondern im Gegenteil bestärkt. Seine Angaben seien glaubhaft und nachvollziehbar.

Kein Wunder also, dass die mündliche Urteilsbegründung im Kern wie die Wiederholung der Anklage klang: Es gab zwei Zellen in Berlin. Alle Angeklagten waren an den Knieschussattentaten auf Hollenberg und Korbmacher beteiligt, Schindler hat jeweils geschossen. Alle Angeklagten haben den Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber 1987 durchgeführt; auch Harald Glöde war an der Vorbereitung beteiligt. Im Mehringhof gab es eine Sprengstoffdepot der RZ; wo ist nicht ganz klar, mögliche Verstecke sind aber reichlich vorhanden. Betreut wurde es von Lothar E., später von Axel Haug. Sabine Eckle und Rudolf Schindler waren langjährige und führende Mitglieder der RZ, die Mitte der 1980er Jahre nach Berlin gekommen sind. Führendes Mitglied war auch Matthias Borgmann. Ende der 1980er Jahre hat es ein gemeinsames Treffen der beiden Berliner Zellen gegeben, bei dem Mousli alle Berliner RZ-Militante außer "Toni" gesehen hat. Anfang der 1990er Jahre haben Eckle und Schindler der RZ den Rücken gekehrt. Noch während der Existenz zweier Zellen wurde der Anschlag auf die Siegessäule diskutiert, der dann später von den Rest-Mitgliedern Matthias Borgmann, Axel Haug, Harald Glöde und Lothar E. ausgeführt wurde, was gleichzeitig Ergebnis der Neubestimmung der RZ-Politik gewesen ist, wie sie Sabine Ekle in ihrem Papier "Was ist das Patriarchat" eingeleitet hat. 1995 versuchte Harald Glöde, der dem Koordinierungsausschuss anhörte, der u.a. Gelder an die RZ-Illegalen verteilte, Mousli wieder für die RZ zu gewinnen. Nach Auflösung des Sprengstoffdepots war auch er es, der Mousli bat, den Sprengstoff kurzfristig zwischenzulagern. Nachdem Teile des Sprengstoffs aus Mouslis Keller geklaut worden war, entsorgte er den Rest unmittelbar danach in einem Seegraben in Norden Berlins. Erst 1998 ist dem BKA aufgefallen, dass der 1995 bei den Berliner Kleinkriminellen gefundene Sprengstoff aus Mouslis Keller etwas mit der RZ zu tun habe.

Dass der Sprengstoff weit weg von der von Mousli angegebenen Einwurfstelle, entgegen der Fließrichtung des Seegrabens gefunden wurde; dass trotz zweimaliger intensiver Suche im Mehringhof nach dem Sprengstoffdepot dort nichts gefunden wurde; dass die Zeugin Barbara W. aussagte, sie und nicht Schindler habe auf Hollenberg geschossen; dass die "Fülle von Täterwissen", die das Gericht dem Kronzeugen zu schrieb, etwa im Fall der Siegessäule nicht über das Hinausreichte, was in der Zeitung zu lesen war; dass der von ihm beschriebene Aufbau eines Sprengsatzes nicht mit den Tatortermittlungsergebnissen des BKA in Übereinstimmung zu bringen ist; all das und die vielen Widersprüche und nachgewiesenen Lügen des Kronzeugen zählte für den Senat nicht. Kein Wunder, dass er auch kein Wort darüber verlor, inwieweit der Kronzeuge von den Ermittlungsbehörden mit Informationen gefüttert und gezielt gelenkt wurde. Kein Wort zu den dubiosen Ermittlungsmethoden und dem Vorgehen der Bundesanwaltschaft, die Beweismittel zurückhielt und entlastende Ermittlungsergebnisse unter den Tisch fallen ließ.

Und wie sich der Senat bei der Urteilsbegründung den Vorgaben der Bundesanwaltschaft fügte, so folgte sie auch beim Strafmaß den Anträgen der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts - mit einer Ausnahme: Für Axel Haug gab es drei Monate mehr. Als "untergeordnete Gefolgsleute" bekamen er und Harald Glöde zwei Jahre und zehn Monate bzw. zwei Jahre und neun Monate. Die teilgeständigen Sabine Eckle und Rudolf Schindler wurden zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit vier Jahren und drei Monaten höchste Strafe erhielt Matthias Borgmann. Die Haftbefehle gegen alle Angeklagten wurden aufgehoben.

