nachfolgende Prozesstage
08.11.2001: 33. Prozesstag
Hatte der Kronzeuge Verbindungen zu 'arabischen Terroristen'?
Der Strafsenat des Kammergerichtes bemühte heute zur Wahrheitsfindung
wiederholt das Gedächtnis mehrerer ZeugInnen. Sie sollten Aussagen
zum Anschlag auf den damaligen 'Asylrichter' Korbmacher im September
1987 machen. Eröffnet wurde der Verhandlungstag allerdings mit Anträgen
der Verteidigung.
Rechtsanwalt Kaleck stellte einen Beweisantrag, der mögliche Kontakte
des Kronzeugen Tarek Mousli zu 'arabischen Terroristen' offenbaren
soll. In der Begründung zum Haftbefehl für den Kronzeugen selber,
im November 1999, habe Bundesanwaltschaft (BAW) und Bundeskriminalamt
(BKA) auf diese offenbar bestehenden Verbindungen hingewiesen. Auch
der Antrag einer Überwachung seines Telefonanschlusses (TÜ) im Snoops-Sportcenter
(August 1999) enthalte Aussagen über einen entsprechenden Umgang
von Tarek Mousli. Allerdings seien den Ermittlungsakten keinerlei
Erkenntnisse zu entnehmen., die zu dieser Feststellung führten.
Es wurde beantragt die dazu vorhandenen Ermittlungsergebnisse des
BKA und BAW in den Prozess einzuführen.
Weiterhin forderte Kaleck den Strafsenat auf zu prüfen, ob im Rahmen
der Rasterfahndung, die anlässlich der Ereignisse am 11. September
2001 durchgeführt wird, neue Tatsachen über Verbindungen des Kronzeugen
zu 'arabischen Terrorgruppen' bekannt geworden seien.
Im Anschluß daran beantragte Rechtsanwalt Eisenberg die Ladung
weiterer Zeugen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Tatkomplex
Hollenberg.
Im weiteren Verlauf des Tages wurden dann sechs ZeugInnen gehört,
die Aussagen zum Fall Korbmacher machen sollten. Vier der Geladenen
spannten ihre Erinnerung hinsichtlich eines angeblich dabei benutzten
Motorrades an, während zwei Kriminalbeamte zu den Ergebnissen ihrer
damaligen Ermittlungstätigkeit befragt wurden. Alle Antworten der
Zeugen erbrachte keinerlei Hinweise auf eine direkte oder mittelbare
Tatbeteiligung der Angeklagten.
Morgen, am 09.11.01, geht's mit Zeugenbefragungen weiter: gleiche
Stelle - gleiche Welle.
ausführlicher Bericht
05.11.2001: 32. Prozesstag
Zwei Mal zehn Minuten
Die heutige Hauptverhandlung war eine kurze und kuriose
Angelegenheit. Um 8.37 eröffnete die Vorsitzende Richterin Gisela
Hennig die Verhandlung, die so richtig keine war. Durch den beisitzenden
Richter Hanschke wurde im Anschluss daran ein polizeitechnisches
Gutachten vom 14. November 1986 verlesen, deren Gegenstand die physikalische
Untersuchung der Bekleidung von Harald Hollenberg war, die er zum
Zeitpunkt des Attentats getragen hatte. Beschreiben wurden im Gutachten
die Ein- und Ausschusslöcher in den einzelnen Bekleidungsstücken
(Hose, Mantel etc.), weiterhin wurde auf Schmauchspuren und die
Problematik, wie per Ermittlung der Bleiflächendichte Nahschussmerkmale
zu bestimmen sind, eingegangen. Nach der Verlesung durften alle
Prozessbeteiligten dann noch Bilder der Bekleidung, die während
der polizeitechnischen Untersuchung gemacht wurden, "in Augenschein" nehmen. Um 8.46 war dann alles vorbei, die Hauptverhandlung wurde
unterbrochen und für den kommenden Donnerstag wieder angesetzt.
Da Sabine E. um 8.30 Uhr nicht in den Gerichtssaal gebracht werden
konnte, wurde für sie die gesamte Prozedur ab 10 Uhr wiederholt.
Ermöglicht hatte dies das Gericht, in dem das Verfahren zur besonderen
Verhandlung abgetrennt wurde.
Der Prozess wird am Donnerstag, den 8. November um
9.15 Uhr fortgesetzt. (Auf Grund der besonderen Umstände verzichten
wir dieses Mal auf einen ausführlichen Bericht des 32. Prozesstags)
ausführlicher Bericht entfällt
26.10.2001: 31. Prozesstag
Frau mit Mondgesicht
Zwei Zeugenbefragungen standen heute auf dem Programm des 1. Strafsenats
des Kammergerichts Berlin. Vorgeladen war zwei Zeuge, von denen
der eine über das Knieschussattentat auf den damaligen Leiter der
Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, sowie der andere über
den Anschlag auf Dr. Korbmacher berichten sollte. Dabei handelte
es sich um einen Bauarbeiter, der sich beim Anschlag Dr. Korbmacher
zum Tatzeitpunkt gegenüber dem Tatort aufgehalten hatte, und einen
inzwischen pensionierten Kriminalbeamten, der die Ermittlungen des
Berliner Staatsschutzes im Fall Hollenberg geleitet hatte.
