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Erklärungen
Verteidigung

Kammergericht

Berlin, den 5.10.01

In der Strafsache

./. Glöde

1-4/00-

wird zu der Erklärung der GBA vom 4.10.2001 folgende Stellungnahme abgegeben:

Die GBA wirft der Verteidigung Glöde folgendes vor:

  1. die Überprüfung der Zahlungsmoral des Zeugen Mousli und
  2. die Überprüfung der Sexualmoral des Zeugen durch das "Hervorzerren schmuddeliger Details aus seinem Leben",
  3. das In- Abrede- Stellen der Existenz des Gesprächs Mousli/ O. vom 24.11.99 auf der Kassette,
  4. die fehlende Distanzierung von Veröffentlichungen der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge und Erklärungen.

Grundsätzlich wird vorangestellt, daß es ureigenste Aufgabe der Verteidigung ist, die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu überprüfen und dies in einer Hauptverhandlung zu thematisieren. Dies gilt um so mehr, wenn der Anklagebehörde nur ein einziger Belastungszeuge zur Verfügung steht.

Hierbei geht es nicht um die Verunglimpfung des Zeugen, sondern ausschließlich um die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes seiner Angaben.

Nichts anderes ist bisher durch die Verteidigung Glöde geschehen.

Insoweit befindet sich die Verteidigung Glöde in Übereinstimmung mit der Vorsitzenden, wenn diese die Beweisaufnahme damit beginnt, die Aussagemotivation des Zeugen Mousli und das Zustandekommen seiner Verfahrensstellung als Kronzeuge zum Thema der Beweisaufnahme zu machen.

Nach Auffassung des Senats gehört zur Aufklärung der Aussagemotivation des Zeugen, Feststellungen darüber zu treffen, ob und welche Vorteile er im Zusammenhang mit seiner Aussage erlangt hat.

Maßgeblich für die Aussagemotivation ist, inwieweit das BKA durch seine Ermittlungstätigkeit, eine finanzielle Existenzvernichtung des Zeugen Mousli bis zu seiner letzten Inhaftierung vorangetrieben hat, um ihn zur Namhaftmachung angeblicher weiterer Mittäter zu veranlassen. Dies ist erheblich, um überprüfen zu können, ob der Druck auf ihn so groß war, daß es hier zu Falschbelastungen gekommen sein kann.

Gerade die Verteidigung Glöde hat hierzu besondere Veranlassung, da der Zeuge bereits in den ersten polizeilichen Vernehmungen den Angeklagten Glöde einer Beteiligung an dem Anschlag gegen Hollenberg und einer unmittelbaren Tatbeteiligung an der ZSA bezichtigte. Erst auf spätere Vorhalte des BKA, der Angeklagte Glöde sei zum Zeitpunkt des Anschlags Hollenberg gar nicht in Deutschland gewesen und hätte sich zum Zeitpunkt des Anschlags auf die ZSA in Polizeigewahrsam befunden, relativierte der Zeuge diese schweren Beschuldigungen. Nunmehr gibt er zu Hollenberg an, der Angeklagte Glöde sei nicht daran beteiligt gewesen und schreibt ihm bei der ZSA einen anderen Tatbeitrag zu, ohne zu erklären, wer denn eigentlich dessen vorher behaupteten angeblichen Tatbeiträge übernommen haben soll.

Zu 1.) Zahlungsmoral

Der Verteidigung Glöde geht es nicht um die Offenlegung der Zahlungsmoral des Zeugen, sondern um die Aufklärung seiner finanziellen Situation. Dies ist wie oben schon dargelegt zur Aufklärung der Aussagemotivation wichtig und zum zweiten erheblich für die Behauptung Mouslis, er habe Gelder aus verschiedenen Quellen erhalten, um sie über den Angeklagten Glöde an die RZ weiterzuleiten.