"Das ist ein Urteil, als hätte es keine dreijährige Beweisaufnahme gegeben, und es macht deutlich, dass eine Verurteilung von Anfang an vorgesehen war", so Verteidigerin Silke Studzinsky. Ein Teil der Angeklagten will gegen das Urteil in Revision gehen.

ausführlicher Prozessbericht


11. März 2004: 173. Prozesstag

Keine Gnade - es geht weiter

Der Strafsenat des Kammergerichtes ist heute wieder in die Beweisaufnahme eingetreten. Zunächst wurden die Zweitplädoyers durch die Verteidigung fortgesetzt. Dann folgten verschiedene Anträge der Anwälte Geimecke und Euler, u.a. auf erneuten Eintritt in die Beweisaufnahme. Zunächst wies das Gericht dieses Ansinnen - bevor überhaupt eine Begründung vorgetragen werden konnte - rigoros zurück. Erst gegen Ende des knapp einstündigen Prozesstages änderte die Vorsitzende Richterin Henning ihre Meinung. So konnte die Bundesanwaltschaft mit einer phantasievollen Ablehnung eines vorangegangenen Hilfsbeweisantrages für anhaltende Heiterkeit im Gerichtssaal sorgen.

Es geht also weiter und zwar am 18. März 2004 um 9:15 Uhr an gleicher Stelle.

ausführlicher Prozessbericht


04.03.2004: 172. Prozesstag

Schluss mit Lustig - Beweisaufnahme geschlossen

Jetzt neigt sich das Verfahren seinem Ende zu. Heute wurden die letzten Beweisanträge vom Senat vom Tisch gewischt. Egal ob es sich um massive Verfahrensfehler (Unterschlagung von Aktenmaterial), die Einholung weiterer Gutachten (der Senat besitzt eben Sachkunde genug) oder die Vernehmung von Zeugen (was die zu sagen hätten, sei ohnehin offenkundig) handelte – alles unerheblich und deshalb abzulehnen. Das Motte des Senats heute: Wir machen den Weg frei!

So konnte im Anschluss die Bundesanwaltschaft aus ihrer Sicht die wieder aufgenommene Beweisaufnahme der letzten Verhandlungstage bilanzieren. Wenig überraschend, wie von Bundesanwalt Bruns selbst eingestanden, sah sie sich (und ihren Kronzeugen) in allen Fragen bestätigt. Ob Mehringhof-Depot, Patriarchatspapier oder "Seegraben-Problematik" – in dubio contra reo. Laut BAW gab es also im Mehringhof ein Sprengstoff- und Waffendepot der RZ. Wenn nicht im Garagenraum, dann eben anderswo, denn - wie wusste Bruns zu schlussfolgern – hätte die Zeugenvernehmungen ergeben, dass es dort eine Vielzahl von Verstecken gäbe. Spricht sich hier die BAW für eine großzügige Bewertung aus, soll dies für das Patriarchats-Papier von Sabine E. nicht gelten, denn so Bruns: "Wer Ausstieg meint, schreibt das Wort 'Ausstieg' auch hinein". Der selbst ernannte RZ-Intimus weiter: "Wie ein Ausstiegspapier aussieht, zeigt das Papier 'Das Ende unserer Politik'." Und auch beim Seegraben alles im Lot. Der Versuch der Verteidigung nachzuweisen, dass Mousli keineswegs 1995 dort Sprengstoff versenkt hat, sei kläglich gescheitert. Da half es der Gutachterin Dr. Kasten auch nicht, dass sie sich am 170. Verhandlungstag dagegen verwahrt hatte, ihrem Gutachten irgendwelchen Beweiswert zu zusprechen. Auch heute scherte das Bruns nicht, und so wurde aus ihrem Gutachten zur Häufigkeit des Algenvorkommens auf dem Sprengstoffpaket aus dem Seegraben der unumstößlichen Nachweis, dass der Sprengstoff dort Jahre gelegt hat.

