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11. Oktober 2001: 27. Prozesstag

Gericht lehnt Aussetzung ab

Wie am vorherigen Verhandlungstag angekündigt, gab heute der 2. Strafsenat seine Entscheidung zum Aussetzungsantrag der Verteidigung ab. Diese hatte gefordert, das Verfahren so lange zu unterbrechen, bis die nachträglich aufgetauchten rund 1.480 Tonbänder von Telefonüberwachungen der Anschlüsse Mouslis ausgewertet seien.

Der Senat lehnte heute eine Aussetzung des Verfahrens ab. Eine Aussetzung sei nicht angemessen. Es müsse zwischen der Bedeutung der Beweismittel und dem Beschleunigungsgebot hinsichtlich einer raschen Verhandlungsführung gegeneinander abgewogen werden, so das Gericht. Allerdings kam nach bisheriger Sichtung des Materials der Senat - in Übereinstimmung mit dem Bundeskriminalamt (BKA) - zur Überzeugung, dass das nun aufgetauchte Beweismaterial keinerlei Beweisrelevanz habe und auch die Verteidigung in ihrem Antrag dazu nichts Wesentliches vorgetragen hätte. Da den Angeklagten zudem je zwei Pflichtverteidiger beigeordnet seien, wäre ein paralleles Abhören der Bänder neben der Hauptverhandlung für die Verteidigung durchaus zumutbar.

Auf diese Entscheidung reagierte die Verteidigung, im Namen aller Angeklagten, mit Befangenheitsanträgen gegen die RichterInnen des Senats. Der Beschluss des Senats, so die Verteidigung, käme einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, wobei sich der Senat die Sichtweise des Bundeskriminalamtes zu eigen gemacht habe. Außerdem hätte der Senat mit seiner Entscheidung gegen die Prinzipien der Wahrheitsermittlung und der Verfahrensbeschleunigung verstoßen. Die Wahrheitsermittlung erfordere die Überprüfung der nachträglich aufgetauchten Telefonüberwachungs- Kassetten. Und von Verfahrensbeschleunigung könne keine Rede sein, wenn der Senat die Vernehmung des Kronzeugen aussetze, um in dieser Zeit Zeugen zu vernehmen, die zur Überführung der Angeklagten keinen Beitrag leisten können.

Wie sich der Prozess nach Ansicht des Gerichts in den nächsten Wochen gestalten soll, zeigte die anschließende Vernehmung von zwei Zeugen zum Anschlag auf Harald Hollenberg, die nach kurzer Zeit abgeschlossen war und nichts wesentliches zur Beweiswürdigung erbrachte.

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5. Oktober 2001: 26. Prozesstag

Stellungnahme der Rechtsanwältinnen zu den Anwürfen der Bundesanwaltschaft

Wie am gestrigen Prozesstag angekündigt, nahmen heute die Rechtsanwältinnen Silke Studzinsky und Andrea Würdinger zu der Erklärung der Bundesanwaltschaft (BAW) Stellung, die am gestrigen Prozesstag von Bundesanwalt Bruns verlesen wurde.

In - angesichts der Polemik und Indifferenz der BAW - höchst sachlicher Form stellten die Anwältinnen die vier durch die BAW monierten Problemkomplexe richtig. (s. Stellungnahme)

Weder ging es, so die beiden Verteidigerinnen, um die "Zahlungsmoral" des Kronzeugen Mousli, sondern um die "Aufklärung seiner finanziellen Situation" und dessen Angaben dazu.

Weder ging es um die "Sexualmoral" des Zeugen Mousli, sondern darum, anhand verschiedener Beispiele nachzuweisen, dass die Beweismittel, die von der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt (BKA) bisher beigebracht wurden, unvollständig sind. Noch könne von "Diffamierung" die Rede sein, denn bereits die Wortwahl der Anwältinnen habe gezeigt, dass im Mittelpunkt die Problematik stehe, dass es ihnen um die Vollständigkeit des Beweismaterials, nicht um Diffamierung des Kronzeugen gehe.

Weder haben sie, die beiden Verteidigerinnen Studzinsky und Würdinger, je behauptet, das Gespräch zwischen Janet O. und Tarek Mousli sei auf den Tonbandmitschnitten nicht vorhanden, noch hätten sie überhaupt zu diesem Sachverhalt in ihrem Antrag Stellung genommen. Die Anwürfe der BAW seien auch insofern gegenstandslos.