Der Senat hat die Beweisaufnahme von sich aus auch auf die finanzielle Situation des Zeugen erstreckt und zwar ab Beginn seiner Tätigkeit bei Snoops bis zu seiner Festnahme am 23.11.99.

Der Zeuge hatte zunächst bei der Befragung durch das Gericht seine finanzielle Situation dahingehend dargestellt, daß sein Einkommen bis zu seiner Inhaftierung im November 1999 ausreichend zur Deckung seines und des Lebensunterhaltes seiner Kleinfamilie war.

Schon hier hat sich durch die Befragung der Verteidigung verbunden u.a. mit Vorhalten aus den TÜs bis Mai 1999 herausgestellt, daß der Zeuge weder seinen Lebensstil von seinen laufenden Einkünften finanzieren noch seine diversen Privatschulden bedienen konnte.

Bisher wurde dem Zeugen aus folgenden Bändern vorgehalten:

Anschluß Schönow: Band 28, 53, 60, 69,

Anschluß Snoops: Band 77, 140,

Handy Mousli: Band 61

Das bei der BAW bestehende Mißverständnis, es gehe der Verteidigung um die Offenlegung fehlender Zahlungsmoral des Zeugen, zeigt, daß ohne die Erstellung von Wortprotokollen und das Abhören der Bänder die Prozeßbeteiligten nicht in der Lage sind, der Beweisaufnahme zu folgen und diese sachgerecht nachzubereiten.

Insoweit wird auf die Ausführungen und Anträge der Verteidigung vom 13.09.01 und 27.09.01 verwiesen.

Leider konnte die Befragung der Verteidigung zu diesem Thema bisher noch nicht abgeschlossen werden, obwohl den übrigen Verfahrensbeteiligten, ebenso wie dem Zeugen Gelegenheit zur Vorbereitung gegeben wurde.

Erst durch Vorhalte, die dem Zeugen u.a. auch aus den TÜs gemacht wurden, mußte der Zeuge einräumen, daß seine bisherige Darstellung teilweise unzutreffend und teilweise unvollständig waren.

Bereits in der Erklärung der Verteidigung vom 27.9.01 wurden verschiedene Beispiele dargelegt.

Allerdings sind diese Beispiele um zwei weitere zu ergänzen:

Mousli behauptete in der Hauptverhandlung:

1.) - Überweisungen für Snoops konnten sämtlichst, allerdings mit gelegentlicher Verzögerung durchgeführt werden, er habe darüberhinaus keine Kenntnis davon, daß Lastschriften nicht eingelöst werden konnten.

Die TÜs zeigten,

  • daß Überweisungen mangels Kontodeckung nicht ausgeführt wurden
    und er mit seinem Partner Z. versuchte, dies durch das Einreichen nicht gedeckter Schecks zu umgehen. (Band 60, Anschluß Schönow)
  • er habe keine weiteren Darlehen seines "Onkelbruders" erwartet und dies auch gegenüber Dritten nicht behauptet.
  • Aus diversen Schreiben an Gläubiger mußte ihm vorgehalten werden, daß er um Zahlungsaufschub bittet mit dem Hinweis

entweder

  • er habe schon ein Darlehen seines "Onkelbruders" erhalten, dieses sei aber noch nicht vollständig überwiesen (SAO Bd. 28, Bl. 172)

oder

  • er werde demnächst ein Darlehen von diesem erhalten (SAO Bd. 28, Bl.173 und 177)

2.) "Hervorzerren schmutziger Details zur Beleuchtung der Sexualmoral" des Zeugen Mousli

Der Verteidigung ging es nicht um das "Hervorzerren von schmutzigen Details, um die Sexualmoral" des Zeugen Mousli darzustellen. Dies hat die Verteidigung ausweislich der Erklärung vom 27.9.01 nicht getan.

Die entsprechenden Gespräche wurden von der Verteidigung gerade nicht, soweit es diese Einzelheiten angeht, wiedergegeben, sondern die Verteidigung hat sich unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit der zur Verfügung gestellten Bänder insoweit nur auf Wiedergabe der Umstände beschränkt, die einen Hinweis auf die Unvollständigkeit geben.