Die Verteidigung zeigte sich angesichts dieser Ausführungen verständlicher Wiese etwas wortkarg. Es sei "nicht lohnenswert", so Rechtsanwältin Lunnebach, auf Bruns einzugehen. "Die Bundesanwaltschaft ist in allen Fragen fest an Mousli gekettet und nicht mehr in der Lage, objektiv zu urteilen." Dieser Bewertung schlossen sich in ähnlicher Weise die VerteidigerInnen von Harald G. und Sabine E. an. Kommenden Donnerstag folgen dann noch die Schlussvorträge von Rechtsanwalt Euler und der Verteidigung von Axel H.. Ob der Senat dann tags darauf sein Urteil spricht, oder ob er zumindest die obligatorische Schamfrist von einer Woche einhält, war heute nicht zu erfahren. Dass die Urteile schön längst gefällt sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Also handelt es sich eher um eine Frage des Stils. Doch wie heißt es so schön: Ist der Ruf erst einmal ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert. Also lassen wir uns überraschen.

ausführlicher Prozessbericht


26.02.2004: 171. Prozesstag

Herrn Graf von Schlieffens Gespür für die Strafprozessordnung

Geschlagene 15 Minuten dauerte der heutige Termin der Hauptverhandlung. Angeblich aus Rücksicht auf den angeschlagenen Gesundheitszustands von Sabine E., wie die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig weiß machen wollte. Allerdings wurde auf den Gerichtsfluren gemunkelt, der Saal 500 des Kriminalgericht Moabit sei bereits für 11 Uhr anderweitig vergeben. Wie auch immer - mit Verhandlungsschluss um 9.30 Uhr lag der Senat gut in der Zeit. Die Viertelstunde Verhandlungsdauer reichte für zwei Beschlüsse des Senats, zwei Beweisanträge der Verteidigung und eine Stellungnahme der Bundesanwaltschaft sowieso dicke aus. Abgelehnt wurden ein Beweisantrag von Rechtsanwältin Lunnebach und ein Antrag der Verteidigung von Rudolf Sch.. Lautete im einen Fall die Begründung, es gäbe keinen Widerspruch in der Aussage des Kronzeugen in der Hauptverhandlung und seiner Version in einer Vernehmung, weshalb die Verlesung von entsprechenden Passagen aus dem Vernehmungsprotokollen nicht notwendig sei, sprach sich im anderen Fall der Senat die erforderliche Sachkunde einfach selbst zu und lehnte die Bestellung eines Sachverständigen ab.

Zuvor hatte Rechtsanwältin Lunnebach beantragt, es soll protokolliert werden, dass der Kronzeuge Mousli bei seinem letzten Auftritt vor Gericht die Paraphierung und den Wahrheitsgehalt seiner polizeilichen und richterlichen Vernehmungen bestätigt hatte. Dies habe keine Beweisbedeutung, meinet die Bundesanwaltschaft in ihrer anschließenden Stellungnahme keck. Eine Ad-hoc-Stellungnahme zu dem am Ende von Rechtsanwalt von Schlieffen gestellten Beweisantrag traute sich Bundesanwalt Bruns dann allerdings doch nicht zu. Die Verteidigung von Axel H. hatte die Beiziehung aller Oberservationsvorgänge verlangt, aus denen Mousli in einer Vernehmung im November 1999 vorgehalten worden war.

Wie von Schlieffen betonte, sei die Beiziehung "unabhängig von ihrem möglichen Beweiswert oder Aufklärungsgehalt" geboten, da es sich um einen Aktenbestandteil handele, der von der Bundesanwaltschaft gemäß § 199 Abs.2 Satz 2 StPO mit der Anklage hätte vorgelegt werden müssen. Er erinnerte daran, dass die Bundesanwaltschaft in diesem Fall erneut "ihrer Verpflichtung zur Vorlage des vollständigen Akten- und Beweismaterials" nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig wies er den Senat darauf hin, dass er, um "die Waffengleichheit im Verfahren wiederherzustellen", die Akten auf Antrag der Verteidigung beiziehen müsse.

