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160. Prozesstag und 4. Jahrestag der Mehringhof-Erstürmung:
19. Dezember 2003
[Korrigierte Fassung]
Keinen blauen Schimmer
Das Reizvolle an den Plädoyers der VerteidigerInnen im RZ-Prozess
vor dem Kammerbericht Berlin liegt nicht darin, dass einmal mehr
die sattsam und über 160 Verhandlungstage und vier Jahre sich
hinziehenden Sachverhalte nochmal durchgekaut werden oder dass neue
spektakuläre Beweisanträge, Unschuldsbeweise oder bislang
unbekannte Entlastungszeugen aus dem Ärmel gezaubert würden.
Nein: Spannend wird das Plädieren durch die Tatsache, dass
hier noch einmal in dichter Zusammenfassung, quasi als hoch konzentriertes
Destillat, all jene unglaublich dreisten Lügen des Kronzeugen
Tarek Mousli vor dem grau und stumpf in seinen schwarzen Roben zusammengesunkenen
Richterkollegium aufgefächert werden, welche man schon beim
ersten Hören kaum glauben konnte. Als geballte Ladung sind
sie schier unfassbar! Rechtsanwalt Euler, Verteidiger des Angeklagten
Rudolf S., plädierte denn auch in Richtung der nach wie vor
ungerührt und zu einer Verurteilung auf der Grundlage der Mousli-Gespinste
entschlossen wirkenden Kammer mit dem fast verzweifelten Appell:
"Das sollten Sie nicht durchgehen lassen!"
Mit besonderer Spannung war dessen Plädoyer erwartet worden,
ist er es doch, der nach umstrittenen, separaten Verhandlungen mit
der Bundesanwaltschaft Ende 2001 seinen Mandanten Rudolf S. zur
weitestgehenden Aussage (18. Januar 2002) in diesem Verfahren bewegen
und damit viele überraschen konnte. Worauf würde denn
einer, der mit der Gegenseite schon eine Strafmaßobergrenze
ausgedealt hatte, nun noch plädieren können, fragten sich
viele.
Vernichtende Demontage
Und doch dauerte Eulers Plädoyer am vierten Jahrestag der
Mehringhof-Stürmung ganze viereinhalb Stunden und war sichtlich
vom Zorn des Juristen über das Plädoyer der Bundesanwaltschaft
vor einer Woche getragen. Ergebnis seiner spannenden Ausführungen
war eine weitere vernichtende Demontage der Aussagen des Kronzeugen,
dessen Namen permanent im Munde führen zu müssen Euler
"ärgerlich" nannte. Natürlich, so sagte Euler,
stehe der Kronzeuge im Zentrum seiner Erörterung, da seit langem
am Agieren der Kammer ablesbar sei, was für ein Urteil hier
vorbereitet werde. Er, Euler, setze voraus, dass den anwesenden
JuristInnen geläufig sei, "was die Rechtsprechung von
Kronzeugen hält". Bei Erarbeitung des Plädoyers sei
ihm in seiner heimischen Küche stets das berühmte, sinnfällige
Diktum Francisco Picabias vor Augen gewesen: "Der Kopf ist
rund, damit das Denken die Richtung ändern kann", welches
er dem in seiner Tendenz anscheinend bereits festgelegten Richterkollegium
im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu beherzigen empfahl.
Zweifellos habe einiges so, wie es der Kronzeuge schildere, stattgefunden,
das werde schließlich auch von seinem Mandanten bestätigt,
so Euler. Der Rest indes sei erfunden und erlogen. In diesem Zusammenhang
zitierte Euler den mit dem Verfahren befassten Bundesanwalt Monker
mit der Einschätzung, der dortige Kronzeuge sei kein Märchenerzähler,
weil er sich sonst längst in Widersprüche verwickelt hätte.
Im folgenden versuchte Euler aus der Aktenlektüre genau diese
Widersprüche und Nachweise heraus zu arbeiten, dass Mousli
schon sehr früh im Laufe der 1999 gegen ihn gerichteten Ermittlungen
und Überwachungen sich im Grunde als Kronzeuge angeboten habe.
Der in diesen Sachen nach eigenen Angaben gewitzte Mousli muss gewusst
haben, dass er nach der ersten Festnahme flächendeckend abgehört
und observiert wurde. So habe er nach der polizeilichen Durchsuchung
am 14. April 1999 mit seiner damaligen Lebensgefährtin Jeanette
O. telefoniert, der er von der Durchsuchung bei sich berichtete.
Er beschreibe darin das methodische Vorgehen der Polizei und lässt
den Satz fallen: "Nur das ganze hat einen einzigen Haken: Ich
kann ihnen helfen". Wissend, dass er abgehört werde, könne
dieser Satz nur als ein erstes Angebot an die anhörende Behörde
gewertet werden, als Kronzeuge tätig werden zu wollen. Mousli
"teste" auf diese Weise die Polizei, wie sie mit seinem
Angebot umgehen werde, so Euler. Er teste aus, wie er mit seinem
Gegenüber umgehen könne, was diese Personen wissen und
lässt diese das in seinen Aussagen erkennen. Einmal fragt er
durchsuchende Beamte ganz direkt: "Was denken Sie denn bei
mir zu finden?" Bereits am Tag nach der Haussuchung am 14.4.1999
erkennen die beiden ermittelnden Beamten Trede und Schulzke, dass
Tarek Mousli (TM) bereit sein könnte, Aussagen als Kronzeuge
zu machen. Insofern sei von diesem Zeitpunkt an seine Glaubwürdigkeit
zu prüfen gewesen.
