Meldungen nach dem 3. Mai 2002
03.05.2002: 72. Prozesstag
"Wir Kellerkinder". Erste Vernehmung einer Zeugin der
Verteidigung
Der heutige 72. Prozesstag begann mit der erneuten Vernehmung des
BKA-Beamten van Elkan zum schulischen und beruflichen Werdegang
des Angeklagten Axel H. sowie zur Durchsuchung des Dachbodens im
Wohnhaus des Angeklagten Matthias B. Beide Komplexe brachten keine
Neuerungen, bestätigten aber erneut, dass auf dem Dachboden keine
Dinge gefunden wurden, die hätten belegen können, dass der Dachboden
Matthias B. gehörte.
Schon vor Beginn der heutigen Hauptverhandlung wurde der Antrag
auf Befangenheit des Senats durch die Verteidigung von Harald G.
abgelehnt. Es habe sich nicht um ein gezieltes Unterdrücken von
Informationen zu den Verhandlungen zwischen der Verteidigung von
Rudolf Sch. und dem Gericht zu dessen Einlassung und Haftverschonung,
sondern um einen "Irrtum" gehandelt, so die lapidare Begründung.
Die Verteidigung von Harald G. war als einzige nicht von diesen
Verhandlungen unterrichtet worden.
Die Verteidigerin von Harald G., Silke Studzinsky, belegte sodann
in einem weiteren Antrag, das erneut Beweismaterial unterschlagen
worden ist. War bisher immer von insgesamt 988 Bändern aus der Telefonüberwachung
Tarek Mouslis die Rede, konnte in dem heutigen Antrag nachgewiesen
werden, dass es sich tatsächlich um insgesamt 1.084 Beweisbänder
handelt, so dass mithin 96 Bänder der Verteidigung und dem Gericht
vorenthalten wurden und werden.
Als erste Zeugin der Verteidigung wurde heute die damalige Hausmeisterin
des MehringHofes, Uta K., vernommen. Die 43jährige Heilpraktikerin
berichtete ausführlich über die Verteilung von Schlüsseln an die
jeweiligen im MehringHof tätigen Projekte sowie an die HausmeisterInnen.
Deutlich wurde, dass mit sog. Halbgeneralschlüsseln jedes Projekt
im MehringHof ausgestattet war und Zugang zu den in Rede stehenden
Räumlichkeiten hatte.
Mouslis Behauptung, im MehringHof habe im Fahrstuhlschacht Sprengstoff
der Revolutionären Zellen gelagert, entkräftete die Zeugin auch
mit detaillierten Beschreibungen regelmäßiger Fahrstuhlkontrollen
durch eine Wartungsfirma. Zudem hätten sich auch alle - zu damaligen
Zeit drei - HausmeisterInnen regelmäßig mit dem Fahrstuhlschacht
auseinandersetzen müssen, da sowohl regelmäßig der Grundwasserstand
wie Gewitterregen das Abschöpfen von Wasser notwendig gemacht hätten.
Die Lagerung von Sprengstoff - "Wer das an mich herangetragen hätte,
den hätte ich für bekloppt erklärt" -schloss sie aus.
Die insgesamt über einstündige Befragung, an der sich zur Überraschung
der ProzessbesucherInnen auch Richter Alban - wenn auch nicht gerade
qualifiziert - beteiligte, endete, nach verschiedenen Fragen zu
Tarek Mouslis Präsenz im MehringHof und den Hausmeisterkollegen
von Frau K. in der Zeit von Oktober 1987 bis Mitte 1991, mit der
Vereidigung der Zeugin in weltlicher Form.
Der "Anregung" an das Gericht durch die Bundesanwaltschaft (BAW),
die Angeklagten Sabine E. und Matthias B. gegebenenfalls auch mit
dem Vorwurf der "Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung"
laut § 129a zu konfrontieren, folgte zum Abschluss des heutigen
Prozesstages wenig überraschend die Vorsitzende Richterin. "Die
Rädelsführerschaft", so Gisela Hennig, "kommt in Betracht". Damit
bestätigt sich die von Rechtsanwalt Kaleck schon bei der "Beweisanregung"
durch die BAW in einer Stellungnahme geäußerte Vermutung, es handele
sich bei dem BAW-Antrag um den Versuch, von den widersprüchlichen
und Falschaussagen Tarek Mouslis abzulenken, der nun offensichtlich
auf fruchtbaren Boden beim Strafsenat gefallen ist.