"Im Interesse ihrer Gesundheit", so die Vorsitzende Richterin noch vor der Wortmeldung von Schlieffens etwas voreilig in Richtung von Sabine E., "hebe ich den Termin auf." Ob es nächste Woche weitergeht, ist unklar. Wie Hennig deutlich machte, hängt dies vom Gesundheitszustand von Sabine E. ab. Offiziell wurde zwar die Fortsetzung der Hauptverhandlung für den 4. und 5. März anberaumt, doch signalisierte der Senat seine Bereitschaft, die Termine auch ausfallen zu lassen, falls Sabine E. bis spätestens Mittwoch eine entsprechenden Wunsch äußern sollte.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


20.02.2004: 170. Prozesstag

"Babyblauer Bereich"

Krankheitsbedingt, Sabine E. quälte eine schwere Erkältung und Migräne, war der heutige Prozesstag kurz.

Rechtsanwalt Eisenberg, der, wie er sagte, "ja eigentlich gegen die erneute Vernehmung des Kronzeugen Mousli" war, rekapitulierte die Ergebnisse der Vernehmung Mouslis vom 168. Prozesstag. Er forderte, da erwiesen sei, dass Mousli auch in diesem Fall gelogen habe, die Abtrennung des Verfahrens seiner Mandantin und deren zügige Aburteilung, um dem "unappetitlichern Schauspiel hier nicht länger beiwohnen zu müssen".

Aus der Befragung Mouslis sei zweifelsfrei hervorgegangen, dass der von Sabine E. verfasste Text als Ende ihres Engagements in den RZ zu lesen sei. Darüber hinaus sei auch deutlich geworden, dass Mousli in Hinblick auf den angeblichen Waldspaziergang gelogen hat. Dies sei nicht zuletzt deswegen klar geworden, weil Mousli allen Ernstes behauptet, die Berliner RZ-Gruppen hätten sich erst zwei Jahre nach den Angriffen der Polizei auf die Strukturen der RZ in Westdeutschland Ende 1987 zu einem Waldspaziergang getroffen, um dort über "Sicherheitserwägungen" zu sprechen.

Sodann wurde als Zeugin erneut die Biologin Dr.in Kasten (38) zu ihren Gutachten hinsichtlich des Algenbewuchses auf dem Sprengstoffpaket aus dem Seegraben befragt. Während Bundesanwaltschaft und der heute wieder besonders penetrant auftretende Richter Alban der Verteidigerin Lunnebach unterstellten, sie habe die Gutachterin vor deren ergänzender Expertise heimlich gebrieft, bemühte sich diese vielmehr als ökologische Biologin zu erläutern, was sie vor allem an der erneuten Ladung irritiert habe: "Ich bin nicht der Meinung, dass meine hier vorgelegten Ergebnisse gerichtsrelevant gewesen sind. Ich kann im Rahmen meiner Forschungsergebnisse nicht sagen, ob das Paket zwei Monate oder vier Jahre im Wasser gelegen hat. Es ist mir egal, ob das der Verteidigung nützt oder der Bundesanwaltschaft. In der Ökologie muss man Daten interpretieren, und das geht angesichts der Datenqualität hier nicht."

Das sei weder - wie sie auf mehrfache Nachfragen betonte - mit den statistischen Methoden des Sörensen- Index, der Jaccardschen Zahlen noch des Reukonen- Index möglich gewesen, weil das Ausgangswissen und -material zu dürftig gewesen sei bzw. das Material bereits zu lang gelagert und behandelt worden war.

Wir ersparen der geschätzten LeserInnenschaft die weiteren Angriffe des Richter Alban gegen die als Gutachterin geladene Zeugin, die diese quasi zur Angeklagten machten, ebenso, wie weitere statistische Details und Interpretationsnotwendigkeiten aus der Ökologie: Dr.in Kasten erläuterte dies am Richtertisch mehrfach, um erneut zu bekunden, dass sie sich angesichts der Ergebnisse gewundert habe, dass die Daten im Plädoyer der Bundesanwaltschaft überhaupt Verwendung fanden. Das gelte für alle ihre statistischen Befunde, auch für die, wie sie auf Nachfragen bekundete, "im babyblauen Bereich" (Lunnebach).