Weder sei es so, dass in einer öffentlichen Hauptverhandlung davon die Rede sein könne, Stellungnahmen dürften der Öffentlichkeit - und sei es über das Internet - nicht zur Kenntnis gebracht werden, noch gebe es überhaupt einen Anlass, sich von eben diesen Veröffentlichungen zu distanzieren. Selbst bei nicht-öffentlichen Verhandlungen sei eine Veröffentlichung solcher Stellungnahmen nicht zu beanstanden.

Abschließend betonten die beiden Verteidigerinnen, dass sie sich von der BAW "durch Polemik, Diffamierung und Bedrohung an der Ausübung ihrer Verteidigungstätigkeit" nicht werden hindern lassen. Im Namen ihres Mandanten, Harald Glöde, forderten sie die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig, zudem auf, "diesen Versuch der BAW" zu "unterbinden."

Nach dieser Stellungnahme wurde der Zeuge Peter G. (62) zu seinen Beobachtungen im räumlichen Umfeld des Anschlags auf den Verwaltungsrichter Hollenberg gehört. Seine Personenbeschreibungen deckten sich mit keiner der derzeit angeklagten und in Untersuchungshaft befindlichen Personen. Auch die Verlesung der Vernehmungen des mittlerweile verstorbenen Harald Hollenberg und seiner ebenfalls verstorbenen Nachbarin Helga R. trugen zur Identifikation der Täter nichts bei.

Bundesanwalt Bruns sagte auf Anordnung der Vorsitzenden Richterin Gisela Hennig zu, fünf Sätze der 955 Telefonmitschnitte für die Verteidigung bereitzustelleen und ein Schreiben an das BKA zu richten, das sicherstellen soll, dass nun tatsächlich alle Beweismittel dem Kammergericht und der Verteidigung zur Verfügung stehen. Wörtlich gestand Michael Bruns ein, dass "Beschlüsse verschlampt" und "Murx gelaufen" seien, wies aber eine Verantwortung seiner dem BKA gegenüber weisungsbefugten Behörde zurück: Es sei zwar eine "Panne, aber für die Schlampereien gewisser Behörden sind wir nicht verantwortlich."

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04.10.2001: 25. Prozesstag

Kriegserklärung der Bundesanwaltschaft

Über den Aussetzungsantrag der Verteidigung wird voraussichtlich erst morgen entschieden. Die Bundesanwaltschaft kündigt einen "Krieg" gegen die Verteidigung an, weil diese sich die "Totalvernichtung der bürgerlichen Existenz des Kronzeugen" zum Ziel gesetzt habe. Den einzigen relevanten Vorwurf gegen die Verteidigerinnen in seiner Erklärung musste Bundesanwalt Bruns allerdings sofort zurücknehmen. Mit der kurzen Vernehmung eines Zeugen im Fall Hollenberg, geladen war der damalige LKA-Ermittlungsleiter, endete der Prozess bereits vor der Mittagspause.

Am heutigen 25. Prozesstag kam es wider Erwarten nicht zu der von der Vorsitzenden Richterin angekündigten Entscheidung des Aussetzungsantrags der Verteidigung. Grund dafür war ein von Rechtsanwalt König im Namen des heute abwesenden Rechtsanwalts Euler (Frankfurt/M.) verlesener Ergänzungsantrag zum Antrag der Verteidigerinnen Würdinger und Studzinsky.

Euler verwies in seinem Antrag darauf, dass er keine Zeit haben würde, das erst nachträglich aufgetauchte Beweismaterial parallel zum Prozess zu würdigen. Wenn dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens - insgesamt über 1.400 Tonbandmitschnitte müssen abgehört werden - nicht stattgegeben würde, käme das daher einer Behinderung der Verteidigung gleich. Euler verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass er und sein Kollege König seinerzeit einer verkürzten Einarbeitungszeit in das Verfahren nur deshalb zugestimmt hätten, weil sie davon ausgegangen waren, das Beweismaterial sei vollständig. Rechtsanwalt König schloss sich diesem Antrag an; ebenso Rechtsanwalt Eisenberg. Die Vorsitzende Richterin Hennig verschob daher die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens - nach einer einstündigen Pause - auf den morgigen Prozesstag.

