Die
Bewegung gegen die Startbahn West - August 1983
Die Air-Base
ist nicht den US- Luftstreitkräften in Europa (US Air Force
Europe - USAFE Hauptquartier: Ramstein), sondern direkt dem Military
Airlift Command (MAC) unterstellt. "Sämliche US- Flughäfen
in Europa beziehen den Teil ihres Nachschubs, der per Luftfracht
befördert wird, über Frankfurt." (aus "Flughafen-
Nachrichten" der FAG).
1980 landeten auf Rhein- Main von den strategischen Transportern
im Schnitt täglich ca. 10 Starlifter und 2- 3 Galaxies (größtes
Transportflugzeug der Welt). Außerdem jede Menge Turbopropmaschinen
vom Typ Herkules, die für den taktischen Lufttransport innerhalb
des europäischen Kommandobereichs eingesetzt werden. Im Jahresdurchschnitt
1980 machte das 74% aller Flugbewegungen auf Rhein- Main.
Neben
der Verteilerfunktion des Nachschubs für Europa hat die Air-
Base die Funktion einer interkontinentalen Luftbrücke für
Waffen und Truppen nach Nahost, Asien und Afrika. Beispiele sind
die Libanon- Besetzung 1959, der Vietnam- Krieg, drei Nahost- Kriege,
die gescheiterte Iran- Intervention, Manöver in Ägypten
(Big Lift, Reforger). So wurde auch während der Libanon- Invasion
im Sommer 82 eine erhebliche Zunahme der Militärflüge
beobachtet. Hinzu kommen wird in Zukunft Transport der und Nachschub
für die offensichtlich in der Türkei vorgesehene Stationierung
der "Schnellen Eingreiftruppe". [6]
Darüber, wie über die im Rahmen der Nato- Aufrüstung
geplanten Maßnahmen wird sich der Anteil der von der Air-
Base in Beschlag genommenen Kapazität des Flughafens ganz erheblich
erhöhen.
Aber selbst wenn sich der bisherige Anteil des militärischen
Flugverkehrs dadurch verdoppeln würde (was reichlich hochgegriffen
erscheint), würde dies die 3. Startbahn nicht unbedingt erforderlich
machen - vorausgesetzt, die FAG wäre bereit, den Privatflugverkehr,
der immerhin 5% der Gesamtflugbewegungen ausmacht, entscheidend
zu reduzieren (mit dieser Begründung wurde vor Jahren der in
der Nähe von Rhein- Main liegende Kleinflughafen Egelsbach
ausgebaut).
Was sind dann die eigentlichen Hintergründe der Startbahn?
Der Charakter des Frankfurter Flughafens als ziviler und militärischer
deutet bereits darauf hin: Kapital- und Militärinteressen.
Der zivile Teil lebt vom militärischen und umgekehrt.
- Wie vorher bereits ausgeführt, machte die militärstrategische
Bestimmung Frankfurts durch die US- Besatzer den zivilen Teil
des Flughafens zu dem, was er heute ist. So konnte 1955 selbst
gegen den Widerstand der damaligen Adenauer- Regierung, die Köln
bevorzugte, die Lufthansa- Basis in Frankfurt durchgesetzt werden.
- Daß Frankfurt im Gegensatz zu anderen westdeutschen und
europäischen Flughäfen kein bzw. nur ein bedingtes Nachtflugverbot
hat, ist ebenfalls eine Folge seiner militärischen Nutzung.
Umgekehrt profitiert der militärische Sektor davon, daß
- im "Spannungsfall" alle zivilen Anlagen und Einrichtungen
beschlagnahmt werden können (d.h. die 15- und incl. Startbahn
über 20fache Kapazität seines heutigen "Bedarfs"
in Reserve hat).
- sich aufgrund des dualen Charakters des Flughafens v.a. die
mit zivilen Maschinen getätigten militärischen von den
"rein" zivilen nicht bzw. nur schwer unterscheiden lassen.
Das bestehende Frankfurter Parallelbahnsystem (Nord- und Südbahn
mit einem Abstand von 503 m) kann nicht unabhängig voneinander
betrieben werden. Das heißt, es kann auf beiden Bahnen gleichzeitig
entweder nur gelandet oder nur gestartet werden (aus Sicherheitsgründen
beträgt der Mindestabstand von unabhängig voneinander
betriebenen Parallelbahnen 1.500 m). Die im Bau befindliche Startbahn
West kann dagegen unabhängig von diesen betrieben werden.