Als Gegenpart zu TM bezieht sich Euler im Folgenden immer wieder
auf TMs Lebensgefährtin aus Mitte der 1990-er Jahre. Carmen
T. habe ein hervorragendes Gedächtnis, schildere in glaubwürdiger
Weise sehr detailgenau, was sich damals im Zusammenhang mit dem
Einbruchsdiebstahl im gemeinsamen Keller in der Schönhauser
Allee und der Entsorgung von Resten des dort gelagert habenden Sprengstoffes
abgespielt habe. Euler bemerkte an dieser Stelle, dass er auch davon
ausgehe, dass TM ein ausgezeichnetes Gedächtnis habe, wisse
er doch bei den Kaskaden von Namen und Listen, mit denen die Ermittlungsbehörden
ihn förmlich überschüttet hätten, immer etwas
zu sagen. Seine Behauptung, er habe ein schlechtes Gedächtnis,
sei mithin eine reine Schutzbehauptung.
Ausgehend von der Gegenüberstellung der aktenbelegten Aussagen
TMs und Karmen T.s näherte sich Euler nun der Problematik "Seegraben".
Mousli sei am 14. Mai 1999 der Haftbefehl wegen RZ-Mitgliedschaft
und Sprengstoffdelikten eröffnet worden, wobei der Haftbefehl
ihn außer über Beweismitteln, Zeugenaussagen und Ermittlungsmaßnahmen
auch informiere, auf welche Sprengstoff-Anschläge er sich bezieht
und dass sich die RZ dazu bekannt hätten.
Von Einwurfstellen und Einwurfgewässern
Die BAW habe betont, es sei TMs "freier Entschluß gewesen,
den Seegraben als Entsorgungsort für den Sprengstoff zu nennen",
die Zeugin T. bestätigte in ihrer Vernehmung, dass TM den Besitz
des Sprengstoffs eingeräumt und hektisch versucht habe, Kontakt
zu jemanden aufzunehmen, um den Sprengstoff los zu werden. In einer
Beschuldigtenvernehmung in Anwesenheit des Bundesanwalts Monka habe
TM dann nochmals das Geschehen vom Frühjahr 1995 mit den Worten
"hektisch" geschildert und den denkwürdigen Satz
ausgesprochen: "Ich habe die Vernehmung von Frau Karmen T.
gelesen, ihre Aussage zum Ablauf ist richtig". Diese Version
stelle, so Euler, die Freiwilligkeitsbehauptung der BAW natürlich
vollkommen in Frage: TM wisse zu diesem Zeitpunkt also - aus T.s
Aussage -, dass die BAW das "alles" weiß. Es kommt
die Frage: "Wo haben sie den restlichen Sprengstoff denn entsorgt?"
und TM erklärt: "Ich kann den Lagerort sehr präzise
beschreiben" und fertigt eine Skizze davon an, die - bisher
weitgehend unbeachtet - sich erstaunlicherweise bei den Aussagen
der Karmen T. befand. TMs Skizze vom "Einwurfort" (16.6.1999)
sei von "nicht zu überbietender Deutlichkeit", sie
stimme bis ins Detail - in etlichen Vor-Ort-Besuchen Eulers überprüft
- mit den realen Gegebenheiten völlig überein. Auf dem
Blatt habe TM die Einwurfstelle unmissverständlich mit einem
Pfeil gekennzeichnet und dazu erläutert: "Da liegt der
Sprengstoff, dort habe ich ihn reingeworfen". Weiter erklärte
TM dazu: Am gleichen Tag [der Keller-Durchsuchung im Frühjahr
1995] bin ich in der Dämmerung in die Nähe von Buch gefahren
und habe dort den Sprengstoff weggeworfen. Dort, weil ich die Stelle
kenne." Noch - im Juni 1999 - spielt Mousli mit den Vernehmenden
und weist den RZ-Zusammenhang zurück: Ob der Sprengstoff etwas
mit den RZ/Rote Zora zu tun habe? - Nein, nein, so TM, ein politischer,
linkspolitischer Hintergrund sei ihm klar gewesen, ein Zusammenhang
mit den RZ sei ihm jedoch bis zur Durchsuchung [1999] nicht bekannt
gewesen. "Sie, Herr Schulzke, erinnern sich doch, wie erstaunt
ich war, als der Name RZ fiel?" wird TM in den Akten zitiert.
Ausgehend von einem Beispiel aus einem anderen Verfahren aus 2000
in Mainz mit einem Zeugen, der ein recht kompliziert gelegenes unterirdisches
Geld- und Drogen-Depot beschreibt, was dann auch gefunden wurde,
fragte Euler, warum solchermaßen nicht im Falle Mouslis verfahren
worden sei, schließlich habe man eine exakte Angabe vom Entsorgungsort
gehabt und sogar einen Ortstermin mit dem Beschuldigten absolviert,
wo dieser einmal mehr die Einwurfstelle des Sprengstoffs gezeigt
habe. Wo also sollte man denn sonst nach dem Sprengstoff suchen?
