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Datum:
18. Januar 2002
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VerfasserIn:
Rudolf Schindler
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Zu meinem Lebenslauf
Am 22. November 1942 wurde ich im Haus meiner Eltern geboren,
welches sich in Deutsch-Hammer, Schlesien, befand. Mein Vater
ist der Maurerpolier Fritz Schindler. Meine Mutter Magarethe
Schindler, geborene Hempe, war als Hausfrau tätig. Sie
starb vor fünf Jahren an einer Krebserkrankung.
Im Jahr 1946 siedelten wir, meine Eltern, meine drei Jahre
ältere Schwester Ingrid und ich nach Druffel im Kreis Wiedenbrück
(heute Kreis Gütersloh) um, nachdem mein Vater aus sowjetischer
Kreigsgefangenschaft entlassen worden war.
1949 wurde meine Schwester Monika geboren. Im gleichen Jahr
wurde ich in die katholische Volksschule Druffel eingeschult,
ein Jahr später, durch Umzug nach Spexard, zur dortigen
katholischen Volksschule, in der ich 2 Jahre blieb. Da ich evangelisch
war, ging ich ab 1952 zur evangelischen Schule Sundern in Gütersloh,
aus der ich im Jahr 1957 aus der Abschlußklasse entlassen
wurde. Anschließend besuchte ich die einjährige DAG-Handelsschule
in Gütersloh. Ich war jetzt 15 Jahre alt.
Im April 1958 fing ich eine dreieinhalbjährige Lehre als
Werkzeugmacher bei der Firma Fissenewert in Gütersloh an.
Nach deren Abschluß blieb ich ein Jahr in dieser Firma
als zweiter Ausbilder. Bis zu meinem Umzug nach Frankfurt am
Main Mitte 1967 war ich nach beschäftigt als Werkzeugmacher
bei den Firmen Elbracht, Schnülle und Mertens. Von Oktober
1966 - März 1967 absolvierte ich einen Grund- und Aufbaukurs
an der Heimvolksschule in Hostedt, Niedersachsen.
Frankfurt am Main: bis zu meiner Wahl im Herbst 1967 zum Geschäftsführer
beim "Ostermarsch, Kampagne für Demokratie und Abrüstung"
für Hessen/Rheinland, was eine hauptberufliche Tätigkeit
war, habe ich Schreibarbeiten für den "Sozialistischen
Bund" erledigt. Nach meinem Ausscheiden beider "Ostermarsch
Kampagne" im Frühsommer 1969 suchte ich mir wieder
eine Beschäftigung als Werkzeugmacher. Im selben Beruf
arbeitete ich bei VDM Frankfurt am Main bis zu meinem Umzug
nach Hanau im Dezember 1969. Während meiner Zeit in Hanau
war ich beschäftigt bei den Firmen Pellisier und Original
Hanau. Im Herbst 1971 zog ich zurück nach Frankfurt am
Main. Von dieser Zeit bis Anfang 1973 war ich beschäftigt
bei der Zeitarbeitsfirma "Manpower". Danach habe ich
bis Juni 1975 verschiedene Teilzeitbeschäftigungen und
Gelegenheitsarbeiten gehabt. Von Juni 1975 bis Ende des Jahres
war ich als Lagerarbeiter bei der Firma Sharp beschäftigt.
Von April - Juli 1976 arbeitete ich als Stereotypeur bei der
Firma Schwarz in Frankfurt. Danach arbeitete ich bis zu meinem
"Abtauchen" Ende August 1978 als Aushilfsdrucker und
Maschinenschlosser bei der Firma Punktdruck in Frankfurt.
Zeitlich zurückgreifend möchte ich hier einfügen,
dass ich von 1960 - 1970 in folgenden Organisationen aktiv tätig
war: Industriegewerkschaft Metall, Deutscher Gewerkschaftsbund,
Sozialistische Jugend Deutschlands "Die Falken" und
in der SPD (von 1962 - 1967). Neben verschiedener Wahlfunktionen
innerhalb der Organisationen, vorwiegend im Jugendbereich, war
ich auch Jugendvertreter und Betriebsratsvorsitzender. Anfang
der 60ziger Jahre nahm ich an Delegationsreisen nach Frankreich,
Polen und Israel teil. Diese Reisen, neben vielen Seminaren
und Schulungen, waren prägend für mich, insofern ich
einen realen Eindruck bekam über die Geschehnisse während
der Zeit des deutschen National-Sozialistischen Staates.
Im August des Jahre 1978 bemerkten Sabine Eckle, mit der ich
damals bereits befreundet war, und ich, dass wir polizeilich
observiert wurden und begaben uns zu Freunden ins Ausland.
Aufgrund bestimmter Ereignisse, auf die ich später eingehen
werde, bin ich dann in den Jahren 1986 bis 1987 in Berlin wieder
"politisch aktiv" geworden.
Ende Januar 1991 meldet ich mich bei der Einwohnermeldebehörde
in Gütersloh offiziell wieder an, d.h. man kann sagen:
ich tauchte wieder auf. Die grundsätzliche Entscheidung
dazu hatte ich aber bereits Ende des Jahres 1987 gefaßt.
Auch darauf werde ich später näher eingehen.
Nach meiner Anmeldung in Gütersloh war ich zwei Wochen
später wieder als Werkzeugmacher bei der Firma Horst Peter
beschäftigt. Im September 1991 zog ich nach Frankfurt am
Main um. Nach zwei Monaten Arbeitslosigkeit arbeitete ich zunächst
bei der Zeitfirma "Persona Service". Im Mai 1992 begann
dann mein Arbeitsverhältnis als Werkstattleiter und Werkzeugmacher
bei der Firma "Konstruktion und Mechanik" in Heusenstamm.
Als Konstrukteur, Hersteller und Vertreiber von Wasserobjekten
machte ich mich 1996 selbständig. Dazu mietete ich einen
Teil einer Werkstatt in Heusenstamm an und eröffnete eine
kleine Ladengalerie in Frankfurt am Main mit Namen "Art
et Metier".
Am 13. Oktober 1999 wurde ich wegen des Verdachts der Teilnahme
an dem Überfall auf die OPEC-Konferenz im Dezember 1975
verhaftet. Bereits am 16.11.1999 wurde wegen dieser Vorwürfe
Anklage gegen mich vor der 22. Strafkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main erhoben.
