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Verteidigung

Plädoyer

[Rechtsanwalt v. Schliefen vom 29.12.2003]

1.Einleitung

Von den hier angeklagten Personen treffen Herrn Haug die meisten Anklagevorwürfe. Mit der Anklageschrift vom 30.10.2000 wird Herrn Haug die Mitgliedschaft in der Berliner Zelle der "Revolutionären Zellen", die Beteiligung an den Personenanschlägen auf Herrn Hollenberg und Herrn Korbmacher sowie an den Sprengstoffanschlägen auf die ZSA und die Siegessäule vorgeworfen. Außerdem soll Herr Haug als Hausmeister des Mehringhofs das dortige Sprengstoffdepot der RZ verwaltet und einen Verstoß gegen das Waffengesetz begangen haben.

Der Umfang der Vorwürfe steht in gewissem Sinn in einem umgekehrten Verhältnis zum Strafantrag der BAW, die für ihn die niedrigste Strafe forderte. Bemerkenswert ist, dass die Person des RZ-Mitgliedes ANTON trotz des Umfangs der Vorwürfe immer blass blieb. Man kann sich auch wenn man Mousli glauben will kein rechtes Bild davon machen, wer dieser anscheinend so umtriebige Anton war. Bei keiner der Taten, an der er teilgenommen haben soll, ist er als Handelnder oder Denkender wahrnehmbar geworden. Seine Gestalt ist in allen Schilderungen schattenhaft geblieben. Mehr als ein "Ich habe von den anderen gehört, das Anton dabei war" war Mousli nicht zu entlocken. Die Frage mit der sich das Plädoyer zu befassen hat, ist, ob das wenige was Mousli zu Anton Tatbeteiligung an einzelnen Taten zu berichten wusste, eine Verurteilung tragen kann.

Herr Haug hat sich in seiner schriftlichen Erklärung vom 28.02.2002 zu den Tatvorwürfen geäußert. Er hat darin eingeräumt, im Jahr 1986 für die Berliner RZ tätig gewesen zu sein, wobei seine Aufgabe darin bestand, die Ankunft und den Aufenthalt von Jon und Judith in Berlin zu organisieren, die untergetaucht waren und als Illegale nach Berlin kamen. Als er nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt im Oktober 1986 erfuhr, dass eine Durchsuchung seiner Arbeitsstelle stattgefunden und die Polizeibeamten sich explizit nach ihm erkundigt hatten, brach er im Herbst 1986 entsprechend den konspirativen Regeln innerhalb der RZ jeden weiteren Kontakt zur Gruppe ab. Nach seiner Abreise nach Nicaragua Dez. 1987 habe er keinen Kontakt mehr zu der RZ aufgenommen. Die Beteiligung an den Personen- und den Sprengstoffanschlägen hat Herr Haug ebenso in Abrede gestellt, wie die ihm angelastete Verwaltung des RZ-Sprengstoffdepots im Mehringhof.

Der Vorwürfe, Herr Haug sei über den Oktober 1986 hinaus für die RZ tätig gewesen und habe sich an den beiden Personen- und Sprengstoffanschlägen beteiligt und das angebliche Sprengstoffdepot im Mehringhof verwaltet, beruht ausschließlich auf den Angaben des Kronzeugen Tarek Mousli.

Tarek Mousli hat dabei die Einschränkung gemacht, dass er Axel Haug nie im Zusammenhang mit einer "Aktion" selbst gesehen habe.

Über eine Beteiligung will er jeweils nur über andere Mitglieder der RZ erfahren haben, vornehmlich über Jon und Judith, die über Heiner den Kontakt zu der anderen Berliner Gruppe hielten, der Axel Haug unter dem Decknamen Anton angehört habe. Jon und Judith hätten jedoch besonders darauf geachtet Anton von Mousli abzuschirmen.

Dass Axel Haug das vermeintliche Sprengstoffdepot im Mehringhof verwaltet habe, will Tarek Mousli von Lothar Ebke erfahren haben, der ebenfalls als Hausmeister im Mehringhof arbeitete.

Von der Beteliegung AH am Anschlag auf die Siegessäule will TM von Loth. Ebke und Harald Glöde erfahren haben.

Die Angaben des Kronzeugen über die Beteiligung von Axel Haug an diesen fünf Taten sind also ausschließlich Angaben eines Zeugen vom Hörensagen.

Enstehungsgeschichte der Aussage Tarek Mouslis

1. Allgemein

Damit komme ich zu dem ersten Problem bei der Würdigung der Aussagen Mouslis, nämlich dem ihm von der BAW in die Wiege gelegten Motiv zur Falschaussage durch den Pakt "Knüller" gg. Bewährung".

Wir erinnern uns: Anfang Juli 99 kommt Tarek Mousli wieder auf freien Fuß und im August wird auf wundersame Weise der Sprengstoff im Seegraben entdeckt. Das BKA ermittelt weiter intensiv in seinem Umfeld und befragt schließlich auch seine damalige Lebensgefährtin Carmen Tollkühn. Nach anfänglichem Zögern berichtet Carmen Tollkühn, was Tarek Mousli ihr über seine Vergangenheit bei der RZ berichtet hat. Sie berichtet u. a., Tarek Mousli habe ihr gegenüber gesagt, er habe auf einen Richter geschossen. Von dieser Aussage ist Carmen Tollkühn nie abgerückt. Es ergeht ein neuer Haftbefehl gegen Tarek Mousli u. a. wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Am 23.11.1999 wird Tarek Mousli erneut in Berlin verhaftet und nach Karlsruhe zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes gebracht. Schon auf der Fahrt von Berlin nach Karlsruhe wird Tarek Mousli bedeutet, dass seine Situation ernst ist, und er wird auf die Kronzeugenregelung hingewiesen. Nach einer Nacht im Polizeigewahrsam wird er am 24.11.1999 dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Im Dienstgebäude des Bundesgerichtshofes kommt es in einer Beratungspause zu dem denkwürdigen Gespräch zwischen Tarek Mousli und Staatsanwalt Monka, in dem es um die Kronzeugenregelung geht und Tarek Mousli die altbewährte Sanktionenschere eröffnet wird. Ich zitiere aus dem Vermerk von Staatsanwalt Monka über dieses Gespräch (Bd. 11 Bl. 95 f.):

"Im ungünstigen Fall, so erklärte ich ihm, hätte er mit umfangreichen Ermittlungen, einer langen Ermittlungsdauer und einer langen Hauptverhandlung zu rechnen, bei der eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu erwarten wäre. Ich sprach von fünf bis sechs Jahren Freiheitsstrafe oder mehr. Dies sei dann der Fall, wenn er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen würde und nicht mit den Behörden zusammenarbeiten sollte.

Auf der anderen Seite gebe es den günstigsten Fall, der dann verwirklicht wäre, wenn er ein Geständnis ablegen würde, wenn es zu einer schnellen Hauptverhandlung kommen würde und wenn er Aufklärungshilfe liefern würde im Sinne der Kronzeugenregelung, die zum Jahresende ausläuft. Die Aufklärungshilfe müsste in diesem Fall dahin gehen, dass die Ermittlungsbehörden durch ihn weiterer Täter habhaft werden könnten. Ich sprach in diesem Zusammenhang von sogenannten 'Knüllern'.

In einem solchen Fall, stellte ich ihm dar, könnte es vielleicht möglich sein, im Frühsommer 2000 eine Hauptverhandlung beim Kammergericht in Berlin durchzuführen. Dies setzte natürlich voraus, dass das Kammergericht die Dinge ähnlich sieht. Es sei auch eine Strafmaßreduzierung bis auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. In einem solchen Fall könnte er dem Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Weiterhin wäre es sicher möglich, den Beschuldigten und seine Lebensgefährtin in das Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamtes aufzunehmen."

(In der Hauptverhandlung vom 15.06.2001 gab Tarek Mousli zu diesem Gespräch an, er habe nachgefragt, was mit "Knüllern" gemeint sei. Die Antwort habe er sinngemäß so verstanden, dass damit die Offenbarung von Mittätern und Strukturen in der RZ gemeint sei.)

Tarek Mousli wurde durch dieses Gespräch in die Situation gebracht, sich entweder gegen die Tatvorwürfe zu wehren und eine Freiheitsstrafe von 5, 6 oder mehr Jahren, eine lange Hauptverhandlung und lange Untersuchungshaft zu riskieren, oder einen Pakt mit der Bundesanwaltschaft zu schließen und für ein schnelles Verfahren und eine Bewährungsstrafe Mittäter zu offenbaren. Drastischer ist die berüchtigte Sanktionenschere, mittels derer eine Kooperationsbereitschaft erzwungen werden soll, kaum vorzustellen. Machen wir uns nichts vor: Den frisch verhafteten Beschuldigten in dieser Weise in die Sanktionenschere zu nehmen, ist eine Nötigung. Aber diese Vorgehensweise ist nicht nur wegen ihres nötigenden Charakters problematisch, sondern vor allem auch deshalb, weil die Strafverfolgungsbehörden damit für den Betroffenen ein Motiv zur Falschaussage schaffen, das nicht mehr zu beseitigen ist. Über das ohnehin bestehende Bedürfnis des kooperierenden Beschuldigten, eigene Tatbeiträge zur Entlastung auf andere zu schieben, wird zusätzlich ein kaum zu widerstehender Anreiz zur Lüge geschaffen. Der sich aufgrund der Sanktionenschere unterwerfende Beschuldigte ist leicht verleitet, in dem Bestreben, die geforderten "Knüller" zu liefern, falsche Verdächtigungen auszusprechen, die Identitäten von Tatbeteiligten zu eigenen Gunsten auszutauschen und vor allem dort, wo er nichts weiß, seine Vermutungen über die Tatbeteiligten und ihre Beiträge als Gewissheit auszugeben. Gerade Letzteres ist in den Aussagen von Tarek Mousli öfter festzustellen.

Das von den Strafverfolgungsbehörden hausgemachte Motiv zur Falschaussage des Kronzeugen ist letztlich nicht mehr auszumerzen, wenn wie hier die Angaben des Kronzeugen nur begrenzt überprüfbar sind. Auch wenn Tarek Mousli beispielsweise über den Anschlag auf die ZSA 1987 Angaben gemacht hat, die zutreffend sind (und einige, die nachweislich falsch sind), lässt sich nicht überprüfen, ob seine Angaben zu der gesamten Phalanx der RZ-Mitglieder, die angeblich auf dem Bahngelände zur Absicherung standen, zutreffend sind, oder ob er - was nahe liegt - nicht den einen oder anderen hinzu gedichtet hat, um Punkte in der Knüllerwertung zu sammeln.

Ein Gesetzesentwurf der CDU/CSU in der vergangenen Legislaturperiode sah die Einführung der Sanktionenschere im Bereich der Kronzeugenregelung vor. Der Richter sollte danach im Urteil vorsorglich die Strafe festsetzen, die ohne Anwendung der Kronzeugenregelung verwirkt worden wäre. Der Richter am Bundesgerichtshof Armin Nack, der sich durch zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Glaubwürdigkeitsbeurteilung profiliert hat, kommentierte diesen Gesetzesentwurf in seiner Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Bundestages wie folgt:

"Wird dem Angeklagten in einem Rechtsgespräch in Aussicht gestellt, welche Strafe er hypothetisch zu erwarten hat, so könnte er sich veranlasst sehen, die Tatbeiträge anderer unwahr zu schildern, um einen möglichst hohen Strafrabatt zu erhalten. Das wirft schwierige Probleme der Glaubwürdigkeitsbeurteilung auf."