Wie groß die Enttäuschung, als man dann nichts dort fand
und auch im Gesamtbereich wie vom Zeugen beschrieben nicht. Am Tag
darauf, den 17.6.99 wurde dann, so Euler, der gesamte Parkplatzbereich
mit in die Suche einbezogen: "Schon das war ein Unding, hatte
doch Mousli klare Angaben zum Lagerort gemacht und konnte eigentlich
nicht von seinem Einwurfort abrücken!", sagte Euler. Ironisch
zählte Euler auf, was die Grabendurchsuchung statt des Sprengstoffs
noch so zutage gefördert hatte, nämlich in zwei Bundespersonalausweise,
Sturmhauben und Handschuhe. Hier scheinen weitere Straftäter
belastetes Material und eine gewisse Frau Schreiber kurzerhand ihre
Handtasche entsorgt zu haben.... diesen Gegenständen und ihrer
Herkunft sei von den Ermittlern weiter nicht nachgegangen worden.
Einzig mögliche Erklärungen für die Pleite vor Ort
hätten nun sein können: Mousli sagt die Wahrheit und jemand
hat den Sprengstoff an der benannten Stelle weggeholt; oder Mousli
hat gelogen und den Entsorgungsort erfunden.
Die Fußballplatz-Parabel
Um seine Fassungslosigkeit an einem Beispiel zu verdeutlichen,
ließ Euler einen Informanten ein Depot in einem Fußballstadion
bezeichnen, wo es im Strafraum (zum Gericht gewandt: "Wenn
Sie wissen, was das ist, also ein präzise zu bestimmender Teil
des Spielfeldes mit 16-Meter-Raum, Elfmeterpunkt usw." ) zu
finden sei. Nachdem es dort nicht gefunden werde, weite der Informant
den Lagerort kurzerhand bis zum Anstoßpunkt aus: "Würden
Sie dem das glauben?", fragte Euler das Gericht, wenn nach
dem Umgraben des halben Spielfeldes das Depot dort wieder nicht
gefunden werde. Es gehe ihm nicht um Metergenauigkeit, wie Bundesanwalt
Wallenta ihm unterstellt habe, sondern um eine räumliche Nähe
zum vom TM bezeichneten Einwurfort. Er bleibe deshalb bei seiner
These, dass TM gelogen und den Entsorgungsort erfunden habe. Entlarvend
hätte in diesem Zusammenhang auch die Aussage der Zeugin T.
sein müssen, die zum Verbleib des Restsprengstoffes am 6.7.99
gezielt befragt wurde: Sie erklärte klipp und klar, dass TM
die Einwurfstelle zu jenem Zeitpunkt in der ersten Jahreshälfte
1995, zu welchem er den Sprengstoff dort entsorgt haben will, noch
gar nicht gekannt haben könne. Erst im Herbst/Winter sei sie
mit ihrem neuen Partner Mousli und dem inzwischen an diesen gewöhnten
Hund dort erstmals spazieren gegangen. Mousli indes bleibt bei seiner
Aussage und fügt hinzu, er habe sich auch gewundert, dass er
den Sprengstoff beim Ortstermin mit den BKA-Beamten nicht selber
habe sehen können. Entweder es habe ihn jemand Dritter entfernt
oder man müsse doch noch die Suche im Graben ausweiten bis
zum Waldrand. Hier hätte nach Ansicht von RA Euler ein Aufschrei
von den Vernehmenden kommen müssen: "Das ist ein Unding,
das glaube ich nicht!". Doch man lässt sich stoisch auf
TMs unrealistische Spielchen ein. Er habe, so TM, schon vor seiner
Bekanntschaft mit Frau T. und dem Besitz des Hundes ("Hunde,
neben Frauen TMs Lieblingsspielzeug") dort Spaziergänge
gemacht, schließlich liege das - er habe damals in der Prenzlauer
Allee gewohnt - nahe, behauptet TM, um T.s Aussage, er könne
den Seegraben zu diesem Zeitpunkt / 1. Halbjahr 1995 noch nicht
gekannt haben, zu entkräften. Wer sich die Gegebenheiten auf
einer Karte anschaue, werde dem entgegengesetzt feststellen, dass
es gar nicht "nahe liege", so Euler. TM geht so weit zu
sagen: "Ich weiß nicht, ob ich mit Karmen T. dort spazieren
gegangen bin." Frau T. indes weiß es genau und kann es
messerscharf nachvollziehen, was sich im Laufe des Jahres 1995 am
Seegraben abgespielt hat. Als TM mitgeteilt wird, dass auch das
erweiterte Grabengebiet "intensiv aber erfolglos abgesucht"
worden sei, meint er: "Mir ist das ein Rätsel, das ich
nicht lösen kann". Und steigt vollends in Fantasie-Gebilde
ein: "Es gibt da noch einen Graben, wo es sich lohnen könnte
zu suchen", sagt er und keiner der ermittelnden Beamten interveniert
hier bei dieser offensichtlichen unverschämten Lüge.