Der Prozess wird am Freitag, 10. Mai 2002 u.a. mit
der Befragung des Zeugen Rudolf H. fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
26.04.2002: 71. Prozesstag
Ermittlungsführer Schulzke a.D.: "Da fällt mir im
Moment nichts ein"
Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages machten die Verteidigerinnen
Würdinger und Studzinsky in einen umfangreichen
Antrag erneut die finanzielle Situation des Kronzeugen Tarek
Mousli zum Thema. Schon aus "sämtlichen Aussagevariationen", die
der Kronzeugen bei seinen polizeilichen Vernehmungen und den verschiednen
Befragungen in der Hauptverhandlung, angeboten habe, sei klar geworden-
so die Verteidigung -, dass die von Mousli behaupteten 60.000 DM,
die er von einem Freund für die RZ bekommen und an Harald G. weitergegeben
haben will, für sich selbst, bzw. für sein Sportstudio verwand hatte.
Der Antrag fordert die Beiziehung von Kontobewegungen und die Einvernahme
weiterer Zeugen zu diesem Thema.
Der zweite Teil des Tages wurde mit der Befragung von Klaus Schulzke
(60), ehemaliger Ermittlungsführer in Sache RZ, bestritten. Schulzke,
der den Prozessbeteiligten schon aus zwei vorhergehenden Befragungen
bekannt war, zeigte auch heute beeindruckende Leistungen, wenn es
um das Ausweichen und Umschiffen von schwierigen Fragen ging. Schwerpunkt
der Befragung bildete die Abhörmaßnahmen gegen Tarek Mousli von
September 1999 bis Januar 2000, die dem Gericht und der Verteidigung
von den ermittelnden Behörden bei Beginn des Prozesses verschwiegen
worden waren. Schulzke gab heute an von einer Entscheidung, dass
die Ergebnisse der Abhörmaßnahmen nicht zu den Gerichtsakten hinzugefügt
werden sollten, nichts gewusst zu haben. Obwohl bis Ende 1999 als
Ermittlungsführer tätig sei er - so war heute seinen Aussagen zu
entnehmen - bei relevanten Vorgängen entweder für mehrere Wochen
in Urlaub gewesen oder hatte seine anstehende Pensionierung vorbereitet.
Auf jeden Fall träfe ihn keine Schuld. Auch bei anderen Themenkomplexen
wie den Umständen des Auffindens des Sprengstoffs im Seegraben oder
den Kontakten des Kronzeugen zu Beamten des Verfassungsschutzes,
bot der Zeuge keine Hilfe zur Sachaufklärung. Aufgrund der intensiven
Befragung von Schulzke konnte Staatsanwalt Monka heute nicht mehr
befragt werden. Dies wird am 16. Mai nachgeholt.
ausführlicher
Bericht
25.04.2002: 70. Prozesstag
Gefährliche Mutmaßungen
In der heutigen Hauptverhandlung, die auf Grund der
sorgsamen Ladungsplanung des Senats durch eine dreistündige Verhandlungspause
unterbrochen war, wurden insgesamt drei Zeugen vernommen. Zwei Kriminalbeamte
des Bundeskriminalamtes (BKA) gaben jeweils ihre Ermittlungen zu
den Lebensläufen der Angeklagten Matthias B. und Harald G. kund.
Darüber hinaus berichteten sie über die Hausdurchsuchungen, die
sie bei deren Festnahme durchgeführt hatten. Der dritte Zeuge, Beschäftigter
bei der Firma Westspreng, wurde zur Herkunft und Lagerung von Sprengstoff
der Marke Gelamon 40 befragt. Dabei ging es konkret um die Lieferung
der Charge, aus der Teilemengen 1987 in Salzhemmendorf entwendet
wurden. Zum Antrag der BAW auf einen rechtlichen Hinweis nahm heute
zudem die Verteidigung von Sabine E. Stellung. Rechtsanwalt Becker
forderte das Gericht auf diesen Antrag ohne Begründung abzulehnen.
In die Hauptverhandlung seien keine neuen Erkenntnisse zu seiner
Mandantin eingeführt worden, die eine Ausweitung der Anklage auf
Rädelsführerschaft rechtfertigen würden. Im Gegenteil hätten die
Einlassung von Rudolf Sch. und Axel H. die Anklage in entscheidenden
Punkten widerlegt.
ausführlicher
Bericht
19.04.2002: 69. Prozesstag
Erneuter Antrag auf Befangenheit und die Verlobte
des Kronzeugen
Am heutigen Prozesstag wurde bekannt, dass die Verteidigerinnen
Würdinger und Studzinsky am 18.4. einen weiteren Befangenheitsantrag
gestellt haben. Die Vorsitzende Richterin Hennig hat in einer dienstlichen
Erklärung vom 15.4. mitgeteilt, dass im Vorfeld der Erklärung von
R. Schindler "Verfahrensabsprachen" getroffen wurden. Diese Darstellung
entspricht aber nicht den dienstlichen Erklärungen der anderen Richter,
die diese zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben hatten. Darin war
nicht von "Verfahrensabsprachen" sondern lediglich von "Vorgesprächen"
die Rede.
