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69. Prozesstag: 19. April 2002
Erneuter Antrag auf Befangenheit gegen den Senat
und die Verlobte des Kronzeugen
Zu Beginn des heutigen Prozesstages wurde bekannt, dass die Verteidigerinnen
Würdinger und Studzinsky am 18.4. einen weiteren Antrag auf
Befangenheit gegen den Senat gestellt haben. Der zweite Teil des
heutigen Verhandlungstages bildete die Befragung der Verlobten von
Mousli, die dem Kronzeugen - so vermittelte sie heute durch ihre
Aussagen - nahezu blind in das Zeugenschutz Programm des Bundeskriminalamtes
(BKA) gefolgt zu sein scheint.
"Verfahrensabsprachen" oder "Vorgespräche"
Grundlage des neuerlichen Antrages auf Befangenheit des Senats
war eine dienstliche Erklärung der Vorsitzenden Richterin Hennig
vom 15.4.02, in der sie mitteilt, dass im Vorfeld der Einlassung
von R. Schindler "Verfahrensabsprachen" getroffen wurden. Diese
Darstellung entspricht aber nicht dienstlichen Erklärungen
der anderen Richter, die diese am 18.1.02 gefertigt hatten. Darin
war nicht von "Verfahrensabsprachen" sondern lediglich von "Vorgesprächen"
die Rede. "Für den Angeklagten Glöde stellt sich damit
der Sachverhalt so dar, dass die abgelehnten Richter (....) einen
unzutreffenden Sachverhalt wiedergegeben hatten....." - so die Verteidigerinnen
in der Begründung für das Ablehnungsgesuch. Der Ausgang
dieses und des noch laufenden Gesuchs auf Befangenheit vom letzten
Prozesstag, darf in der kommenden Woche erwartet werden.
Wahre Liebe
Die Aussagen von Janet Olbrich (26), der Verlobten von Tarek Mousli,
bildeten den Schwerpunkt des heutigen Verhandlungstages. Die recht
bieder wirkende Zeugin wurde von mehreren Beamten des Zeugenschutzes
begleitet. Ihre Aussagen waren durch eine große Zurückhaltung
und nicht nachvollziehbare Erinnerungslücken gekennzeichnet.
Tarek Mousli, so Frau Olbrich, habe sie im Oktober 1997 beim Karatetraining
kennengelernt. Seit Februar 1998 hätten sie eine "engere Beziehung".
Sie hätte damals nur gewußt, dass er das "Neue Deutschland"
gelesen habe , "links eingestellt" und Mitglied in der PDS gewesen
sei. Verlobt hätten sie sich im Juli 1999. Nach Mouslis erster
Verhaftung im April 1999 hätte sie dem Haftbefehl entnommen,
dass es um den "Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung" gegangen sei. Kurz danach sei sie zum ersten und einzigen
mal von BKA - Beamten vernommen worden. Nach seiner Entlassung hätten
sie sich nicht über die Einzelheiten der Tatvorwürfe unterhalten.
Sie sei vielmehr davon ausgegangen, dass der Vorwurf der Mitgliedschaft
nicht zutreffend sei.
Kommst du mit in den Zeugenschutz?
Erst nach seiner zweiten Verhaftung hätte Mousli ihr von dem
Sprengstoff in seinem Keller erzählt. Er hätte ihr berichtet,
dass die Lagerung des Sprengstoffes ein Freundschaftsdienst gewesen
sei. Auf nähere Fragen der Vorsitzenden Richterin antwortete
die Zeugin in diesem Zusammenhang: "Ich habe ihn nie genau gefragt,
was er gemacht hat". Erst nach seiner Verhaftung im November 1999
habe er ihr mitgeteilt, dass er Mitglied in den RZ gewesen sei.
Auf die Frage, wann sie denn zum ersten Mal von einem Zeugenschutz-
Programm gehört habe, antwortete Frau Olbrich zunächst,
dass dies im Dezember 1999 gewesen sei. Auf genauere Nachfrage von
Rechtsanwalt Euler fiel der Zeugin dann jedoch ein Telefongespräch
mit Mousli ein, das sie am 24. November mit ihm geführt hatte.
Er habe ihr in diesem Telefonat mitgeteilt, dass er Mitglied gewesen
sei und dass er nun Aussagen machen wolle. "Er wollte von mir wissen,
ob ich mitkommen würde." Dies veranlaßte Richterin Hennig
nachzufragen, was die Zeugin denn erwartet habe? Worauf sich herausstellte,
dass Frau Olbrich damals schon über die Möglichkeit, in
ein Zeugenschutz- Programm gehen zu können, informiert gewesen
war. Mousli habe sie bei diesem Telefonat dazu aufgefordert, niemand
von den Absprachen zu erzählen. Dies betraf auch den damaligen
Anwalt und gemeinsamen Freund des Paares, Assner. Mousli habe das
alleine entschieden und sie hätte nach "seinen Anweisungen"
gehandelt.