Der letzte Gläubige einer Ein-Mann-Gemeinde
Im Gegenteil: TM wird aus der Haft entlassen - damit man ihn observieren
kann. Bei der Ortsbegehung am Seegraben begleiten TM die beiden
notorischen Beamten Trede und Barbian, wobei Barbian "den beiden
wie ein Hund gefolgt" sein muss und nichts von dem Gesprochenen
mitbekommen haben will. Man geht 10 bis 20 Minuten am Graben entlang
auf der Suche nach einer neuen Einwurfstelle: "Gehen Sie da
mal hin und gehen Sie 10 bis 20 Minuten an dem Seegraben entlang",
rief der empörte Euler in den Gerichtssaal. Man komme so gehend
bis zum Lietzengraben und im übrigen gebe es auch noch einen
weiteren Seegraben im Berliner Stadtgebiet. Was sei der Sinn dieser
Ortsbegehung gewesen, doch eigentlich nur, nachzusehen "wo
das andere Fußballstadion sein könnte", meinte Euler
sarkastisch. Ergebnis des Entsorgungsganges: "Wir haben nichts
gesehen!". Das könne doch wohl gar nicht wahr sein, meinte
Euler. Er habe aus Frankfurt kommend zwar einiges an recht eigenen
"Berliner Verhältnissen" erwartet, doch dies übersteige
selbst sein Phantasie. Was die Vernehmungsbeamten dann als Zeugen
hier in der Hauptverhandlung zum Besten gegeben hätten, sei
- zumal im Falle Tredes - eine Unverschämtheit, welche prozessual
hätte bestraft werden müssen! "Er [Trede] hat sich
wahrscheinlich eigentlich geschämt", mutmaßte Euler
zu dessen unhaltbaren Aussageverhalten. "Da wird einem schwindlig!"
so Euler, es gehe hier nun nicht mehr um die Einwurfstelle am Seegraben,
sondern um den Seegraben selbst als Einwurfgewässer! Und den
Einwand von Bundesanwalt Wallenta, der Sprengstoff sei dort dann
schließlich doch gefunden worden, könne er kaum glauben.
Dass erfahrene BAW-/BKA-Beamte dem keinen Einhalt geboten hätten,
sei unfassbar, so Euler. In der Ein-Mann-Gemeinde des Beamten Trede
sei dieser ohnehin der letzte Gläubige. Denn das Sprengstoff-Paket
wird schließlich in über 160 Meter Entfernung von der
von TM bezeichneten, sinniger Weise "Ersteinwurfsort"
genannten Stelle unter einer Schlickschicht mittig im Seegraben
gefunden. Wie konnte es dazu kommen, fragte Euler erneut, dass sich
das Paket am 24.8.99 dann in 160 Meter Entfernung gegen die Fließrichtung
des Seegrabens und jenseits von Sperren im Graben auffinden ließ?
Wenn also die Glaubwürdigkeit der Zeugin T. nicht in Frage
steht, mit welcher die Vorsitzende Richterin Hennig das erste und
einzige Mal im Umgang mit Zeugen und anders als etwa beim Zeugen
Trede "sehr streng" gewesen sei, wie Euler hervorhob,
dann sei nicht nachvollziehbar das ihre Aussagen weitgehend unbeachtet
blieben. Im Zusammenhang mit dem Seegraben, den TM nach T. erst
im Herbst 1995 kennen gelernt haben soll, lasse das nur den Schluss
zu, dass TM das Sprengstoffpaket dort nicht im Jahr 1995 entsorgt
hat, sondern, und darauf wiederum deutet der Poker um die Einwurfstelle
hin, dass er das Paket erst in der Zeit zwischen Mitte Juni und
Ende August 1999 irgendwo anders geholt haben und dann am späteren
Fundort ins Wasser geworfen haben muss. Woher komme sonst die Idee
mit dem anderen Graben?
Zwar DDR-Vergangenheit, aber nicht dumm
Seien Karmen T.s Aussagen jedoch beachtlich, dann seien auch weitere
Aussagen von ihr relevant und machten deutlich, wie selektiv die
Vernehmenden sich daraus bedienten, um ihren Kronzeugen zu bekommen
und zu stützen. So berichtete T. Mitte 1999, dass TM selbst
von einer Organisation, von Genossen gesprochen habe, dass er etwas
gemacht habe und "führende Kraft" sei, dass einige
bei Anschlägen Rücksicht auf die Zivilbevölkerung
befürworteten, andere jedoch nicht, dass es Anschläge
auf Personen gegeben habe, dass nicht "sie", sondern "ich"
geschossen habe, dass das Motiv für den Anschlag auf den Richter
in der Familie liege wegen der schwierigen Aufenthaltsgeschichte
und der Verweigerung eines Bleiberechts für seine Schwester,
die darüber psychisch krank geworden sei, dass er geschossen
und zwei, drei Mal getroffen habe usw. TM habe laut T. auch gesagt:
"Wenn Du nicht weißt, wer dabei war, kannst Du auch niemand
verraten." Zwar sei Frau T,. mit ihrer DDR-Vergangenheit eine
eher unpolitische Frau doch sie habe keineswegs ein Gedächtnis
wie ein Sieb oder sei dumm, führte Euler aus. Zweifel jedenfalls
an den Aussagen der Zeugin T. habe es von keiner Seite gegeben,
fasste er zusammen.