Bundesanwalt Bruns sprach in einer abgegebenen Erklärung von "Vorfällen" in der vergangenen Woche und kündigte einen "Krieg" gegen die Verteidigung an. Die Rechtsanwältinnen Studzinsky und Würdinger hatten Material vorgelegt, dass die Relevanz der erst später aufgetauchten Telefonüberwachungsbänder (TÜ-Bänder) für die Wahrheitsfindung in diesem Verfahren belegt und dabei auch auf die persönlichen Lebensumstände von Tarek Mousli Bezug genommen. Bruns wertete das Beweismaterial jedoch als "schmierige Histörchen aus dem Leben eines 'Märchenprinzen'", das keine Beweiskraft habe. Die Anwältinnen seien zudem nicht in der Lage, Telefonbänder überhaupt korrekt abzuhören. Ein Vorwurf, der sich nicht aufrechterhalten ließ, denn es war - wie die Vorsitzende Richterin Hennig sofort bestätigte - ihre und die des Beisitzenden Richters Hanschke Behauptung gewesen, dass auf den Bändern ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Tarek Mousli und seiner damaligen Lebensgefährtin Janet O. fehle. Dennoch sehe, so Bruns, die Bundesanwaltschaft "keine Grundlage mehr für eine gemeinsame Prozessführung."

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27.09.2001: 24. Prozesstag

RZ-Prozess vor dem Aus?

Noch bevor die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig, am heutigen Prozesstag über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens beschließen konnte, den die Verteidigung bereits am 13. September gestellt hatte, meldeten sich erneut die Rechtsanwältinnen Studzinsky und Würdinger zu Wort.

Zwar läge ihnen jetzt das weitere Beweismaterial in Form von zusätzlichen 955 Kassetten aus den Telefonüberwachungen der Anschlüsse Mouslis und 23 Aktenordner mit Wortprotokollen vor, doch hätte sich bereits bei einer ersten Durchsicht der 825 Kassetten der ersten Lieferung und der dazugehörigen Abhörprotokolle erwiesen, dass ihr Antrag auf Aussetzung der Verfahrens um weitere Elemente erweitert werden muss.

Erstens belegten sie anhand von Beispielen, dass die Wortprotokolle nicht mit den auf den Kassetten zu hörenden Gesprächen identisch sind - es müssten also alle Bänder abgehört und mit den Wortprotokollen abgeglichen werden. Zudem sei es notwendig zu prüfen, ob Originale und Kopien der Kassetten identisch seien, denn es gebe auffällige Lücken.

Zweitens hatten die Berechnungen der Rechtsanwältinnen ergeben, dass es 716 Stunden und damit selbst bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden mehrere Monate dauern würde, alle Bänder abzuhören - eine Aufgabe, die parallel zu dem jetzt stattfindenden Verfahren nicht geleistet werden kann. Klar wurde dabei auch, dass sich offensichtlich weder das Gericht, noch die Bundesanwaltschaft (BAW), noch die anderen VerteidigerInnen bisher überhaupt der Mühe unterzogen haben, die Telefonüberwachungskassetten anzuhören.

Drittens konnten sie allein mit einer kleinen Stichprobe aus dem Konvolut dieser Kassetten nachweisen, dass es in den abgehörten Telefongesprächen um Fragen geht, die mindestens für das Zustandekommen der Aussagen Mouslis von großer Bedeutung sind. Die BAW hatte das bisher immer wieder vehement bestritten. - So stellte sich aber heraus, dass Mousli offensichtlich schon viel früher als bisher von Bundeskriminalamt (BKA) und BAW angegeben, die Kronzeugenregelung angeboten wurde und dass das BKA seiner damaligen Lebensgefährtin Janet O. telefonisch mitteilte, sie müsse gegenüber dem damaligen Anwalt Mouslis "jetzt nicht mehr weiter lügen."

Das Gericht hatte bereits am 25. September schriftlich die Aufhebung der Haftbefehle abgelehnt, wollte heute aber über diesen erweiterten Antrag - der wiederum die Aufhebung der Haftbefehle und die Aussetzung des Verfahrens bis zur vollständigen Sichtung des Beweismaterials beinhaltet - nicht entscheiden. Der Prozess ist daher bis zum 4. Oktober 2001 unterbrochen.

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21.09.2001: 23. Prozesstag

Mouslis Erinnerungen an Schulden und Anschlagsvorbereitungen werden geweckt - BAW verspricht, 23 immer noch fehlende Aktenordner am kommenden Montag nach Berlin zu speditieren

Gericht und Verteidigung setzten heute die Befragung von Tarek Mousli fort.

