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163. Prozesstag: 09.01.04

Der Schlussgong ertönt

Die Kammer, der Dr. Korbmacher in den 80igern als Vorsitzender Richter angehört habe, hätte einige sehr hässliche Urteile gegen AsylbewerberInnen gefällt. Das Gericht hätte in kalter Juristensprache sehr menschenrechtsunfreundliche Entscheidungen verkündet und sich der menschlichen Schicksale gegenüber als 'Wegguck-Senat' qualifiziert. Mit dieser Richterschelte begann RA Becker heute seinen Schlussvortrag für seine Mandantin Sabine E., ohne damit das Attentat auf den Dr. in irgendeiner Weise rechtfertigen zu wollen.

Die neue Bezugsgruppe des Tarek M.

Auch dieser Senat hätte sich nach den ersten Aussagen des Kronzeugen eine vorgefertigte Meinung zu eigen gemacht. Nicht die Wahrheitsfindung stand fortan im Mittelpunkt des Interesses, sondern ob Tarek Mousli während des Prozess als Kronzeuge 'gehalten' werden könne. Für den 2. Strafsenat scheint das Reich der Wahrheit immer dort zu beginnen, wo dem Kronzeugen keine Lügen nachgewiesen hätten werden können. Somit erlosch beim Gericht sehr frühzeitig jegliches Interesse an einer eigenständigen Sachaufklärung.

Tarek Mousli habe sich von Anfang an als professioneller und versierter Lügner präsentiert. Selbst bei den nachgewiesenen Falschaussagen wäre er nicht ins Stottern gekommen, wusste er doch die Bundesanwälte und das Gericht parteilich und helfend hinter sich. Getrieben durch den Wunsch nach Anerkennung habe er die MitarbeiterInnen des Bundeskriminalamtes (BKA), des Verfassungsschutzes (BfV), der Bundesanwaltschaft (BAW) und des Zeugenschutzes als seine neue soziale Bezugsgruppe auserkoren und war ihnen entsprechend gefällig. BKA, BfV und BAW hätten den Kronzeugen so intensiv, wiederholt und langanhaltend vernommen, dass seine Aussagen inzwischen einem unentwirrbarer Flickenteppich entspringen, in dem Anlass, Motivation, Vermutungen, Einrede und das angebliche eigene Zeugenwissen nicht mehr rekonstruierbar ist. Eine Verhörmethode die auch bei der Stasi angewendet wurde. Abgesehen von dem gezielten 'prozessvorbereitenden' Aktenstudium direkt vor seinen jeweiligen Aussagen im Gerichtssaal.

Die Inzinierung 'Seegraben'

Entsprechend lässt sich keine schlüssige Theorie zu seinem gesamten Aussageverhalten entwickeln, lediglich der Nachweis vieler Falschaussagen hätten die anderen VerteidigerInnen ja bereits mehrfach vorgetragen. So sei die 'Seegraben- Geschichte' eine reine Inzenierung seiner Glaubwürdigkeit. Ort- und Zeitangaben seien falsch oder unwahrscheinlich, weil letztlich für ihn nur der Fund selbst zur scheinbaren Legimitation ausgereicht hätte. Auch die angebliche Rädelsführerschaft von Sabine E. wäre eine reine Behauptung. Aus ihrer sprachlichen Begabung zum Texte verfassen und einer streitbaren Persönlichkeitsstruktur allein könne keinerlei Führerschaft schlüssig abgeleitet werden. Letztlich wäre dieser Vorwurf ohnehin nur ein Konstrukt der BAW, um bei ggf. festgestellter Verjährung eine Verurteilung anderweitig sicherzustellen, ein juristischer Winkelzug ohne Realitätsbezug. Da wäre der Kronzeuge aus einer damals unerfüllten Anerkennung durch die Angeklagte gerne zum 'Rachezug' mit einer passenden Aussage beigesprungen. Letztlich zeigen auch die vier verschiedene Aussagenvarianten zu Sabine E.s angeblicher Beteiligung am Sprengstoffbau die Unzuverlässigkeit des Mousli, weshalb eine Beweisverwertung seiner Aussagen grundsätzlich in Frage zu stellen sei.

 

Friede, Friede...