Nur: aufgrund der jeweils einzuhaltenden Mindestabstände zwischen
aufeinanderfolgenden Flugzeugen ist die Startkapazität generell
höher als die Landekapazität. Andererseits ist die Startbahn
- der Name sagt's schon - angeblich eine reine Startbahn. D.h. auf
ihr darf - jedenfalls nach Planfeststellungsbeschluß - nicht
gelandet werden (was allerdings technisch möglich ist). Hinzu
kommt, daß sich der zivile Verkehrsablauf jeweils in vier
tägliche Start- und Landespitzen einteilt. In diesen Verkehrsspitzen
wird die maximale Landekapazität unter Instrumentenflugbedingungen
fast immer erreicht und meist überschritten. Gerade dieser
Wechsel von Start- und Landespitzen ist Voraussetzung dafür,
daß schnelle Umstiegverbindungen, minimale Bodenzeiten und
maximale Auslastung der Flugzeuge (d.h. die Attraktivität des
Frankfurter Flughafens) erreicht werden. In diesen Spitzen beträgt
die Kapazitätsteigerung durch eine neue Startbahn etwa 6%.
Eine erheblich über diese 6% hinausgehende Kapazitätssteigerung
ist dagegen nur außerhalb der Landespitzen möglich. Mit
Fertigstellung der Startbahn hätte die FAG also die Möglichkeit,
selbst bei steigendem Zivilflugverkehr auch die in die (relativ
kurzen) Spitzenzeiten fallenden Militärflüge besser zu
verkraften und außerhalb derer den Militärs große
Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Die eigentliche Funktion der Startbahn wird klarer, wenn mensch
sie in Zusammenhang mit den anderen laufenden und geplanten baulichen
Maßnahmen am Flughafen sieht. Diese bestehen nahezu ausschließlich
in einem nur gigantisch zu nennenden Ausbau der Frachtkapazitäten:
Das am Kopf der Startbahn gelegene neue Frachtzentrum schafft allein
in der 1. (von insgesamt 3!) Ausbaustufen eine Jahreskapazität
von 1,5 Mio. t. Zusammen mit dem 1971 in Betrieb genommenen Frachthof
3 bedeutet dies schon eine Jahreskapazität von 1,8 Mio t. Das
ist fast das dreifache (!) der 1980 umgeschlagenen Fracht (642.850
t). Was bedeutet das? Einmal, daß die FAG (einschließlich
Lufthansa) in der Steigerung des Frachtumschlags (und nicht der
Passagierzahlen) ihre wirtschaftliche Zukunft sieht. (Die geplante
weltweite Einführung elektronischer Fernkommunikationsmittel
- Fernkopierer, Video- Konferenzen etc. - würde einem weiteren
Anstieg der Geschäftsreisen - als zentralem Faktor für
die Zahl der Fluggäste - zumindest enge Grenzen setzen.) Die
Schaffung derartiger Kapazitäten (auch ohne die - bisher nur
geplanten - Ausbaustufen 2 und 3) rechtfertigt dies allein aber
nicht.
Eine
Antwort darauf gibt das 1981 von den USA und der BRD unterzeichnete
Abkommen "Wartime Host Nation Support" (Unterbringung
durch Aufnahmestaaten in Krisenzeiten). Nach Aussagen des US- Generals
Jim Allen vor dem Verteidigungsausschuß des amerikanischen
Repräsentantenhauses sichert es den Yanks im Krisenfall "den
Zugang und die Nutzung aller Einrichtungen des zivilen Teils des
Rhein- Main- Flughafens in Frankfurt, eingeschlossen der Bodenfahrzeuge,
der Frachtanlagen und anderer Flughafenausrüstungen" (zit.
nach "Stern" vom 18.2.82). Dem liegen die seit langem
bestehenden Nato- Planungen zugrunde, im "Krisenfall"
sechs zusätzliche US- Divisionen in die BRD zu verlegen. Das
sind 600.000 Mann plus 1.000 Kampfflugzeuge. Der Umschlagplatz für
diese sechs Divisionen ist natürlich Rhein- Main. "Daraus
erklärt sich der Umbau im großen Stil" ("Stern"
vom 18.2.82).
In diesem "Krisenfall" ist die Startbahn selbstverständlich
keine reine Startbahn mehr, sondern auch Landebahn. Als Start- und
Landebahn bewirkt sich aber im Verhältnis zum bestehenden Parallelbahnsystem
eine Kapazitätssteigerung von 75% (Das hört sich erstmal
unlogisch an, beruht aber auf folgendem: Eine Start- und Landebahn
hat unter Instrumentenflugbedingungen eine Kapazität von 30
Flugbewegungen pro Stunde. Da die bestehenden 2 Bahnen wegen ihres
geringen Abstands betriebstechnisch nur wie eine Bahn benutzt werden
können, wobei jedoch - weil zwei Bahnen - bei Starts eine Rollphase
- 50 Sek. - und bei Landungen die Abrollphase - 23 Sek. - eingespart
werden kann, haben sie eine Kapazität von zusammen 40 Flugbewegungen/Stunde.