Eine Lösung für dieses staatlich initiierte Glaubwürdigkeitsproblem schlägt Nack konsequenterweise nicht vor. Sie kann letztlich nur darin liegen, dass die Angaben eines derart präparierten Kronzeugens nur insoweit Grundlage eines Schuldspruchs sein können, als sie durch andere Beweismittel bestätigt werden. Soweit Angaben des Kronzeugen zu anderen Tatbeteiligten und deren Tatbeiträgen nicht durch weitere Beweismittel objektiviert sind, können sie allein einen Schuldspruch nicht tragen. Dies gilt im besonderen Maß für die Aussage von Tarek Mousli, bei der erlebnisfundiertes und erfundenes Wissen gerade in Bezug auf Axel Haug schon allein deshalb nicht anhand von aussageimmanenten Realkennzeichen unterschieden werden kann, weil das angebliche Wissen nur vom Hörensagen stammt, sich zumeist darin erschöpft, dass Axel Haug "dabei" gewesen ist, ohne das Tatbeiträge geschildert werden.

2. Die weitere Entwicklung der Aussage

Durch den Pakt mit der Bundesanwaltschaft beflügelt, bemühte sich Tarek Mousli bis Ende 1999 in insgesamt 11 Vernehmungen, die von ihm geforderten "Knüller" zu liefern. Dabei berichtete er nachweislich Zutreffendes und eingestandenermaßen Unzutreffendes. So verschwieg und bestritt er bis zum Jahresende 1999 die später von ihm behauptete Verstrickung des Lothar Ebke in die Berliner RZ. Auch zu Axel Haug waren seine Angaben zunächst sehr zurückhaltend und überwiegend als Vermutungen und Schlussfolgerungen geäußert. Ich zitiere aus einigen Beschuldigtenvernehmungen Tarek Mousli bis zum Jahresende 1999:

1. Vernehmung vom 26.11.1999:

"Anton war Mitglied der anderen Gruppe. Ich kenne ihn persönlich nicht."

2. Vernehmung vom 30.11.1999:

"Axel kann als Unterstützer der RZ in Berlin angesehen werden, wobei er kein Mitglied einer illegalen Gruppe gewesen sein muss."

und "... Bei Axel Haug bin ich mir ziemlich sicher, dass er im Zusammenhang mit den RZ strukturell eingebunden war und nicht nur Depotverwalter war."

In derselben Vernehmung berichtet Tarek Mousli von dem Anschlag auf Harald Hollenberg im Oktober 1986, wobei er weder eine Beteiligung des Axel Haug, noch der Person mit dem Decknamen Anton erwähnt. Zu dem Anschlag auf die ZSA heißt es:

"Bei diesem Anschlag sicherten wir (ich selbst stand auf der anderen Seite des Kanals, Toni oder Heiner oder Siggi oder Anton standen glaube ich auf dem Bahngleis)."

3. Vernehmung vom 07.12.1999:

Auf Vorhalt der bei Axel Haug gefundenen RZ-Schriften und der Anschriften von Jon und Judith schlussfolgert Tarek Mousli Folgendes:

"Der Besitz von RZ-Schriften deutet auf einen ganz normalen Szenetypen hin. Der Besitz der aktuellen Adressen und Telefonnummern von Jon und Judith hingegen, die stets penibel auf die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen geachtet haben, schließt eher aus, dass diese Person nur ein Unterstützer war."

Zu dem angeblichen Depot im Mehringhof spekuliert Mousli in dieser Vernehmung:

"Wenn im Mehringhof ein Waffendepot existiert hat, dann muss das über Axel Haug gelaufen sein."

4. Vernehmung vom 16.12.1999:

In dieser Vernehmung stellt Mousli erstmals Vermutungen über die Identität von Axel Haug und der Person mit dem Decknamen Anton an:

"Ich kann mir also deshalb gut vorstellen, dass Axel Anton aus der anderen Gruppe war ..."

5. Vernehmung vom 30.12.1999:

In dieser Vernehmung macht Tarek Mousli Angaben zu den Beteiligten beim Anschlag auf die Siegessäule. Dazu sagt er:

"Weiterhin weiß ich genau, ebenfalls aus Schilderungen von Lothar, aber auch von Siggi (ca. 1994), dass Lothar, Heiner und Siggi an diesem Anschlag beteiligt gewesen sind. Mehr kann ich zu diesem Anschlag nicht sagen."

Mit keinem Wort erwähnt Tarek Mousli in dieser Vernehmung Axel Haug oder Anton als Tatbeteiligten.

Am 30.12.1999 liefert Tarek Mousli angeblich aus Furcht um die Sicherheit von Carmen Tollkühn Lothar Ebke ans Messer. Kurz darauf offenbart er sein vermeintliches Wissen über Anton bzw. Axel Haug. Zuvor, nämlich zwischen dem 24.12. und dem 30.12.1999 war Tarek Mousli in der JVA Ossendorf noch einmal von EKHK Schultzke und vielleicht KOK Trede aufgesucht worden. In diesem Gespräch, das in der Akte nicht dokumentiert ist, aber von dem EKHK Schultzke in der hiesigen Hauptverhandlung berichtet hat, wird Tarek Mousli noch einmal darauf hingewiesen, dass am 31.12.1999 die Kronzeugenregelung ausläuft und dass seine bisherigen Angaben in einigen Punkten nicht glaubhaft und unzureichend sind. Nach Angaben von EKHK Schultzke wurde Tarek Mousli in diesem Gespräch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Bundesanwaltschaft unter diesen Bedingungen nicht an ihre Vereinbarung gebunden sehe.

Ganz offensichtlich hatte Tarek Mousli bei der Beschuldigtenvernehmung vom 30.12.1999 den dringenden Wunsch, weitere "Knüller" zu liefern, und offenbarte dort erstmals sein vermeintliches Wissen zu Lothar Ebke und Axel Haug. Auf Fragen, warum er sein Wissen über Axel Haug bzw. Anton erst so spät offenbarte, eine Frage, die ihm von den Vernehmungsbeamten bemerkenswerterweise nie gestellt wurde, gab Tarek Mousli in der Hauptverhandlung an, er habe Axel Haug/Anton nicht benannt, um Lothar Ebke zu schützen, denn beide seien befreundet gewesen. Wenn er nun Axel Haug benannt hätte, der auch mit Lothar Ebke befreundet gewesen sei, hätte er damit eine direkte Spur zu Lothar Ebke gelegt.

Diese Begründung ist alles andere als überzeugend, denn Tarek Mousli hat bereits vorher Spuren auf Lothar Ebke gelegt im Zusammenhang mit dem Sprengstoffdepot und Ebkes Tätigkeit als Hausmeister. In diesem Zusammenhang hatte er auch schon Axel Haug in Mutmaßungen verdächtigt und ihn wegen der Kontakte zu Jon und Judith als Unterstützer in Betracht gezogen. Die Spur, die er durch das Verschweigen von Axel Haug angeblich verdecken wollte, hatte er also längst gelegt. Durch das Zurückhalten weiteren mutmaßlichen Wissens über Axel Haug konnte der Kronzeuge Lothar Ebke gar nicht mehr schützen. Im Übrigen ist es, selbst wenn man die laxen Verdachtsmaßstäbe der Bundesanwaltschaft anlegt, fernliegend, dass Lothar Ebke deshalb in Verdacht geraten wäre, weil sein Kollege und Freund Axel Haug durch Tarek Mousli belastet wird. Die Antwort Tarek Mouslis, er habe Axel Haug so lange rausgehalten, um Lothar Ebke zu schützen, ist also unsinnig. Mit dieser Antwort könnte Tarek Mousli im Übrigen höchstens erklären, warum er Axel Haug nicht als die RZ-Person mit dem Decknamen "Anton" offenbart hat. Dies erklärt aber nicht, warum er bis zum 30.12.1999 die Tatbeteiligung von Anton an den von ihm geschilderten Personen- und Sprengstoffanschlägen verschweigt. Es hätte Lothar Ebke nicht gefährdet, wenn Tarek Mousli sein angebliches Wissen über die Tatbeteiligung von Anton offenbart, aber verschwiegen hätte, wer Anton wirklich ist. Genau so ist Mousli schließlich mit dem RZ Mitglied mit dem Decknamen Toni verfahren, dessen Identität er nicht offenbart hat, ohne dass dies den Ermittlern jemals erkennbar Anlass gab, seine Aussagen in Zweifel zu ziehen.

Die von Tarek Mousli angegebene Begründung ist für die späte Belastung von Axel Haug und Anton daher unschlüssig und erklärt sein Verhalten nicht. Angesichts des Umstandes, dass er auch später nie etwas Konkretes über eine Tatbeteiligung von Axel Haug berichten konnte, liegt es vielmehr nahe, dass Tarek Mousli bis zum 31.12.1999 nichts über Axel Haug und Anton berichtete, weil er schlichtweg nichts über ihn wusste. Von Schultzke zwischen Weihnachten und Silvester nochmals auf die Kronzeugenregelung und seine Verpflichtung zur Lieferung von Knüllern hingewiesen, sah sich Tarek Mousli dann offenbar genötigt, einen weiteren Knüller aus dem Ärmel zu schütteln und Axel Haug und Anton zu belasten. Richtig ist wohl, dass die Angaben Tarek Mouslis über die Tatbeteiligung von Anton bis zum 31.12.1999 zutreffend waren und er danach zu falschen Belastungen übergegangen ist.

3. Die Aussagen Tarek Mouslis zu den einzelnen Tatvorwürfen

1. Die terroristische Vereinigung

a) Anwerbung von Tarek Mousli und Lothar Ebke

Tarek Mousli hat angegeben, gemeinsam mit Lothar Ebke im Jahr 1986 durch Gerd Albartus und Axel Haug für die RZ angeworben worden und in die konspirativen Regeln der RZ eingewiesen worden zu sein. Bereits an diesem Punkt zeigt sich, dass die Angaben von Tarek Mousli zum Verhältnis von Axel Haug und Gerd Albartus höchst widersprüchlich sind. In der Vernehmung vom 04.01.2000 (SAO 17, 44) gab Tarek Mousli zu der Bekanntschaft zwischen Herrn Haug und Gerd Albartus Folgendes an:

"Ich weiß sowohl von Axel Haug, dass er Gerd Albartus kannte, als auch, dass "Kai" zu "Anton" Kontakt hatte. Ich wusste von Gerd Albartus (DN: "Kai") sowohl den legalen als auch den illegalen Kontakt zu Axel Haug (DN: "Anton")."

Nach diesen Angaben wussten Gerd Albartus und Axel Haug voneinander, dass sie RZ-Mitglieder waren, und kannten sich nicht nur unter ihren RZ-Decknamen, sondern auch unter ihren bürgerlichen Namen. In der Vernehmung vom 15.03.2000 schildert der Zeuge Mousli die Beziehung zwischen Axel Haug und Gerd Albartus jedoch ganz anders. Auf die Frage, was er über die Verbindungen des Axel Haug zu den Mitgliedern anderer RZ-Gruppen sagen könne, antwortete Mousli:

"Sicher kann ich über solche Kenntnisse nur für meine Zeit bei der RZ von 1985 bis 1990 Angaben machen. Axel kannte mit Sicherheit persönlich folgende RZ- bzw. Rote Zora-Mitglieder als solche: Mich (DN: Daniel), "Sebastian", "Sigi", "Jon", "Judith", "Heiner" und "Toni". Bei Gerd Albartus (DN: Kai) bin ich mir nicht sicher. Ich weiß das so genau, weil zum einen bis auf "Toni" alle angeführten Personen bei bereits erwähntem Waldspaziergang dabei waren, zum anderen aus zahlreichen Gesprächen unserer Gruppe, aus denen ich wusste, dass "Anton" und "Toni" in derselben Gruppe waren."

