nachfolgende Prozesstage
15.02.2002: 55. Prozesstag
Jetzt steht es Aussage gegen Aussage
Mousli weist in den wesentlichen Punkten die Darstellungen Schindlers
zurück
Nach einer mehr als zweiwöchigen Pause wurde der Kronzeuge Mousli
heute von der Vorsitzenden Richterin mit den Einlassungen
Rudolf Schindlers konfrontiert. Der Angeklagte Schindler hatte in
seiner schriftlichen Erklärung vom 18.1.2002 seine eigene RZ-Mitgliedschaft
bestätigt und ein Teilgeständnis abgelegt, darüber hinaus Mousli
jedoch weitreichende Falschaussagen vorgeworfen. Mousli, so Schindler,
habe mit einer Mischung aus Lügen und Halbwahrheiten versucht, seine
eigenen Tatbeteiligungen herunterzuspielen und andere Personen zu
belasten.
Im Zentrum der heutigen Befragung standen die widersprüchlichen
Aussagen von Schindler und Mousli zur Grundstruktur der Berliner
RZ und zu den Tatkomplexen Hollenberg, Korbmacher und ZSA. Mousli,
der sichtlich gut vorbereitet in den Verhandlungstag ging, blieb
im großen und ganzen bei seinen bisherigen Aussagen und Beschuldigungen.
Die Befragung Mouslis durch die Verteidigung wird in der nächsten
Woche fortgesetzt.
Aufgrund eines schweren Unfalls innerhalb des Familienkreises ist
ein weiterer Angeklagter, Matthias Borgmann, inzwischen aus der
U-Haft entlassen worden. Es wurde eine Kaution in Höhe von 100.000
DM hinterlegt.
ausführlicher
Bericht
25.01.2002: 54. Prozesstag
Prozess bis zum 15. Februar ausgesetzt/ Angeklagte
weiterhin in U-Haft
Eigentlich waren für den heutigen Prozesstag keine Überraschungen
zu erwarten. Alles sprach dafür, dass es wieder so ein Alibitermin
wird, um den Vorgaben der Strafprozessordnung gerecht zu werden,
dass eine Hauptverhandlung für nicht länger als zehn Tage unterbrochen
werden darf.
Um 9.20 Uhr begann die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig damit,
die Erklärung zum Anschlag auf die Berliner Siegessäule am 15.1.1991
"ELSE KÄMPFT " HERR-MANN DENK-MAL!" vorzulesen. Einige Minuten
später war erwartungsgemäß das Programm dieses Prozesstages durchgespielt,
doch dann kam es knüppeldick. Frau Henning teilte mit, dass ein
Senatmitglied erkrankt ist. Der Senat müsse deshalb die Hauptverhandlung
bis zum 15. Februar unterbrechen. Zwar habe der Senat auch darüber
beraten, ob in dieser Situation ein Ergänzungsrichter zum Zuge kommen
solle, aber dies angesichts der Umstände verworfen. Denn das erkrankte
Senatsmitglied ist der Berichterstattende Richter Hanschke.
Vor allem Harald Glöde und Matthias Borgmann warfen, unterstützt
von ihren Verteidigern, die Frage auf, ob angesichts dieser erneuten
Prozessunterberechung sich nicht die Haftfrage erneut stellen würde.
Immerhin handelt es sich zusammen mit dem gestrigen ausgefallen
Prozesstag und der heutigen Veranstaltung um insgesamt vier Wochen,
in denen wieder einmal nicht passiert. Außerdem werde durch die
Unterbrechung eine zeitnahe Konfrontation des Kronzeugen mit der
Einlassung von Rudolf Schindler unmöglich gemacht. "Es ist wenig
schön. Wir finden das auch nicht dufte", gestand die Vorsitzende
Richterin ein. Hielt aber dennoch an ihrer Entscheidung fest.
Ob der Senat sich ernsthaft Gedanken machen wird, angesichts der
Erkrankung des Berichterstattenden Richters nicht doch die U-Haft
für Matthais Borgmann, Harald Glöde und Axel Haug aufzuheben, ist
fraglich. Sicher dagegen ist, dass der Kronzeuge die Prozesspause
sicher gut zu nutzen weiß, um mit seinen Freunden vom BKA sein Aussageverhalten
zur Einlassung von Rudolf Schindler abzuklären und einzuüben.