Weil die Startbahn von den beiden anderen Bahnen unabhängig
betrieben werden kann, erhöht sie - als Start- und Landebahn
- die Gesamtkapazität von jetzt 40 auf 70 Bewegungen/Stunde.)
In diesem Zusammenhang ist auch der in den 70er Jahren forcierte
Autobahnbau und - ausbau rund um das Frankfurter Kreuz incl. Flughafen
zu sehen.
"Wartime Host Nation Support" beinhaltet weiterhin den
Bau von 1.000 Munitionsdepots und Nachschublagern (Kosten ca. 1,2
Mrd.), in denen Waffen und Geräte für die sechs US- Divisionen
eingelagert werden sollen.
Inhaltlich dazu gehört ferner der "Master Restationing
Plan", die nord- östliche Verlagung der im Rhein- Main-
Gebiet stationierten US- Truppen.
Dies erklärt sowohl den geplanten Ausbau der B 3 zur B 3a
(Paralle zur E 4) von Frankfurt aus nach Norden (Friedberg/Butzbach)
wie den Ausbau der bereits bis Gelnhausen fertiggestellten B 40
zur A 66 von Frankfurt aus nach Osten (Fulda/Rhön). Ein Teil
der Depots sollen entlang dieser beiden Verkehrsführungen gelegt
werden.
In diesem Zusammenhang muß auch die Bedeutung des Autobahnnetzes
rund um den Frankfurter Flughafen als mögliche Start- und Landebahnen
v.a. für Kampfflugzeuge und die Turbopropmaschinen erwähnt
werden.
Ohne die Startbahn und den laufenden Ausbau der Frachtkapazitäten
würde es im sog. Krisen- oder Spannungsfall auf Rhein- Main
nur noch einen sehr eingeschränkten Zivilverkehr geben. D.h.
der Konzern FAG müßte - für einen unbefristeten
und möglicherweise sehr langen Zeitraum - ganz erhebliche Anteile
seines Umsatzes den Konkurrenten abtreten, was seine Monopolstellung
rapide untergraben könnte. (Unter diesem Aspekt ist wohl die
von Karry im Dezember 80 geäußerte Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit
der FAG zur Startbahnfrage zu verstehen, daß sie "der
Bedeutung dieser Sache nicht entsprochen" habe. Es sei schließlich
nicht Aufgabe des Landes Hessen, die unternehmerischen Fragen und
Positionen des Flughafens in der Öffentlichkeit auszutragen.)
Als nationaler Ausweichflughafen für den Zivilverkehr war bislang
wohl der Kölner Flughafen vorgesehen, der als einziger der
westdeutschen Flughäfen aufgrund seiner wirtschaftsgeographischen
Lage in Verbindung mit den für Großraumflugzeuge erforderlichen
Bahnen und modernsten Abfertigungseinrichtungen bei gleichzeitig
brachliegenden Kapazitäten (Auslastung unter 40%) eine Alternative
zu Frankfurt darstellt.
Die Startbahn 18 West von vorneherein ausschließlich als
"reines" US/ NATO- Projekt zu thematisieren, bewirkt nur
zwangsläufig falsche Schematisierungen und unsinnige wie unfruchtbare
Auseinandersetzungen. Wie bei nahezu allen Projekten, wo die Interessen
des ökonomischen und des militärischen Sektors zusammenkommen,
führt auch hier jede auf ein (absolutes) Entweder- Oder reduzierte
Fragestellung in die Sackgasse. Wichtig für die Perspektiven
des Widerstandes ist vielmehr, den für ein Projekt dominierenden
der beiden Sektoren herauszupuzzeln. Und das aus zwei Gründen:
- Um den hinter dem Projekt stehenden Machtblock konkreter zu
machen, auf seine Schwachstellen und Angreifbarkeit hin abzuklopfen,
dessen schwächstes Glied wie den eigentlichen Gegner kennenzulernen
und zu benennen.
- Um herauszufinden, ob überhaupt und wenn, unter welchen
Bedingungen und Voraussetzungen ein Projekt zu kippen ist: ob
es zu ver- oder nur zu behindern ist und mit welchen Perspektiven
für die Bewegung.