Nachdem Mousli am 04.01.2000 also noch der Auffassung war, Axel Haug habe Gerd Albartus als Gerd Albartus und zugleich als RZ-Mitglied mit dem Decknamen "Kai" gekannt, so war er sich kurze Zeit später nicht mehr sicher, ob Axel Haug Gerd Albartus auch als RZ-Mitglied mit dem Decknamen "Kai" kannte. In der Hauptverhandlung vom 28.02.2002 war sich Mousli dann auf Vorhalt dann doch wieder sicher, dass Axel Haug Gerd Albartus kannte, und zwar "privat und auch unter dem Decknamen Kai". Er war sich dann allerdings unsicher, ob Gerd Albartus Herrn Haug als RZ-Mitglied mit dem Decknamen "Anton" gekannt habe. Bemerkenswert an diesem Vorgang ist, dass jedes Mal, wenn Tarek Mousli dazu befragt wird, eine andere Antwort gegeben wird, obgleich er sich am 04.01.2000 seines Wissens so sicher schien. Dies spricht dafür, dass er fabuliert, anstatt Unsicherheiten einzuräumen. Dies ist bei jemanden, der Knüller zu liefern hat, durchaus nachvollziehbar.

Die widersprüchlichen Aussagen Mouslis zu der Beziehung zwischen Gerd Albartus und Axel Haug haben durchaus eine gewisse Bedeutung, denn immerhin behauptet Mousli, er selbst sei von Gerd Albartus für die RZ angeworben und zur gleichen Zeit sein Lothar Ebke durch Axel Haug. Ursprünglich hatte Mousli (dies kommt der Wahrheit vermutlich näher) angegeben, er selbst habe Lothar Ebke für die RZ angeworben. Dies schwächte er dann später dahin gehend ab, dass Axel Haug Lothar Ebke angesprochen habe und er, Mousli, diese Frage dann mit Lothar Ebke diskutiert habe. Es ist bereits wenig schlüssig, dass entgegen dem Abschottungsprinzip ein Mitglied einer RZ-Gruppe Mitglieder für eine andere RZ-Gruppe wirbt. Dies ist geradezu absurd, wenn man berücksichtigt, dass nach Mouslis Aussagen Jon und Judith immer größten Wert darauf legten, ihn von dem RZ-Mitglied der anderen Gruppe mit dem Decknamen Anton abzuschirmen. Wenn dies zutreffend ist, wäre es geradezu aberwitzig gewesen, Lothar Ebke durch Anton bzw. Axel Haug anwerben zu lassen, denn beide kannten sich privat und es war bekannt, dass Lothar Ebke und Tarek Mousli einander sehr nahe standen. Da Axel Haug gegenüber Lothar Ebke keine Anonymität wahren konnte, hätte eine Anwerbung Lothar Ebkes durch ihn die Preisgabe des Abschottungsprinzips nicht nur gegenüber Lothar Ebke bedeutet, sondern zugleich die Gefahr heraufbeschworen, dass Ebke dies seinem Freund Tarek Mousli offenbart. Dies hätte kaum auf das Einverständnis von Jon und Judith treffen dürfen, die auf eine Abschottung von Axel Haug besonderen Wert legten. Jon und Judith ihrerseits müssen darüber informiert gewesen sein, wenn Axel Haug versuchte, Lothar Ebke anzuwerben, denn es ist kaum denkbar, dass ein RZ-Mitglied für eine Gruppe geworben wird, ohne dass die Köpfe dieser Gruppe darüber informiert sind. Insoweit sind die Angaben von Mousli widersprüchlich und unglaubhaft.

b) Der Waldspaziergang

Ein wichtiger Punkt in der Geschichte der Berliner RZ ist nach der Schilderung von Mousli der sogenannte Waldspaziergang, der im Jahr 1989 oder 1990 stattgefunden haben soll. Herr Schindler und Frau Eckle und auch Herr Haug haben in ihren Einlassungen angegeben, dass es einen solchen Waldspaziergang nicht gegeben habe. Der Kollege Euler hat in seinem Plädoyer zutreffend darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen Angaben Mouslis geradezu absurd sind, weil kaum denkbar ist, dass sich eine klandestin, nach dem Prinzip der Abschottung arbeitende Gruppe, deren Sicherheitskonzept von der Bundesanwaltschaft eingestandenermaßen soweit ging, dass einzelne Mitglieder über Tatabläufe nicht vollständig bzw. unrichtig informiert wurden, nach der sogenannten Aktion Zobel im Dezember 1987 unter Preisgabe aller internen Sicherheitsmaßnahmen an einem Ausflugsort trifft, um eine ideologische Neuorientierung zu diskutieren. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Kollegin Lunnebach hat in ihrem Plädoyer dargelegt, dass die Angaben Mouslis zu dem sogenannten Waldspaziergang auch aufgrund der Aussageentwicklung in diesem Punkt unglaubhaft sind. Ich möchte dies nicht im Einzelnen wiederholen, lege aber als Verteidiger von Herrn Haug besonderen Wert darauf, darauf hinzuweisen, dass die Aussageentwicklung insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung von Herrn Haug an dem angeblichen Waldspaziergang bemerkenswert ist. Auffällig ist, dass die Aussage, dass alle Mitglieder der Berliner RZ mit Ausnahme des zuvor ausgeschiedenen "Toni" teilgenommen hätten, der Endpunkt einer Entwicklung ist, in dem der Kreis der Teilnehmer an dem Spaziergang immer wieder variiert wurde. Das erste Mal erwähnt Tarek Mousli den sogenannten Waldspaziergang in handschriftlichen Notizen, die er am 27. und 28.12.1999 in der JVA Ossendorf fertigte und die sich als Anlage zur Vernehmung vom 30.12.1999 im Band 17, Bl. 436 d. A. finden. In diesen Notizen heißt es unter Punkt 2. wörtlich:

"Heiner gesehen bei einem Treffen 89 oder 90 bei einem Waldspaziergang Nähe Loretta am Wannsee, Jon und/oder Judith auch dabei."

Von einer Teilnahme der weiteren RZ-Mitglieder Sigi, Sebastian und Anton findet sich in diesen schriftlichen Notizen nichts. Das nächste Mal erwähnt Tarek Mousli den Waldspaziergang in seiner polizeilichen Vernehmung vom 30.12.1999 in der JVA Ossendorf. Dort heißt es wörtlich:

"Ich erinnere mich, dass Lothar, Jon, Judith und auch Heiner zusammen mit mir einen Spaziergang in einem Waldstück in der Nähe des "Loretta am Wannsee" 1989 oder 1990 unternommen haben. Der Spaziergang fand auf jeden Fall statt, bevor Jon und Judith wieder aufgetaucht sind. Dieser Sachverhalt war mir entfallen."

Im Unterschied zu den handschriftlichen Aufzeichnungen, die er drei Tage zuvor gefertigt hat, erwähnt Tarek Mousli am 30.12. also nunmehr auch Lothar Ebke. Dies allein würde sich ja noch damit erklären lassen, dass Mousli angab, er habe seinen Freund Lothar Ebke bis zum Jahreswechsel aus den Belastungen heraushalten wollen. Es erklärt aber mitnichten, warum Tarek Mousli in dieser Vernehmung nicht auch schon Anton als Teilnehmer des Waldspazierganges erwähnt. Ich verweise insofern auf meine obigen Ausführungen zu der späten Belastung von Anton. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, Mousli habe am 30.12. nur halbherzig zur Wahrheit gefunden und sich erst danach dazu entschlossen, sein ganzes Wissen zu offenbaren. Denn bei einer weiteren Vernehmung vom 18.01.2000, als er angeblich zu vollständig wahrheitsgemäßen Angaben übergegangen ist, erwähnt er den Waldspaziergang erneut. In dieser Vernehmung (SAO 17, 568, 577) heißt es wörtlich:

"Im Jahr 1989 machten ich, "Heiner", Lothar Ebke, Rudolf Schindler, Sabine Eckle und Harald Glöde, einen "Waldspaziergang" im Grunewald nördlich des Wannsees. Über den Waldspaziergang habe ich bereits in Bezug auf Heiner in meiner Vernehmung gegenüber dem BKA ausgesagt."

Zu diesem Zeitpunkt hatte Mousli erstens nach eigenen Angaben zur Wahrheit gefunden, also kein Wissen mehr gegenüber den Ermittlungsbehörden zurückgehalten, und zweitens hatte er keinen Grund mehr, Axel Haug am 18.01.2000 nicht zu belasten, denn er hatte ihn bereits zuvor als die Person mit dem Decknamen Anton aus der anderen Gruppe identifiziert und der Beteiligung an nahezu allen Aktionen der Berliner RZ bezichtigt. Dass Tarek Mousli sich auch in seiner dritten Äußerung zu dem vermeintlichen Waldspaziergang immer noch nicht daran erinnern konnte, dass Axel Haug teilgenommen hatte, und ihm dies erst in der Zeit bis zu seiner nächsten Vernehmung zu dem Thema, am 15.03.2000, einfiel, wird uns selbst die Bundesanwaltschaft nicht weismachen wollen. Dies ist schon angesichts der besonderen Bedeutung, die dieses Ereignis in der Geschichte der Berliner RZ einnahm, kaum denkbar, wobei auch hier darauf hinzuweisen ist, dass diese gleichsam historische Relevanz des Treffens sich erst nach und nach in den Aussagen von Mousli entwickelt. Dagegen, dass Anton bzw. Axel Haug ihm erst so spät in Erinnerung kam, spricht außerdem, dass dieses Treffen für Tarek Mousli wegen seines Offenbarungscharakters besondere Prägnanz besaß. Schließlich will er bei diesem Treffen erstmals erfahren haben, dass sich hinter der Person mit dem Decknamen "Heiner" Matthias Borgmann verbergen soll und außerdem ihm gegenüber Axel Haug, von dem er zwar vorher schon gewusst haben will, dass es sich um Anton handelt, zum ersten und einzigen Mal als Mitglied der RZ im Zusammenhang mit der RZ entgegentrat. Mousli hat in seinen polizeilichen Vernehmungen auch nach seiner angeblichen Wende zur Wahrheit immer wieder betont, dass Jon und Judith darum bemüht gewesen seien, die Person des Anton ihm gegenüber in besonderer Weise abzuschirmen. Dass ihm das "Outing" von Anton bei dem angeblichen Waldspaziergang entfallen und erst zwischen der dritten und vierten Vernehmung zu diesem Punkt wieder eingefallen sei, ist nichts anderes als blanker Unsinn. Angesichts der Aussageentwicklung zu den beteiligten Personen und der strategischen Bedeutung des Waldspaziergangs drängt sich vielmehr auf, dass Mousli diese Idee nach und nach ungestört durch kritische Nachfragen der Vernehmungsbeamten entwickelte, um vor allem die Identifizierung der ihm bis dahin gar nicht (Heiner) bzw. nur vom Hörensagen Bekannten (Anton) dingfest zu machen und auf vermeintlich eigenes Erleben zu stützen.

2. Der Anschlag auf Harald Hollenberg

Die Aussagen von Tarek Mousli zur Planung und Ausführung des Anschlages auf Harald Hollenberg im Oktober 1986 sind in einigen Punkten nachweislich falsch.

a) Wer hat geschossen?

Tarek Mousli hat angegeben, dass Jon bei diesem Anschlag auf Harald Hollenberg geschossen hat, während Judith ihn dabei begleitet habe. Dies steht im Widerspruch zu den Angaben von Rudolf Schindler und Sabine Eckle. Rudolf Schindler hat eingeräumt, bei diesem Anschlag unmittelbar dabei gewesen zu sein, geschossen habe aber seine Begleiterin. Dies deckt sich mit der Wahrnehmung des Opfers Harald Hollenberg, der zwar nicht gesehen hat, wer geschossen hat, weil er den Tätern den Rücken zugewendet hatte, aber dann, als er sich umdrehte spontan den Eindruck hatte, die Frau habe geschossen. Seine Täterbeschreibung, er sprach von einer Frau mit einem Mondgesicht, passt nicht auf das Erscheinungsbild von Sabine Eckle, die zwar ihre Frisur und Haarfarbe geändert haben mag, sicherlich aber nicht ihre Gesichtsform. Dafür, dass eine Frau bei dem Attentat geschossen hat, spricht auch, dass dies in dem Bekennerschreiben so dargestellt wurde.

