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18. August 2003: Extra-Meldung

Dickes Kuckucksei vom Verwaltungsgericht

Demnächst wird sich das Kammergericht Berlin wohl wieder mit einem Aussetzungsantrag zu beschäftigen haben. Denn heute entschied die 34. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin, dass die so genannte Sperrerklärung des Bundesinnenministeriums über geschwärzte Gesprächsprotokolle des Verfassungsschutzes (VS) mit dem Kronzeugen Tarek Mousli rechtswidrig ist. Nach dieser Entscheidung müssten jetzt die 197 Blatt ohne Schwärzungen vom Verfassungsschutz an die Verfahrensbeteiligten übergeben werden.

Dass dies aus prinzipiellen Erwägungen nicht geschehen wird, darf angenommen werden. Zumindest legt dies das Verhalten der Prozessvertreter des Innenministeriums nahe, die immer wieder auf die Gefahr hinwiesen, dass die ungeschwärzte Herausgabe des Materials Einblicke in die Arbeitsweise und die strategischen Überlegungen des VS geben würde. Insofern regte der Anwalt des Innenministeriums sogar an, die Sperrerklärung bzw. die Schwärzungen der Gesprächsprotokolle in einem nicht-öffentlichen Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht und dem Kammergericht überprüfen zu lassen. Dies wäre dann allerdings nichts anderes als ein Geheimverfahren im Strafprozess. Dadurch würde der Anspruch der Angeklagten auf ein faires Verfahren und das Prinzip der Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten auf den Kopf gestellt, ein "rechtstaatlicher" Strafprozess also ad absurdum geführt. Doch wo es um Staatsbelange geht, so hat es sich immer wieder gezeigt, werden die eigenen ehren rechtstaatlichen Prinzipien ja nicht ganz so ernst genommen.

Das Verwaltungsgericht lehnte jedenfalls aus formalen Gründen dieses Ansinnen des Bundesinnenministeriums ab. In der Sache selbst hielt es die Sperrerklärung für rechtlich nicht haltbar. Dabei machten die VerwaltungsrichterInnen vor allem geltend, dass die Sperrerklärung nicht ausreichend begründet sei und in ihr nur unzureichend Abwägungen zwischen verschiedenen Rechtsgütern vorgenommen würden.

Gegen die Sperrerklärung, die im Juli 2002 zum "Wohl des Bundes" abgegeben wurde, hatte Harald G. geklagt. Dessen Verteidigerin, Silke Studzinsky, hatte heute erneut darauf hingewiesen, dass der Kronzeuge das wesentliche Beweismittel im RZ-Strafverfahren sei. Um dessen Glaubwürdigkeit überprüfen und die Entwicklung seiner Aussagen nachvollziehen zu können, sei es notwendig, die VS-Gesprächsprotokolle ungeschwärzt zu erhalten. Denn schon in den ungeschwärzten Passagen haben Hinweise gefunden werden können, dass Mousli in seinen Aussagen gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) nach den Gesprächen mit dem VS Informationen wiedergeben habe, an die er sich zuvor nicht "erinnern" konnte.

Das Verwaltungsgericht sah das genau so. Es "könne nicht bestritten werden, dass dem Zeugen bei seiner Befragung Hilfestellungen für sein Erinnerungsvermögen gegeben, ihm etwa Fotos und Namen anderer Personen vorgehalten worden seien", so in der Pressemitteilung des Verwaltungsgericht von heute.

Zwar wurde die Sperrerklärung aufgehoben, gleichzeitig wurde aber auch die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen. Und das Verwaltungsgericht vergaß auch nicht den Hinweis, dass die Pflicht zur Herausgabe der Akten nicht Gegenstand des Verfahrens war. Wie es also weiter geht, bleibt offen. Sollte aber immer noch richtig sein, was die 34. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin selbst – nämlich in ihrem Beschluss zu einem Eilantrag von Harald G. in dieser Sache - im März festgestellt hat, dann gilt auch nach der heutigen Entscheidung: Solange die VS-Gesprächsprotokolle nicht ungeschwärzt übergeben sind, kann von einem "rechtsstaatlichem, fairen Strafverfahren" keine Rede sein.

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