Der zweite Teil des Tages bildete die Aussage von Janet Olbrich
(26), der Verlobten von Tarek Mousli. Frau Olbrich lernte Mousli
im Oktober 1987 kennen und ging mit ihm im Dezember 1999 ins Zeugenschutz-
Programm des Bundeskriminalamtes. Mit äußerster Zurückhaltung und
kaum nachvollziehbaren Erinnerungslücken machte die recht bieder
wirkende Frau Aussagen, die zeitlich bis zum Eintritt in den Zeugenschutz
reichten. Ab da bot ihr immer wieder ihre eingeschränkte Aussagegenehmigung
Deckung. Insgesamt erweckte sie den Eindruck, als habe sie von Mouslis
Vergangenheit nur wenig bis nichts gewußt und sei ihm schlussendlich
nahezu blind in die vom Zeugenschutz angebotene Zukunft gefolgt.
ausführlicher
Bericht
12.04.2002: 68. Prozesstag
Kalt erwischt - Befangenheitsantrag
gegen Vorsitzende Richterin und Berichterstatter
In der heutigen Verhandlung stellte die Verteidigung des Angeklagten
Harald G. einen Befangenheitsantrag. Darin legen die Anwältinnen
S. Studzinsky und A. Würdinger der Vorsitzenden Richterin Hennig
und dem Berichterstatter Hanschke eine gezielte Benachteiligung
ihres Mandanten durch das Vorenthalten von Prozessunterlagen zur
Last.
Letztlich wurden an diesem Tage nur wenige Minuten verhandelt und
dass vor äußerst kärglicher Kulisse. Der eingebrachte Antrag auf
Feststellung der Befangenheit des Gerichts brachte stundenlange
Unterbrechungen mit sich. Darin wird der Vorwurf erhoben, das Kammergericht
hätte eine vierseitige Erklärung, die Richterin Hennig am 18. Januar
2002 zur Einlassung des Angeklagten Rudolf Sch. verlesen hatte,
der Verteidigung von Harald G. bewusst nicht zur Verfügung gestellt.
Aus einem Aktenvermerk, den die Verteidigerin Studzinsky erst gestern
einsehen konnte, sei klar geworden, dass allen anderen Verteidigern
die Erklärung zugestellt worden ist. Lediglich die Verteidigung
von Harald G. sei aufgrund einer ausdrückliche Weisung nicht mit
der gerichtlichen Erklärung versorgt worden. Dadurch hätte u.a.
ein bereits am selben Tag eingebrachter Befangenheitsantrag von
der Verteidigung nicht ausreichend und sachgerecht Bezug auf diesen
Vorgang nehmen können. Diese angeordnete Vorenthaltung stelle eine
gezielte Benachteiligung ihres Mandanten dar. Dies lege die Vermutung
nahe, dass die anderen Angeklagten bevorzugt behandelt würden, "weil
sie sich in der ein oder anderen Weise eingelassen haben".
Für heute ist Schluss
Die zwischenzeitliche Behauptung der Vorsitzenden Richterin, eine
entsprechende Kopie doch schon während der Hauptverhandlung am 18.01.
an die beiden Verteidigerinnen überreicht zu haben, klang wenig
überzeugend. Zumindest kann sie sich ihrer Sache nicht besonders
sicher gewesen sein, wenn sie selbst " wie später auf den
Fluren berichtet wurde - bei den Bundesanwälten, in einer Sitzungspause,
eine Bestätigung für ihre Version erfragte. "Haben die beiden
nicht die Erklärung bekommen, während der Hauptverhandlung?"
" so soll sie gefragt haben, leider wurde nicht überliefert,
wie die Antwort der drei Bundesanwälte ausgefallen war. Nur der
Berichterstatter Hanschke schlug sich auf die Seite der Vorsitzenden
Richterin und bestätigte nach Wiedereröffnung der Sitzung ihre Version:
"Ich hab das auch so in Erinnerung". Die restlichen
Senatsmitglieder schwiegen.
Sichtlich beeindruckt von dem kurzen aber für sie heftigen Tage,
unterbrach Richterin Hennig abrupt die heutige Sitzung.