Schließlich und entscheidend hat die Zeugin Barbara von Werder in der hiesigen Hauptverhandlung eingeräumt, dass sie seinerzeit auf Harald Hollenberg geschossen habe. Auch wenn ihre Erinnerung in einigen Punkten nicht gut war, spricht nichts dafür, dass sich die Zeugin zu Unrecht selbst dieses Attentates bezichtigt. Sich allein aus Freundschaft einer solchen Tat zu bezichtigen mit all den Konsequenzen, die die Zeugin aus dem Verlauf des Verfahrens gegen die hier angeklagten Personen erkennen kann, ist eine gerade zu abenteuerliche Vermutung.

Dagegen, dass die Aussage BvWs das Ergebnis eine Komplottes ist, spricht schließlich auch die Aussage des Kollegen Euler. Der Kollege hat berichtet, das Herr Schindler, ihm nach der Bekanntmachung des Haftbefehls vom 15.12.1999 und vor Anordnung der Trennscheibe am 11.02.2000 mitgeteilt habe, dass BvW auf Harald Hollenberg geschossen habe. Noch bevor Herr Schindler aus der U-Haft entlassen worden sei, habe BvW dies in einem Gespräch in Anwesenheit von Dr. Zieger und anderen Verteidigern aus diesem Verfahren bestätigt.

Zwischen dem Zeitpunkt als Rudolf Schindler gegenüber RA Euler BvW als Schützin bezeichnete und dem Zeitpunkt als BvW dies bestätigte, bestand zwischen beiden keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Eine fingierte Aussage hätte also vor Schindlers Verhaftung "Auf Vorrat" verabredet oder über seinen Verteidiger initiiert werden müssen. Beide Behauptungen sind gleichermaßen abwegig.

b) Der Flucht-PKW

Tarek Mousli hat in seinen polizeilichen Vernehmungen angegeben, gemeinsam mit Siggi und Sebastian den später für die Flucht verwendeten PKW Passat gemeinsam auf dem Parkplatz eines Studentenwohnheimes in Zehlendorf gestohlen zu haben. Er beschrieb dabei detailliert die Technik, mit der die Tür des Wagens geöffnet wurde. Die Ermittlungen haben allerdings ergeben, dass dieser PKW am 10. August 1986 von dem Vorbesitzer Herrn Liebenau an einen gewissen Werner Neumann verkauft wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der PKW später dem Erwerber Werner Neumann gestohlen wurde, sind nicht festzustellen. Weder liegt eine entsprechende Diebstahlsanzeige vor, noch konnten an dem PKW Spuren einer gewaltsamen Öffnung nachgewiesen werden, wie sie hätten vorliegen müssen, wenn Tarek Mouslis Angaben insoweit zutreffend wären. In diesem Punkt sind seine Angaben schlichtweg falsch.

Die Bundesanwaltschaft hat dies in ihrem Plädoyer als einen schlichten Irrtum Mouslis gewertet, der die Fälle Hollenberg und Korbmacher verwechselt habe. Damit springt die Bundesanwaltschaft bei ihrem Versuch, Ungereimtheiten in der Aussage Mouslis zu glätten, einmal mehr zu kurz. Nach den Angaben Mouslis im Ermittlungsverfahren kann eine solche Verwechselung ausgeschlossen werden, denn Mousli hat angegeben, zweimal am Diebstahl eines Pkw für eine RZ-Aktion beteiligt gewesen zu sein. In seiner Vernehmung vom 30.11.1999 (SAO 15, 30, 38) gab Mousli zu dem Pkw-Diebstahl im Fall Hollenberg Folgendes an:

"Für das Knacken und Wegfahren brauchten wir weniger als eine Minute."

In seinen handschriftlichen Aufzeichnungen zu Lothar Ebke (Bd. 17, S. 491 ff.) ergänzt Mousli seine Angaben zu dem Diebstahl des Flucht-Pkw im Fall Hollenberg wie folgt:

"Außerdem haben "Sebastian" und ich das Fluchtauto besorgt auf einem Parkplatz in der Nähe der Dominikusstraße in Schöneberg."

In derselben Erklärung heißt es auf der folgenden Seite zu dem Anschlag auf Dr. Korbmacher:

"Sebastian, Sigi und ich haben das Fluchtauto, wie bereits angegeben, besorgt ..."

In der polizeilichen Vernehmung vom 10.01.2000 (SAO 17, 476, 479) erläutert Mousli seine schriftlichen Angaben zu dem Pkw-Diebstahl im Fall Hollenberg nochmals wie folgt:

"Ich möchte darauf hinweisen, dass "Sebastian" und ich das Fluchtauto auf einem Parkplatz in der Nähe der Dominikusstraße in Schöneberg entwendet hatten. Die Verfahrensweise, wie derartige Fahrzeuge durch die "RZ" entwendet wurden, habe ich bereits bei dem Fahrzeugdiebstahl zum Anschlag auf Herrn Dr. Korbmacher erläutert."

Schon durch diesen Verweis Mouslis wird deutlich, dass Mousli die Pkw-Diebstähle in den Fällen Hollenberg und Korbmacher durchaus unterscheidet und an beiden Diebstählen beteiligt gewesen sein will. In der Vernehmung vom 01.02.2000 (SAO 18, 697, 699) gab Mousli zu dem Pkw-Diebstahl im Fall Hollenberg erneut Folgendes an:

"Sebastian und ich haben in der Vorbereitungszeit einen VW Passat als Tatfahrzeug gestohlen. Anhand des mir vorliegenden Stadtplanes muss dies auf einem Parkplatz in der unmittelbaren Umgebung des Studentendorfes an der Wasgenstraße in Berlin-Nikolassee gewesen sein. Dies geschah mehrere Wochen vor der Tat, also etwa im September 1986."

Im Folgenden schildert Mousli detailliert, wie der Pkw aufgebrochen und präpariert wurde. Abschließend gab Mousli auf eine im Protokoll nicht festgehaltene Frage an:

"Auf Frage erkläre ich, dass ich der festen Überzeugung bin, dass dieses von uns gestohlene Fahrzeug zur Tat eingesetzt werden sollte."

Bereits damit wird deutlich, dass Mousli der Auffassung ist, dass in beiden Fällen das Fluchtfahrzeug unter seiner Beteiligung gestohlen wurde. Dies wiederholte in seiner Vernehmung vom 16.02.2000 (SAO 18, 773, 776, 778) nochmals ausdrücklich und unmissverständlich. In dieser Vernehmung gab Mousli auf Vorhalt, dass im Fall Korbmacher der Flucht-Pkw nicht, wie von Mousli zunächst angegeben, in Zehlendorf, sondern in der Bernhardstraße entwendet wurde, Folgendes an:

"Zunächst einmal war bei dem Diebstahl des Fluchtautos auch "Sebastian" beteiligt. Bezüglich des Ortes des Diebstahls habe ich diesen mit dem Diebstahl eines VW Passates zum Attentat auf Herrn Hollenberg verwechselt. Es trifft zu, dass der Wagen in der Bernhardstraße entwendet wurde, eine ähnliche Angabe habe ich auch in meinen handschriftlichen Anmerkungen vom 15.02.2000 gemacht."

Spätestens mit dieser durch einen Vorhalt veranlassten Aussage Mouslis wird deutlich, dass er daran festhält, sowohl im Fall Hollenberg, als auch im Fall Korbmacher am Diebstahl des Flucht-Pkw beteiligt gewesen zu sein, also mindestens zweimal einen Pkw gestohlen zu haben, wobei er einräumt, möglicherweise den Ort des Diebstahls in beiden Fällen verwechselt zu haben. Zu der Beweiswürdigung der Bundesanwaltschaft, Mousli habe die Art der Fahrzeugbeschaffung insgesamt verwechselt, kann man eigentlich nur kommen, wenn man seine Vernehmungen nicht gelesen hat. Wenn demnach eine Verwechselung mit dem Fall Korbmacher ausscheidet, dann sind die unrichtigen Angaben Mouslis zu der Fahrzeugbeschaffung im Fall Hollenberg eigentlich nur in zweierlei Weise erklärbar:

Entweder Mousli weiß nichts über die Fahrzeugbeschaffung im Fall Hollenberg und er dichtet dieses Detail abgeleitet von seinen Erkenntnissen im Fall Korbmacher. In diesem Fall lügt er. Oder aber Mouslis Angaben sind zutreffend und er hat im September 1986 mit Lothar Ebke einen Pkw in der beschriebenen Weise gestohlen, aber dieser Pkw wurde nicht bei der Tat eingesetzt und dies wurde Mousli verschwiegen. In diesem Fall lügt Mousli nicht, aber erneut wurde ihm von den anderen Mitgliedern seiner Gruppe die Vorbereitung und Ausführung der Tat nicht wahrheitsgemäß geschildert. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass andere Gruppenmitglieder ihm, wie die Bundesanwaltschaft im Fall der ZSA mutmaßte, Herrschaftswissen vorenthalten wollten, oder ob ihm gegenüber der Sachverhalt aus anderen Gründen verschleiert werden sollte, wie er es hinsichtlich der Kennzeichen im Fall Korbmacher eingeräumt hat, wissen wir nicht. Festzuhalten ist aber, dass Mousli dann von anderen RZ-Mitgliedern über Tatabläufe, die er nicht selbst erlebt hat, falsch informiert wurde und dass es auch später keine Richtigstellung gegeben hat, so dass er selbst keine Kenntnis davon hat, ob sein Wissen vom Hörensagen zutreffend ist oder nicht. Anders ist seine Bemerkung in der Vernehmung vom 01.02.2000 zu dem gestohlenen Pkw im Fall Hollenberg: "auf Frage erkläre ich, dass ich der festen Überzeugung bin, dass dieses von uns gestohlene Fahrzeug zur Tat eingesetzt werden sollte." nicht zu verstehen. Wenn man also an der Wahrheitsliebe des Kronzeugen festhalten will, muss man gleichwohl eingestehen, dass sein Wissen vom Hörensagen höchst unzuverlässig ist.

c) Der Fluchtweg

Tarek Mousli hat angegeben, er habe bei der Vorbereitung des Anschlages den späteren Fluchtweg mit ausgekundschaftet. Geplant sei gewesen, dass die beiden Täter mit einem Klappfahrrad über einen Pfad, der über eine kleine S-Bahnbrücke zur Berlepschstraße führt, fliehen und an der Stelle, an der der Pfad auf die Berlepschstraße trifft, in den dort bereitstehenden Flucht-PKW einsteigen. Tatsächlich stand der Flucht-PKW nicht in der Berlepschstraße, sondern viel näher am Tatort, nämlich im Bereich der Kreuzung Idsteiner Straße, Hegauer Weg im Hegauer Weg.

