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Erklärungen
Verteidigung

Kammergericht

Berlin, den 12.04.2002

In der Strafsache

./. Glöde

(1) StE 11/00 (4/00)

lehnen wir namens und in Vollmacht des Angeklagten Glöde die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Gisela Hennig und den Richter am Kammergericht Hanschke wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung:

1.

Sachverhalt:

In der Hauptverhandlung am 18.1.02 verlas die Vorsitzende eine Erklärung, die als Anlage zu Protokoll genommen wurde. Die Unterzeichnerinnen baten in der Hauptverhandlung ausdrücklich um eine Kopie der Erklärung. Die Vorsitzende lehnte dies ab, da die verlesene Erklärung noch nicht in Reinschrift vorliege und handschriftliche Vermerke enthalte. Eine Aushändigung der Erklärung erfolgte nicht.

Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter

dienstliche Erklärung der damaligen Protokollführerin

anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerinnen

anwaltliche Versicherung der Rain Lunnebach, Kopie anbei

Die Vorlage weiterer anwaltlicher Versicherungen bleibt vorbehalten. Wegen der Kürze der Zeit waren wir nicht in der Lage, alle Kollegen wegen deren Bereitschaft zur Abgabe von anwaltlichen Versicherungen anzusprechen.

Die Unterzeichnerinnen beantragten sodann eine Unterbrechung und stellten ein Befangenheitsgesuch.

In dem Befangenheitsgesuch heißt es auf Seite 2:

"Glaubhaftmachung: schriftliche Erklärung des Senats vom 18.1.2002, von der Vorsitzenden nicht ausgehändigt, als Anlage zu Protokoll genommen."

Glaubhaftmachung: Kopie des Befangenheitsgesuchs anbei

Da die Unterzeichnerinnen über die Erklärung des Senats nicht verfügten, wurde zur Glaubhaftmachung Bezug auf das Protokoll genommen. Soweit in dem Befangenheitsantrag der Inhalt dieser Erklärung referiert wurde, geschah dies aus der Erinnerung und der nur stichwortartigen Mitschrift über die in der Hauptverhandlung verlesene Erklärung. Die in der Hauptverhandlung verlesene Erklärung konnte im Befangenheitsgesuch deshalb auch nur sinngemäß wiedergegeben werden.

Am 21.1.2002 erhielten die Unterzeichnerinnen die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter per Fax mit einer Stellungnahmefrist bis zum 23.1.2002, 12 Uhr.

Glaubhaftmachung: Kopie des Faxes anbei.

In den dienstlichen Erklärungen nahmen die abgelehnten Richter auf die am 18.Januar abgegebene Erklärung Bezug.

Glaubhaftmachung: Kopien der dienstlichen Erklärungen anbei

Die Unterzeichnerinnen gaben am 23.1.2002 eine Stellungnahme ab, ohne daß Ihnen eine Kopie der vom Senat abgegebenen Erklärung vorlag.

Die Ablehnung der Vorsitzenden bezüglich der Aushändigung einer Abschrift der Erklärung sahen die Unterzeichnerinnen als endgültig an, und fragten auch späterhin nicht weiter nach, da die Vorsitzende nicht erklärte, bereit zu sein, die Erklärung später zuzuleiten. Sie gingen im übrigen davon aus, daß sich die Erklärung im Hauptverhandlungsprotokoll befindet, daß die Verteidigerinnen vor deren Fertigstellung und Abschluß nicht einsehen konnten.

Glaubhaftmachung: anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerinnen, hiermit abgegeben,

dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter

Die Verteidigerinnen erfuhren nicht, daß den Verteidiger(innen) der weiteren Angeklagten diese Erklärungen außerhalb der Hauptverhandlung zugeleitet worden sind.

Glaubhaftmachung: Anwaltliche Versicherungen der Unterzeichnenden, hiermit abgegeben.

Am 11.4.2002 erhielt die Unterzeichnerin Rechtsanwältin Studzinsky erstmals eine Kopie des Bandes 7 der laufenden Ermittlungsakte.

Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter

anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerin Rechtsanwältin Studzinsky

In den Abendstunden des 11.4.02 nahmen die Unterzeichnerinnen erstmals Kenntnis von Inhalt des Bandes 7.

Auf Bl. 151 d. A. befindet sich folgende Verfügung der Vorsitzenden:

"1. Je eine Ablichtung der beiden Erklärungen des Senats vom 18.1.2002 mit der Bitte um Kenntnisnahme senden an:

a. Verteidiger, nicht den RA'innen Studzinsky und Würdinger

b. GBA

2. zdA

21.1.02"

Die Verfügung wurde am 21.1.02 per Fax ausgeführt.

Glaubhaftmachung: Kopie des Blattes 151 anbei

Auf Seite 152 - 155 d. A. befindet sich die in der Hauptverhandlung am 18.1.02 verlesene 4 -seitige Erklärung, die als Anlage zu Protokoll genommen wurde.

Am 12.4.2002 stellte RA'in Würdinger der Vorsitzenden die Frage, welche Erklärung sie dafür habe, daß sie am 21.1.02 verfügte, gerade der Verteidigung Glöde die Erklärung nicht zukommen zu lassen. Die Vorsitzende gab an, sie müsse erst darüber nachdenken.

RA'in Würdinger befragte sodann die übrigen abgelehnten Richter, ob sie davon Kenntnis hätten.

Richter Alban sagte, "soll ich denn jetzt aus Beratungen erzählen?".

Sodann unterbrach die Vorsitzende die Hauptverhandlung für ca. 15 Minuten.

Glaubhaftmachung: Dienstliche Erklärung der abgelehnten Richter

anwaltliche Versicherung der Unterzeichnerinnen, hiermit abgegeben.

Während dieser Unterbrechung kam die Vorsitzende in den Sitzungssaal und äußerte laut an die Bundesanwaltschaft und die Protokollführerin gerichtet und so laut, daß es der Angeklagte Glöde hören konnte, sinngemäß "Ich habe den Verteidigerinnen die Erklärung doch in der Hauptverhandlung überreicht, oder?"

Glaubhaftmachung: dienstliche Erklärung der abgelehnten Richterin, der Protokollführerin und

der Vertreter der Bundesanwaltschaft

Nachdem die Hauptverhandlung um 9.39 Uhr fortgesetzt wurde, erklärte die Vorsitzende, sie habe der Verteidigung Glöde zur Fertigung des Befangenheitsgesuch eine Ablichtung der Erklärung überreicht.

Der abgelehnte Richter Hanschke sagte, das sei auch seine Erinnerung. Richter Alban zuckte mit den Schultern und die übrigen Richter äußerten sich nicht.

Glaubhaftmachung: wie vor

Das Ablehnungsgesuch ist rechtzeitig, da der Angeklagte Glöde durch seine Verteidigerinnen am 12.4.2002 durch die Aushändigung der Ermittlungsakte erstmalig Kenntnis von dem Vermerk vom 21.1.02 erhielt.

2.

Rechtliche Würdigung:

Der Angeklagte Glöde besorgt die Befangenheit der abgelehnten Richter, da aus seiner Sicht diese Verfügung bewußt und gezielt seine Verteidigerinnen und damit auch ihn anders und zwar schlechter behandelte als die übrigen Verteidiger und deren Mandanten. Ausweislich des Vermerks handelt es sich auch nicht um ein Versehen, daß die Erklärung nicht übersandt wurde, sondern um eine eindeutige Anweisung.

Die Erklärung der Vorsitzenden vom heutigen Tage, in Übereinstimmung mit dem beisitzenden Richter Hanschke , sie habe zur und vor Fertigung des Ablehnungsgesuchs die Erklärung der Verteidigung des Angeklagten Glöde übergeben, ist falsch.