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


13.02.2004: 169. Prozesstag

Mousli das letzte Mal im Zeugenstand?

Der heutige Prozesstag wurde mit der weiteren Befragung des Kronzeugen Mousli bestritten. Es sieht ganz danach aus, als wäre dies sein letzter Auftritt vor diesem Gericht gewesen.

Auf Antrag der Verteidigung wurden Mousli von der Vorsitzenden Richterin ausgesuchte Passagen aus seinen insgesamt 59 Befragungen durch das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesstaatsanwaltschaft (BAW) vorgehalten. Erneut reihten sich so Ungereimtheiten, Widersprüche und ausgemachte Lügereien aneinander. Die Rolle des Bundesamts für Verfassungsschutzes (BfV) in der Genese der Aussagen des Kronzeugen, blieb dabei allerdings weiterhin im Dunkeln. Mousli konnte sich partout nicht mehr erinnern, mit welchen Informationen er wann durch Kontakte zu Beamten des BfV gefüttert worden war und wie diese in seine Aussagen eingeflossen waren. Auf Antrag der Verteidigung bestätigte Mousli, dass die gesamten Protokolle seiner Vernehmungen von ihm persönlich unterschrieben worden waren und damit dem entsprächen, was er damals ausgesagt habe.

Zum Abschluss des heutigen Verhandlungstages, verlas die Richterin auf einen weiteren Antrag der Verteidigung aller handschriftlicher Erklärungen und Aufzeichnungen, die vom Kronzeugen gemacht wurden und dem Bundeskriminalamt (BKA) übergeben worden waren.

Der Prozess wird am 20.02. zur gewohnten Zeit fortgesetzt.

ausführlicher Prozessbericht


12.02.2004: 168. Prozesstag

Weitgehende Selbstdemontage des Kronzeugen (to be continued)

Das war kein guter Tag für die Bundesanwaltschaft, und es war kein guter Tag für den Kronzeugen Mousli. Ob sich das für die Angeklagten positiv auswirken wird, bleibt aber weiter offen.

Hatte Mousli immer behauptet, er habe seinen "Freund" Lothar E. bis Dezember 1999 nicht belasten wollen, wurde heute klar, dass selbst das gelogen ist. Vielmehr hatte er diesen gegenüber dem BKA schon vorher bezichtigt, organisiert Scheinehen anzubahnen; ob unentgeltlich, so Mousli, wisse er nicht.

Im Verlauf der zeitweise hochemotionalen und immer wieder unterbrochenen Verhandlung stellte sich erneut heraus, dass Mousli im Grunde keinen blassen Schimmer zu einem angeblichen Sprengstoffdepot im MehringHof und noch weniger zu dessen angeblichen "Betreuern" hatte. Über die Stationen 30. November, 7., 16., und 30. Dezember, 2. und 19. Januar 2000 sowie 15. und 21. März 2000 wurde so aus einem Depot vom Hörensagen im MehringHof das garantiert im Aufzugschacht gegenüber der Kneipe "Ex" befindliche und von den Angeklagten Axel H. und Lothar E. betreute Waffen- und Sprengstofflager unter einer Metallplatte, dessen Örtlichkeiten Mousli "genau kannte".

Gut vorbereitet und offensichtlich eintrainiert zeigte sich Mousli, als es darum ging, die besondere Gefährlichkeit von Sabine E., Rudolf Sch. und - ungefragt - Matthias B. zu behaupten. Dass, wie E. und Sch. in ihren Einlassungen erläutert hatten, mit dem Ende der Flüchtlingskampagne auch das Projekt RZ für sie erledigt war, bezeichnete Mousli als "Quatsch". Das Anfang 1988 in der Berliner RZ diskutierte Papier "Das Spiel ist aus" (1989 veröffentlicht als "Was ist das Patriarchat") sei von Sabine E. geschrieben und in der Gruppe kontrovers diskutiert worden. Welche Kontroversen, konnte er angeblich nicht erinnern. Laut Mousli zielte es jedoch nicht auf eine Beendigung einer bewaffneten, revolutionären Politik, sondern "im Gegenteil, als ich das äußerte, wurde ich von Judith [angeblicher Deckname von Sabine E.] beschimpft."