"Über Details haben wir nicht gesprochen"
Rechtsanwalt Euler wollte von der Zeugin wissen, ob sie den damaligen
Haftbefehl gelesen habe und wahrgenommen hätte, dass dieser
auf der Aussage der früheren Freundin von Mousli, Karmen T.,
basierte, die ausgesagt hatte, Mousli hätte ihr gegenüber
behauptet, auf Korbmacher geschossen zu haben? Das habe sie gelesen,
so die Zeugin, und sie sei auch einigermaßen irritiert gewesen.
Sie glaube aber, dass er ihr gesagt hätte, dass er nicht geschossen
habe. Über die ganzen Details hätten sie damals nicht
gesprochen, dies sei erst nach seiner Freilassung und im Zuge des
jetzigen Verfahrens geschehen. Es hätte noch im November "ein
größeres Treffen" zwischen ihr, Mousli, Staatsanwalt
Monka und den BKA Beamten Barbian und Schulzke in Köln-Ossendorf
gegeben. Da hätte Mousli ihr noch einmal direkt gesagt, dass
er Mitglied gewesen sei. Bei allen weiteren Detailfragen, die der
Zeugin in der heutigen Verhandlung gestellt wurden, gab die Zeugin
an diese nicht beantworten zu können. Auch auf die Frage, ab
wann sie in das Zeugenschutz Programm gegangen sei, konnte sich
die Zeugin in ihrer Anwort nur vage auf "irgendwann im Dezember"
festlegen. Sie sei den Anweisungen von Mousli gefolgt und hätte
mit niemandem darüber gesprochen. Die Frage, ob sie wenigstens
mit Beamten des Zeugenschutzes im Vorfeld gesprochen hatte, dürfe
sie aufgrund ihrer eingeschränkten Aussagegenehmigung ("dies
betrifft die Belange des Zeugenschutzes") nicht beantworten. Ihre
Eltern hätte sie am Tage der Wohnungsauflösung und ihrer
"Abreise aus Berlin" über ihren Schritt informiert. Insgesamt
erweckte Frau Olbrich den Eindruck, als habe sie von Mouslis Vergangenheit
nur wenig bis nichts gewußt, bzw. sie sei nicht in der Lage,
einzelne ihr bekannte Details in einen Zusammenhang einzuordnen.
Nahezu blind - so gibt sie vor - sei sie ihrem Verlobten in die
vom Zeugenschutz angebotene Zukunft gefolgt.
Anträge, Stasi-Akten und weitere Rädelsführer
Nach dem Abtritt der Verlobten stellte die Verteidigung von Matthias
B. durch Wolfgang Kaleck zwei Anträge.
Erster Antrag widersprach der Herbeiziehung von Akten des Ministeriums
für Staatssicherheit, die dort unter dem Namen "Separat" geführt
wurden. Richterin Hennig hatte am 11.4. bekannt gegeben, dass diese
Akten zur Identifizierung von "Heiner" eingeführt werden sollen.
Neben grundsätzlichen Bedenken zur Verwendung von Akten der
Staatssicherheit führte Wolfgang Kaleck an, dass bisher nicht
bekannt sei, wie die kaum leserlichen Aufzeichnungen, die von Weinrich
stammen sollen, zu Stande gekommen seien. Daher müsse zunächst
Quellenforschung betrieben werden.
In einem weiteren Beweisantrag forderte die Verteidigung von Matthias
B. die Ladung des Zeugen Rudolf H.. Dieser war von den beiden Dieben,
die im April 1995 Sprengstoff in einem Keller der Schönhauser
Allee erbeutet hatten (vgl. Zeugenaussage v. Daniel S. am 7.3.02),
nach dem Diebstahl, besucht worden. Stolz hätten sie ihm dabei
den Sprengstoff gezeigt. Daher könne H. .- so die Begründung
für den Beweisantrag - Aussagen über die Verpackung des
Sprengstoffs machen.
Zum Abschluss gab Wolfgang Kaleck eine Stellungnahme zum "rechtlichen
Hinweis" der BAW ab, die diese am 28.3.02 erteilt hatte. Darin hatte
sie zum Ausdruck gebracht, dass in der Hauptverhandlung Erkenntnisse
zu Tage getreten seien, die eine Ausweitung der Anklage gegen Sabine
E. und Matthias B. auf "Rädelsführerschaft" nahe legen
würden. Kaleck bemängelte in seiner heutigen Stellungnahme,
dass die Anklagevertreter in ihrem Hinweis keinerlei Angaben dazu
gemacht hätten, auf welchen neuen Umständen oder Erkenntnissen
sich diese Einschätzung der BAW stütze. Vielleicht sei
die BAW der Ansicht, dass auch die zweite RZ Gruppe, von der Mousli
berichtet, einen Rädelsführer brauche, hätte doch
die erste Gruppe, in der Mousli Mitglied gewesen sein will, mit
Mousli, Sabine E. und Rudolf Sch. gleich deren drei.
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