Im Dezember 1999 wurde dann u.a. Sabine Eckle wegen derjenige
Vorwürfe verhaftet, die Gegenstand des Verfahrens vor dem
Kammergericht Berlin sind. Auch mir wurde ein entsprechender
Haftbefehl eröffnet.
Im April 2000 haben Sabine Eckle und ich nach mehr als zwanzigjähriger
Freundschaft geheiratet. Dieser Plan existierte bereits lange
vor unserer beider Verhaftung.
Die am 17. Oktober 2000 vor dem Landgericht Frankfurt am Main
begonnene Hauptverhandlung endete am 15. Februar 2001 damit,
dass ich freigesprochen wurde. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
Nachdem bereits am 30. Oktober 2000 gegen Sabine Eckle, Harald
Glöde, Axel Haug und Mathias Borgmann Anklage zum 1. Strafsenats
des Kammergerichts Berlin erhoben worden war, wurde ich im Januar
2001 ebenfalls angeklagt, allerdings zum 2. Strafsenat des Kammergerichts
Berlin. Auf die sich daran anschließenden juristischen
Komplikationen will ich hier nicht eingehen. Jedenfalls hob
der 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin am 28. Februar 2001
den Haftbefehl gegen mich auf, so dass ich in Freiheit kam.
Ich habe daraufhin sofort wieder zu arbeiten begonnen, wurde
jedoch am 30. März 2001 an meinem Arbeitsplatz erneut verhaftet,
da der Bundesgerichtshof den aufgehobenen Haftbefehl wieder
in Kraft gesetzt hatte. Seitdem befinde ich mich in Untersuchungshaft.
Ich bin in keiner Weise vorbestraft.
Zur Sache
Ich habe mich zu einer Aussage entschlossen, weil ich zu der Überzeugung
gekommen bin, dass ich nur so aufzeigen kann, wo und in welchem
Umfang die Aussagen von Tarek Mousli falsch sind. Ich werde mich
ausschließlich zu meiner Person und, mit ihrem Einverständnis,
zu meiner Frau Sabine Eckle äußern.
Diese Beschränkung bedeutet in keinem Fall eine direkte oder
indirekte Bestätigung der Behauptungen von Tarek Mouslis über
andere Personen. Diese Beschränkung bedeutet allein, dass ich
nur eine Erklärung in eigener Sache verantworten kann.
Nach einem langjährigen Aufenthalt im westeuropäischen
Ausland, den ich bereits erwähnt habe, habe ich im Jahre 1986
zweimal, Sabine Eckle einmal, Berlin besucht, um dort eine Wohnung
zu finden und Kontakte zu knüpfen. Für die Wahl Berlins
waren für uns die Größe und Anonymität der
Stadt und die Hoffnung auf bessere ärztliche Versorgung ausschlaggebend,
aber auch die Flüchtlingskampagne der RZ, von der wir gehört
hatten. Warum wir uns für diese Kampagne interessierten, werde
ich später an geeigneter Stelle ausführen.
Diese Berlin-Besuche waren meine ersten in den achtziger Jahren.
Tarek Mousli lügt, wenn er behauptet, ich sei 1981 unter dem
Decknamen "Horst" ein halbes Jahr in Berlin gewesen. Ich
habe ihm so etwas niemals erzählt, auch nicht etwa "aus
Verschleierungsgründen". Ich habe mich in Berlin niemals
"Horst" genannt. Vielmehr hatte ich von Beginn meines
Berlin-Aufenthaltes bis zum Ende meiner RZ-Tätigkeit den Decknamen
"Jon", so wie ich Sabine Eckle, die Anfang 1987 nachkam,
in dieser Zeit ausschließlich "Judith" nannte. Es
gab auch nicht die von Tarek Mousli behauptete kollektive Umbenennung
Ende 1987, denn die "Aktion Zobel" des BKA betraf uns
und Berlin, dass bis 1999 für die Ermittlungsbehörden
ein "schwarzes Loch" war, bekanntlich in keiner Weise.
Er kann bezeichnenderweise auch keine anderen Namensänderungen
angeben.
Ich war kein Gründungsmitglied der RZ und habe dies Tarek
Mousli gegenüber niemals behauptet. Ich weiß bis heute
nicht, wer die RZ gründete, denn die RZ war keine Schwatzbude,
sondern wie Bundesanwalt Griesbaum hier in der Hauptverhandlung
richtig feststellte, "eine hochklandestine Vereinigung mit
einem ausgefeilten Sicherheitskonzept", in der über biografische
Daten, Tatbeteiligung und Tatausführung striktes Stillschweigen
gewahrt wurde. Deshalb wußten RZ-Mitglieder selbst nach längerer
Zugehörigkeit nichts voneinander, was über ihre unmittelbare
Zusammenarbeit hinausging. Tarek Mousli selbst gibt am 15.03.2000
zu Protokoll: "Eigentlich gibt es bei den RZ ein striktes Abschottungsprinzip,
das heißt, es wurde sehr darauf geachtet, dass man möglichst
wenig über die Personen, die sich hinter den Decknamen verbargen,
erfuhr." Und am 07.12.1999 erklärt er: "Jon und Judith
haben stets penibel auf die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen
geachtet". Wir waren vor allem absolut verschwiegen.
Tarek Mouslis angebliches Wissen vom Hören-Sagen ist daher
nicht nur in dem gerade skizzierten Umfang, sondern als Ganzes erfunden
und erlogen. Jedenfalls stammt es nicht von mir.
Auch bei dem von ihm selbst Erlebten sagt er in wesentlichen Punkten
nicht die Wahrheit. Ich kann und werde hier nicht auf jede Falschaussage
Tarek Mouslis eingehen, sondern nur auf die, die meines Erachtens
prozessrelevant sind und die, die mich am meisten empören.
Im folgenden werde ich mich zu von mir in Berlin vorgefundenen
Strukturen der RZ äußern:
Die Position von Illegalen war äußerst prekär in
den RZ, deren Konzeption sich auf folgende vier Essentials gründete:
Die soziale und politische Verankerung, die kategorische Ablehnung
des politischen Mordes, die Legalität der Mitglieder, egalitäre
Strukturen in autonomen Gruppen.
Für Illegale gab es keinerlei Strukturen. Illegale bedeuteten
eine große Belastung und ein ungleich höheres Sicherheitsrisiko
für die Legalen. Wir mußten also froh sein, dass Berliner
Freunde überhaupt bereit waren, uns unterzubringen. Von einer
dominanten Stellung unsererseits kann schon von daher keine Rede
sein. Aus Sicherheitsgründen war für uns nicht einmal
eine normale Mitarbeit in einer Gruppe möglich, sondern nur
eine punktuelle Zusammenarbeit für einen begrenzten Zeitraum,
wenn wir an einem Projekt mitarbeiteten.