18.01.2002: 53. Prozesstag
Stellungnahme Rudolf Schindlers demontiert Kronzeugen
Der heutige 53. Verhandlungstag begann mit einstündiger Verspätung
und einer Einlassung
des Angeklagten Rudolf Schindler zu den gegen ihn und seine Ehefrau,
Sabine Eckle, erhobenen Vorwürfen durch den Kronzeugen Tarek Mousli.
Wie im bisherigen Prozessverlauf, so machte auch diese, unter den
Angeklagten und RechtsanwältInnen nicht unumstrittene Einlassung
deutlich, dass der Kronzeuge Mousli allenfalls als Meister der Lüge,
nicht jedoch als Beitrag zur Wahrheitsfindung in diesem Verfahren
betrachtet werden kann.
Schindler, der seine Erklärung von seinem Rechtsanwalt, Hans Wolfgang
Euler, verlesen ließ, konnte sowohl Behauptungen Mouslis zur angeblichen
Struktur der "Revolutionären Zellen" in Berlin entkräften, als auch
zu den Tatkomplexen der Beinschüsse auf Harald Hollenberg und Günter
Korbmacher sowie zum Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle
für Asylbewerber (ZSA) wesentliche Richtigstellungen der Behauptungen
von Mousli darstellen und belegen. Deutlich wurde vor allem, dass
Mousli keinesfalls wegen seiner angeblich unscheinbaren Mitläuferläuferrolle,
sondern vielmehr wegen seiner "stupiden Härte", so Schindler, aufgefallen
ist.
Warum sich die Bundesanwaltschaft (BAW) dieser Auffassung anschliessen
konnte, Schindler sage hier die Wahrheit, gleichwohl aber, wie Bundesanwalt
Bruns, behauptete, daran festhielt, ihr Kronzeuge Tarek Mousli sei
glaubwürdig, wird in den weiteren Prozesstagen zu klären sein.
Jedenfalls wurde bereits seit November 2001 durch die Verteidigung
Schindlers mit der BAW und dem Kammergericht darüber beraten, wie
eine etwaige Einlassung zu würdigen sei. Am heutigen Prozesstage
wurde folgende Vereinbarung bekannt gemacht:
Rudolf Schindler wird keine Strafe über das Maß von drei Jahren
und neun Monaten hinaus enthalten, und erhält ab sofort Haftverschonung,
eine etwaige Reststrafe wird zur Bewährung ausgesetzt, so dass Schindler
nicht wieder ins Gefängnis muss.
Die Verteidigung Sabine Eckles schloss sich namens ihrer Mandantin
der Einlassung Schindlers an. Beide werden aus der U-Haft entlassen.
Die Beweisaufnahme im Verfahren ist damit jedoch nicht abgeschlossen.
So wird u.a. am kommenden Prozesstag der Kronzeuge Mousli zu den
Richtigstellungen von Rudolf Schindler befragt werden.
Da gerichts- (und uns) bekannt ist, dass Mousli regelmäßiger Gast
dieser Homepage ist, wir aber dem Kronzeugen keine Gelegenheit geben
wollen, sich detailliert auf die Richtigstellungen Schindlers vorbereiten
zu können - das also, wenn, bitte schön, die BAW schon selbst besorgen
soll und wohl auch wird - werden wir die vollständige Dokumentation
der Einlassung erst an dieser Stelle veröffentlichen, nachdem der
Kronzeuge mit ihr konfrontiert worden ist.
Die Entscheidung über einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht,
den die Verteidigung von Harald Glöde stellte, weil das Kammergericht
es unterlassen hat, die Verteidigung über die seit Ende November
laufenden Gespräche zu informieren, was aber zu dessen Verpflichtungen
gehöre, wird erst in der kommenden Woche getroffen.
