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26. Prozesstag: 5. Oktober 2001

Stellungnahme der Verteidigung Glöde

Der 25. Prozeßtag begann mit der Verlesung einer Erklärung der Verteidigung Glöde, in der sie auf die erhobenen diffamierenden Vorwürfe der BAW am vorherigen Prozeßtag einging. Die Verteidigung wies die Ausführungen der BAW zurück und erklärte, daß es ihr nicht um die Diffamierung des Kronzeugen gehe, sondern sie es vielmehr beweiserheblich finde, genauere Kenntnis über die finanzielle Situation des Kronzeugen Mousli zu erlangen, da dies für sein Aussageverhalten und seine Glaubwürdigkeit offensichtlich von Bedeutung sei.

Ferner sei es ihnen nicht darum gegangen, durch ihre Vorhaltungen gleichsam "schmutzige Wäsche" zu waschen, sondern auf die Unvollständigkeit der vorliegenden Beweismittel hinzuweisen.

Es gehe bei dieser Auseinandersetzung um den Umstand, dass erst vor kurzem in dem Verfahren deutlich wurde, dass Tonbänder der Telefonüberwachung des Kronzeugen Mousli nicht vollständig dem Kammergericht und der Verteidigung zur Verfügung stehen. Da auch der Gerichtssenat alle vorhandenen Bänder für beweiserheblich hält, sei es dringend geboten, die Bänder vollständig in das Verfahren einzuführen.

Abschließend forderte die Verteidigung im Namen ihres Mandanten die Vorsitzende Richterin auf, gegen die "Diffamierung, Polemik und Bedrohung" seitens der Bundesanwaltschaft (BAW) einzuschreiten.

Beweismittel endlich vollständig?

Am Ende des heutigen Verhandlungstages wurde die unvollständige Aktenlage nochmals erörtert. Die Vorsitzende Richterin ordnete förmlich an, dass eine Kopie zumindest aller 955 neu aufgetauchten Bänder - es handelt sich um insgesamt über 1.400 Kassetten - der Verteidigung und dem Kammergericht durch die BAW zur Verfügung gestellt werden müssen. Die BAW sagte dies auf das förmliche Ersuchen des Kammergerichts zu, so dass nun der Kopie der Bänder nichts mehr im Wege stehen dürfte.

Über Frage, ob aufgrund der neuen Aktenlage das Verfahren ausgesetzt wird, will die Richterin nächste Woche erst entscheiden. Die BAW gestand ein, daß es "in jeder Behörde Murx gibt". Damit versuchte Bundesrichter Michael Bruns auch das Fehlen verschiedener Unterlagen in den Akten zu entschuldigen. Für weitere "Schlampereien" sei die Bundesanwaltschaft jedoch nicht verantwortlich, da dies das Bundeskriminalamt (BKA), nicht jedoch seine Behörde treffe. An das BKA wird seitens der BAW ein förmliches Ersuchen gestellt - so die Zusage von Bruns -, sicher zu stellen, dass sich kein weiteres Beweismaterial zu diesem Verfahren in deren Besitz befindet. Einen förmlichen Suchauftrag - wie von Rechtsanwalt Eisenberg vorgeschlagen - innerhalb der BAW selbst lehnte Bundesanwalt Bruns jedoch ab. Er versicherte jedoch, dass nach diesem Ersuchen davon ausgegangen werden könne, dass die Akten vollständig seien; sein Wort müsse reichen.

In Hinblick auf die 528 Kassetten der ersten Lieferung stellten die Anwältinnen Studzinsky und Würdinger klar, dass sie diese noch keinesfalls vollständig sichten konnten und sich zudem noch 58 im Besitz des BKA befänden.