Die Angaben Tarek Mouslis zur Zusammensetzung der Gruppen und dem
Modus ihrer Zusammenarbeit sind komplett falsch. Während die
Absicht hinter den meisten seiner Lügen entschlüsselbar
bleibt, ist mir ein Rätsel, warum er Leute als Mitglieder angibt,
die keine waren, und andere dafür rausläßt.
Wir führten keine Eingangsgespräche mit Tarek Mousli,
weder auf Vermittlung und unter Beteiligung von Gerd Albartus noch
ohne ihn. Tarek Mousli war eindeutig vor uns Mitglied der Berliner
RZ und er war eindeutig nach uns Mitglied der Berliner RZ. Wir wissen
nicht einmal, ob er tatsächlich 1990 ausgestiegen ist, wie
er angibt. Vielleicht hat er sich später einer anderen Organisation
angeschlossen, denn Begriffe wie "Schläfer", "Springer",
"Nachbereitungstreffen", die er in seinen Aussagen verwendet,
waren definitiv keine RZ-Begriffe und Phänomene.
Wir waren zu keinem Zeitpunkt mit Tarek Mousli in einer Gruppe.
Wenn man unbedingt in Gruppen einteilen will, dann gab es die Gruppe
der Legalen und die von uns zwei Illegalen, die auf die Unterstützung
und Vermittlung von anderen angewiesen waren. Wir haben keine Gruppe
außer uns selbst repräsentiert oder sind deren Delegierte
gewesen.
Ich habe auch nicht überregionale Kontakte unterhalten, und
Sabine Eckle nicht die zur "Roten Zora", weil es einfach,
unverfänglich und sicherer war, wenn legale Leute sich trafen.
Genauso wenig hatten wir seit 1978 irgendwelche Verbindungen zum
Frankfurter Raum.
Ich hatte nicht die Position noch das Naturell, "jedem Mitglied
seinen Platz und sein Aufgabengebiet im Rahmen der Tatausführung"
zuzuweisen (S. 5 der Anklageschrift), geschweige denn habe ich jemals
im Zusammenhang mit den hier anzusprechenden Tatvorwürfen anderen
RZ-Mitgliedern bestimmte Aufgaben "zugewiesen" (S. 8 der
Anklageschrift). Das hätte sich auch niemand in den RZ gefallen
lassen.
Im Unterschied zu anderen Organisationen kam es in den RZ nicht
nur auf die Außenwirkung an, sondern gleichermaßen auch
den inneren Aufbau egalitärer Strukturen. So hieß es
beispielsweise in Revolutionärer Zorn Nr. 5, Praxisnummer:
"Der bewaffnete Kampf kann niemals ein Auftragsverhältnis
sein. Jeder muß dass, was er tut, selber gewollt, entwickelt,
vorangetrieben haben, sonst kann er unmöglich die Konsequenzen
seines Handelns, insbesondere Niederlagen verkraften. Wir wissen,
dass das Konzept viele selbständige Zellen zu schaffen, eine
langwierige und anstrengende Angelegenheit ist. Doch es ist richtig,
weil es auf der Eigeninitiative und der Eigenverantwortlichkeit
der Militanten aufbaut, Funktionalisierung verhindert und Arbeitsteilung
entgegenwirkt."
Tarek Mousli war kein Rädelsführer, genauso wenig wie
ich ein Rädelsführer war. Um den falschen Vorwurf loszuwerden,
reichte er ihn mit seinen Aussagen wider besseren Wissens an mich
weiter und versucht noch heut, mich mit allem und jedem in Verbindung
zu bringen. Die Wahl wird wohl deshalb auf mich gefallen sein, weil
er davon ausgehen konnte, dass ich als Illegaler ihn naturgemäß
kaum mit Alibis widerlegen kann, und weil ich bis zum Zeitpunkt
meiner Aussagen wegen der falschen Beschuldigungen von Hans-Joachim
Klein in Untersuchungshaft in dem Frankfurter OPEC-Verfahren war.
Ich bin es allerdings langsam leid, als Passepartout für sogenannte
Kronzeugen herhalten zu müssen.
Einige Richtigstellungen
-
Ich habe Gerd Albartus seit 1976 nicht mehr gesehen. Er stand
zu meiner Zeit in keiner Beziehung zur Berliner RZ, auch nicht
als "Springer", wie Tarek Mousli behauptet. Wie auch
den Ermittlungsbehörden bekannt ist, schloß sich
Gerd Albartus 1982 nach seiner Inhaftierung der "Organisation
Internationaler Revolutionäre" an, mit der wir seit
Mitte der 70iger Jahre unwiderruflich jeden Kontakt abgebrochen
hatten. Ob Tarek Mousli mit ihm privat befreundet war, kann
ich nicht sagen. Er hat jedenfalls nie darüber gesprochen.
Aus gutem Grund, den Gerd Albartus stand in dem Ruf, ständig
observiert zu werden und extrem unvorsichtig zu sein.
-
Es hat keine Debatten zwischen Gerd Albartus, Tarek Mousli
und uns zum Anschlag auf Herrn Karry gegeben. Auch nicht in
anderen Konstellationen. Aus einem einfachen Grund: da wir zur
Zeit des Anschlags auf Herrn Karry im Ausland lebten, hatten
wir weniger Informationen als jeder andere über dieses
Attentat, dessen Begleitumstände uns auch nicht weiter
interessierten. Denn diese Aktion war indiskutabel. Man schießt
nicht auf Schlafende.
-
Thomas Kram war meines Wissen nicht Ende der achtziger Jahre
nach seiner Ausschreibung zur Fahndung in Berlin. Warum sollte
er, nachdem er sich erfolgreich ins Ausland abgesetzt hatte,
auch ausgerechnet in seine Heimatstadt Berlin zurückkehren,
wo ihn viel zu viele Menschen kannten. Zu Sinn und Zweck eines
solchen Besuchs fällt selbst Tarek Mousli nichts ein. Ich
habe mich jedenfalls mit Thomas Kram nicht in Berlin getroffen,
wie Tarek Mousli behauptet.