Auch insoweit ist die Schilderung Mouslis schlichtweg falsch. Sofern dies darauf beruht, dass die Pläne zur Tatausführung später geändert wurden, wurde Tarek Mousli darüber offensichtlich nicht informiert, woraus nun der Schluss gezogen werden kann, dass er über den Ablauf des Anschlages weder im Vorfeld noch bei der vermeintlichen Nachbesprechung zutreffend informiert wurde. In diesem Fall sind seine nicht durch andere Beweismittel objektivierbaren Angaben wenig wert.

d) Tatbeteiligung Anton

Tarek Mousli schilderte in seiner Vernehmung vom 30.11.1999 ausführlich den Anschlag auf Harald Hollenberg und nannte dabei auch die Decknamen der tatbeteiligten RZ-Mitglieder. Anton erwähnte er in dieser Vernehmung nicht als Tatbeteiligten. Wenn Anton tatsächlich dabei gewesen wäre, gab es für Tarek Mousli keinen Grund, ihn zu verschweigen. Rücksichtnahme auf Lothar Ebke ist aus den oben genannten Gründen kein nachvollziehbares Motiv für ein Verschweigen von Anton.

3. Der Anschlag auf die ZSA

Auch bei diesem Tatkomplex hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Angaben von Tarek Mousli in zentralen Punkten unrichtig sind.

a) Die Computeranlage

In der Beschuldigtenvernehmung vom 2. Dezember 1999 gab Mousli an, der Anschlag habe darauf abgezielt, die zentrale Computeranlage der ZSA zu zerstören. Nachermittlungen, die in die hiesige Hauptverhandlung eingeführt wurden, haben jedoch ergeben, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine zentrale Computeranlage in der ZSA gab und schon gar nicht in dem Bereich, in dem der Sprengsatz gelegt wurde.

b) Konstruktion des Sprengsatzes

Tarek Mousli hat in handschriftlichen Aufzeichnungen eine ausführliche und akribische Schilderung der Konstruktionsweise des Sprengsatzes mit einer detailgenauen Skizze abgegeben, die in der hiesigen Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde. Bereits das kriminaltechnische Gutachten vom 14. August 2000 und schließlich auch die Anhörung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung haben ergeben, dass der von Tarek Mousli so ausführlich und detailgenau geschilderte Sprengsatz bei dem Anschlag auf die ZSA gar nicht zum Einsatz gekommen sein kann, weil er nicht die Sprengwirkung entfalten konnte, wie sie der tatsächlich zur Anwendung gekommene Sprengsatz hatte.

Die Bundesanwaltschaft hat sich an diesem Punkt in dem Bemühen, die Glaubwürdigkeit Tarek Mouslis zu erhalten, zu der Schlussfolgerung verstiegen, Tarek Mouslis Schilderung der Konstruktion des Sprengsatzes sei zutreffend (auch hinsichtlich des Ortes und der beteiligten Personen), aber Rudolf Schindler habe anschließend heimlich den zum Einsatz gekommenen Sprengsatz gebaut, dessen Konstruktionsweise Tarek Mousli als Herrschaftswissen vorenthalten bleiben sollte. Abgesehen davon, dass sich diese Mutmaßungen nicht auf die Angaben der hierzu gehörten Sachverständigen stützen können, die bekundet haben, dass ein Sprengsatz aus gewerblichem Sprengstoff und unverdämmten Unkraut-Ex keine sinnvolle Konstruktion ist, stellt sich die Bundesanwaltschaft erneut nicht der sich nach der von ihr geäußerten Vermutung geradezu aufdrängenden Frage, warum und in welchem Umfang Tarek Mousli von den anderen Mitgliedern der RZ über Geschehensabläufe getäuscht oder im Unklaren gelassen wurde. Die von der Bundesanwaltschaft aufgestellte Täuschungsvermutung nur dort zur Geltung kommen zu lassen, wo Tarek Mouslis Angaben nachgewiesenermaßen unzutreffend sind, und seine im Übrigen nicht überprüfbaren Angaben als richtig zu unterstellen, ist blanke Willkür und hat mit einer rational nachvollziehbaren Beweiswürdigung nichts zu tun. Wenn sich der Senat in diesem wie auch in anderen unrichtigen Details der Tatschilderung von Tarek Mousli der Täuschungsvermutung der Bundesanwaltschaft anschließt, um die Schlussfolgerung zu vermeiden, Mousli habe schlicht gelogen oder fantasiert, so wirft dies hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seiner Angaben vom Hörensagen mehr Fragen auf, als die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer beantworten konnte und wollte. Der Senat wird darauf eigene Antworten geben müssen, auf die wir gespannt sein dürfen.

In diesen beiden Punkten sind die Angaben von Tarek Mousli zum Kernbereich der Tat nachgewiesenermaßen falsch. Seine Darstellung ist darüber hinaus in einigen Punkten hochgradig unplausibel.

c) Tatbeteiligung Harald Glöde

In seiner Vernehmung vom 7. Januar 2000 gab Tarek Mousli an, dass Siggi bei dem Anschlag vermutlich dabei war. Sicher jedoch sei er bei der Aufklärung zu diesem Anschlag beteiligt gewesen und habe die ZSA über mehrere Wochen beobachtet. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Harald Glöde in der Tatnacht nicht dabei gewesen sein konnte, weil er sich zu dieser Zeit in Polizeigewahrsam befand und zwar wegen der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Postsparbuchaktion. Dieser Umstand macht es im Zusammenhang mit den von Tarek Mousli geschilderten konspirativen Regeln innerhalb der RZ auch hochgradig unwahrscheinlich, dass Harald Glöde im Vorfeld bei der Vorbereitung des Anschlages mitgewirkt hat. Harald Glöde hatte sich, nachdem er befürchten musste, für die Postsparbuchaktion belangt zu werden, zunächst ins Ausland begeben und sich dann entschieden, nach Deutschland zurückzukehren. Dabei war ihm gewahr, dass Ermittlungen gegen ihn laufen und er damit rechnen muss, im Visier polizeilicher Ermittlungen zu stehen. Unter diesen Bedingungen wäre seine Teilnahme an dem Anschlag auf die ZSA ein erhebliches Risiko für die ganze Gruppe gewesen.

d) Anrühren des Sprengstoffs

Tarek Mousli hat geschildert, dass der von ihm beschriebene Sprengsatz in der Weise vorbereitet wurde, dass Jon auf dem Küchentisch einer konspirativen Wohnung in der Oranienstraße das als Sprengmittel verwendete Unkraut-Ex mit einem Streckmittel versetzte, indem er beide Substanzen miteinander verrührte. Dabei hätten andere Personen mit um den Tisch gesessen. Abgesehen davon, dass Mouslis Schilderung des Sprengsatzes ohnehin falsch ist, ist dieses von ihm geschilderte Detail geradezu abwegig. Es war - dies hat Tarek Mousli auf Nachfrage in der Hauptverhandlung eingeräumt - innerhalb der RZ wohlbekannt, dass es einige Jahre zuvor in Heidelberg bei einer ähnlichen Vorgehensweise zu einem schweren Unglück gekommen war. Es ist deshalb geradezu absurd, dass sich die Mitglieder der Berliner RZ wohlwissend einem solchen Risiko aussetzen.

e) Sicherung des Anschlages

Nach den Angaben von Tarek Mousli sollen mehrere Mitglieder der RZ den Anschlag auf der Seite des Bahndammes, der an die ZSA angrenzt, gesichert haben. Auch diese Schilderung ist hochgradig unplausibel. Die Beobachtungen im Vorfeld des Anschlages hatten ergeben, dass dieser Bahndamm stillgelegt war, nicht bewacht wurde und dort kein Publikumsverkehr herrschte. Es wäre also geradezu auffällig gewesen, wenn sich eine Gruppe von Personen dort in der Nacht hinbegibt, um den Anschlag in einem Bereich zu sichern, an dem praktisch keine Gefahr drohte. Im Unterschied dazu wurde bei den Anschlägen auf Harald Hollenberg und Günter Korbmacher, die jeweils in einer Wohngegend verübt wurden, ein viel geringerer Sicherheitsaufwand betrieben, obgleich dort das Entdeckungsrisiko höher war. Auch an dieser Stelle liegt es nahe, dass Tarek Mousli, der zu den Beteiligten zunächst nur unsichere Angaben machen konnte (s. o. Zitat), seine Vermutungen zu vermeintlichen Gewissheiten verdichtete.

4. Günter Korbmacher

Auch im Fall Korbmacher sind Mouslis Angaben teilweise falsch und teilweise hochgradig unplausibel. Dies fängt schon damit an, dass Tarek Mousli angeblich nicht gewusst haben will, wer bei diesem Anschlag das Motorrad fuhr, von dem aus auf Herrn Korbmacher geschossen wurde. Wenn Tarek Mouslis Aussage in diesem Punkt zutreffend ist, wäre zu fragen, warum ihm dies vorenthalten wurde. Dass er vergessen hat, wer der Motorradfahrer war, ist wenig einleuchtend. Handelt es sich doch um eine ganz zentrale Figur des Geschehens.

Unrichtig sind Tarek Mouslis Angaben jedenfalls hinsichtlich des Ortes, an dem das für diesen Anschlag verwendete Fluchtfahrzeug gestohlen wurde.

Unrichtig ist auch die Angabe Tarek Mouslis, dass das für das Flucht-Motorrad genutzte Dublettenkennzeichen ebenfalls entwendet worden sei. Tatsächlich wurde das Kennzeichen ganz normal gekauft.

Auf Vorhalt dieses Widerspruchs in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 16. Februar 2000 zeigte sich Mousli überrascht und erklärte dann, er könne sich vorstellen, dass Jon und Judith aus "Verschleierungsgründen" die Unwahrheit über die Tatvorbereitung bzw. Durchführung gesagt haben. Auf Vorhalt dieser Passage gab Tarek Mousli in der Hauptverhandlung an, die von ihm vermutete Verschleierung habe sich nicht auf Personen oder Tatbeteiligte bezogen, sondern nur auf technische Details. Auf die weitere Frage, woher er das wisse, konnte Tarek Mousli keine Antwort geben. Mit seiner Aussage über die "Verschleierung" hat Tarek Mousli die Quellen seines angeblichen Wissens vom Hörensagen selbst in Zweifel gezogen. Ein Grund mehr, seine unbestätigten Angaben vom Hörensagen nicht zur Grundlage einer Verurteilung zu machen.

Völlig absurd ist weiterhin die Schilderung Tarek Mouslis, dass er selbst und auch Toni, den er nicht kennen will, unabhängig voneinander das ebenfalls für die Flucht bei dem Anschlag genutzte Motorrad einer Testfahrt unterzogen haben wollen. Wer außer dem Fahrer macht eine Testfahrt?

Angesichts der sehr vorsichtigen Vorgehensweise der RZ-Mitglieder ist nicht nachvollziehbar, warum sich zwei Personen dem Risiko aussetzen sollten, mit einem gestohlenen Motorrad durch den Innenstadtbereich zu fahren. Mousli hat hierzu angegeben, dass er für seine Testfahrt, die er an einem warmen schwülen Tag unternahm, sogar den Regenkombi anzog, der später mutmaßlich vom Fahrer des Motorrades bei dem Anschlag getragen wurde. Warum sollte Tarek Mousli dies getan haben? Es drängt sich eher auf, dass er mit dieser Aussage unangenehmen Ergebnissen kriminaltechnischer Untersuchungen zu sich möglicherweise in dem Anzug findenden Spuren vorbauen wollte.

Auch hinsichtlich dieses Anschlages sind Tarek Mouslis Angaben zum Teil falsch und weisen im Übrigen Ungereimtheiten auf.

5. Der Anschlag auf die Siegessäule

Die Beweiserhebungen in der hiesigen Hauptverhandlung haben ergeben, dass Herr Haug im Vorfeld des Anschlages und während des Anschlages an einer Meniskusverletzung laborierte, die ihm das Gehen außerordentlich schwer machte. Diese Verletzung schließt es aus, dass er selbst beim Ablegen des Sprengsatzes an der Siegessäule beteiligt war. Sie lässt es auch hochgradig unwahrscheinlich erscheinen, dass er am Auskundschaften des Tatortes in irgendeiner Form beteiligt war.