Der heute arbeitslose Günter S. befand sich am 1. September 1987
auf einem Grundstück gegenüber der Garageneinfahrt, wo Dr. Korbmacher
angeschossen wurde. Zum unmittelbaren Tatgeschehen konnte er keine
Angeben machen, er habe es lediglich knallen gehört und die TäterInnen
auf einem Motorrad flüchten gesehen. Nähere Angaben zu den TäterInnen
konnte er mit Gewißheit nicht machen.
Der Kriminalbeamte a.D. Harald B. (56) war bis zu seiner Frühpensionierung
im Jahre 2000 beim Berliner Staatsschutz für "linksextremistische"
und "linksterroristische" Straftaten zuständig. In diesem Zusammenhang
war er an den polizeilichen Ermittlungen im Fall Hollenberg beteiligt.
Er führte auch die erste Befragung von Harald Hollenberg eineinhalb
Stunden nach dem Anschlag und spätere Vernehmungen. Hollenberg habe,
so Harald B., den Tatablauf "präzise, klar und detailliert" geschildert.
Laut Hollenberg seien an dem Anschlag eine Frau und ein Mann beteiligt
gewesen. Seine Angaben seien später durch einen Text, der im "Revolutionären
Zorn" erschienen sei, bestätigt worden. Die Frau beschrieb Hollenberg
als mollig, mit einem runden Mondgesicht und einem verhältnismäßig
breiten Hals. "Die Frau ist keinesfalls als gut aussehend zu bezeichnen",
so heißt es in dem entsprechenden Vernehmungsprotokoll.
Im weiteren Verlauf der Befragung spielte vor allem eine Lichtbildmappe
mit ca. 220 Bildern von Männern und Frauen aus dem "linksextremistischen"
und "linksterroristischen" Umfeld eine Rolle, die Hollenberg damals
vorgelegt wurde und deren Verbleib heute unbekannt ist. Der pensionierte
Kriminalhauptkommissar vermutet allerdings, dass es von dieser Bildermappe
mindestens drei Exemplare gab und eine davon eventuell sich heute
noch in den Beständen der Bundesanwaltschaft befindet.
Zum Ende der Hauptverhandlung stellte die Verteidigung den Antrag
auf Kostenübernahme für die Einstellung von MitarbeiterInnen, die
eingestellt werden müssten, um eine schnelle Sichtung der nachgelieferten
Bänder aus der Telefonüberwachung der Anschlüsse von Tarek Mousli
zu gewährleisten. Nur so könne eine weitere Verschleppung des Prozesses
verhindert werden.
Nach rund drei Stunden verabschiedete sich das Gericht in die Herbstferien,
wobei es ausdrücklich noch einmal darauf hinwies, dass es sich bei
dem nächsten Prozesstermin am 5. November um eine kurzes Zusammentreffen
zur Wahrung der Zehn-Tages-Frist handele.
Der Prozess wird also formal am Montag, den 5. November, um 8.30
Uhr "fortgesetzt".
ausführlicher Bericht
25.10.2001: 30.Prozesstag
Dr. Korbmacher vor Gericht
Vier Zeugen waren heute vor Gericht geladen, die alle zum Knieschussattentat
auf Dr. Günther Korbmacher befragt wurden. Im Einzelnen handelte
es sich um den Kriminalbeamten Rainer G. (56), den Nachbarn und
Richterkollegen von Dr. Korbmacher, Dr. Horst S. (59), den medizinischen
Sachverständigen Prof. Klaus-Steffen Saternus sowie Dr. Korbmacher
selbst. Zu Beginn der heutigen Hauptverhandlung stellte RA Studzinsky
erneut einen Antrag, bei dem es wieder einmal um Akten bzw. Aktenbestandteile
ging, die der Verteidigung bislang nur bruchstückhaft bzw. ganz
vorenthalten wurde. Dabei handelt es sich u.a. um Observationsberichte
und Unterlagen aus der Telefonüberwachung von Anschlüssen Mouslis
bzw. seiner Lebensgefährtin O..