-
Im Frühjahr 1986, zur Zeit der sogenannten "Postsparbuch-Aktion",
waren Sabine Eckle und ich nicht in Berlin. Ich könnte
nicht einmal sagen, ob dies ein reines Unternehmen der RZ war.
Auf jeden Fall hätten sich daran keine Illegalen beteiligt,
deren Fingerabdrücke und Schriftproben mit einiger Sicherheit
gespeichert waren.
-
Schließlich wird niemand ernstlich glauben können,
dass die Berliner RZ sich zu klandestiner Arbeit in Kneipen
und Cafés verabredet, ausgerechnet noch in den heillos
überfüllten und lärmenden an der TU oder in der
TU. Ich kann nur vermuten, dass Tarek Mousli dies fälschlicherweise
angibt, weil er des öfteren selbst Wohnungen für Treffen
organisiert hat.
Der Anschlag auf Herrn Hollenberg
Bei meinem zweiten Berlin-Besuch wurde der Ausnahmezustand diskutiert,
der seit dem "La Belle-Anschlag" in der Stadt herrschte,
und die unerträglichen Verhältnisse und Verfolgung, denen
seither Flüchtlinge und Asylsuchende ausgesetzt waren. Im Mittelpunkt
dieser Diskussionen stand der Chef der Ausländerpolizei, Harald
Hollenberg, den wir für den Verbrennungstod von sechs Menschen
in der Abschiebehaft verantwortlich machten. Wir waren uns damals
alle, Tarek Mousli eingeschlossen, ohne Einschränkung einig,
dass man dies nicht auf sich beruhen lassen könne und beschlossen,
Herrn Hollenberg in die Knie zu schießen.
Von Anfang an stand fest, dass eine Frau schießen wollte.
Diese Frau war nicht Sabine Eckle, die zu diesem Zeitpunkt noch
gar nicht in der Stadt war. Um jede unbeabsichtigte Eskalation zu
vermeiden, mußte eine zweite Person Herrn Hollenberg ruhigstellen
und in Schach halten. Diesen Part wollte ich übernehmen. Tarek
Mousli hat die Lebensgewohnheiten Herrn Hollenbergs ausgekundschaftet.
Als Fluchtwagen wurde ein VW Passat gekauft, der bei dem Anschlag
auch eingesetzt und später in Brand gesteckt wurde. Den Brandsatz
habe ich allein gebaut, ohne dass sonst jemand beteiligt oder anwesend
gewesen wäre.
Der Anschlag selbst ist am 28. Oktober 1986 so verlaufen, wie von
Herrn Hollenberg beobachtet. Wir standen mit einem Klappfahrrad
in der Nähe seines Hauses, um auf ihn zu warten. Als er am
Garagentor war, schoß meine Begleiterin Herrn Hollenberg in
die Beine, mit einer Pistole, auf die ein Schalldämpfer aufgesetzt
war. Ich hielt ihn mit einer Pistole in Schach, schoß aber
nicht. Danach liefen wir zu dem in der Nähe geparkten Wagen,
verstauten das Klappfahrrad und fuhren weg. Später wurde das
Fahrzeug in Brand gesteckt.
Bei dieser Aktion waren keine Funkgeräte im Einsatz. Ich hatte
mit dem Fahrrad und der Pistole keine Hand mehr frei, und wir mußten
uns voll konzentrieren. Außerdem dauerte die Aktion selbst
nur Sekunden. Tarek Mousli stand nicht mit eine Scanner am S-Bahnhof
Zehlendorf, den er auch falsch beschreibt. Vielmehr wollte er sich
zu dieser Zeit in der Firma "alphatext" aufhalten, weil
er ein Alibi haben wollte, falls er beim Auskundschaften jemanden
aufgefallen war. Dass er behauptet, er sei mit einem Scanner vor
Ort gewesen, und weiter, er habe das Auto für diese Aktion
gestohlen, das nachweislich gekauft war, gehört meines Erachtens
zu seinem Aussagesystem der falschen kleinen Eigenbelastungen, um
dafür seine eigentlichen großen Tatbeteiligungen anderen
anzulasten.
Zu Tarek Mouslis System, mich als dominant und gefährlich
erscheinen zu lassen und sich selbst zum kleinen skrupelgeplagten
Mitläufer zu verharmlosen, gehört auch die Behauptung,
ich sei der "Schütze der RZ" gewesen. Abgesehen davon,
dass es nach meinem Wissen überhaupt keinen "Schützen
der RZ" gab, hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch niemals
im Rahmen irgendwelcher Aktionen der RZ eine Pistole bei mir getragen
oder gar geschossen. Ich war als Jugendlicher, wie auf dem Dorf
üblich, Mitglied eines Schützenvereins gewesen, aber jeder,
der - im Gegensatz zu mir - bei der Bundeswehr war, war vermutlich
waffengeübter. Ich habe auch niemals, wie Mousli angibt, eine
Waffe bei mir getragen, wenn ich mich "bewegte", denn
das hätte im Falle einer Festnahme meine Situation wesentlich
verschlechtert. Dies entspricht auch den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden,
die niemals unter der Rubrik "Vorsicht Schußwaffengebrauch"
nach uns gefahndet haben.
Meiner Erinnerung nach haben wir uns noch am Tag des Anschlages
in einer Wohnung getroffen. Bei diesem Treffen war auch Tarek Mousli
zugegen, der inzwischen den automatisch aufgezeichneten Funkverkehr
abgehört hatte. Wie vermutet, war der für uns ohne praktische
Relevanz, denn als die Fahndung einsetzte, waren wir längst
in Sicherheit. Tarek Mousli war begeistert und hat uns, vor allem
der Frau, gratuliert und sie beglückwünscht.
Es kann also nicht die Rede davon sein, dass Tarek Mousli aus Unkenntnis
irgendetwas verwechselt haben könnte. Er wußte genau,
dass nicht ich der Schütze war, und er wußte genau, dass
die Frau, die geschossen hatte, nicht Sabine Eckle war, die damals
überhaupt nicht in Berlin war, und die er zu diesem Zeitpunkt
noch gar nicht kannte. Zumindest an einem Punkt hat er sich in der
Hauptverhandlung korrigiert und nicht länger, wie in früheren
Vernehmungen behauptet, Sabine Eckle habe die Erklärung verfaßt,
sondern eingeräumt, dass er nicht wisse, wer sie geschrieben
hat.