Wie wir gesehen haben, ist der militärische Sektor mehr Anlaß
denn Grund des Startbahnbaus. Anlaß, weil sich sein Anteil
an der Gesamtkapazität des Flughafens erhöhen wird und
im - angesichts der aggressiven imperialistischen NATO- Politik
absehbaren - "Krisenfall" große Teile der bestehenden
Kapazitäten beschlagnahmen wird. Andererseits braucht die NATO
die Startbahn nicht um jeden Preis, umso mehr aber die FAG, will
sie nicht einer von den Militärs verursachten Aushöhlung
ihrer Monopolstellung tatenlos zusehen. Wenn wir FAG sagen, meinen
wir damit immer auch den Magistrat der Stadt Frankfurt und die Regierung
des Landes Hessen als Anteilseigner der FAG, wie politisch Verantwortliche
für die kapitalistische Infrastruktur der Region. Der Frankfurter
Flughafen ist aufgrund seiner "Dienstleistungsfunktion"
für das in der Region konzentrierte Kapital der größte
"Wirtschaftsfaktor" in Hessen und darum mit ursächlich
für die Kapitalkonzentration im Rhein- Main- Gebiet. Was den
"Haushalt" der Stadt Frankfurt angeht, steht und fällt
dieser - da er sich im wesentlichen über Gewerbesteuereinnahmen
finanziert - mit der Bedeutung "seines" Flughafens.
Unbestimmter als bei diesem Trio sind dagegen die Interessen der
Lufthansa am Bau der Startbahn. So reichte auch die Palette ihrer
Äußerungen bezüglich der "Notwendigkeit"
des Startbahnbaus von Nein, Jein, Ja bis hin zur Drohung, bei Nichtbau
Kapazitäten zugunsten des geplanten Großflughafens München
2 im Erdinger Moos abzuziehen. Klar ist einerseits, daß sie
im besagten "Krisenfall" sowohl einen Teil ihrer Luftflotte,
als auch ihrer Frankfurter Frachtkapazitäten (1980: 750.000
t bei einem Bedarf von etwa 330.000 t) für militärische
Transporte zur Verfügung stellen muß. Andererseits ist
für sie als Airline Bau oder Nichtbau der Startbahn aufgrund
ihrer Mobilität viel weniger existenziell als für die
standortgebundene FAG.
Eindeutig sind die Interessen der letzten im Bunde, wenn sie auch
mit der Startbahn an sich recht wenig zu tun hat: die Bauindustrie.
An nahezu jeder Schweinerei beteiligt (AKWs, Munitionsdepots, Wohn-
Knäste usw.), ist sie gleichzeitig in der Regel das schwächste
Glied in der Kette, weil überall präsent und nur bedingt
(am Bau, aber nicht am Projekt selbst) interessiert. Damit auch
überall Angriffspunkt, ob im Baskenland (AKW Lemoniz, das mittlerweile
keine Baufirma mehr fertig bauen will), in Brokdorf oder auf der
Startbahn.
Auf der Seite der politisch für den Bau Verantwortlichen,
der hessischen Landesregierung, bis Herbst 82 bestehend aus SPD/
FDP- Koalition, gab es zwar nicht in Bezug auf den Bau, dafür
umso mehr aber in Bezug auf die Vorgehensweise tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten
(das gleiche gilt für das Atomprogramm). Diese resultierten
aus der traditionellen Integrationsrolle (gerade) der (südhessischen)
SPD. So stimmten auf dem Parteitag im November 1980 in Gießen-
Allensdorf noch ca. 80% der südhessischen Delegierten gegen
die Startbahn. Ein Abfallprodukt dieses Parteitages wie der Auseinandersetzungen
in den unteren Gliederungen der Partei war z.B. das Kasperle- Hearing
im hessischen Landtag vom Februar 81. Umso eindeutiger und bestimmter
dagegen das Vorgehen der FDP, personalisiert und kristallisiert
in ihrer politischen Leitfigur Karry.
Wenn wir zuvor die Startbahn als ein - aufgrund der immer weitergehenden
Vereinnahmung des Flughafens durch die NATO - für die FAG existenziell
wichtiges Projekt bestimmt haben, wird klar, daß es für
diese im Prinzip nicht aufgebbar ist. Hinzu kommt, daß hier
der bei dem Atomprogramm evtl. noch vorhandene Spielraum in der
Standortfrage von vorneherein wegfällt.
Was heißt nun "im Prinzip nicht" aufgebbar? Für
uns heißt das nicht, daß ein Projekt überhaupt
nicht zu verhindern ist, sondern nur unter bestimmten Bedingungen.
Daß es in der Bewegung entweder gelingt, über einen langen
(!) Zeitraum die Region "unregierbar" zu machen, damit
die Herrschenden vor die Alternative stellt, das Projekt entweder
fallen zu lassen oder eine qualitativ neue Stufe von Unterdrückung
und somit politischer Herrschaftsform zu beschreiten. Oder - das
ist zwar kein Gegensatz, aber auch nicht unbedingt dasselbe - die
Bewegung bzw. Teile von ihr entfalten ein qualitatives und quantitatives
Ausmaß an Militanz und Angriffen auf die Betreiber, daß
das Projekt nicht durchziehbar ist. (Bsp.: ETA/Lemoniz).
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