Nächster Termin: Do., den 18.04., 9:15 Uhr, Moabit.
Aufgrund der Kürze entfällt ein ausführlicher
Bericht
11.04.2002: 67. Prozesstag
Von "Feuerwalzen" und "Göttinnen" - Polizeizeugen kramen
in ihren Erinnerungen
Heute gaben sich eine Vielzahl von LKA- und BKA-Beamten ein Stelldichein
zur Zeugenvernehmung. Im gut besuchten Zuschauerraum, heute nahezu
ausschließlich ein Zuschauerinnenraum - eine Klasse von Pflegedienstleiterinnen
verfolgte das Geschehen -, begann der Reigen mit einem Eklat in
Gestalt von Hans-Joachim Löber (56). Löber, 14 Jahre beim Entschärfungsdienst
und jetzt als Polizeidozent tätig, beschimpfte die Richterin, weil
diese ihn trotz einer Beerdigung hatte zwangsweise vorladen lassen.
Danach äußerte sich Löber zu dem nicht gezündeten "Sprengbrandsatz"
in dem Fluchtwagen, der für die Beinschüsse auf Korbmacher genutzt
wurde.
Sodann wurden die Landeskriminalbeamten Arnold Fischer (57), Jörg
Reutsch (42) und der jetzt in Vilnius/Litauen tätige BKA-Mann Rüdiger
Richter (39) zum Anschlag auf die Siegessäule und dem dort vorgefundenen
zweiten nicht gezündeten Sprengsatz befragt. Während Fischer, der
"den ersten Angriff durchgeführt" hatte von Beschädigungen an der
"Göttin" zu berichten wusste, sprach Reutsch von einer "Puppe",
die auf einer hohlen Säule stehe - "kein Vollmaterial, wäre ja auch
statisch sinnlos", so der gelernte Maschinenbauer. BKA-Mann Richter
beendete den vormittäglichen Reigen und berichtete, dass er derjenige
gewesen sei, der die Feinasservierung der gefundenen Beweismittel
unternommen habe.
Nach der Mittagspause wurden sodann Uwe Igelmann (32) und Uwe Hübel
(44) zu den verschiedenen Wohnorten von Sabine Eckle bzw. Rudolf
Schindler vernommen. Während Hübel schlicht bei den Einwohnermeldeämtern
von Gütersloh und Frankfurt/M. angerufen und so die Meldeadressen
Schindlers erfahren hatte, galt es unter den ProzessbesucherInnen
als nicht ganz ausgeschlossen, dass der umfänglich recherchiert
habende Igelmann sich demnächst das Leben nehmen würde, weil er
sich bei einem Dutzend unterschiedlicher Meldeadressen von Sabine
Eckle, die diese seit den 50er Jahren gehabt hatte - "das tut mir
wirklich sehr leid" -, an eine Hausnummer nicht mehr erinnern konnte.
Zu insgesamt fünf Anträgen nahm sodann die Bundesanwaltschaft Stellung.
So wurden die Anträge von den Rechtsanwältinnen Würdinger und Studzinsky
vom 28. März 2002 moniert (vgl. den dortigen Prozessbericht), dem
Antrag von Rechtsanwalt von Schlieffen auf eine erneute Zeugenvernehmung
wurde entsprochen. Widersprochen wurde hingegen dem Antrag der VerteidigerInnen
Lunnebach und Kaleck, die die Wortlautabschrift des Videos von der
zweiten MehringHof-Durchsuchung verlesen haben wollen.
Abschließend brachte die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig,
zur Kenntnis, dass der MfS-Vorgang "Separat" mit Zeugenvernehmungen
zur Identifizierung des Angeklagten Borgmann in das Verfahren eingeführt
werden soll. Der Prozeß wird morgen, Freitag, 12. April 2002, um
9.15 Uhr, fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
08.04.2002: 66. Prozesstag
Ohne Titel
Gegenstand des heutigen Prozesstages, der nur eingerichtet wurde,
um die Unterbrechungsfrist des Verfahrens nach den Osterferien einzuhalten,
waren drei Anträge der Verteidigung.
So wurde von Rechtsanwalt von Schlieffen beantragt, zu klären,
dass Mousli entgegen seiner bisher im Prozess gemachten Aussagen
den in Plastik verpackten Sprengstoff bereits vorher zu Gesicht
bekommen hatte. Das lässt sich aus seiner Vernehmung im April 2000
nachweisen; befragt werden sollen dazu die damaligen Vernehmungsbeamten
- 'mal wieder also hat Mousli das Gericht belogen.