Im Oktober 1999, als TM bereits die Kronzeugenregelung angeboten
worden war, wird ihm die Aussage vom Juli mit der markierten Einwurfstelle
am Seegraben vorgehalten. Er wird informiert, dass ein Sprengstoffpaket
160 Meter von der von ihm bezeichneten Stelle entfernt gefunden
worden und dass an der zuerst bezeichneten Einwurfstelle ein Wecker
mit Klebeband geborgen worden sei. Ob es sich bei den anderen im
Graben gefundenen Gegenständen im Seegraben um Dinge gehandelt
haben könnte, die TM in der Hektik nach der Kellerdurchsuchung
im Durcheinander zusammengepackt und auch in den Seegraben geworfen
habe, dem wird nicht nachgegangen. Und auch nicht bemerkt, dass
TM im Grunde zu seiner "Ersteinwurfstelle" mit der Bemerkung
zurückkommt, er habe bei späteren Spaziergängen immer
"das Schimmern des blauen Plastiksacks im Seegrabenwasser gesehen."
Hier liegt wohl einer der zentralen Widersprüche im Chaos der
Seegrabengeschichte.
Das Telefongespräch TMs mit seiner Mutter am 19.9.99 gilt
der BAW als Wahrheitsbeweis, sei dazu aber nicht geeignet, enthalte
es doch die Aussage, ihm, TM, sei nicht mitgeteilt worden, ob die
Behörden am Seegraben etwas gefunden hätten, was offensichtlich
nicht stimmt und den Charakter des Gesprächs im Ganzen in Frage
stellt: "Man muss ja seiner Mutter nicht alles erzählen",
fasste Euler zusammen. Noch bis Oktober 1999 hätte für
die Ermittler die Möglichkeit bestanden, Schlüsse und
Rückschlüsse aus TMs widersprechenden Aussagen zu ziehen.
Das sei unterblieben. Stattdessen sei TM im November verhaftet und
Frau T angeboten worden, ins Zeugenschutzprogramm genommen zu werden,
was einmal mehr unterstreiche, dass die Zeugin für "uneingeschränkt
glaubwürdig" gehalten wurde. Es werde nun so getan, als
heile die Tatsache, das der Sprengstoff schließlich gefunden
wurde, alle Wunden, d.h. alle unhaltbaren Widersprüche und
Unwahrheiten. Das Gegenteil sei der Fall: Im Abgleich mit den Aussagen
Karmen T.s habe sich TM als Lügner erwiesen. Und diese mögliche
Erkenntnis sei nicht für das Verfahren produktiv gemacht, sondern
weitere Fehler begangen worden, die nicht hätten passieren
dürfen.
Geblendet vom Kronjuwel
Und TM hat all den Wust in der Hauptverhandlung noch mal bereitwillig
wiederholt, die Ermittler seien angesichts der Möglichkeit,
hier einen RZ-Prototypen gefangen zu haben, vom "Kronjuwel"
derart geblendet gewesen. Wie weit diese Formen erfolgsgeiler Autosuggestion
bei Ermittlungsbeamten gehen könnten, beschrieb Euler anhand
seiner Erfahrungen aus anderen Terroristen-Prozessen: Er sei etwa
im Prozess gegen Monika Haas nach Mallorca gereist, um die Angaben
der Kronzeugin Andrawes über eine angebliche Waffenübergabe
von Frau Haas an Andrawes nachzugehen; er habe sehr schnell vor
Ort festgestellt, dass es so, wie es die Kronzeugin geschildert
habe, nicht gewesen sein könne; oder im Opec-Verfahren in Frankfurt,
wo der Kronzeuge Hans-Joachim Klein über einen versuchten Ausstieg
aus der Gruppe berichtete, er sei im Aostatal von zwei Männern
bedroht worden, von denen einer die Tarnnnamen Max und Sharif getragen
und den er dann später als Rudolf S. identifiziert habe, den
er bereits aus Frankfurt aus der Zeit vor dem OPEC-Überfall
kannte; ; schon nach reiner Aktenlektüre habe er, Euler, damals
festgestellt, dass das so nicht stimmen könne; schließlich
habe der Entlastungszeuge Gerd Schnepel bestätigt, dass Klein's
Zuordnung der Namen zu Rudolf S. nicht stimme, da er selber diese
Decknamen getragen habe;obwohl das offensichtlich unwahr war, ließen
die BKA-/BAW-Beamten Klein gewähren - ähnlich wie im vorliegenden
Fall; das Tollste indes sei gewesen, so Euler, dass sich nach rechtskräftigem
Abschluss des Verfahrens herausgestellt habe, dass es im Falle Schnepel
einen Vorgang zu einem Strukturverfahren gegeben hat, in welchem
diese Erkenntnis klar drin stand, mithin sei der Sachverhalt mutwillig
verschwiegen und dem Gericht Beweise unterschlagen worden: "Seitdem
weiß ich, was möglich ist", schloss Euler seinen
Exkurs.