Nachdem Rechtsanwalt Eisenberg gegen den erbitterten Widerstand und die sichtliche Empörung der Bundesanwaltschaft beim Kammergericht den Vorhalt des Papiers in einzelnen Abschnitten durchsetzen konnte, war auch mit dieser Behauptung Schluss. Mousli konnte weder dem Text inhaltlich folgen, noch darstellen, worin die Kontroversen bestanden haben sollen. Wie er aus dem Papier habe schließen können, dass es sich um eine neue Linie im bewaffneten Kampf, das Ziel einer neuen revolutionären Perspektive und um die Fortsetzung der RZ handele, konnte er auch auf wiederholte Nachfrage ebenfalls nicht erklären. Skrupel- wie ausweglos musste Mousli schließlich auf die Frage nach der revolutionären Perspektive angesichts des Papiers schließlich eingestehen, "das haben wir uns auch gefragt", um dann frech fort zu fahren, es sei die "Grundlagendiskussion für die Fortführung der Vereinspolitik" gewesen.

Das Verfahren wird am Freitag, 13. Februar 2004 um 9.15 Uhr mit der Vernehmung Mouslis fortgesetzt.

ausführlicher Prozessbericht


09.02.2004: 167. Prozesstag

Hier sage ich nichts

Lothar E. (50), selbstständiger Handwerker aus Yellowknife/Kanada, war heute als Zeuge geladen. "Sie wissen, um was es sich heute hier handelt", so die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig in ihrer unnachahmlichen Art. Lothar E. wusste es. Als ebenfalls vom Kronzeugen Mousli Beschuldigter, der vor einigen Monaten erst von den kanadischen Behörden an die BRD ausgeliefert worden war und gegen den die Bundesanwaltschaft Mitte Januar Anklage erhoben hat, machte er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebrauch. Daran änderte auch die - eigentlich unverschämte - Frage von Hennig nichts, ob er den vorhabe zu lügen, wenn er nicht mehr an die Wahrheitspflicht als Zeuge gebunden sei. Denn wie dem Senat "gerichtsbekannt" geworden sei, sei für kommenden Mittwoch ein Treffen zwischen Mitgliedern des zuständigen 2. Strafsenats des Kammergerichts Berlin, der BAW und seinen Verteidigern zwecks Verfahrensabsprache geplant, bei dem auch eine Einlassung von Lothar E. zur Sprache kommen soll.

In den rund zehn Minuten der heutigen Hauptverhandlung verkündete der Senat noch zwei Beschlüsse, mit denen Beweisanträge der Verteidigung von Rudolf Sch. und der Anwälte von Matthias B. ablehnt wurden, außerdem wurde auf Antrag der Verteidigung von Rudolf Sch. ein Foto von Sabine E. und eine Phantomzeichnung der Schützin beim Korbmacher-Anschlag, also von Barbara v. W., in Augenschein genommen. Die Gegenüberstellung von Mousli und seiner ehemaligen Lebensgefährtin Karmen T. wurden ebenso abgelehnt wie die Befragung weiterer Zeugen, um zu klären, ob Mousli ein Sprengstoffpaket wirklich bereits 1995 in einem Seegraben im Norden Berlin versenkt haben kann. Da sich der Senat selbst genügend Sachkenntnis bescheinigte, wurde auch die Ladung des forensisch tätigen Aussagepsychologen Prof. Günter Köhnken negativ beschieden, der zur suggestiven Vorgeschichte der Vernehmung von Mousli am 27.1.2000 und der sich daraus ergebenden aussagekräftigen Bedeutung Stellung nehmen sollte.