Ein weiterer Antrag, von Rechtsanwältin Lunnebach und Rechtsanwalt
Kaleck, nahm Bezug auf die Siegessäule. Entgegen der Darstellung
Mouslis, der in seinen Vernehmungen und vor Gericht mit Täterwissen
zu dem Anschlag im Januar 1991 geprahlt hatte, wurde beantragt,
den Zeitungsartikel der "BZ" vom 17. Januar 1991 zu verlesen; aus
diesem Artikel ergibt sich, dass Mousli nicht Täterwissen wiedergegeben,
sondern lediglich, aber immerhin recht exakt einen Zeitungsartikel
vorgetragen hat.
Der dritte Antrag schließlich, ebenfalls von den RechtsanwältInnen
des Angeklagten Matthias Borgmann gestellt, beantragte die Verlesung
der Abschrift der Kommunikation zwischen Tarek Mousli und den BKA-Beamten
bei der zweiten Durchsuchung des MehringHofes. Die Verlesung des
Protokolls soll zeigen, dass Mousli auch noch in den Vernehmungen
vor Gericht die Unwahrheit über den tatsächlichen Ablauf der Durchsuchung
und vor allem sein Erinnerungsvermögen gesagt hat.
Wegen der Kürze des Prozesstages kein ausführlicher
Bericht
28.03.2002: 65. Prozesstag
Mousli erst einmal am Ende/ BAW droht mit Ausweitung
der Anklage
Mit dem heutigen Verhandlungstag wurde eine neue Phase der Hauptverhandlung
eingeleitet. Nachdem der Kronzeuge der Anklage an insgesamt 25 Prozesstagen
vom Gericht, der Bundesanwaltschaft (BAW) und der Verteidigung befragt
worden war, wurde er heute aus dem Zeugenstand entlassen. Bevor
es dazu kam, musste sich Mousli allerdings noch einmal den kritischen
Fragen der Verteidigung stellen. Dabei ging es erneut um seine widersprüchlichen
Aussagen zum angeblichen RZ-Waffen- und Sprengstoffdepot im Berliner
MehringHof. Gegenstand der Befragung waren aber auch seine Kontakte
zu palästinensischen Gruppen, hier vor allem der PFLP, und der Anschlag
auf das "Maison de France" durch die so genannte Carlos-Gruppe in
Berlin 1983.
Mit zusammen vier Beweisanträgen läutete die Verteidigung im Anschluss
daran stilgemäß den nun beginnenden Prozessabschnitt ein. Mittels
Gutachten, Zeugenvernehmungen und Verlesungen von Teilen der polizeilichen
Vernehmungsprotokolle Mouslis sollen den zahlreichen und massiven
Widersprüchen und Ungereimtheiten in den Aussagen des Kronzeugen
zum Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber
1986 und dem angeblichen RZ-Depot im MehringHof beigekommen werden.
Die BAW ihrerseits nahm heute zu zwei bereits gestellten Beweisanträgen
der Verteidigung Stellung: Den Antrag zur Untersuchung eines Klebebandes
lehnte sie ab, den Antrag, ein Gutachten über die Grundwasserstände
unter dem MehringHof einzuholen, nicht.
Um ja keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, schoben die
Sitzungsvertreter des Generalbundesanwaltes allerdings noch schnell
einen "rechtlichen Hinweis" nach: Die in der Hauptverhandlung zu
Tage getretenen Erkenntnisse ließen ihrer Ansicht nach eine Ausweitung
der Anklage gegen Sabine E. und Matthias B. nach § 129b Abs. 2 in
Frage kommen. Mit anderen Worten: Die BAW schafft die juristische
Voraussetzung, um gegebenenfalls die beiden als "Rädelsführer" anklagen
und aburteilen zu können.
ausführlicher
Bericht
22.03.2002: 64. Prozesstag
Heute gings ums Geld
Die Geldangelegenheiten des Kronzeugen standen heute im Mittelpunkt.
Es blieb zum Teil unklar, welche Zahlungen dabei in welchem Zusammenhang
stehen. Die angebliche Geldübergabe an die RZ, die Beteiligung an
einer Sportschule, die behauptete Beteiligung an einer Vermögensverwaltung
und Mouslis privaten Interessen waren nicht eindeutig getrennt.