An dieser Stelle stellte er den bedingten Hilfsbeweisantrag, dass
der Kronzeuge seiner früheren Lebensgefährtin Karmen T.
gegenüber zu stellen sei, um zu beweisen, dass in der Frage
des Seegrabens TM offenkundig die Unwahrheit sagt, da er den Seegraben
nicht vor dem 2. Halbjahr 1995 gekannt haben konnte. Außerdem
seien drei Personen zu laden, mit welchen TM schon davor am Seegraben
spazieren gegangen sein will. Sie würden das als Zeugen verneinen.
In diesem Zusammenhang seien TMs Aussagen zur 1995 im Keller befindlichen
Tasche und den dort verstreuten Gegenständen zu verlesen und
jene Stelle, wo er noch im Oktober 99 von der blau im Wasser schimmernden
Plastiktüte gesprochen habe, um zu beweisen, dass kein anderer
Einwurfort in Erwägung zu ziehen gewesen war.
Sein Mandant, so fuhr RA Euler nach einer Pause fort, habe in seiner
Erklärung vom 18.1.2002 die Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung zugestanden, die von TM behauptete Rädelsführerschaft
darin jedoch bestritten. Doch hier werde mit zweierlei Maß
gemessen. Das gelte auch im Zusammenhang mit TMs Aussagen zur angeblichen
Alimentierung von RZ-Mitgliedern durch einen Koordinierungsausschuss,
den angeblichen Decknamenwechsel der Zellenmitglieder und dem Ablauf
des Hollenberg-Anschlages. Zwar schildere sein Mandant das Geschehen
völlig anders und doch werde TMs Aussage als "glaubhaft
und widerspruchsfrei" eingeschätzt. Sein Mandant habe
doch Einlassungen gemacht und vieles eingestanden, um zu beweisen,
dass TMs Aussagen nicht der Wahrheit entsprächen: : die BAW
nutze S.s Aussage nur insoweit sie das eigene Verurteilungskonstrukt
stütze, aber nicht dort, wo sie den Kronzeugen widerlege. Und
obwohl es Aussagen der Zeuginnen W. und H. gebe, dass TM keine Probleme
mit den als Bestrafungsmaßnahmen begriffenen Knieschuss-Attentaten
gehabt habe, behaupte er selber, er sei gegen die Hollenberg-Aktion
gewesen, habe aber mitgemacht. Das werde nicht hinterfragt, dabei
stecke in diesen Details die Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit
des Zeugen kritisch zu bewerten und zu verwerfen. Selbst die Aussagen
des unterdessen verstorbenen Anschlagsopfers wögen im hiesigen
Verfahren nicht so viel wie die zweifelhaften Angaben TMs. Zum Abgleich
der Hollenberg-Beschreibung der Tatschützin reichte RA Euler
als Hilfsbeweisantrag eine vergrößerte Farbfotografie
der Entlastungszeugin, die 1986 die Schüsse auf Hollenberg
abgegeben haben will, ein.
Liebe, enttäuschte Liebe, Sympathie, Mutterberzug?
In der Frage der Entlastungszeugin sieht sich Anwalt Euler in seiner
Ehre angegriffen, denn schließlich habe er selbst als Zeuge
zu dem Zustandekommen dieser Entlastungsaussage der Zeugin Barbara
W. ausgesagt. Und die Einschätzung der BAW, diese Zeugin lüge,
stelle seine, Eulers Glaubwürdigkeit als Zeuge in Frage und
würde unterstellen, dass er sich eine Lügenzeugin zur
Entlastung seines Mandanten auf Vorrat präpariert habe. Schon
dass er überhaupt habe aussagen müssen habe ihn erstaunt:
"Eine Wahrunterstellung kam offenbar nicht in Frage".
Wenn den Eindruck entstanden sei, die Zeugin habe Probleme gehabt,
auszusagen, stimme das zwar, könne aber auch schlüssig
begründet werden: es sei für eine Person, die seit langem
in ein bürgerliches Leben gewechselt sei, nicht leicht, öffentlich
einzugestehen, sie habe 1986 auf einen Menschen geschossen. Sie
sei heute nicht mehr stolz auf diese Aktion und deshalb einfach
aufgeregt gewesen. Im übrigen habe sie ein bestimmter "grundsätzlich
anti-etatistischer" Kreis bedrängt, nicht mit der Staatsgewalt
zu kollaborieren. Sie sei nach Meinung der BAW als Zeugin unglaubwürdig,
da sie keine emotionale Beteiligung gezeigt und nichts gewusst habe
von der Vorbereitung und dem Überbau des Anschlages. Euler
führte schlüssig aus, was Frau W. genau über Tathergang,
Vorbereitung (Stichwort: Schießübungen), über das
Ende ihrer Aktivitäten und den Literaturkreis ausgesagt hat
und weshalb es gerade dort, wo Unglaubwürdigkeit unterstellt
würde, im konkreten Kontext eher das Gegenteil beweise. Eine
präparierte Zeugin hätte doch nicht etwa zugegeben, dass
sie die damalige Funktion des Attentatsopfers nicht mehr wisse oder
den Ort nicht erinnere, wo die "berühmten" Schießübungen
stattgefunden haben sollen. Dass Frau W. niemals geschossen haben
soll in ihrem Leben, wie die BAW meint, sei außerdem noch
leichter zu widerlegen; es gebe in den USA einen Zeugen, der Schießübungen
der Zeugin bestätigen könne, so Euler weiter. Dass die
sich selbst bezichtigende Zeugin W. die Waffe nicht habe beschreiben
können, erklärte Euler damit, dass ein Laie Waffen nicht
auseinanderhalten könne. Denn er wisse als ehemaliger Waffenausbilder
bei der Bundeswehr, wie viele ähnlich oder gleich aussehende
Waffen es gebe.