In Bezug auf ein Darlehen über 40.000 DM sagte Mousli, es hätte sich dabei um einen zinslosen Kredit gehandelt, den er 1986 für seine damalige Firma bei einem Freund aufgenommen habe. "Das hört sich absurd an", bemerkte der Beisitzende Richter Lechner, als der Kronzeuge erklärte, er sei nie davon ausgegangen, dass er dieses Geld auch zurückzahlen müsse.

Warum Mouslis Freund 1995 auf einem erneuten schriftlichen Schuldanerkennungsschreiben bestanden hatte und Jahre später einen Vollstreckungsbescheid erwirken sollte, wusste Mousli nicht zu erklären. Ebensowenig konnte der Kronzeuge erhellen, warum seine damalige Freundin Karmen T. sich bei ihrer Aussage daran erinnert hatte, Mousli habe besagtes Darlehen als keine reale Schuld, sondern als Mittel der "Geldwäsche" bezeichnet. Dass er bei seinen Vernehmungen durch das Bundeskriminalamt 1999 diese Schulden als "fiktiv" bezeichnet hatte, nannte Mousli heute einen "nicht ganz glücklich" gewählten Begriff.

Weitere Widersprüche taten sich auf, als der Kronzeuge zu seiner konkreten Beteiligung an RZ-Aktionen aussagte. Erst erklärte er, insgesamt nur an drei Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Auf Vorhalt von seiten der Verteidigung kam ihm dann doch die Erinnerung an seine Verwicklung in zumindest eine weitere Anschlagsvorbereitung zurück. Einen geplanten Anschlag, von dem Karmen T. ausgesagt hatte, Mousli habe ihr über sein Mitwirken berichtet, wollte er heute nur aus Erzählungen von Lothar E. kennen. Er selbst sei nicht beteiligt gewesen.

Nach wie vor liegen beweisrelevante Dokumentationen umfangreicher Telefon-Überwachungsmaßnahmen aus dem Zeitraum September 1999 bis Januar 2000 weder dem Gericht noch der Verteidigung komplett vor. 955 in diesem Zeitraum aufgezeichnete Kassetten wurden inzwischen ausgehändigt. 23 Ordner mit Protokollen sollen am kommenden Montag nach Berlin überstellt werden.

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20.09.2001: 22. Prozesstag

Beweisunterschlagung ist kein Grund zur Aussetzung des Verfahrens

Vor gut einem Dutzend ZuschauerInnen und zwei ZivilbeamtInnen auf den Besucherbänken wurden am heutigen Vormittag die bereits am letzten Prozesstag gestellten Anträge verhandelt. Die Verteidigung wies dabei nachdrücklich und ausführlich auf die zumindest fahrlässige Unterschlagung relevanter Beweismittel und Ermittlungsakten durch das BKA und die BAW hin. Eine sachdienliche Fortsetzung der Verhandlung zum jetzigen Zeitpunkt sei unmöglich. Die bevorstehende zeitaufwendige Erarbeitung dieses neuen Materials der Telefonüberwachung (955 Tonbänder und 23 Aktenordner) u.a. des Kronzeugen, mache eine längere Aussetzung des Verfahrens unausweichlich. Eine Fortsetzung der Untersuchungshaft für die Beklagten wäre dann noch unangemessener. Die ZuhörerInnenbänke waren dann rechtzeitig gut gefüllt, um die Beschlüsse des Gerichtes zu vernehmen: eine Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens und die Aufhebung der Haftbefehle wurde vertagt, bis dem Gericht die jetzt aufgespürten Ermittlungsunterlagen zur Verfügung stehen.

Anschließend betrat wieder der Kronzeuge Mousli den Ort der Wahrheitsfindung und wurde vom Gericht mit den Aussagen der Zeugin Karmen T., seiner früheren Lebensgefährtin, konfrontiert, die deutlich von seinen Darstellungen abweichen. Die große Mehrheit ihrer Aussagen widersprechen z.T. völlig den bisherigen Angaben des Kronzeugen, besonders über seine ihr gegenüber offenbarte eigene Beteiligung an der 'Organisation' Revolutionäre Zellen. Da hätte seine damalige Partnerin wohl einiges durcheinander gebracht oder sich falsch erinnert, so die lapidaren Erklärungsversuche dieser Diskrepanzen durch Mousli.

Die Befragung des Kronzeugens zu diesem Komplex wird morgen, am 21.09., fortgesetzt. Am 27. und 28. 09. wird voraussichtlich Mouslis letzte bekannte Freundin Janette O. vernommen werden.

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