Der Anschlag auf die ZSA
Die ZSA war von Anfang an Tarek Mouslis Projekt. Meines Wissens
hatte er aus der Szene den Tip bekommen, dass in einem Gebäude
der ZSA arabische Flüchtlinge aus dem libanesischen Bürgerkrieg
erfaßt wurden, und dass dort ein zentraler Computer stehe.
Gegen seinen Vorschlag, durch einen Anschlag diesen Computer zu
zerstören, wurden Bedenken angemeldet, da die Information in
keiner Weise überprüfbar war. Tarek Mousli ließ
sich durch diesen Einwand nicht davon abbringen. Ich hatte den Eindruck,
dass er stark auf Computer fixiert war und sich von der Ausschaltung
eines zentralen ZSA-Computers den Zusammenbruch der erniedrigenden
Gutscheinvergabe und Lagerhaltung für Flüchtlinge erhoffte
- eine Hoffnung, die keiner so richtig mit ihm teilen mochte.
Wie er selbst angibt, entwickelte er für den Sprengsatz einen
neuen Zündmechanismus. Woher er das in der Spurenanalyse gefundene
TNT hatte, ist mir ein Rätsel, denn meines Wissen war die Berliner
RZ damals nicht im Besitz von TNT. Vielleicht versuchte er es deshalb
zu verschweigen. Seine nach so langer Zeit erstaunlich präzise
Schilderung von der Konstruktion des Sprengsatzes beweist, dass
er ihn selbst gebaut haben muß. Kein anderer als der Erbauer
kann Art und Aufbau eines Sprengsatzes kennen, von denen es sehr
unterschiedliche Typen gab, wie dem Praxis-Handbuch der RZ zu entnehmen
war. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb über
die Hauptverhandlung, ich hätte gelächelt, als Tarek Mousli
die Konstruktion des Sprengsatzes schilderte. Der Grund dafür
war, dass mit dieser Beschreibung Tarek Mousli sich selbst überführt
hatte.
Selbst einem Außenstehenden mußte weiter ins Auge springen,
dass man für eine Aktion nachts, an einem nicht weiter einsehbaren,
nicht bewachten und nicht kontrollierten Tatort in menschenleerer
Gegend keine 7. Leute brauchen wird, wenn für die ungleich
schwierigeren Knieschußattentate am hellichten Tag 2 - 3 Leute
genügten. Auch hier waren wir also eine Minigruppe. Tarek Mousli
wollte den Sprengsatz selbst anbringen und er hat dies auch getan.
Vorher hatte er jemand gesucht, der auf der anderen Seite des angrenzenden
Kanals sicherte. Ich habe mich bereit erklärt, diesen Part
zu übernehmen - weil diese Aktion ja immerhin im Rahmen der
Flüchtlingskampagne stattfinden sollte -, obwohl mir selbst
diese Vorsichtsmaßnahme angesichts der von ihm als völlig
unproblematisch geschilderten Bedingungen, eigentlich nicht unbedingt
notwendig erschien. Alles war, wie er sagte, bereits wochenlang
genauestens von ihm ausgekundschaftet, so dass eine Generalprobe
eine Woche vorher genügte, um die Funkgeräte auf ihre
Brauchbarkeit zu testen und den Zeitablauf festzulegen. Für
mich ging es darum, die vorletzte U-Bahn zu erreichen.
Die Seite des Bahndammes neben den Gebäuden der ZSA ist von
Tarek Mousli in seiner Lagebeschreibung niemals problematisiert
worden, da von dort keine Gefahr drohe, was auch der Polizeibericht
bestätigt: "Die aufgeworfene Böschung der Bahnlinie
verhindert jeden Einblick". Auf jeden Fall hat er meines Wissens
niemand dafür gesucht, dass er dort Wache stehe, schon gar
nicht mehrere Personen, mit deren angeblicher Zahl er auch hier
sehr frei jongliert.
Vermutlich bauscht Tarek Mousli sein Kleinprojekt deshalb zu einem
Großeinsatz aller damaligen angeblichen Berliner RZ-Leute
auf, um sich in dieser Menge besser verstecken zu können. Denn
"er liebt es, sich hinter falschen Fakten zu verstecken",
wie wir von dem BKA-Ermittler Trede wissen.
Sabine Eckle hat zur ZSA weder die Erklärung geschrieben,
noch hat sie sie redigiert. Die Erklärung ist allerdings bemerkenswert.
Sie scheint wie aus Textbausteinen gefertigt und hat das für
die Zeitschrift "Radikal" typische Layout mit dem in das
Bild eingeschriebenen Text. Der ehemalige "Radikal"-Redakteur
Mousli wollte offenbar mit einem Foto seine Erklärung beleben,
wobei der historische Bezug peinlich überzogen geriet. Tarek
Mouslis Erklärung ist meines Wissens nach die einzige in der
Geschichte der RZ mit einem Foto.
Inzwischen hatte ich eine Wohnung gefunden und Sabine Eckle zog
Anfang 1987 nach. Sie hatte große gesundheitliche Probleme
und verlor in beängstigender Weise an Gewicht. An manchen Tagen
war sie so geschwächt, dass sie nicht mehr aufstehen konnte.
Ich hatte bereits erwähnt, dass wir auch auf der Suche nach
einer besseren ärztlichen Versorgung als bisher nach Berlin
gezogen waren.
Entgegen seinen Aussagen lernte Tarek Mousli Sabine Eckle erst
im Frühjahr 1987 kennen, als er sie zu einer Ärztin brachte.
Frau Dr. Ridder stellte endlich die richtige Diagnose, nachdem andere
Ärzte vorher ratlos waren. Es handelte sich um schwere Lebensmittelallergien,
die im Laufe der Zeit zu einer gefährlichen Selbstvergiftung
geführt hatten und durchaus behandelbar waren, und nicht um
ein von Tarek Mousli erfundenes chronisches Magenleiden, dass angeblich
Grund für unser Auftauchen war.
Wir hatten damals zu Tarek Mousli ein gutes Verhältnis. Im
Nachhinein etwas anderes zu behaupten, wäre eine Lüge.
In meinem Fall stellt er dieses gute Verhältnis auch richtig
dar, im Fall von Sabine Eckle wird er beleidigend und verleumderisch.
Sabine Eckle ist eine kultivierte und geistreiche Frau. Es war
zu merken, dass Tarek Mousli sie mochte. Sie war die einzige, der
er immer wieder Geschenke machte, unter anderem eine Giacometti-Biografie,
eine über Sartre und die Werke Nawal al-Sadaawis. Ich kann
nur vermuten, dass ihm der Verrat an ihr leichter fällt, wenn
er sich im nachhinein als Megäre denunziert.