Weshalb TM die Tatbeteiligung der Zeugin verschwiegen habe? Das
sei ein weites Feld der Spekulation, aus enttäuschter Liebe,
aus Liebe, aus Sympathie, wer könne das sagen?
Mit ihrer Aussage konfrontiert meinte TM lapidar: "Wenn sie
das so sagt, kann ich ihr nicht widersprechen." Er habe womöglich
bei W.s Person Mutterbezüge gehabt, so Euler, schließlich
habe er auch mehrfach ihr Alter betont. Weshalb, so könne man
weiter fragen, habe er Frau H. und ihre Zusammentreffen mit der
AG E. verschwiegen oder die libidinöse Beziehung zur Zeugin
Elisabeth E.? TM habe Leute aus seiner Erzählung ausgespart
nicht nur aus Sympathie sondern auch zum Selbstschutz. Dass er jedoch
den erbarmungswürdigen Zustand der AG E. vergessen haben will,
was damals der Grund war, sie mit der Zeugin H. wegen Gymnastik
zusammen zu bringen, sei an Absurdität nicht zu überbieten,
schloss Euler diesen Komplex.
Der Umgang der BAW mit der Aussage der Zeugin W. und des AG S.s
erläuternder Erklärung vom 26.9.03 ist in den Augen von
RA Euler "Teil einer Umschiffung wesentlicher Teile der Beweisaufnahme".
Alles werde da gegen die AGs gewendet, wenn etwa behauptet werde,
der AG S. habe die Zeugin W. nur benutzt, um seine Frau, die AG
E. zu entlasten. Ja, was denn sonst hätte er tun sollen, müsse
sich die BAW fragen lassen, um seine Frau zu entlasten, nachdem
weiter nichts gegen sie vorliege im Zusammenhang mit dem genannten
Attentat, keine Fingerabdrücke, keine Hinweise usw. Sein Mandant
habe im Laufe des Verfahrens mehr als einmal bewiesen, dass er nicht
zu seinem Vorteil leichtfertig Dinge behaupte. Hätte er nämlich
darauf bestanden, durchgehend von den 70-er bis in die 90-er Jahre
Mitglied der RZ gewesen zu sein, hätte der Strafklageverbrauch
aus dem Opec-Verfahren gegriffen und der gegenwärtige Prozess
nicht so stattgefunden, gab Euler zu bedenken. Es wäre ein
Leichtes gewesen.
Vom Strafraum zum Stadion
Im folgenden demontierte Euler etliche von TMs Aussagen, die sich
jedoch schon an sich selbst ad absurdum führten. Die Behauptung
eines gemeinsamen Sprengsatzbaus in Sachen ZSA von einer von Aussage
zu Aussage größer werdenden Gruppe von schließlich
fünf Zellenmitgliedern, erledige sich nach den Feiling-Erfahrungen
der RZ von selbst: das kann so und noch aus anderen Gründen
nicht stattgefunden haben, wäre fahrlässig gewesen und
einer intellektuelle Selbstenthauptung der Berliner RZ gleichgekommen,
führte der Frankfurter Anwalt weiter aus. Es sei mithin nicht
zu erkennen, weshalb man TMs Aussagen glauben solle. Im Zusammenhang
mit dem Anschlag auf den Bundesrichter Korbmacher 1987 schließlich
falle auch noch TMs Schutzbehauptung, er habe vieles nicht gewusst,
sei nur ein "braver Funker" gewesen und es sei ihm Herrschaftswissen
vorenthalten worden, in sich zusammen. Es sei widersinnig in einer
derart kleinen Gruppe, die den Höhepunkt der Flüchtlingskampagne
der RZ vorbereitete, Informationsgefälle wie die von TM behaupteten
zuzulassen. Es ging um absolute Planungssicherheit, alle mussten
funktionieren, also könne schon aus logischen Gründen
hier kein "Herrschaftswissen" in Anschlag gebracht werden,
aus welchem das kleine Rädchen TM ausgegrenzt wurde. Er habe
das Motorrad nicht nur getestet für den Anschlag, sondern auch
gefahren, nur das könne logisch stimmen. Dabei habe er gegenüber
der Zeugin Karmen T. gelogen, als er behauptete, es sei bei diesem
Attentat um seine Schwester und ihr oben erwähntes Schicksal
gegangen. Woher als aus TMs Munde sollte sie das denn sonst gewusst
haben, fragte Euler das Gericht. Als grotesk bezeichnete Euler die
Einschätzung der BAW, TM sei gerade hier "anschaulich
und plausibel". Einziges Ergebnis der Analyse der Aussagen
im jeweiligen Kontext könne sein: TM lügt!