Dies ergibt sich insbesondere aus der anwaltlichen Versicherung der RA'in Lunnebach als auch aus dem Befangenheitsgesuch selbst, das sich zur Glaubhaftmachung nur auf die zu Protokoll genommene Erklärung bezieht, da diese gerade nicht ausgehändigt wurde und seinerzeit keineswegs Widerspruch erfuhr, nachdem es in öffentlicher Hauptverhandlung verlesen wurde. Insbesondere machten weder die Vorsitzende noch der Richter Hanschke geltend, daß das Befangenheitsgesuch insoweit falsch sei.

Glaubhaftmachung: Dienstliche Erklärungen der Mitglieder des Senats, der Vertreter der Bundesanwaltschaft, anwaltliche Versicherung der Unterzeichnenden, hiermit abgegeben.

Für den Angeklagten Glöde löst auch diese falsche Wiedergabe des Sachverhalts durch die Vorsitzende und den Richter Hanschke die Befürchtung aus, daß die abgelehnten Richter sogar noch durch die falsche Schilderung das bewußte Vorenthalten der Erklärung zu kaschieren versuchen.

Die anderen Verteidiger und Angeklagten hatten - da sie sich dem Befangenheitsantrag nicht angeschlossen hatten - kein vordergründiges Interesse an der zeitnahen Übersendung, da lediglich der Angeklagte Glöde ein Befangenheitsgesuch angebracht hat, das sich gerade auch auf diese Erklärung bezog und zu dem seinen Verteidigerinnen eine Stellungnahmefrist bis zum 23.1.02 eingeräumt wurde. Andererseits löst die Übersendung gerade an die Verteidiger der nicht befangenheitsablehnenden Angeklagten die Besorgnis des Angeklagte Glöde aus, daß diese Angeklagten bevorzugt werden sollten, da sie in der einen oder anderen Weise sich auf Gespräche mit dem Senat eingelassen hatten. Damit entsteht bei dem Angeklagten der Eindruck, daß ihnen auf diese Weise die Erklärung zugeleitet, dem nicht gesprächsbereiten Angeklagten Glöde diese Erklärung vorenthalten werden sollte, und zwar gerade innerhalb der Stellungnahmefrist zu den dienstlichen Erklärungen und seinem Befangenheitsgesuch.

Diese Ungleichbehandlung, die eindeutig in dem bewußten Vorenthalten der Erklärung liegt, behindert den Angeklagten darüber hinaus in seiner Verteidigung.

Obwohl alle dienstlichen Erklärungen Bezug auf die Erklärung in der Hauptverhandlung genommen haben, war es der Verteidigung des Angeklagten Glöde nicht möglich in ihrer ergänzenden Stellungnahme auf die 4 -seitige Erklärung einzugehen.

Der Angeklagte Glöde befürchtet die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter, da er anders behandelt worden ist als die anderen Angeklagten und damit auch noch in seiner Verteidigung behindert worden ist.

Darüberhinaus besorgt der Angeklagte die Befangenheit der abgelehnten Richterin Hennig und des abgelehnten Richters Hanschke, da diese in der heutigen Hauptverhandlung über die Frage der Herausgabe der Erklärung die Unwahrheit bekundeten. Er muß besorgen, daß sie sich dabei von der Absicht haben leiten lassen, eine Sonderbehandlung der Verteidigerinnen mit dem Ergebnis der Schlechterstellung der Teilnahmemöglichkeiten des Angeklagten Glöde und der Wahrnehmung rechtlichen Gehörs zu rechtfertigen, und dazu jedenfalls zum Mittel der Behauptung eines objektiv unrichtigen Sachverhaltes zu greifen bereit waren.

Gleichfalls beantragen wir,

Uns die eingeholten dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter vor einer Entscheidung über dieses Gesuch zur Kenntnis zu bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. An-gesichts der Inhaftierung ist dazu eine Frist von 3 vollen Werktagen erforderlich.

Würdinger, Rechtsanwältin

Studzinsky, Rechtsanwältin

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http://www.freilassung.de/prozess/ra/120402.htm