Der Prozess wird am Donnerstag, 12.2., um 9.15 Uhr in Anwesenheit des Kronzeugen fortgesetzt.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


30.01.2004: 166. Prozesstag

Die Winterferien stehen kurz bevor

Für ca. 15 Minuten netto wurde heute im Saal 500 beim Berliner Kammergericht verhandelt. Zunächst verkündete das Gericht einige Beschlüsse zu Anträgen, die die Verteidigung Axel H. am 8.1.04, im Zusammenhang mit der von Mousli behaupteten Beteiligung an Anschlägen von Axel H., gestellt hatte. Zwar wurde den Anträgen auf Ladung von diversen Vernehmungsbeamten und der Verlesung von handschriftlichen Notitzen von Mousli nicht stattgegeben. Immerhin verkündete der Senat, dass Mousli erneut zu diesen Fragen gehört werde soll. Abgelehnt wurde ein weiterer Antrag der Verteidigerin von Harald G., Silke Studzinsky, die das Gericht aufforderte, Mousli nicht am 12. und 13. Februar sondern zu einem späteren Zeitpunkt zu laden, da sie zu diesem Zeitpunkt in Urlaub sei. Für solche Fälle seien jedem der Angeklagten zwei Pflichverteidiger gestellt worden, so die Begründung der Ablehnung. Rechtsanwalt König wollte am Ende des Prozesstages von der Vorsitzenden Richterin wissen, zu welchem Zweck denn nun Lothar Ebke für den 9. Februar geladen sei. "Dazu gebe ich keine Erklärung ab", so Frau Hennig, die damit das Ende des Verhandlungstages verkündete.

Der Prozess wird am Montag, den 9. Februar um 14:00 Uhr fortgesetzt.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


22.01.2004: 165. Prozesstag

Das 'Ding' bleibt zusammen

Keine neuen Erkenntnisse durch zwei Zeugen zum angeblichen Sprengstofflager im Berliner Mehringhof.

Zunächst beantragte RA Eisenberg aber die Abtrennung und Beendigung des Verfahrens gegen die Angeklagte Sabine E.. Der Kronzeuge würde doch fortgesetzt lügen und die Höchststrafe für sie wäre ohnehin längst vereinbart. "Das Ding bleibt zusammen" erwiderte die Bundesanwaltschaft und entsprechend kurz und knapp entschied auch die Kammer.

Dem Polizist Michael Mocken aus Erkelenz war bei der Durchsuchung eines Garagenraumes im Mehringhof nichts Auffälliges in Erinnerung. Weder Schächte, Eisenplatten noch Sprengstoffverstecke seien gefunden worden. Uta K., ab 1987 Hausmeisterin in derselben Immobilie, bestätigte ihre früheren Aussagen. Im Aufzugsschacht wären außer einem Estrich und einer stationären Pumpe keine Umbauten vorgenommen worden. Der sog. Stromraum in dem Objekt wäre weder grundwassergefährdet noch anderweitig ständig überflutet gewesen, ein Umbau der Stromanschlüsse wäre erst später erfolgt.

RAin Lunnebach will das Gutachten über die Häufigkeit des Algenvorkommens beim Sprengstoff-Fund im Seegraben widerlegen. Ein Professor für Statistik würde die wissenschaftliche Unhaltbarkeit der damals vertretenen Thesen nachweisen. Der Kommentar von Richter Alban: "Wenn's jemand nicht bringt, muss nachgebessert werden...". Wie wahr!

Ein ausführlicher Bericht entfällt mangels Masse.


15.01.2004: 164. Prozesstag

Beweisaufnahme geht weiter

Ach wie schön ist Moabit!? Nachdem letzte Woche durch die beiden Anwälte von Sabine E. der Reigen der Plädoyers abgeschlossen worden war, hatte das Kammergericht für heute zwei Zeugen geladen, mit anderen Worten: Die Beweisaufnahme ist wieder eröffnet. Und sie begann im gewohnten, alten Trott. Nach etwas mehr als einer Stunde durften die Prozessbeteiligten den Saal 500 des Kriminalgerichts Moabit wieder verlassen.