ausführlicher
Bericht
17.01.2002: 52. Prozesstag
Interpretationsspielraum durch unsystematische Systematik
Die Befragung des Kronzeugen Tarek Mousli wurde heute von den VerteidigerInnen
fortgesetzt. Inhaltlich ging es im wesentlichen um drei Komplexe:
Was geschah in dem Zeitraum, in dem sich Mousli nach seiner Verhaftung
entschied, auszusagen? Warum gibt es inhaltliche Widersprüche zwischen
späteren Aussagen Mouslis und Skizzen über die Struktur der RZ,
die er im Zusammenhang mit seinen ersten Vernehmungen gezeichnet
hat? Was geschah Ende 1985, als zur gleichen Zeit, aber von unterschiedlichen
Personen sowohl er als auch angeblich sein damaliger Freund Lothar
E. zur Mitarbeit in einer Revolutionären Zelle eingeladen wurden.
Dass der Kronzeuge nicht nur über schlagartig einsetzende Erinnerungslosigkeit
verfügt, wenn es um Widersprüche in seinen Aussagen geht, spielte
er heute mit einer neuen Variante vor. Er hatte 1999 für seine ersten
Vernehmungen eine Skizze mit seine Kenntnissen zu Organisations-
und Kommunikationsstruktur und Tarnnamen innerhalb der untereinander
abgeschotteten RZ-Struktur gezeichnet und diese dann überarbeitet.
Ziel sei dabei gewesen, alle Kontakte in Form von Linien darzustellen.
Auf Befragen stellt sich aber heraus, dass später von ihm behauptete
Kontaktlinien fehlen ("hab ich wohl vergessen") oder Personen Skizzenbereichen
zugeordnet sind, in denen sie nach der Systematik seiner Skizze
eigentlich nicht sein können ("das steht zufällig da").
Die nachträglich behauptete Unsystematik seiner Systematik eröffnet
ihm so den Rückzug in einen Interpretationsspielraum, der notfalls
noch mit Erinnerungsnebel angefüllt werden kann.
Freitag, den 18.12. ab 9.15 Uhr geht's weiter!
ausführlicher Bericht
11.01.2002: 51. Prozesstag
Ein weiterer Versuch, Mouslis Widersprüche auch dem
Gericht deutlich zu machen
Am heutigen Prozesstag, der schon vorzeitig um 12 Uhr
endete, versuchten die Anwälte von Axel H. den Kronzeugen mit seinen
widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich des Anschlags auf die ZSA
1987 zu konfrontieren. Mousli sollte sich zu dem offensichtlichen
Rätsel äußern, wie es denn sein könne, dass der Anschlag auf die
ZSA von den Mitgliedern zweier RZ-Gruppen gemeinsam geplant und
abgesichert wurde, wenn doch erst 1989 auf dem ominösen "Waldspaziergang"
das erste Zusammentreffen und Kennenlernen eben dieser beiden Gruppen
stattgefunden haben soll. Erwartungsgemäß fiel ihm das nicht leicht.
Heute ging es sogar soweit, dass sich die Bundesanwaltschaft gezwungen
sah, dem Kronzeugen öffentlich zu Hilfe zu eilen.
ausführlicher Bericht
10.01.2002: 50.Prozesstag
Ein RZ-Familienausflug zu Loretta am Wannsee
Der Kronzeuge Tarek Mousli wurde heute von der Verteidigung zur
Identifizierung von RZ-Mitglied "Heiner" und dem legendären "Waldspaziergang"
befragt. Dieser Waldspaziergang ist als eine Art Schlüsselerlebnis
für T.M. anzusehen, ohne den er andere Personen nicht der RZ zuordnen
könnte. Bei dem Ausflug im Sommer 89 (Treffpunkt war das Ausflugslokal
Loretta am Wannssee) handelt es sich angeblich um ein konspiratives
Treffen, auf dem T.M. Mitglieder anderer Zellen kennenlernte. Verschiedene
Widersprüche in den Aussagen von T.M. wurden offensichtlich - die
Vorsitzende Richterin rief aber zweimal rechtzeitig zur Pause, damit
der Kronzeuge gut durchatmen kann.
Da Sabine E. unter Migräne leidet, wurde der Prozess gegen Mittag
bis morgen früh 9.15 Uhr unterbrochen.
ausführlicher Bericht
04.01.2002: 49. Prozesstag
"Dafür habe ich keine Erklärung"
Wie kommt es eigentlich, dass Aktionen der RZ immer anders verlaufen
sind, als es der Kronzeuge in den Vorbereitungstreffen mitbekommen
haben will? Tarek Mousli hat dafür, so wörtlich "keine Erklärung".
So waren Abweichungen der Tarek Mousli Version von tatsächlichen
Tathergängen heute das Thema.