Es gab zwischen uns und Tarek Mousli keine Meinungsverschiedenheiten,
erst recht keinen Streit, in dem beleidigenden Äußerungen
gefallen wären. Die von ihm behaupteten Unworte wie etwa "Weichei"
und dergleichen haben wir beide noch nie in unserem Leben benutzt.
Sie scheinen mir eher seinem Kampfsportmilieu zu entstammen. Außerdem
wären sie Tarek Mousli gegenüber völlig unangemessen
gewesen. Er war vielmehr das, was man einen "tough guy"
nennt, gehörte nach unserem Wissen zum harten Kern des "Schwarzen
Blocks" und war fanatischer Kampf-Sportler, beides Dinge, denen
wir allerdings wegen ihrer stupiden Härte nichts abgewinnen
konnten. Tarek Mousli war alles andere als "schwach" und
"weich", weder in seinen politischen Ansichten noch in
seiner Praxis. Wenn man unser Verhältnis charakterisieren wollte,
dann waren Sabine Eckle und ich eher vom kulturellen Aufbruch der
sechziger Jahre geprägt. Tarek Mousli dagegen durch seine Herkunft
stärker antiimperialistisch orientiert, eine Position, die
naturgemäß rigider und - wenn man so will - härter
war. Damit will ich nicht sagen, dass er ein "Hardliner"
war, das gab es nicht in den RZ, weder als Begriff noch als Phänomen.
Der Anschlag auf Herrn Korbmacher
Als hauptverantwortlich für die restriktive Asylpolitik, die
Flüchtlinge zu Folterregimen und in Bürgerkriege zurückschickte,
galt damals der Senat des Bundesverwaltungsgerichts für Asylfragen
und sein Vorsitzende Richter Dr. Korbmacher. Menschenrechts- und
Kirchenorganisationen und ein Großteil der Presse beklagten
und kritisierten die unmenschlichen Entscheidungen des Asylsenats.
Amnesty international hat damals die vielen aufgezählt, die
nach ihrer Auslieferung ermordet wurden und die noch viel größere
Zahl derer, die danach "verschollen" sind.
Der Anschlag auf den Vorsitzenden des Asylsenats Dr. Korbmacher
war in der Berliner RZ genauso wenig umstritten, wie es der auf
Herrn Hollenberg gewesen war. An den vorbereitenden Diskussionen
war auch Sabine Eckle beteiligt. Tarek Mousli hat kein einziges
Mal auch nur die geringsten Bedenken geäußert. Im Gegenteil.
Er wollte unbedingt das Motorrad bei diesem Anschlag fahren. Ich
entschloß mich, die Schüsse abzugeben. Mit Tarek Mousli
als bekanntermaßen guten und sicheren Fahrer traute ich mir
auch zu, die Beine des Herrn Korbmacher zu treffen. Das Motorrad
war, wie wir wissen, aus Nordrhein-Westfalen. Da ich keinerlei Motorraderfahrung
hatte, unternahmen Tarek Mousli und ich zusammen ein Dutzend Probefahrten.
Dabei trugen wir normale Straßenkleidung und andere Helme
als die, die wir zur Zeit des Anschlags aufhatten. Den Großteil
der Fahrten machten wir meiner Erinnerung nach aus Sicherheitsgründen
mit einem ähnlichen Modell und benutzten erst in der Endphase
das gestohlene Fahrzeug.
Wenn Tarek Mousli heute behauptet, er habe zwar das Motorrad gefahren,
aber allein um es auszuprobieren, dann ist das nicht wahr. Dieses
Motorrad hat in Berlin allein Tarek Mousli gefahren, weil er sich
mit ihm vor der Aktion vertraut machen mußte, und ich war
in den meisten Fällen dabei.
Als Fluchtfahrzeug wurde zum ersten Mal ein Auto gestohlen, ein
VW Passat. Allerdings nicht in Zehlendorf "Unter den Eichen",
auch nicht in der Dominikusstraße in Schöneberg und auch
nicht im Studentendorf in Nikolassee, wie Tarek Mousli wahlweise
ausgesagt hat, sondern in der Bernhardtstraße in Wilmersdorf.
Das weiß ich, weil ich daran beteiligt war, aber nicht Tarek
Mousli. Ich vermag nicht nachzuvollziehen, was Tarek Mousli sich
davon verspricht, hier falsche Orte und falsche Personen anzugeben.
Es sei denn dahinter steckt wieder die Absicht, durch die eigene
kleine Falschbelastung zu versuchen, sich dafür als Motorradfahrer
wegzulügen.
Eine Verwechslung seinerseits ist ausgeschlossen, weil dieses Auto
das einzige war, das im Zusammenhang unserer Anschläge und
überhaupt von uns in Berlin gestohlen wurde.
Kommen wir zu den angeblichen Bedenken des Tarek Mousli gegen diese
Aktion, die von seinen unmittelbaren Erlebnissen im libanesischen
Bürgerkrieg herrühren sollen.
Bekanntlich galt der Libanon bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges
1974 als die "Schweiz des Nahen Ostens", also als ein
Ort der Ruhe und Prosperität. Wie Tarek Mousli in der Hauptverhandlung
am 28.06.01 einräumen mußte, war er seit Ausbruch der
Kämpfe 1974 nicht wieder im Libanon gewesen. Die Schrecken
des Bürgerkriegs hat er also nicht selbst erlebt. Damit erweist
sich sein Hauptargument für seine angeblichen Bedenken als
unwahr. Vielmehr verfolgte er die Kämpfe aus der Distanz. Das
führte aber nicht zu seiner Pazifizierung, sondern im Gegenteil
zu seiner Radikalisierung. Das war bei allen Leuten zu beobachten,
die sich damals an den Palästinensern orientierten.
Tarek Mousli war also alles andere als ein Bedenkenträger.
Das ist seine heutige opportunistische Verkleidung gegenüber
den Strafverfolgungsbehörden. Im Gegenteil. Er war Feuer und
Flamme für diese Aktion, unter anderem deswegen, weil die harten
Urteile des Asylsenats vor allem gegen die Flüchtling aus dem
Libanon und gegen Tamilen gerichtet waren.