"Was Sie jetzt sagen, erinnert stark an den Seegraben",
mit diesen damaligen Worten der Vorsitzenden zum Komplex "Depot
im Mehringhof", fasste Euler auch dieses Thema zusammen. Ein
genau bezeichnetes Depot sei in der Folge ergebnisloser Suche auf
einmal in jedem Winkel des Gebäudekomplexes zu suchen gewesen,
wie am Seegraben - Strafraum, halbes Spielfeld, Stadion, anderes
Stadion usw. Auch im Zusammenhang mit dem ominösen Waldspaziergang
der Berliner RZ-Gruppen, angeblich wegen der 1987 in Westdeutschland
laufenden "Aktion Zobel" des BKA gegen die RZ und der
daraus folgenden Sicherheitsgefährdung der Berliner Zellen,
arbeitete Euler ein Muster der Aussage-Entwicklung beim Kronzeugen
heraus, wie es von der RAin Lunnebach bereits angedeutet worden
war. Nicht nur, dass ein solches Treffen sehr spät in TMs Aussagen
auftaucht hätte es allen behaupteten Abschottungsregeln der
RZ in Berlin widersprochen. Es wäre in der Tat ein völlig
unvertretbarer Akt der Selbstgefährdung gewesen, wenn auch
nur eine der betreffenden Personen observiert worden wäre,
so Euler. Die Aussagen werden je nach Bedarf durch den unter Erfolgsdruck
stehenden TM "nachgebessert", bleiben jedoch von Anfang
an nichts als Lügen und Erfindungen. Dasselbe lässt sich
von den Kuddelmuddel-Aussagen TMs im Zusammenhang mit den angeblichen
Decknamenwechseln sagen: das kann in der Gesamtschau der sich widersprechenden,
in der Chronologie unmöglichen, sich ausschließenden
und schlicht falschen Aussagen einfach nicht stimmen. Euler belegt
all diese Abrissmaßnahmen am Lügengebäude des Kronzeugen
mit stringenten Nachweisen, die alle aufzuführen den Rahmen
entschieden sprengen würde.
Als Hilfsbeweisantrag forderte Euler noch ein aussagepsychologisches
Gutachten zum Aussageverhalten des Kronzeugen, um dessen Abwegigkeit
zu beweisen. "Wenn Sie uns nicht unterstellen, etwas zu erfinden,
kann das, was TM da aussagt, nicht stimmen: Das sollten Sie nicht
durchgehen lassen", schloss Euler seine Ausführungen.
Er beantragte deshalb, die Anklage zurück zu weisen, sein
Mandant Rudolf S. sei Rädelsführer gewesen. Die Attentate
seien verjährt, die Mitgliedschaft in einer terroristische
Vereinigung seit etwa 1987 beendet, mithin das Verfahren gegen S.
einzustellen. Bezogen auf die § 129 a und 129, Absatz 6, meinte
Euler, die Aussagen seines Mandanten und von dessen Frau, dass ihre
Tätigkeit in den RZ nach der Flüchtlingskampagne erledigt
gewesen und in einen - mehrfach bestätigten - Literaturkreis
überführt worden sei, erlaube den Schluss, dass die Maßgaben
der genannten Paragraphen erfüllt, mithin ein Strafaufhebungsgrund
gegeben sei. Es habe, so betonte Euler, durchaus Gründe gegeben,
gegen die damalige Abschiebepraxis der BRD aktiv zu werden, es habe
Abschiebung in die Folter gegeben, doch danach sei "das Verfallsdatum
der RZ-Politik" erreicht worden, so erklärten jedenfalls
die AG E. und auch S. ihre Abkehr von den RZ.
Wenn den Anwälten nun eine Verzögerungstaktik seitens
der BAW vorgeworfen werde, sei dies insoweit unfair, als Euler und
König auch angeboten hätten, das Verfahren gegen E. und
S. abzutrennen und so schneller zum Abschluss zu bringen.
Euler plädierte insbesondere:
- Das Verfahren gegen seinen Mandanten wegen Rädelsführerschaft
in den RZ einzustellen;
- Ihn zu sechs Monaten Freiheitsentzug wegen eines minderschweren
Falls von Sprengstoffdelikt zu verurteilen und
- den Haftbefehl gegen S. aufzuheben.
RA König, der ebenfalls R.S. vertritt, schloss sich Eulers
Hilfsbeweisanträgen, jedoch unbedingt, also auch für den
Fall an, dass das Gericht nicht die gesamte Verurteilung auf den
Aussagen TMs aufbaue.
Am 29. Dezember 2003 geht es um 14 Uhr mit dem Plädoyer des
Rechtsanwalts von Schliefen für den Angeklagten Axel H. weiter.
Am 8 Januar wird voraussichtlich die Verteidigung des Angeklagten
G. plädieren.
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