Zwei Anträge der Verteidigung im Zusammenhang mit dem angeblichen
Sprengstoffdepot im Mehringhof beschlossen den kurzen Verhandlungstag.
ausführlicher
Bericht
21.03.2002: 63. Prozesstag
Ein plumper Versuch der BAW zu soufflieren
Die heutige Hauptverhandlung fand am Nachmittag ein vorzeitiges
und vor allem lautes Ende. Der Vormittag tröpfelte noch nach bekanntem
Schema dahin. Der Kronzeuge wurde zum Bau eines Zünders befragt,
der beim Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber
zum Einsatz gekommen war. Daneben ging es erneut um das Abschottungs-
und Sicherheitskonzept der RZ. Nach der Mittagspause begann dann
die Verteidigung die Befragung des Kronzeugen zu einem Betrag über
60.000 Mark, die Mousli an "Siggi" zur Unterstützung von RZ- Illegalen
übergeben haben will. Mousli wurde nach einigen Fragen auf Widersprüche
zwischen seinen Angaben heute vor Gericht und bei Vernehmungen aufmerksam
gemacht.
Der Streit zwischen Verteidigung, Bundesanwaltschaft und Gericht
eskalierte an dem Punkt, als die Verteidigung wissen wollte, welche
seiner Angaben denn nun richtig sei bzw. ob er bei der damaligen
Vernehmung wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe. Der Streit eskalierte,
weil das Gericht für sich die Sache ausreichend geklärt sah. Hier
witterte die Bundesanwaltschaft für sich eine günstige Gelegenheit,
um dem Kronzeugen aus der Patsche zu helfen, in dem sie ihm aus
Akten, die noch nicht eingeführt waren, soufflieren wollte. Um dies
zu verhindern, intervenierte die Verteidigung massiv. Ein Wort folgte
dem anderen. Entnervt unterbrach daraufhin die Vorsitzende Richterin
Hennig kurzer Hand die Hauptverhandlung.
ausführlicher
Bericht
15.03.2002: 62. Prozesstag
Sprengstoffdepot im MehringHof eine Lüge Mouslis
Aufgrund von Sprechchören und der Entfaltung zweier Transparente
("Harald muss 'raus!" und "Schluss mit der Erzwingungshaft!"), die
die Freilassung des letzten noch in Haft befindlichen Gefangenen,
Harald Glöde, forderten, sah sich die Vorsitzende Richterin veranlasst,
den Saal räumen zu lassen. Ein Gerichtsdiener brach sich nach Angaben
eines Personenschützers von Mousli dabei einen Finger und sprach
in diesem Zusammenhang von einem "Kolateralschaden".
Nach zwanzigminütiger Unterbrechung wurde sodann das Originalvideoband
der zweiten MehringHof-Durchsuchung am 30. Mai 2000 vorgeführt.
Deutlich wurde in der sich anschließenden Befragung Mouslis durch
die Verteidigung, dass "wir Zeugen waren einer Lüge des Herrn Mousli",
so der Verteidiger Euler zum Abschluss des heutigen Prozesstages.
Deutlich wurde, dass Mousli über ein angebliches Sprengstoff- und
Waffendepot im MehringHof keine Kenntnis hatte, sondern frei fabuliert.
In zwei weiteren Komplexen wurde versucht, die Mitgliedschaft Mouslis
in der Zeitschrift "radikal" sowie seine Kenntnisse der Literatur
aus den "RZ" vor allem der frühen 80er Jahre - also der Zeit seiner
angeblichen Mitgliedschaft - zu eruieren. Desweiteren wollte die
Verteidigung vom Kronzeugen Mousli wissen, inwieweit er sich an
den Bau des Sprengsatzes, der für den Anschlag auf die ZSA verwendet
worden sein soll, noch erinnern könne. Denn Mousli behauptet, bei
diesem Bau dabei gewesen zu sein.
Auch hier blieb Mousli, wie bei seinem Konstrukt eines Sprengstoff-
und Waffendepots im MehringHof, blass.
ausführlicher
Bericht
14.03.2002: 61. Prozesstag
Das Kammergericht bekommt auch Zweifel
Die Vorsitzende Richterin Hennig ließ heute erstmals unmißverständlich
Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussagen des Kronzeugen erkennen.
Als schwer nachvollziehbar bezeichnete sie am heutigen Verhandlungstag
die Angaben von Tarek Mousli zu dem Sprengstofffund am 'Seegraben'
und dem angeblichen Waffen- und Sprengstoffdepot im 'Mehringhof'.