Sämtliche Details, die Tarek Mousli später zu diesem Anschlag schilderte, kann er, wie sich aus den verlesenen Zeitungsartikeln ergibt, der Tagespresse entnommen haben. Insoweit verweise ich auf die Ausführungen des Kollegen Kaleck in seinem Plädoyer. Um anderweitig nicht erlangbares Täterwissen handelt es sich bei Mouslis Angaben jedenfalls nicht.

Unrichtig ist schließlich die Angabe Mouslis, die Täter hätten die Siegessäule durch einen unterirdischen Gang von unten betreten. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es weder einen Gang von unten direkt in die Siegessäule gibt, noch dass die Täter durch den Fußgängertunnel zur Siegessäule gelangt sein konnten, weil die Tore des Tunnels abends abgeschlossen werden und der den Tätern verfügbare Schlüssel zum Eingang zur Siegessäule nicht zu den Toren des Tunnels passt.

Auch die Aussageentwicklung hinsichtlich des Sprengstoffanschlages auf die Siegessäule lässt Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben Mouslis aufkommen. In der Vernehmung vom 09.12.1999 (SAO 17, 301, 306) erwähnte Mousli erstmals, dass er etwas von dem Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule wisse. Diesem Hinweis Mouslis gingen die Vernehmungsbeamten bemerkenswerterweise jedoch nicht nach. Auch in den sich anschließenden Vernehmungen vom 13., 14., 16. und 23.12.1999 hakten die Vernehmer des Bundeskriminalamtes an diesem Punkt nicht nach. Wenn man den Vernehmungsprotokollen Glauben schenken soll, brachte Tarek Mousli den Anschlag auf die Siegessäule in der Vernehmung vom 30.12.1999 von selbst wieder ins Gespräch und zwar im Zusammenhang mit der Beteiligung von Lothar Ebke in der Berliner RZ. Zu den Beteiligten des Anschlages gab Mousli in dieser Vernehmung Folgendes an (SAO 17, 433, 434):

"Während des Anschlages soll das Gelände, laut Lothar, abgesichert gewesen sein. Weiterhin weiß ich genau, ebenfalls aus Schilderungen von Lothar, aber auch von Sigi (ca. 1994), dass Lothar, Heiner und Sigi an diesem Anschlag beteiligt gewesen sind. Mehr kann ich zu diesem Anschlag nicht sagen."

Bemerkenswerterweise ist bei dieser Schilderung von einer Beteiligung des Anton nicht die Rede. Einen Grund, Anton zu verschweigen, gab es zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr). Ich verweise insofern auf meine obigen Ausführungen zu der späten Belastung von Axel Haug. In handschriftlichen Notizen vom 27. und 28.12.1999, die Mousli am 30.12.1999 den Vernehmungsbeamten des BKA übergab, heißt es unter Punkt 8 zu dem Anschlag auf die Siegessäule:

"Ich weiß nicht, ob ich das schon gesagt habe: Heiner und Sigi waren auf jeden Fall bei Siegessäule dabei. Weiss ich von Sigi 94."

Erst in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen, die er in der Zeit zwischen dem 30.12.1999 und dem 02.01.2000 gefertigt haben will, und in der Vernehmung vom 04.01.2000 gib Mousli dann an, er wisse von Lothar, dass Anton auch bei dem Anschlag auf die Siegessäule dabei war.

6. Sprengstoffdepot Mehringhof

Die Beweisaufnahme zu diesem Tatkomplex hat ergeben, dass die Angaben von Tarek Mousli zu diesem Depot unzutreffend sind.

a) Aussageentwicklung zu Axel Haug

Die Aussageentwicklung zur Beteiligung von Axel Haug/Anton an der Verwaltung des Depots belegt, dass Tarek Mousli aus nachvollziehbaren Motiven Vermutungen, die er in diesem Punkt hegt, im Lauf seiner Vernehmungen zu Gewissheiten verdichtet.

In seiner Vernehmung vom 30.11.1999 gab Mousli zu dem angeblichen Depot und der Beteiligung von A.H. Folgendes an:

" ...bei Axel Haug bin ich mir ziemlich sicher, dass er im Zusammenhang mit der RZ strukturell RZ eingebunden war und nicht nur Depotverwalter war."

Am 07.12.1999 heißt es dazu:

" Wenn im MH ein Waffendepot existiert hat, dann muss das über AH gelaufen sein."

Zunächst also nähert sich Mousli dem Thema lediglich mit Vermutungen und Spekulationen. Diese entwickelt er am 16.12.99 wie folgt weiter:

" Wenn ein Waffendepot im MH gewesen ist, dann ist das nur über unbedingte Vertrauenspersonen gelaufen, d. h. , Personen wie die beiden Hausmeister Loth. E. und AH. Wenn Lothar diese Vertrauensperson gewesen wäre, so wäre das Einrichten des Depots der RZ über meine Person gelaufen. Da dies nicht der Fall war, könnte man im Zusammenhang mit dem o.g. Vorhalt davon ausgehen, dass AH diese Vertrauensperson gewesen ist."

In der bereits zitierten Vernehmung vom 30.12.1999 relativierte Mousli diese Aussage wieder und gab an, dass Lothar Ebke das Depot Ende der 80er Jahre betreut habe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusammen mit Axel Haug."

Also auch am 30.12.1999, als er angeblich zur Wahrheit fand, äußerte sich Mousli nur in Vermutungen über die Rolle von Axel Haug bei dem angeblichen Depot. An diesem Tag offenbarte er gegenüber den Vernehmern, dass er mehr zu AH sagen könne und bekam die Hausaufgabe, alles, was er zu AH wisse, aufzuschreiben. Zu der Vernehmung vom 04.01.00 überreichte er handschriftliche Aufzeichnungen zu AH, die er in der Zeit vom 30.12.99 bis 02.01.00 zu Papier gebracht haben will. Auch in diesen ersten Aufzeichnungen nach seiner "inneren Wende" äußert er sich zu dem Thema nur in Vermutungen:

" Anton muss auch von dem MH-Depot für Waffen und Sprengstoff gewusst haben, lt. John, Judith und Sebastian"

In der vom 4. Januar 2000 gab Mousli dann an, Sebastian habe das Depot angelegt und Anton habe davon gewusst. " Dies ist mein Erkenntnisstand bis 1990." In der Zeit zwischen dem 02.01.00 verdichtete sich also die Vermutung über die Mitwirkung von AH an dem Depot kurzfristig zum sicheren Wissen, allerdings nur bis zum 09.01.00. In den schriftlich Aufzeichnungen zu Lothar Ebke vom 09.01.00 heißt es dann wieder

"Das Depot wurde von Seb. angelegt, verwaltet und mit ziemlicher Sicherheit von "Anton" mitverwaltet und fortgeführt."

Erst in der staatsanwaltlichen Vernehmung vom 19.01.00 (17,589) ist sich Mousli hinsichtlich der Beteiligung von AH dann doch wieder sicher und gibt an; " Von Ebke weiß ich auch, dass AH (DN:Anton) ... das Depot mitverwaltete, ich weiß aber nicht, ob das den Zugang mit einschloß."

Nachdem also die Angaben Mouslis zur Tatbeteiligung von Axel Haug zunächst zwischen Gewissheit und Vermutung oszillierten, entschied er sich schließlich, dem Bedürfnis nach "Klöppern" nachgebend, dafür, seine Angaben als sicheres Wissen auszugeben. Unterstellt Mousli Vermutungen über die Rolle von AH bei dem Depot seien keine Vermutungen, sondern Wissen und sei es auch vom Hörensagen gewesen, warum hat er dies nicht am 30.12.99,oder in seinen danach gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen zu AH und Loth. E. gesagt? Dafür gibt es keinen einleuchtenden Grund, außer dem, dass er es wirklich nicht wusste, sondern nur vermutete. AH musste und wollte er zu diesen Zeitpunkten schon längst nicht mehr schützen.

b) Aussagen zum Lageort des Depots im Mehringhof

Ähnlichen Schwankungen unterliegen Mouslis Angaben zu dem angeblichen Lageort des Depots innerhalb des MH.

Während Tarek Mousli in seinen früheren Aussagen im Jahr 1999 verschiedene mögliche Lageorte im Mehringhof beschrieb, kaprizierte er sich Anfang des Jahres 2000 in weiteren Aussagen darauf, dass das Depot in dem Aufzugschacht angelegt war, der sich gegenüber dem Eingang zu der früheren Kneipe "Ex" befindet. So heißt es in der Vernehmung vom 30.12.99 (17,434) noch:

" Ich weiß auch von Lothar, dass das RZ-Depot u. a. in dem Aufzugschacht gewesen sein muss. Die anderen von mir angegebenen Stellen (Heizungskeller, Toilette im EX, Hausmeisterwerkstatt u. a. ) kommen auch in Betracht."

In den handschriftlichen Aufzeichnungen zu Loth. E. (17,496) heißt es dann aber schon:

"Dieser Sprengstoff, verpackt in blauen Plastiksäcken mit Klebeband, weiteres Zubehör , also Sprengschnur und Zünder, sowie Waffen wurden in einem Aufzugschacht in einem mittlere Durchgang des MH zeitweise verwahrt".

Fortan ist nur noch von dem Aufzugschacht die Rede, Alternativen werden nicht mehr benannt, So am 19.01.00 (SAO 17, 589): "Ich weiß von einem Depot in einem Aufzugschacht des MH."

In seiner Vernehmung vom 15.03.00 (SAO 18,931) beschrieb Mousli den Lageort des Depots dann präzise: "Ich wusste, dass das Depot durch Sebastian im MH in einem Aufzugschacht, in einem Durchgang angelegt worden war. ... Das Depot als solches habe ich nie gesehen, ich kannte aber genau die Örtlichkeiten."

Dies präzisierte er in der Vernehmung vom 21.03.00 (19,944) wie folgt: " Das RZ-Depot befand sich in dem Aufzugschacht gegenüber des Einganges vom Ex. ... Mit Durchgang aus meiner Vernehmung vom 15.03.00 meine ich den Durchgang zwischen dem Aufzugschacht und dem EX. Der Aufzug kann von Hand mit einer Winde hoch gedreht werden."

Zu den anderen ursprünglich in Betracht gezogenen Lageorten heißt es nunmehr:"Andere Markierungen auf den mir vorgelegten veralteten Plänen bezeichneten mögliche weitere Orte, an denen Depots , meiner Meinung nach, hätten eingerichtet werden können. Meine Informationen zum Depot stammten aus dem Zeitraum des Anlegens, zu dem ich bereits berichtete (1987/88) Ich bin in der Lage die Örtlichkeit auf Photos wiederzuerkennen. Zum besseren Verständnis habe ich eine Skizze zur Lage des Aufzugschachtes gefertigt und der Vernehmung beigefügt. Ich habe erneut die genaue Lage des Depots beschrieben."

Folgendes ist an dieser Aussage bemerkenswert: Mousli verfestigt die Behauptung, das Depot sei 87/88 im bekannten Aufzugschacht angelegt worden und - dies ist im Hinblick auf das Plädoyer der BAW wichtig - er bezeichnet die anderen Orte im MH als Orte, an denen Depots hätten eingerichtet werden können. Dies formuliert er in der Zeitform der nicht realisierten Möglichkeit, dem Konjunktiv Irrealis. Ein Depot hätte dort angelegt werden können, aber -so Mousli - es ist nicht geschehen, sondern das Depot wurde laut Mousli im Aufzugschacht angelegt. In der Vernehmung vom 29.03.00 bekräftigte Mousli dies erneut und räumte lediglich ein, es sei möglich, dass das Depot später an eine andere Stelle verlagert wurde.

