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152. Prozesstag: 14.11.2003
Und kein Schwein sieht zu...
Ein ganz normaler Verhandlungstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Hätte da nicht heute alle ProtagonistInnen eine rätselhafte
Beschwingtheit im novemberdüsteren Saal 500 erfasst. Da witzelt
Rechtsanwältin Lunnebach mit Bundesanwalt Bruns, die Frau Vorsitzende
blödelt grinsend mit RA Eisenberg und ermahnte augenzwinkernd
die BAW doch Herrn Eisenberg ..."endlich mal ausreden zu lassen...",
RA Becker assistierte galant mit grammatikalischen und stilistischen
Formulierungshilfen zur Vervollkommnung der Ablehnungsbeschlüsse
gegen die Beweisanträge der Verteidigung, selbst Richter Alban
schien sich für einen kurzen Augenblick den Anflug eines Lächelns
in seinem so paragraphengegerbten Gesicht nicht länger erwehren
zu können.... Zum ohnehin harten Brot des Gerichtsreporter
gesellte sich heute noch knochentrockener Zynismus, 151 Prozesstage
- alles nur Maskerade? Es war heute nicht der 11.11. und so wird
weiterhin ein Geheimnis über diesem Tag bleiben, aber es guckt
ja ohnehin kein Schwein mehr hin!
Schluss mit lustig
Das Kammergericht will die Beweisaufnahme zügig beenden. Das
kündigte die Vorsitzende Richterin heute an. Durch die heute
postwendend erlassenen Ablehnungsbeschlüsse von Beweisanträgen
der Verteidigung ließ sie daran zunächst auch keinen
Zweifel aufkommen. Alleine fünf Beratungspausen bei 3,5 Stunden
Bruttoverhandlungszeit gaben ein Vorgeschmack auf gestraffte Wahrheitsfindung.
Und wann wurde zuletzt an einem Freitag überhaupt verhandelt?
Nächste Woche könnte bereits das Plädoyer der Bundesanwaltschaft
(BAW) beginnen, ..."wenn das Zeitmanagement es zulässt...",
brubbelte scheinbar unwirsch Bundesanwalt Bruns. Wer hätte
diesen Wortschatz bislang in Karlsruhe vermutet, außer beim
Justieren ihres Kronlügners?
Antrag - Stellungnahme - weg damit!
Und so ging es dann auch im Stile eines Schnellverfahrens los.
RAin Lunnebach wollte
einen Dezernenten der BAW als Zeugen laden lassen. Dieser solle
aussagen, dass die Verwendung eines in Kempten gefundenen und aus
Salzhemmendorf stammenden Sprengstoffes bereits in einem früheren
Verfahren gegen die Organisation DHKPC in Düsseldorf gerichtsbekannt
festgestellt worden ist. Die bisherige These der BAW, wo Gelamon
40 draufsteht - ist auch immer RZ drin, würde so widerlegt
werden, die angeblichen Funde im Seegraben und bei 'Slawinsky' ein
Muster ohne Wert. Nach einer kurzen Bedenkzeit konterte Bundesanwalt
Bruns, der Sprengstoff könne schließlich auch über
die RZ zum Angeklagten der DHKPC gelangt sein. Eine Teilmengenverwendung
bei anderen Anschlägen wäre noch lange kein Grund zum
Grübeln. Während einer weiteren Unterbrechung bastelte
das Gericht zwischen diese Stichworte der BAW eine paar rhetorische
Verbindungen und fertig war der Ablehnungsbeschluss. Gelernt ist
gelernt!
Nun versuchte es die verschnupfte RAin Würdinger. Sie wolle
einen Zeugen benennen, der die
Herkunft eines Betrages zwischen 50.000,- und 60.000,- DM beim Kronlügner
Mousli erklärbar machen könne. Eine Summe in ungefähr
dieser Größenordnung hatte er in Zusammenhang mit einem
angeblichen RZ-Mitglied gebracht. Auch hier folgte erst ein kurzes
Nachdenken, dann die ablehnende Stellungnahme der BAW. Aus tatsächlichen
Gründen können aus diesen Aussagen weder Rückschlüsse
über den Verbleib des Geldes gezogen werden, noch wäre
ein anderer Geldfluss überhaupt wahrscheinlich, weil sich ja
dann andere Personen strafbar gemacht hätten!! Wieder eine
kleine Formulierungspause für das Gericht und dann in Schönschrift
die selben einfältigen Phrasen als Gerichtsbeschluss.
Der Reiz geschwärzter Stellen
Doch die Verteidigerin des Angeklagten Harald G. setzte trotz Erkältung
nach. Es folgten zwei umfangreiche Beweisanträge.
Die Beamten Igelmund, Schneider und Schmitz des BKA sollten erneut
vernommen werden, um über die 'Anschlußermittlungen'
zu einer angeblichen Konspirativen Wohnung in der Oranienstr. 7
oder 9 zu berichten. Differenzen zwischen dem jeweiligen Ermittlungsstand
und dem Aussageverhalten des Kronlügners zu diesem Komplex
wären so zu beweisen.
Der zweite Antrag beinhaltete eine Gegenvorstellung
der Verteidigung zur Auffassung der Gerichtes über die Herausgabe
der geschwärzten Stellen in den Vernehmungsprotokollen des
Kronlügners mit dem Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV). Hörspielreif setzte der Angeklagte Harald G. selbst
- für die nun endgültig versagende Stimme seiner Verteidigerin
Würdinger - Auszüge der nicht geschwärzten Protokollteile
in Szene. Aus dem vorgetragenen Frage-und-Antwort-Spiel der Vernehmungsbeamten
und Mousli und der zeitlichen Abfolge bei den Änderungen seiner
Aussageninhalte, war eine mehr als deutliche Gestaltung der Zeugenaussage
nach dem Erkenntnissstand des BfV mit bloßem Ohr hörbar.
So legt sich der Kronlügner z.B. bei der Feststellung der Identität
des Angeklagten Harald G. als den 'Siggi' erst nach entsprechenden
aufmunternden Worten durch die BfV-Beamten fest. Auch bei der angebliche
Beteiligung des 'Siggi' und 'Heiner' an einem Anschlag auf die Firma
Krone setzte das Erinnerungsvermögen des Kronlügners erst
ein, als die Verfassungsschutzbeamten ihm dies nahelegt hatten.
Danach gab er dann die Mitwirkung der beiden als vorgebliches Wissen
von Dritten zu Protokoll.
Freitag ab eins, macht jede/r seins...
Nun kam das routinierte Ablehnungsschnellverfahren etwas ins Stocken.
Die beiden Anträge waren einfach zu ausführlich. Die Koalitionspartner
Gericht und BAW mussten nach einer erneuten Beratungspause einräumen,
doch etwas Zeit zu benötigen, angeblich um die Begründung
tatsächlich lesen zu wollen. Wahrscheinlicher schien da schon
die vorgerückte Stunde und das nahende Wochenende den Ausschlag
gegeben zu haben. Der fällige Ablehnungsbeschluss wird also
erst am 20.11. um 9:15 Uhr verkündet. Und als Vorwarnung: auch
am Fr., den 21.11., wird weiterverhandelt!!
Eventuell erschallt da schon die Rohfassung des Urteils in Form
des Plädoyers der BAW?
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