Zuvor bekamen alle Prozessbeteiligten ein durchaus sehenswertes
Video mit Originalton vorgeführt, das die zweite vergebliche Durchsuchung
des Kreuzberger Mehringhofes am 30. Mai 2000 durch die Bundesanwaltschaft
(BAW) und das Bundeskriminalamt (BKA) dokumentiert. Per Funkverbindung
dirigierte der Kronzeuge damals die ErmittlungsbeamtInnen zu verschiedenen
angeblichen Fundorten auf der Suche nach einem - unter einem schweren
Eisendeckel verborgenen - Schacht. Zwischenzeitzlich war er mehrmals
sicher endlich den Platz wiedererkannt zu haben, der ihm von 'Sebastian'
als Lagerstätte gezeigt worden sein soll. Nur kurzzeitig ließ sich
der Zeuge durch die offenkundigen Widersprüchlichkeiten in seinen
Darstellungen verunsichern. Doch diesmal blieb ihm sogar die Unterstützung
durch das Kammergericht verwehrt. Und noch mehr, es stellte sogar
seine früheren Aussagen zum Auffinden von Sprengstoff im 'Seegraben'
gleichfalls in Frage.
ausführlicher
Bericht
08.03.2002: 60. Prozesstag
Gericht und Bundesanwaltschaft (BAW): "Dies hat der
Zeuge schon beantwortet"
Heftige Auseinandersetzungen lieferte sich am heutigen Verhandlungstage
die Verteidigung mit dem Gericht und der BAW. Der Grund waren widersprüchliche
Aussagen des Kronzeugen bezüglich des Anschlages auf die Zentrale
Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) und die Beschneidung des
Fragerechts der Verteidigung durch das Gericht. Zuvor hatte die
Verteidigung von Harald G. drei neue Anträge gestellt. Die ersten
beiden zielen darauf ab nachzuweisen, dass - anders als von Mousli
behauptet - der Sprengstoff nicht 4,5 Jahre im Wassergraben gelegen
haben kann. Der dritte Antrag soll zeigen, dass das Bundeskriminalamt
(BKA) schon 1995 einen Zusammenhang zwischen dem in Berlin aufgetauchten
Sprengstoff und Anschlägen, die der RZ zugeordnet wurden, hergestellt
hatte.
ausführlicher
Bericht
07.03.2002: 59. Prozesstag
Klare Worte zur Haftfrage
Der 59. Verhandlungstag begann mit klaren Worten. Einerseits begrüßte
die Vorsitzende Richterin Hennig den Zeugenbeistand des Kronzeugen
zu Beginn der Hauptverhandlung als Nebenklagevertreter - ein weiterer
Fauxpas ihrerseits, der aber die Situation vor Gericht treffend
beschreibt. Andererseits stellten die Verteidigerinnen von Harald
G. einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin Hennig
sowie die Richter Hanschke, Alban, Genthe und Lechner. Grund war
die wiederholte Ablehnung auf Haftverschonung von seiten des Gerichts,
da ein erhärteter Tatverdacht bestünde.
Die fortbestehende U-Haft von Harald G. könne nur als Aussageerpressung
verstanden werden, so Rechtsanwältin Studzinsky, wobei das Recht
des Angeklagten auf Aussageverweigerung missachtet würde.
Nicht nachvollziehbar sei, dass der Senat die Einlassungen von
Rudolf Sch. und Axel H. lediglich in den Punkten, in denen sie sich
selbst belasteten, für glaubwürdig halte, ansonsten aber davon ausgehe,
dass sie "die im Ermittlungsverfahren und in der laufenden Hauptverhandlung
gemachten Angaben des Kronzeugen bestätigt(en)" (O-Ton Senat).
Die übrigen Verteidiger, außer Rechtsanwalt Euler, schlossen sich
diesem Antrag zwar nicht an, verurteilen aber in einer gemeinsamen
Erklärung die Verfahrensweise des Gerichts massiv.
Weiter ging es mit der Befragung des Kronzeugen zum Thema Sprengstoffübergabe
und Einbruch in seinem Keller 1995, bei dem der Sprengstoff von
Dritten gestohlen worden sei. Im Anschluss daran wurde der Zeuge
Daniel S. (26 J.) gehört, der damals mit einem Freund in den Keller
in der Schönhauser Alle eingebrochen war.