In diesem Zusammenhang erscheint die eigene Verniedlichung des Kronzeugen als 'Anti-Gewalt-Apostel' und gewaltfreier Zögerer als lächerlich, einzig und allein dazu dienlich, die eigene aktive Mitwirkung zu verharmlosen und die Angeklagten schuldhaft zu belasten.

Zum Abschluss seines Vortrages, der mit psychoszozialen Analysen aller Beteiligten durchzogen war, hob der Verteidiger die Glaubwürdigkeit der Zeugin Barbara W. hervor. Gerade ihr 'ungeschickter' und untaktischer Auftritt spräche für die Richtigkeit ihrer Angaben. Die BAW-Vertreter hätten damals zu früh über einen angeblich unglaubwürdigen Auftritt gefeixt, allein unter www.google.de fände mensch hunderte Abbildungen von einhändigen Pistolenschützinnen, alle von oben nach unten zielend. Auch die Integrität ihres damaligen Zeugenbeistandes RA Zieger und die vielen Anfeindungen aus ihrem eigenen 'Lager' würde für eine gewisse Seriosität bürgen. Letztlich werde das bevorstehende Verfahren gegen den Beschuldigten Lothar E. das Lügengebäude des Kronzeugen beweisen, damit ist sicher zu rechnen.

Einstellung des Verfahrens bzw. Freispruch für seine Mandantin und Haftentschädigung wurde von RA Becker beantragt.

Das letzte Duell der Platzhirsche

"Sie halten jetzt mal die Gosche, Herr Alban!". So begann der kurze Auftritt des zweiten Verteidigers RA Eisenberg, nachdem der Richter sich über die Bemerkung mokiert hatte, der Prozess wäre zum Kotzen. Das ritualisierte Wortgefecht wurde diesmal sofort durch eine Prozessunterbrechung, bedingt durch Richters Hanschke schlagartige Blasenschwäche, unterbunden.

Dankbar nahm RA Eisenberg das dann wieder an ihn erteilte Wort an. Er wies nach, dass spätestens im Laufe des Jahres 1988 die Auflösung der Gruppe bzw. den Austritt seiner Mandantin zeitlich zu verorten ist, somit ein Ablauf der Verjährungsfrist gegeben sei. Ob mit oder ohne Waldspaziergang hätte es diese Auflösungsdiskussion in 1987 innerhalb der Berliner RZ auf jeden Fall gegeben, dass würden die veröffentlichten Dokumente ergeben. Logischerweise erfolgte die Aufgabe der revolutionären Perspektive und die Auflösung/Ausstiege zeitnah im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung spätestens in 1988 und nicht erst 1989. Somit gelte für Sabine E. der Verjährungsfristablauf in 1998.

Die von Tarek Mousli eingeräumte Probefahrt des später beim Anschlag benutzten Motorrades macht nur dann Sinn, wenn er selber später im 'Ernstfall' diese Fahrerfahrungen auch genutzt hätte. So ist es eine weitere Schutzbehauptung des Kronzeugen, er habe lediglich in sicherer Entfernung den Funkverkehr abgehört.

Der dritte Mann

Zum 'Seegraben' wollte er abschließend nur zwei Feststellungen treffen: 1. Gegenstände, wie zum Beispiel verpackter Sprengstoff, können naturgesetzlich nicht stromaufwärts treiben und 2. die angebliche Endsorgung sollte den Beweis seiner 'Nichtmehrmitgliedschaft' erbringen, deshalb musste er dort auch gefunden werden. Ein bisher ungenannter Dritter werde das Paket dort deponiert haben, eine andere Erklärung für die deutlich abweichende Angabe zum tatsächlichen Fundort habe er nicht finden können.

Abschließend bemühte er noch die kammergerichtliche Mottenkiste mit dem Hinweis, dass schon einmal schlechte juristische Arbeit unangenehme Folgen gehabt hätten. Nach der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Siegesfeier nach Abschluss des sog. 'Radikal-Verfahrens' in den frühen 80igern gab es einen trunkenen Treppensturz des Vorsitzenden Richters Pahlow.... Aber in diesem Verfahren wurde auch die Existenz nur einer RZ-Gruppe in Berlin als gerichtsbekannt beurkundet.

Am Donnerstag, den 15.01., geht es irgendwie weiter. Das weitere Programm wollte die Vorsitzende Richterin heute noch nicht verraten.

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http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte/090104.htm