Währende Dr. Korbmacher und die Zeugen G. und S. zum Tathergang
befragt wurden, war Prof. Saternus, seines Zeichens Arzt für Gerichts-
und Umweltmedizin, als Sachverständiger geladen, der über die Schussverletzungen
bei Harald Hollenberg und Dr. Korbmacher berichtete. Während der
Kriminalbeamte G. auf Grund seines Aktenstudiums im Vorfeld seiner
heutigen Befragung mehr oder weniger flüssig seine damalige Ermittlungsarbeit
beschreiben konnte, wurde im Lauf der Befragung von Dr. Korbmacher
und Horst S. erneut deutlich, wie sich Erinnerungen im Lauf der
Zeit verfestigen und verfälschen können. Nach Vorhaltungen aus den
unmittelbar nach dem Anschlag aufgenommenen Vernehmungsprotokollen
müssten beide Teile ihrer Erinnerungen korrigieren. Beobachtungen,
die auf eine Tatbeteiligung der Angeklagten Hinweise hätten geben
können, wurden von allen Zeugen nicht gemacht.
ausführlicher Bericht
18.10.2001: 29. Prozesstag
Erneut "viel sagende" Zeugen im RZ-Verfahren
Der Verlauf des Verfahrens war von einer gewissen Redundanz gekennzeichnet:
Es sind drei Gutachten und die Aussage eines verstorbenen Zeugen
verlesen sowie zwei Zeugen vernommen worden.
Die Gutachten bezogen sich auf einen im Oktober 1986 teilweise
ausgebrannten VW Passat, in welchem nicht nur ein "USBV" (Unkonventionelle
Selbst hergestellte Brandvorrichtung) sondern auch ein Klappfahrrad
gefunden worden waren.
Der verstorbene Zeuge hatte Mitte der 80-er Jahre seinen Personalausweis
verloren, verloren gemeldet und nicht zurück erhalten. Mit dessen
Ausweis war zum einen der genannte VW Passat gekauft worden, zum
anderen eine "konspirative Wohnung" in Berlin angemietet worden.
Der zweite Zeuge, ein arabisch stämmiger Mann, war damals Besitzer
jenes Wagens, zu welchem die Täter des Oktober 1986 eine Doublette
herstellten.
Der dritte Zeuge war zur Tatzeit Nachbar zur Rechten von Harald
Hollenberg.
In der Folge stellte Rechtsanwalt Euler den Antrag, das Verfahren
für 30 Tage auszusetzen, um die bislang "unterschlagenen" Abhörtonbänder
abzuhören.
Die Bundesanwaltschaft stellte die Ankunft der ersten kopierten
Bänder für kommende Woche in Aussicht, die der kompletten Mitschnitte
bis in drei Wochen.
Das Gericht schloss das Verfahren, kündigte eine Entscheidung über
Eulers Antrag für den kommenden Verhandlungstag, Donnerstag, 25,
Oktober, 9.15 Uhr an.
ausführlicher Bericht
12. Oktober 2001: 28. Prozesstag
Gericht verweigert dem Angeklagten Harald G. Schutz vor Angriffen
der Bundesanwaltschaft
Nur eine gute Stunde brauchten sich die Handvoll ProzessbesucherInnen
durch den heutigen Verhandlungstag zu mühen. Dieser begann mit einem
kurzen Disput über die fehlende Reaktion des Senats auf eine Erklärung
der Bundesanwaltschaft(BAW) vom 4.10., in dem diese der Verteidigung
von Harald G. "den Krieg" erklärt hatte. Er endete mit einer noch
kürzeren Zeugenvernehmung eines Kriminalbeamten zum Komplex Hollenberg.
Kurz nach halb elf wurde die verhandlungsähnliche Veranstaltung
beim Kammergericht auf den 18. Oktober vertagt.
Der Angeklagte Harald G. verlangte vergeblich Aufklärung vom Gericht
darüber, was es zum Schutz gegen die 'Kriegserklärung' der Bundesanwaltschaft
gegenüber seinen VerteidigerInnen Studzinski und Würdinger unternommen
habe. Die Vorsitzende Richterin Hennig sah dazu keine Veranlassung.
Die Verteidiger Kaleck und Eisenberg forderten ebenfalls eine Erklärung
zu dem unangemessenen Verhalten der BAW ein. Dadurch genötigt bescheinigte
die Richterin der BAW eine überspitzte und polemische Wortwahl,
die sich aber völlig im Rahmen des bisherigen Verhandlungsstils
bewegen würde.
Anschließend trat der Kriminalbeamte Klaus S. als Zeuge auf. Er
sollte zu dem Fund eines VW Typ Passat im Oktober 1986 befragt werden,
der angeblich bei dem Angriff auf den Richter Hollenberg benutzt
worden sei. Auch nach Inaugenscheinnahme von 30 Fotoseiten konnte
sich der Zeuge an entscheidene Einzelheiten des Vorganges nicht
mehr erinnern, letztlich nur daran, dass er dabei im Einsatz war.
ausführlicher Bericht
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