Aufgrund der detaillierten Beschreibung Mouslis sah sich das Bundeskriminalamt veranlasst, diesen Aufzugschacht einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Dieser Aufzugschacht war wohlgemerkt von den Beamten, die diesen Abschnitt des Mehringhofs bei der ersten Durchsuchung am 19. November 1999 durchsuchten, als Versteck für ein Sprengstoffdepot ausgeschlossen worden, weil er viel zu unsicher war, denn man konnte den Schacht vom Betriebsraum des Aufzugsmotors durch ein Gitter einsehen.

Am 30.05.2000 kam es zu der sogenannten Videodurchsuchung des Mehringhofes. Dort ließ sich der Zeuge Mousli zunächst den beschriebenen Aufzugschacht im Durchgang gegenüber der Kneipe "Ex" zeigen, in dem nach seinem Bekunden das Depot 1987/88 angelegt wurde. Als sich in dem Aufzugschacht nicht die von Mousli erinnerte Metallplatte fand, ließ er sich noch umgebende Räume, die an den Aufzugschacht angrenzten, sowie den sogenannten "Stromraum" und den sogenannten "Garagenraum" von den Beamten zeigen. Obgleich es, wie der Zeuge Klein bekundet hat, möglich gewesen wäre, noch weitere Räumlichkeiten mit der Videotechnik in Augenschein zu nehmen, lehnte Mousli dies ab, weil er andere Räumlichkeiten als Depotanlageort ausschloss. Nach seiner Auffassung kamen lediglich der Aufzugschacht sowie die beiden Schächte im Strom- und Garagenraum als derjenige Ort in Betracht, in dem 1987/88 das Sprengstoffdepot angelegt wurde.

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass keine der drei Örtlichkeiten dafür in Betracht kommt, dass in ihr bzw. in den ihr befindlichen Schächten 1987/88 ein Sprengstoff- und Waffendepot angelegt wurde.

a.a.) Aufzugschacht:

Selbst die Bundesanwaltschaft ist in ihrem Plädoyer nicht mehr davon ausgegangen, dass der von Mousli in Betracht gezogene Aufzugschacht als Lagerort für das Depot in Frage kommt. Dagegen spricht bereits, dass der Aufzugschacht bereits nach der Auffassung der Beamten von der Durchsuchung am 19.12.1999 nicht sicher war, weil der Grund des Aufzugschachtes von durch ein Gitter von dem Motorraum aus eingesehen werden konnte. Die Zeugin Kübler hat im Übrigen angegeben, dass der Aufzugschacht regelmäßig von der Firma Schoppe & Keil gewartet wurde und in größeren Abständen TÜV-Untersuchungen stattfanden. Bei der Wartung des Aufzuges musste jeweils die Aufzugkabine nach oben gefahren und dem Wartungsmonteur ein Einblick auf den Grund des Aufzugschachtes gegeben werden. Da die Monteure der Wartungsfirma zwar monatlich, aber im Einzelnen unangekündigt erschienen, kam es durchaus vor, dass weder Lothar Ebke noch Axel Haug bei den Wartungsarbeiten zugegen waren, sondern ein anderer Hausmeister, der dem Monteur Zugang zum Aufzugschacht verschaffen musste. Dies wurde von dem Zeugen Fenske bestätigt, der im Übrigen angab, dass er sich zur Durchführung der Wartung im Hausmeisterbüro anmeldete und dann mit einem der Hausmeister zu dem Aufzugschacht ging. Nach Angaben des Zeugen kam es nicht vor, dass er aufgehalten wurde oder den Eindruck hatte, die Hausmeister wollten sich Zeit verschaffen, um etwas wegzuräumen. Bereits aufgrund dieser Beweisergebnisse ist es als ausgeschlossen zu betrachten, dass im Jahr 1987 der 88 im Aufzugschacht ein Depot angelegt wurde.

Im Übrigen passt der Grund des Aufzugschachtes nicht zu der von Mousli abgegebenen Beschreibung des Depots, das nach seinen Angaben aus einem mit einem Metalldeckel abgedeckten Schacht bestand, in dem sich ein Wasserpegel befand. In der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 07.04.2000 (19, 1156) beschrieb Mousli den Schacht wie folgt:

"Dazu muss ich sagen, dass Lothar Ebke ja seit seiner Rückkehr nach Berlin 1984 als Hausmeister in diesem Zentrum eine Stelle hatte. Er nannte einen Hohlraum am Boden eines Aufzugschachtes, der durch eine Metallplatte nach oben abgedeckt war. Ich weiß noch, dass sich am Boden dieses Raumes meist etwas Wasser befand."

Der Aufzugschacht entspricht dieser Beschreibung nicht, da er offen ist, denn die Führungsschienen für die Fahrstuhlkabine gehen bis zum Grund des Aufzuges und unterhalb der Fahrstuhlkabine muss selbst im Keller noch freier Raum sein, damit die Kabel unter der Kabine noch Platz haben. Auch auf dem Grund des Aufzugschachtes befindet sich kein Metalldeckel mit einem weiteren darunter gelegenen Hohlraum. Dies war auch in den Jahren 1987/88 und danach nicht der Fall, wie sich zum einen aus dem in Augenschein genommenen Plan des Fahrstuhlschachtes ergibt und zum anderen aus den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Niederleitinger. Der Sachverständige konnte zwar seine Probebohrungen wegen des eindringenden Grundwassers nicht zu Ende führen, mit denen festgestellt werden sollte, ob sich unterhalb des Aufzugschachtbodens eine alte Struktur findet, die darauf hindeutet, dass sich dort einmal ein weiterer Schacht befunden hat. Der Sachverständige war bei seinen Ultraschallmessungen aber immerhin zu der Feststellung gekommen, dass die unterhalb des Estrichs befindliche Isolierschicht unverletzt ist, also keine größere Öffnung aufweist, wie sie da sein müsste, wenn dort ein weiterer Schacht gewesen wäre.

Schließlich haben der Zeuge Fenske und die Zeugin Kübler angegeben, sich nicht an einem weiteren mit einem Metalldeckel abgedeckten Schacht auf dem Grund des Aufzugschachtes erinnern zu können. Der Zeuge Ridicker vom TÜV hat zudem bekundet, dass die Aufzugswartungsfirma dem TÜV nicht nur Veränderungen der Aufzugsanlage selbst, sondern auch im Bereich des Aufzugschachtes mitteilen muss. Er selbst habe ab ca. 1975 regelmäßig den betreffenden Aufzugschacht gewartet und er habe keine Erinnerungen an wesentliche Veränderungen des Schachtbodens gehabt. Eine Veränderung des Estrichs hätte Anlass zur Überprüfung der Maßabweichung gegeben. Relevante Veränderungen wären eingetragen worden. Derartige Eintragungen finden sich im TÜV-Buch für den betreffenden Aufzug nicht.

Auch nach dem im MH vorhandenen TÜV Buch und alten Konstruktionsplänen befand sich am Grund des Aufzugsschachtes auch früher kein weiterer Schacht.

Nach alledem kann es als ausgeschlossen betrachtet werden, dass der Aufzugschacht jemals Lagerort eines Sprengstoffdepots war.

bb.) Der Strom- und der Garagenraum:

Gegen den Strom- bzw. den Garagenraum als Lagerort für das Depot spricht bereits, dass die beiden in diesen Räumen befindlichen Schächte trocken sind. Mousli hatte in seiner Vernehmung vom 07.04.2000 angegeben, dass sich am Boden dieses Raumes meist etwas Wasser befand. Dies hatte er in der Hauptverhandlung erneut bekundet und dies mit einem Wasserpegel beschrieben. Der Grund der Schächte im Strom- und Garagenraum liegt jedoch seit jeher, auch in den Jahren 1987/88 und danach deutlich oberhalb des Grundwasserspiegels. Grundwasser kann daher nicht die Ursache für den von Mousli beschriebenen Wasserpegel sein. Auch die von der Bundesanwaltschaft bemühten Überschwemmungen des Hofes, die auch zu Überschwemmungen im Elektro- und im Garagenraum geführt haben sollen, kommen als Ursache für einen solchen Wasserpegel nicht in Betracht. Die Zeugin Kübler hat in ihrer Vernehmung angegeben, dass es aufgrund einer solchen Überschwemmung des Hofes möglicherweise einmal zu einem Wasserschaden im Garagenraum gekommen sei, nicht aber im Elektroraum. In dieser Weise habe ich die Zeuge zutreffend im Antrag vom 27.08.2002 zitiert. Im hiesige Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls vom Juni 2003 ist mir der Fehler unterlaufen, dass ich insoweit den Strom- und den Garagenraum verwechselt habe. Dies ist, auch wenn sich die Bundesanwaltschaft daran freut, letztlich völlig irrelevant, weil derartige nach den Angaben der Zeugin Kübler auch im Garagenraum höchst selten vorgekommene Überschwemmungen nicht dazu führen können, dass in dem Schacht am Grund des Garagenraums ein Wasserpegel steht oder, wie Mousli es früher bezeichnete, sich meist etwas Wasser befand. Im Rahmen von Überschwemmung eindringendes Wasser versickert in kürzester Zeit. Ein wie auch immer gearteter Wasserpegel bedarf regelmäßiger Speisung durch eine weitere Wasserquelle, die nach Angaben der Zeugin Uta Kübler im Garagenraum vielleicht einmal eingetretene Überschwemmung genügt dafür nicht. Zu einer Überschwemmung des Stromraums kann es entsprechend den Angaben der Zeugin Kübler schon deshalb nicht gekommen sein, weil sich vor dem unmittelbar dem Eingang zum Stromraum über die ganze Breite der Tür ein relativ großes Ablaufgitter erstreckt, wie sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergibt.

Gegen die Nutzung des Stromraumes als Lagerort für das Sprengstoffdepot spricht weiter, dass sich direkt oberhalb des Schachtes die zentrale Starkstromanlage des Mehringhofes befand. Außerdem war der Elektroraum mit dem Halbgeneralschlüssel zu öffnen, was zur Folge hatte, dass jeder Projektmitarbeiter aus dem Mehringhof Zugang zu dem Stromraum hatte. Dies führte, wie die Zeugin Kübler bekundet hat, u. a. dazu, dass dort immer wieder Fahrräder geparkt wurden. Es hatten also eine nicht zu kontrollierende Zahl von Personen unmittelbaren Zugang zu dem Stromraum.