Der Anschlag am 1. September 1987 verlief so, wie ihn Herr Korbmacher
geschildert hat. Tarek Mousli fuhr das Motorrad, ich saß hinter
ihm, und als Herr Korbmacher auf dem Weg zu seiner Garage war, schoß
ich auf seine Unterschenkel. Danach fuhren wir in ruhigem Tempo
weg, um nicht aufzufallen. Bei der Waffe handelte es sich um diejenige
Beretta mit aufgesetztem Schalldämpfer, mit der auch auf Herrn
Hollenberg geschossen worden war.
Später stiegen wir in unser Fluchtauto um und zogen die Motorradkleidung
aus, die wir wie auch die Helme ausschließlich an diesem Tag
getragen haben.
Die gegenteilige Aussage Tarek Mouslis, wir hätten die später
sichergestellten Monturen bei den Probefahrten getragen, erweist
sich vor diesem Hintergrund als der durchsichtige Versuch, eine
Erklärung für eigene Spuren an der von ihm getragenen
Motorradkleidung parat zu haben, wenn denn solche Spuren gesucht
und gefunden würden.
Beim Verlassen des Fahrzeugs setzte ich die Zeitschaltuhr des Brandsatzes
in Gang. Danach muß Tarek Mousli seinen Motorradhelm derart
als Abdeckung auf den Drehwecker gelegt haben, dass er stehen blieb.
Ich hatte mich bereit erklärt, die Brandsätze in den
Fällen "Hollenberg und Korbmachen" zu bauen. Ich
habe sie allein (und ohne Zuschauer!) aus den Berlin vorhandenen
Zutaten gefertigt. Ob darunter Unkraut-Ex aus Frankreich war, kann
ich beim besten Willen nicht sagen. Auf keinen Fall habe ich selbst
Unkraut-Ex aus Frankreich beschafft. Illegale haben aus Sicherheitsgründen
niemals etwas transportiert, weder Texte, noch Unkraut-Ex, noch
Waffen. An anderer Stelle seiner umfangreichen Aussagen gibt Tarek
Mousli genau das zu Protokoll:
"Jon hat die Waffen auf dem Transitweg mit Sicherheit nicht
mitgenommen". (Vernehmung vom 13.12.1999)
Entgegen den Behauptungen Tarek Mouslis gab es auch diesmal keine
zeitgleiche Funküberwachung durch ihn, da er unmöglich
an zwei Orten zugleich sein konnte. Wie er auf Befragen einräumen
mußte, hat keine Funkverbindung bestanden. Und am 19.12.1999
sagte er aus: "Ich habe keinen Funkverkehr der Polizei zu diesem
Anschlag mitbekommen," obwohl nachweislich ein sehr reger stattgefunden
hatte. Dies konnten wir nämlich später dem, wie üblich,
automatisch aufgezeichneten Mitschnitt entnehmen. Im übrigen
wußten wir bereits von der Hollenberg-Aufnahme, dass die Fahndung
erst relativ spät einsetzte, wenn wir längst in Sicherheit
waren.
Es ist ein Lüge, wenn Tarek Mousli behauptet, ich hätte
mich über die Fluchtversuche von Herrn Korbmacher amüsiert.
Ich fand das Verhalten des Richters überhaupt nicht lächerlich,
angesichts des plötzlich über ihn hereinbrechenden Schreckens.
Genauso haltlos ist die Verleumdung, ich hätte Herrn Korbmacher
bedenkenlos getötet, wenn er sich gewehrt hätte. Dies
wird meines Erachtens auch eindeutig durch die schon vor dem Anschlag
formulierte und später veröffentlichte Erklärung
widerlegt, wo es hieß: "Der Angegriffene soll überleben,
ja er muß es unter allen Umständen, denn dies ist die
entscheidende Bestimmung der Aktion, selbst wenn sie zum Preis eines
überhöhten Risikos für die Ausführenden erkauft
werden muß."
Dieser Erklärung hat Sabine Eckle geschrieben. Tarek Mousli
weiß genau, dass sei die Erklärung geschrieben hat, weil
wir gemeinsam darüber diskutiert haben, wenn einzelne Teile
fertig waren. War er andere Mitautoren erfindet, darüber mag
ich mir nicht den Kopf zerbrechen.
Sabine Eckle kam es vor allem auf eine eingehende Begründung
der ungewöhnlichen Aktionsform an, die sie in der Hollenberg-Erklärung
vermißt hatte. Obwohl in dieser Erklärung ausdrücklich
betont wird, dass wir nicht im Krieg leben, "Zustände,
von denen wir weit entfernt sind", versucht Tarek Mousli wider
besseren Wissen Sabine Eckle genau diese unsinnige Position zu unterstellen.
Es hat auch zu keinem Zeitpunkt Diskussionen zu der bornierten
Fragestellung "wer hat das Recht zu richten?" gegeben.
Die RZ haben in ihren Texten immer wieder betont, dass es ihnen
- im Unterschied zu anderen Organisationen - gerade nicht um die
Machtfrage ging, und sie sich in keiner Weise als Richter und Vollstrecker
verstanden.
Weder der Anschlag auf Herrn Korbmacher noch die Erklärung
dazu sind von einem angeblichen überregionalen Gremium geplant
bzw. entworfen worden. Die absolute Autonomie der einzelnen Gruppen
in den RZ und das ausgefeilte Sicherheitskonzept machte es undenkbar,
dass andere Gruppen die Pläne einer Region vorher kannten,
geschweige denn, dass sie mitredeten oder an deren Erklärungen
mitschrieben. Zwischen den einzelnen RZ-Gruppen zirkulierten ausschließlich
theoretische Texte und Themen grundsätzlicher Art ohne wie
auch immer geartete praktische Konkretionen.
Der Anschlag auf Herrn Korbmacher bedeutete für uns den Abschluß
der Flüchtlingskampagne und das Ende unserer Arbeit in den
RZ. Danach wurde die Pistole ins Wasser geworfen.
Tarek Mousli sahen wir das letzte Mal Ende 1987, als er uns zum
Abschied in ein ägyptisches Restaurant einlud. Er wollte unbedingt
weitermachen und so trennten sich unsere Wege. Wir haben ihn danach
bis zum Prozeßbeginn nie wiedergesehen, auch nicht aus Zufall.