ausführlicher
Bericht
01.03.2002: 58. Prozesstag
Dem Kronzeugen ging es heute schlecht
Magenprobleme, Durchfall und Kopfschmerzen plagten den Kronzeugen
heute und führten zu einem denkbar kurzem Verhandlungstag von lediglich
zwei Stunden. Zuvor wollte Rechtsanwalt Euler etwas über die von
Mousli behauptete Genese der Decknamen von Rudolf Sch. ('Jon') und
Sabine E. (Judith') wissen. Mousli konnte sich auch heute nicht
an einen früheren Decknamen erinnern, den Frau E. in den ersten
zwei Jahren ihrer Zusammenarbeit benutzt haben soll. Ähnlich schwach
war seine heutige Erinnerungsleistung bezüglich seines Tatbeitrages
im Falle der Anschlages auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber
(ZSA), zu der er erneut von den Verteidigerinnen von Harald G. befragt
wurde. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes wurde die
Verhandlung heute frühzeitig abgebrochen. Falls es dem Kronzeugen
wieder besser geht, wird die Verhandlung am Donnerstag, den 7.3.
um 9:15 fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
28.02.2002: 57. Prozesstag
Axel H. nach persönlicher Erklärung frei - Kronzeuge
immer fragwürdiger.
Das Verlesen einer persönliche Erklärung des Angeklagten Axel H.
führte heute zu seiner Freilassung nach mehr als 26 Monaten Untersuchungshaft.
In seiner Einlassung sagt er aus, er habe 1986 als "Anton" innerhalb
der Strukturen der RZ die sogenannte "Flüchtlingskampagne" mitdiskutiert
und sich um praktische Hilfe für die beiden Illegalen "Jon" und
"Judith" gekümmert. Nach nur noch losen Kontakten 1987 habe er sich
Anfang 1988 von der RZ getrennt. An Anschlägen sei er nicht beteiligt
gewesen und das Sprengstoffdepot im Mehringhof habe es während seiner
Zeit als Hausmeister in diesem Projekt nicht gegeben.
Bei der drauffolgenden Befragung des Kronzeugen Tarek Mousli ergaben
sich wiederum erhebliche Widersprüche. Seine Beschreibung des Raumes
mit dem angeblichen Sprengstoffdepot im Mehringhof weicht an wesentlichen
Punkten von den Räumen ab, in denen mit seiner Hilfe per Videoverbindung
- und erfolglos - nach Sprengstoff gesucht wurde.
Auf einer tabellarischen Übersicht der ihm bekannten RZ-Mitglieder
und ihrer Verbindungen untereinander hatte der Kronzeuge mit Buchstaben
Vermerke daüber gemacht, ob er das wisse oder nur vermute. Diese
Vermerke hatte er dann zum Teil korrigiert.
ausführlicher
Bericht
21.02.2002: 56. Prozesstag:
Am Ende ist es eben "nicht erinnerlich"
Heute wurde die Befragung des Kronzeugen zur Einlassung Rudolf
Schindlers von der Verteidigung fortgesetzt. Thematisiert wurde
dabei ausschließlich der Sprengstoffanschlag auf die Berliner "Zentrale
Sozialhilfestelle für Asylbewerber" (ZSA) am 6. Februar 1987. Schindler
hatte angegeben, dieser Anschlag sei "Mouslis Projekt" gewesen,
den sie beide alleine durchgeführt haben. In Mouslis Version waren
alle Angeklagten daran beteiligt. Er selbst habe nur Sicherungsmaßnahmen
vorgenommen.
Die berechtigten Zweifel an Mouslis Version kommen nicht von ungefähr.
Hatte er in ersten Vernehmungen alle Angeklagten beschuldigt, schloss
er erst auf entsprechende Vorhaltungen des BKA die Beteiligung von
Harald G. aus. Ihm war bekannt gemacht worden, dass sich Harald
G. zum Zeitpunkt des Anschlags in Polizeigewahrsam befand. Nicht
geklärt werden konnte heute, ob Harald G. an einem Nachbereitungstreffen
eine Woche nach der Aktion teilgenommen hat, wie es Mousli behauptet
hatte. Ob Harald G. dabei war oder nicht, war Mousli heute "nicht
mehr erinnerlich". Offen blieb auch, warum Harald G. überhaupt zu
dieser Aktion herangezogen worden sein soll, obwohl polizeiliche
Ermittlungen gegen ihn stattfanden. So wurde noch im Dezember 1986
eine Hausdurchsuchung in Berlin in diesem Zusammenhang durchgeführt.
Laut Mousli soll das aber die RZ nicht darin gehindert haben, Harald
G. Anfang Januar 1987 in die Vorbereitung des Anschlags mit einzubeziehen.
Ebenso ungeklärt blieb auch, warum die Aktion von allen RZ-Mitgliedern
gesichert worden und warum Matthias B. eine Rolle bei der Auswahl
des Anschlagszieles gespielt haben soll.
ausführlicher
Bericht
Meldungen der Prozesstage 47 - 55
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