Gegen die Nutzung des Garagenraums als Depotort spricht zudem, dass die Hausmeister nach den Bekundungen der Zeugin Kübler und der Einlassung von Herrn Haug zur Tatzeit keinen Zugang hatten, weil sie nicht über einen Schlüssel zu dem Vorhängeschloss am Garagenraum verfügten. Wenn sie den Garagenraum betreten wollten, mussten sie sich einen Schlüssel entweder bei der im Mehringhof ansässigen Druckerei oder bei dem Buchladen im Mehringhof ausleihen. Sie konnten also den Garagenraum nicht unbemerkt nutzen. Im Übrigen hätten die Hausmeister auch im Garagenraum das Risiko eingehen müssen, dass das Depot zufällig durch Mitarbeiter der Druckerei oder des Buchladens entdeckt würde, oder sie hätten die Betroffenen einweihen müssen, was unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht denkbar ist. Gegen den Schacht im Garagenraum als Depotort spricht im Übrigen auch, dass der Schacht nach der Beschreibung des Durchsuchungsleiters KHK Wolf vom 31.05.2000 (lediglich) 25 x 25 cm groß ist und im Schacht ein Rohr verlegt ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern dieses Schachtes. Es fragt sich, wie dort 20 kg Gelamon 40, eine Maschinenpistolen, Pistolen, Sprengschnüre und gewerbliche Zünder untergebracht werden sollen. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass dieser Schacht am Boden des Garagenraums im Durchsuchungsbericht vom 19.12.1999 (76, 63), dem zu entnehmen ist, dass dieser Raum immerhin von sieben Beamten 50 Minuten lang durchsucht wurde, nicht erwähnt ist. Selbst die Bundesanwaltschaft, die in ihrem Plädoyer eine ungewöhnlich kritische Haltung zu den kriminalistischen Kompetenzen der Durchsuchungsbeamten eingenommen hat, wird ihren sieben Hilfsbeamten nicht unterstellen, dass sie bei einer fünfzigminütigen Durchsuchung eines ca. 20 mē großen Raumes diesen Schacht nicht entdeckt hat. Der Grund dafür, dass dieser Schacht im Durchsuchungsbericht von KHK Theiss nicht erwähnt ist, dürfte allein darin liegen, dass der Schacht nach der Einschätzung der Durchsuchungsbeamten nicht zur Lagerung von Sprengstoff und Waffen geeignet war (Hilfsbeweisantrag Durchsuchungsbeamte und Sachverständiger zum Sprengstoffvolumen). Die messerscharfe Schlussfolgerung der Bundesanwaltschaft, aus dem Fehlen näherer Ausführungen von Herrn Haug in seiner schriftlichen Erklärung vom 28.02.2002 zu dem Garagenraum könne man schließen, dies sei der Lagerort für das Depot gewesen, kann demgegenüber keine allzu große Überzeugungskraft entfalten. Die Verteidigung wird gleichwohl vorsorglich noch einen Beweisantrag zu diesem Thema stellen.

Der Elektrorum wurde im Übrigen bei der Erstdurchsuchung am 19.12.1999 sogar mit Sprengstoffhunden ergebnislos durchsucht.

Gegen den Strom- und den Garagenraum als Lagerort für das Depot spricht schließlich, dass die dort am 30.05.2000 entnommenen Wischspuren keinen Hinweis auf Sprengstoffspuren ergaben. Die Rahmenbedingungen für den Erhalt von Spuren auch über einen langen Zeitraum sind in beiden Schächten gleichermaßen gut. Maßgebliche Kriterien sind nach der Schilderung des Sachverständigen Dr. Koller Trockenheit, Schutz vor Luftzug und wenig Licht. Diese Bedingungen treffen auf beide Schächte gleichermaßen zu. Wenn man den Negativbefund im Mehringhof in Beziehung zu dem eindeutigen Spurennachweis in Tarek Mouslis Keller in der Schönhauser Allee setzt, der ein bloßer Bretterverschlag war und überdies nach den Angaben von Carmen Tollkühn und auch von Mousli selbst mindestens einmal nach der Lagerung überschwemmt war, kommt dem Beweisbedeutung zu. Nach Mouslis Angaben im Ermittlungsverfahren war der Sprengstoff in Plastiktüten verpackt, die mit Klebestreifen verklebt waren. Nach der Schilderung des Sachverständigen Dr. Koller kann es bei der Lagerung von Gelamon 40 austretende Sprengöl ohne weiteres durch einfache PVC-Plastiktüten hindurch difundieren, sogar in Minutenschnelle, und sich im umgebenden Raum ablagern. Aus diesem Grund konnten schließlich auch im Keller von Mousli entsprechende Spuren nachgewiesen werden. Demgegenüber hat Mousli in der Hauptverhandlung erstmals angegeben, der Sprengstoff sei in einer Kiste verpackt gewesen, die er allerdings nicht näher beschreiben konnte. Es fragt sich, warum Mousli dieses Detail erstmals in der Hauptverhandlung erwähnt, obwohl er sich im Ermittlungsverfahren in verschiedensten Vernehmungen detailliert zu dem vermeintlichen Sprengstoffdepot geäußert hat.

Nach dem die Videodurchsuchung des Mehringhofs am 30.05.2000 ergebnislos verblieben war, verzichteten die Ermittlungsbehörden darauf, Tarek Mousli weiter zu diesem Thema zu befragen. In der hiesigen Hauptverhandlung verbesserte Tarek Mousli seine Aussagen zum Lageort des Depots wieder in einer Weise, die auch andere Örtlichkeiten innerhalb des Mehringhofs mit einbezogen. Dies, obgleich er bei der Videodurchsuchung am 30.05.2003 gegenüber den Durchsuchungsbeamten vor Ort ausdrücklich angab, dass die Durchsuchung nicht auf weitere Bereiche, außer dem Aufzugschacht und den angrenzenden Garagen- und Stromraum, erstreckt werden müsse. Ganz augenscheinlich variiert Tarek Mousli seine Angaben entsprechend dem Ermittlungsergebnis.

Aus der Gesamtschau all dieser Beweisergebnisse kann man nur den Schluss ziehen, dass es im Mehringhof an den von Tarek Mousli beschrieben Stellen kein Sprengstoffdepot gegeben hat.

7. Fazit

Hinsichtlich der Beteiligung von Herrn Haug an den Personen- und Sprengstoffanschlägen und der Verwaltung des angeblichen Sprengstoffdepots hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben die Mouslis Angaben stützen.

Die weiteren Aussagen von Tarek Mousli zu den Taten sind durch die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung teilweise bestätigt worden, sie sind aber auch in einigen Punkten nachweislich unrichtig. Hinzu kommen einige Aussageelemente, die hochgradig unplausibel sind, letztlich aber nicht überprüfbar.

Bei der vorzunehmenden Würdigung der Aussagen von Tarek Mousli drängt sich der Vergleich auf des Urteilenden mit einer Person , die über einen zugefrorenen See gehen will und nicht weiß, ob das Eis trägt oder nicht. Proben ergeben, dass das Eis an einigen Stellen trägt, an anderen jedoch bricht und an manchen Stellen verdächtig dünn erscheint. Wer an Hand dieses Befundes den Schluss zieht, das Eis werde auch dort tragen, wo man es nicht überprüfen konnte und losmarschiert, den wird man schwerlich als vernünftig bezeichnen können.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Angaben von Tarek Mousli allein ohne weitere Überprüfung nicht Grundlage eines Schuldspruchs gegen Herrn Haug sein können, sondern nur seine eigene Einlassung, gestützt durch einige Beweisergebnisse, die Grundlage der Urteilsfindung sein kann.

8. Der Strafaufhebungsgrund des § 129 Abs. 6 StGB

Selbst wenn man davon ausgeht, dass Mouslis Aussagen zur Dauer der Mitgliedschaft von Herrn Haug in der RZ zutreffend sind und der Vorwurf mithin nicht verjährt ist, greift zu Gunsten von Herrn Haug der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 129 a Abs. 5 i. V. m. § 129 Abs. 6 zweiter Halbsatz StGB ein.

Nach dieser Vorschrift liegt ein persönlicher Strafaufhebungsgrund vor, wenn der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern. Er wird dann nicht bestraft, wenn er dieses Ziel aufgrund seiner Bemühungen erreicht oder wenn dies unabhängig von seinem Bemühen erreicht wird, d. h. tatsächlich eintritt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. § 129 Rdnr. 48). Dies kann sowohl durch Bemühungen anderer Täter oder Einschreiten der Verfolgungsbehörden als auch durch Selbstauflösung der Organisation geschehen.

Mit der Anklageschrift vom 30.10.2000 wird Herrn Haug u. a. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Abs. 1 Nr. 3 StGB im Zeitraum von 1985 bis 1995 vorgeworfen. Nach der Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift zeigten sich Anfang der 90er Jahre innerhalb der revolutionären Zellen Auflösungstendenzen, die in verschiedenen der RZ zugeordneten Papieren diskutiert wurden (Bl. 42 d. Anklage). Diese Papiere wurden nach den Angaben des Zeugen Mousli auch bei dem sogenannten "Waldspaziergang" Ende 1989 diskutiert. Der letzte den Revolutionären Zellen zuzuordnende Anschlag fand in der Nacht zum 03.10.1993 in Frankfurt/Oder gegen Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes statt.

Ungeachtet der Frage, ob die Angaben des Zeugen Tarek Mousli tatsächlich die Feststellungen zulassen, dass Herr Haug bis 1995 bei den Revolutionären Zellen mitgewirkt hat (er selbst hat dies in Abrede stellt), dürfte klar sein, dass spätestens ab 1995 von einer Auflösung der Revolutionären Zellen auszugehen ist, weil für die Zeit nach 1995 keine weiteren Aktivitäten der Revolutionären Zellen zu verzeichnen sind. Auch die seit Anfang der 90er Jahre geführte Auflösungsdiskussion deutet darauf hin. Da entgegenstehende Beweisanzeichen nicht vorliegen, ist selbst dann, wenn man der Aussage des Zeugen Mousli Glauben schenkt, davon auszugehen, dass Herr Haug spätesten ab 1995 die Revolutionären Zellen endgültig verlassen hat. Da weiter die Umstände, unten denen die Revolutionären Zellen ihr Wirken beendeten, nicht weiter aufgeklärt wurden, ist zugunsten von Herrn Haug davon auszugehen, dass er sich darum bemühte, das Fortbestehen der Revolutionären Zellen zu verhindern und dass dies tatsächlich gelang. Nach den Schilderungen des Zeugen Mousli fanden innerhalb der Berliner Revolutionären Zellen Strategiediskussionen statt, wie beispielsweise auf dem vermeintlichen "Waldspaziergang" 1989, bei denen die Möglichkeiten einer weiteren Ausrichtung bis hin zur Selbstauflösung der Revolutionären Zellen diskutiert wurde. Der Zeuge Mousli hat wiederholt angegeben, dass die Revolutionären Zellen nicht hierarchisch organisiert waren, sondern alle Mitglieder an Entscheidungen mitwirkten, wenn auch die Stimme der älteren Mitglieder besonderes Gewicht hatten. Es ist daher naheliegend, dass das Ende der Berliner Revolutionären Zellen auf einen Selbstauflösungsbeschluss der Gruppe zurückzuführen ist, an dem sämtliche Mitglieder, also auch Herr Haug, mitwirkten. Davon ist jedenfalls mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aufgrund des Zweifelsatzes auszugehen, der auch bei der Prüfung eines Strafaufhebungsgrundes anzuwenden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. § 261 Rdnr. 29).

9. Das Waffendelikt

Bei der Durchsuchung am 23.11.1999 wurde in der Wohnung von Herrn Haug eine Pistole RG3s Flobert Knall gefunden, die waffenbesitzkartenpflichtig ist, da sie keinen PTB Stempel trägt.

Herr Haug hat dazu angegeben, sich nicht bewusst gewesen zu sein, dass er für die von ihm als "Schreckschusspistole" eingeschätzte Waffe eine Waffenbesitzkarte benötigte.

Der Zeuge van Elkan, der die Waffe zur kriminaltechnischen Untersuchung und waffenrechtlichen Bestimmung einreichte, hat auf Nachfragen bekundet, er wisse nicht seit wann Waffen so einen PTB Stempel haben müssen und man eine Waffenbesitzkarte benötige.

Die Waffenrechtliche Relevanz der Pistole war also keineswegs offenkundig und wurde erst aufgrund eines Gutachtens festgestellt.

In dem Fall wird man von einem Laien erst recht nicht erwarten können, dass er erkennt, ob er für eine Pistole eine Waffenbesitzkarte benötigt.

10. Antrag

Ich beantrage daher, Herrn Haug mit allen gesetzlichen Folgeentscheidungen freizusprechen.

Hilfsweise falls das Gericht meinen Ausführungen zu §129aAbs.V iVm § 129 Abs.6 StGB nicht folgen, beantrage ich, das Verfahren wegen des Vorwurfs des §129a StGB einzustellen und im übrigen freizusprechen.

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http://www.freilassung.de/prozess/ra/291203.htm