In Sachen Attentat auf Hollenberg stand das Fluchtauto nicht an
dem von Mousli angegebenen Ort. Es war auch nicht von Mousli geklaut,
wie er behauptet, sondern gekauft. Die angebliche Unkraut- Ex- Bombe
für die ZSA - von Sprengstoffexperten nach Mousli's Angaben nachgebaut
- hätte höchstens ein lustiges Feuerchen ergeben. Völlig mysteriös
bleibt der Ursprung der "Schläfer"- Geschichte und Begrifflichkeit.
Mousli hat im Laufe der Vernehmungen verschiedenste Versionen präsentiert
- heute mochte er sich letztendlich nicht genau erinnern.
ausführlicher Bericht
03.01.2002: 48. Prozesstag
"Daran kann ich mich heute nicht erinnern!"
Das heutige Programm: Nachfragen beim Kronzeugen in Sachen Vorkommnisse
und Begegnungen rund um die Anschläge auf Hollenberg und ZSA, das
angebliche Sprengstoff- Depot im Mehringhof und den Sprengstoff-
Fund im Seegraben.
"Daran kann ich mich heute nicht erinnern" lautete die stereotype
Antwort des Kronzeugen auf einen Großteil der Fragen nach Details,
die nicht in den Vernehmungsprotokollen stehen. So blass die Erinnerung
ist - klare Aussagen gab es trotzdem: Tarek Mousli hatte nie eine
Waffe in der Hand, hat nie das Depot in Nutzung gesehen, und kann
auch eindeutig Teilnehmer an Aktionen benennen. Sehr differenziert
auch die Angaben zum Auffinden des Sprengstoffs am Seegraben. Mousli's
Aussagen waren, trotz größter Mühe sich nicht auf Glatteis zu begeben,
zu eindeutig: Die Widersprüche um den Sprengstoff im Seegraben werden
immer offensichtlicher.
Kurz vor der Vertagung auf morgen 9.15 Uhr war klar: irgendjemand
lügt - warum?
ausführlicher Bericht
02.01.2002: 47. Prozesstag
Zwölf Leseminuten vor Gericht/ Mousli ab morgen wieder
vor Gericht
Nach mehr als drei Monaten wird morgen der Kronzuge im Verfahren,
Tarek Mousli, wieder vor Gericht erscheinen. Das gab die Vorsitzende
Richterin Gisela Hennig am heutigen Verhandlungstag bekannt.
Der heutige Prozesstag begann um 8.37 Uhr und endete um 8.49 Uhr.
Dabei wurden von Richter Hanschke ein Gutachten des Kriminaltechnischen
Instituts des Bundeskriminalamtes (BKA), die Strebeurkunde und das
Protokoll der Zeugenvernehmung von Otto G. verlesen.
In dem Gutachten vom 3.2.2000 nahm das Kriminaltechnische Instituts
des BKA Stellung zu der Pistole und den 16 Patronen, die in Axel
H.s Wohnung gefunden worden waren. Bei der Waffe handelt es sich
um eine Pistole der Marke Röhm vom Typ RG3s, Kaliber 6 mm Flobert
Knall. Die funktionsfähige Waffe "ist alt und weist ... Gebrauchsspuren
auf", so das BKA in seinem Gutachten. Die 16 gefundenen Patronen
passen nicht zu dieser Waffe. Herstellerangaben auf den Pistolenpatronen
der Marke "9 mm Luger" stammen aus der Zeit des 2. Weltkriegs.
Nach der Verlesung der Sterbeurkunde von Otto G. vom 25.9.1995
wurde das Protokoll der Zeugenvernehmung des Rentners vom 15.4.1988
verlesen. Der Zehlendorfer Otto G. hatte die Polizei auf den VW
Passat - das mutmaßliche Fluchtauto beim Anschlag auf Dr. Korbmacher
- aufmerksam gemacht. Der Wagen Stand nach Angaben des Zeugen monatelang
in der Ihnestraße in Berlin-Dahlem. Seiner Erinnerung nach sei der
Passat im Herbst 1987 dort abgestellt worden und bis zu seiner Entdeckung
durch die Polizei nicht bewegt worden. Aufgefallen sei ihm das Auto
auch deshalb, weil von Anfang an Türfenster und das Verdeck einen
Spalt weit geöffnet gewesen seien. "Bewusst" habe er keine Gegenstände
im Auto wahrgenommen.
Der ausführliche Bericht entfällt heute.
Meldungen der Prozesstage 34 - 46
|