Zeugenvernehmung zum Fall Hollenberg, Teil 1

Nachdem die Erklärung der Verteidigung dem Gericht und der Bundesanwaltschaft übergeben worden war, wurde mit einer Zeugenvernehmung der Anschlag auf den Verwaltungsrichter Harald Heinrich Hollenberg Gegenstand der Hauptverhandlung. Gehört wurde der Zeuge Peter G. (62). Er war Augenzeuge der Flucht der mutmaßlichen Täter im Falle der Körperverletzung an Harald Hollenberg. Hollenberg war durch Schüsse in beide Unterschenkel im Jahr 1986 verletzt worden. Der Zeuge war am Tattag beruflich in einer nahegelegenen Straße beschäftigt, in der das Fluchtauto mit einem wartenden männlichen Insassen geparkt haben soll. Da er einen Fahrraddiebstahl vermutete (die mutmaßlichen Täter benutzten bei ihrer Flucht ein Klappfahrad, das sie nach seinen Angaben nur mit Mühe in dem Pkw verstauen konnten), notierte er sich das Kennzeichen des Fluchtfahrzeuges und lieferte eine Personenbeschreibung der Flüchtenden. Die im Gerichtssaal gemachten Aussagen - insbesondere zu der an dem Anschlag beteiligten Frau - wichen erheblich von den Angaben der BAW ab. Der Zeuge sah eine sehr korpulente Frau - "die hatte richtig was auf den Rippen" -, die BAW jedoch behauptet, es handele sich nach den Aussagen ihres Kronzeugen Mousli eindeutig um Sabine E., die augenscheinlich eine zierliche Person ist und auch keine "großen braunen Augen" hat.

Den Fahrer des Pkw konnte Peter G. auch in einer ihm im Jahre 2000 vorgelegten Lichtbild-Mappe nicht eindeutig identifizieren - "ich habe ja halb Berlin auf Fotos gesehen, und Starphotos waren das ja nun gerade auch nicht." Zudem war sich der Zeuge sicher, dass es sich am heutigen Prozesstag um andere Photos gehandelt habe, als um die, die ihm seinerzeit vorgelegt wurden.

Die ihm bereits in den späten 80er Jahren vorgelegten Lichtbild-Mappen des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) - das ergab eine Recherche der Vorsitzenden Richterin Gisela Hennig - sind nicht mehr auffindbar, so dass diese zu den Akten gehörigen Beweismittel verschwunden bleiben werden.

Dieser Zeuge der Anklage hat die Aussagen Mouslis in Frage gestellt und der BAW nicht weiter geholfen. Nach Vereidigung des Zeugen wurde dieser entlassen.

Zeugen"vernehmung" zum Fall Hollenberg, Teil 2

Zum Abschluß der heutigen Hauptverhandlung wurden die polizeilichen Aussagen der bereits verstorbenen Zeugen Harald Hollenberg und Helga R., Nachbarin von Hollenberg, verlesen. Auch diese Aussagen konnten zur Identifikation der Tatbeteiligten keine Beiträge leisten. Deutlich wurde durch das Verlesen der Vernehmungen jedoch, dass der verstorbene Hollenberg wiederholt seinen Eindruck wiedergegeben hatte, eine Frau habe auf ihn geschossen. Demgegenüber besteht der Zeuge vom Hörensagen Mousli darauf, dass er gehört habe, ein Mann - er selbst bezichtigt den Angeklagten Rudolf Sch. - habe geschossen.

Zum Abschluß wurde das weitere Vorgehen zwischen den Prozessbeteiligten besprochen. Die angeforderten Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) - es geht um die Verhöre mit Mousli durch diese Behörde - werden dem Kammergericht und der Verteidigung lediglich in einer um vermeintlich andere, dort zur Sprache kommende Tatkomplexe und deshalb geschwärzten Fassung zur Verfügung gestellt - mehr will die Behörde nicht zur Verfügung stellen und bietet lediglich alternativ einen BfV- Zeugen an. Die Verteidigung schlägt auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin vor, zunächst diese Akten kommen zu lassen. Deren Relevanz für das laufende Verfahren solle geprüft und sodann das weitere Vorgehen beschlossen werden; dieser Auffassung schloss sich auch Bundesanwalt Bruns an.

Ein weiterer Zeuge, der derzeit auf den Philippinen wohnhaft ist, soll - so der Wunsch eines Teils der Verteidigung - auch in der Hauptverhandlung gehört werden; das Kammergericht hatte vorgeschlagen, dessen Aussage lediglich verlesen zu lassen.

Der Prozeß wird am 11. Oktober 2001 um 09.15 fortgesetzt.

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