Und auch noch die - nennen wir es - Unzulänglichkeit des Senats in Punkto Verfahrensführung war im neuen Jahr wie gehabt: "Mit dem neuen Briefzustelldienst sind kurzfristige Ladungen anscheinend nicht möglich", zeigte sich die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig scheinbar interessiert und um Abhilfe besorgt. Als wäre es nicht bezeichnend für diesen Senat, dass er ernsthaft glaubt, wenn er Montags per Post eine Ladung verschickt, sei es selbstverständlich, dass ZeugInnen wenige Tage später (konkret: am Donnerstag) springen. Weil die Zeugin jedoch wenig überraschend wegen der kurzfristigen Ladung aus terminlichen Gründen nicht vor Gericht erscheinen konnte, begann die Hauptverhandlung erst um 10 Uhr mit Erscheinen des zweiten Zeugen - ihm hatte das Gericht immerhin die Ladung per Fax zugestellt.

Die Ladung geht zurück auf einen Hilfsbeweisantrag der Verteidigung von Axel H., den Rechtsanwalt von Schliefen am Tag seines Plädoyers gestellt hatte, für den Fall, dass sein Mandant wegen der "Verwaltung" eines laut Kronzeugen im Mehringhof untergebrachten Sprengstoff- und Waffendepots der RZ verurteilt werden sollte.

Bei dem Zeugen handelte es sich um Arno R. (53), der in dem im Mehringhof ansässigen Grafikbetrieb Graf Druckula arbeitet. Die Firma nutzte seit Anfang der 1980er Jahren den so genannten Garagenraum, der im Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BAW) zu dem Ort mutierte, in dem das angebliche Sprengstoff- und Waffendepot in einem Schacht untergebracht gewesen sein soll.

Ein Schacht existiert dort, wie Arno R. einräumte. In seinen weiteren Ausführungen musste er allerdings die Bundesanwaltschaft enttäuschen, und verwies deren neue Theorie zum angeblichen RZ-Sprengstoffdepot somit ins Reich der Fantasie. Denn wie der Grafiker glaubhaft versicherte, war dieser Schacht von einer metallenen Platte bedeckt, auf der Regale, die der Lagerung u.a. von Papier dienten, und seit ca. 1984 bis 1992 eine tonnenschwere Schneidemaschine standen. Auch verneinte er, dass Axel H. ebenso wenig wie Lothar E., gegen den im übrigen die BAW am Montag Anklage vor dem Kammergericht erhoben hat, in ihrer Funktion als Hausmeister im Mehringhof freien Zugang zu diesem Raum gehabt hätten. Der Raum sei mit einem Vorhängeschloss gesichert gewesen; Schlüssel hätten nur die beiden Mieter Graf Druckula und der Buchladen Schwarze Risse besäßen; der Raum sei nicht mit dem Generalschlüssel der Schließanlage des Mehringhof zu öffnen gewesen. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde der Zeuge zum Abschluss noch von Rechtsanwalt Euler - nicht ohne die Vorwarnung voranzustellen, der Zeuge solle sich über diese Frage nicht wundern - befragt, ob in diesem Raum jemals ein Lift oder Aufzug installiert gewesen sei. Verdutzt verneinte Arno R..

Zur Überraschung der Prozessbeteiligten verkündete die Vorsitzende Hennig anschließend, dass wahrscheinlich bereits nächste Woche Tarek Mousli erneut in den Zeugenstand gerufen wird. Zuvor waren die Beweisanträge der Verteidigung von Axel H. und Matthias B., mit denen die Ladung zahlreicher Vernehmungsbeamter gefordert worden war, unisono mit der Begründung abgelehnt worden, die Beweismittel seien ungeeignet bzw. unzulässig, zudem werde der Verteidigung die Befragung des Kronzeugen ermöglicht werden.

Zum weiteren Verlauf des Prozesses wollte bzw. konnte der Senat keine Angaben machen. Nur soviel ist klar, die Hauptverhandlung wird am kommenden Donnerstag, 22. Januar, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Geplant ist auch, dass nächste Woche der Termin am Freitag ausnahmsweise nicht aufgehoben wird. Mutmaßlich, weil dann der Kronzeuge seine wohl letzten Auftritt in diesem Verfahren haben wird.

[ Tarek Mousli wird nun doch frühestens zum 29.01.2004 geladen.]

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


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