Der Ausstieg
Wir hatten seit längerer Zeit das Gefühl, dass die RZ
politisch wie praktisch in der Luft hingen. Die Verankerung in einem
sozialrevolutionären Milieu war seit langem nicht mehr gegeben,
weil dieses Milieu zusehends ausgetrocknet war, und von einer kulturrevolutionären
Bewegung konnte im Grund schon seit Mitte der siebziger Jahre nicht
mehr die Rede sein. Wir waren der Meinung, man könne nicht
gut als Zuspitzung einer gesellschaftlichen Bewegung agieren, die
ihre Substanz verloren hatte und seit langem nicht mehr virulent
war.
Die Flüchtlingskampagne war insofern eine Ausnahme, als sie
nicht ein sozialrevolutionäres Projekt im eigentlichen Sinne
darstellte, sondern vielmehr eine klassische Verteidigungs- und
Schutzlinie für verfolgte und bedrohte Menschen aufzubauen
versuchte, die sich selbst nicht helfen konnten. Sie war eine Bemühung
um praktische Solidarität und schützende Parteinahme.
Deshalb hatten wir an der Flüchtlingskampagne mitarbeiten
wollen. Mit ihrem Ende fielen für uns die Gründe für
eine weitere Arbeit in der RZ weg.
Sabine Eckle hatte 1987 einen grundlegenden Text mit dem Titel
"Das Spiel ist aus. Anmerkungen zur Geschlechtsdifferenz"
geschrieben, der in den RZ auf scharfe Kritik gestoßen war.
Es war kein Papier des bewaffneten Kampfes, sondern eines über
dessen Ende. Ich zitiere: "Wir blicken in das gleiche Gedankengebäude,
nur der Besitzer hat gewechselt. Der revolutionäre Mann verkündet
pathetisch das Reich der Freiheit, der Gleichheit, das Ende aller
Ausbeutung des Menschens durch den Menschen. Das Ende der Ausbeutung
existentieller Frauenarbeit durch den Mann kann er damit unmöglich
meinen, denn dieses Ende zerreißt alle bisherigen Revolutionsentwürfe
als Makulatur, entlarvt sie als das, was sie sind: männliche
linke Herschaftsidyllen."
Es hat uns erstaunt, dass die RZ diesen Text lange nach unserem
Ausscheiden doch noch veröffentlicht haben, allerdings unter
dem unglücklichen Titel "Was ist das Patriarchat?".
Wir haben dies als unausgesprochene Auflösungserklärung
interpretiert.
Bereits Anfang 1988 gründeten wir mit mehreren (legalen) Leuten
einen philosophisch-literarischen Arbeitskreis, weil wir das Gefühl
hatten, wir müßten uns dringend neue geistige Grundlagen
erwerben. Wir trafen uns offen in unseren eigenen Wohnungen, um
gemeinsam wichtige Texte zu erarbeiten. Darunter waren die Schriften
der französischen Philosophin Luce Irigaray und Julia Kristeva,
sowie Texte der "Libreria delle donne" aus Mailand zur
Geschlechterdifferenz. Wir lasen Jean-Paul Sartre, Theodor W. Adorno,
Max Horkheimer, Walter Benjamin und andere. Wir gingen gemeinsam
aus, z.B. in die "Orient"- und in die "Walter Benjamin"-Ausstellung
im Gropius-Bau, nachdem wir beide uns bis dahin ausschließlich
allein in der Öffentlichkeit bewegt hatten und niemals an so
prominenten Orten.
Anfang 1989 planten wir beide nach Italien zu gehen. Sabine Eckle
wollte in Mailand offziell Philosophie studieren und traf deshalb
ihre in der Schweiz lebende Schwester, die in Italien studiert hatte.
Dabei stellte sich allerdings heraus, dass das Vorhaben schwieriger
war als angenommen. So ließen wir diesen Plan wieder fallen.
Später kam uns bei unserer angestrebten offiziellen Legalisierung
der Zusammenbruch des Ostblocks in die Quere, denn wir wollten unter
keinen Umständen den Eindruck erwecken, uns dort aufgehalten
zu haben und nun gezwungenermaßen auftauchen zu müssen.
Wir mußten also weiter warten, um eine deutliche zeitliche
Distanz zum November 1989 zu halten. Schließlich sind wir
Mitte 1990 bzw. Anfang 1991 nach 12 Jahren wieder getrennt an unseren
Ausgangspunkten Frankfurt zurückgekehrt.
Kommen wir zu den letzten mir wesentlich erscheinenden Lügen
Tarek Mouslis:
Seine Behauptung, Sabine Eckle und ich hätten irgendwann zwischen
1986 - 1988 mit dem Verbringen von 20 kg Sprengstoff nach Berlin
zu tun gehabt oder auch nur davon gewußt, ist eine Erfindung.
Offenbar will er uns irgendetwas für die Zeit nach dem Anschlag
auf Herrn Korbmacher anhängen, um seine ebenso lügnerische
Behauptung zu stützen, wir wären bis 1990 Mitglieder der
RZ gewesen. Von einem Sprengstoffdepot im Mehringhof habe ich nie
etwas gewußt oder gehört.
Es hat 1989 keinen Waldspaziergang am Wannsee gegeben, an dem wir
teilgenommen hätten. Es ist im übrigen nicht sehr schlau
von Tarek Mousli, sich ausgerechnet diesen Massenausflugsort für
ein angeblich klandestines Treffen auszudenken.
Tarek Mousli hat diesen Waldspaziergang mit uns wohl erfunden,
weil es nicht in das Bild vom kleinen bedenkengeplagten Mitläufer
paßt, dass er unentwegt weitermachte und an etwas festhielt,
das die von ihm als Rädelsführer Denunzierten bereits
1987/88 aus einer inhaltlichen Kritik heraus aufgegeben hatten.
Auf diesem "Wannsee-Treffen" will Tarek Mousli auch erfahren
haben, wir hätten mehrmals Anwälte kontaktiert, die bei
der Bundesanwaltschaft in Erfahrung bringen sollte, wie es mit der
Verjährung stehe. Das ist nachweislich eine Lüge. Es kann
keinen Vermerk oder einen Brief über eine derartige Anfrage
in Karlsruhe geben. Hier irrt auch Bundesanwalt Dr. Morré.
Wir haben nämlich ganz bewußt niemals einen Anwalt damit
beauftragt, uns bei den Verfolgungsbehörden abzusichern. Unser
Entschluß war nicht von juristischen Berechnungen oder eventuellen
Verjährungsdaten bestimmt, sondern von einer persönlichen
und inhaltlichen Entscheidung.
Wir sehen, Tarek Mousli lügt uns selbst dann noch hinterher,
als er uns längst aus den Augen verloren hatte.
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