Auch die sprachliche Darstellung des Vorgangs meidet jegliche Diffamierung des Zeugen in persönlicher Hinsicht.

Anlaß für die Befürchtung der Verteidigung, daß das gelieferte Material unvollständig ist, ergibt sich bereits

  • aus den nachweislich fehlenden Protokollen zu diversen Kassetten (vgl. Antrag vom 13.9.01 und Erklärung vom 27.09.01)
  • sowie aus dem bisherigen Verhalten der BAW und des BKA.

So sind sowohl die 528 Bänder und Protokolle der TÜ-Maßnahmen bis einschließlich Mai 1999 nur durch hartnäckiges Insistieren der Verteidigung Glöde überhaupt zu den Prozeßakten gelangt.

Das gleiche gilt für die jetzige Nachlieferung von 955 weiteren Bändern nebst 23 Stehordnern mit Protokollen.

Zu beachten ist auch, daß es die BAW war, die den Eindruck erweckt hat, daß es keine weiteren Abhörmaßnahmen gegeben hat, indem sie behauptete, die TÜ-Maßnahmen seien spätestens im Mai 1999 abgeschaltet worden.

Auf diesem Hintergrund liegt die Vermutung, daß der angekündigte Rückruf der Agentur stattgefunden hat, näher als die Annahme, es hätte ihn nicht gegeben.

Daß sämtliche Bänder beweiserheblich sind, und auch Gegenstand einer kritischen Befragung des Zeugen Mouslis sein müssen, hat die Verteidigung Glöde sowohl in dem Aussetzungsantrag als auch in der Erklärung vom 27.9.01 dargelegt. Auch konnte ein Gespräch zwischen dem Zeugenschützer Thorsten und Janet O. entdeckt werden, das die behauptete Trennung der Aufgabenbereiche Zeugenschutz und Ermittlungsbehörden widerlegt, so daß die Beweisaufnahme zu diesem Punkt wiederholt werden muß.

Ganz offensichtlich geht sowohl der Senat als auch die Bundesanwaltschaft von der Erheblichkeit aus, wenn die Zeugenvernehmung Mousli unterbrochen wird, damit alle Verfahrensbeteiligten, auch der Senat, sich Kenntnis von dem Inhalt dieser Bänder verschaffen können.

Weiter gibt es Klärungsbedarf seitens der BAW, welche TÜ-Maßnahmen es zwischen Mai und September 1999 gegeben hat, da eine Beendigung der Abhörmaßnahmen im Mai 1999 und ein Neubeginn im September 1999 in keiner Weise nachvollziehbar erscheint.

3.) Das In-Abrede-Stellen des Telefonats Mousli - O. vom 24.11.99 durch die Verteidigung

Die Verteidigung Glöde hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, das Gespräch zwischen Mousli und O. vom 24.11.99 sei auf der Kassette nicht vorhanden.

Die Vorsitzende Richterin Hennig und der Beisitze[nde] Richter Hanschke gaben in der Hauptverhandlung am 21.09.01 an, das Gespräch befinde sich nicht auf der Kassette. Sie hätten das Band als erste und zwar noch vor der Verteidigung abgehört, so daß eine von der BAW in den Raum gestellte Manipulation durch die Verteidigung ausgeschlossen werden könne.

Sodann wurde das Band RA König übergeben, der es an RA Euler weiterreichte.

Die Verteidigung Glöde hatte bis zum heutigen Tag die Kassette nicht in den Händen und aus diesem Grunde keine Angaben dazu gemacht.

Die Annahme der Vorsitzenden, das Gespräch befände sich nicht auf den überreichten Kopien, veranlaßte sie, in der Hauptverhandlung das Original von der BAW zu verlangen.

Die BAW sagte zu, am 27.09.01 das Originalband zum Abhören in der Hauptverhandlung mitzubringen.

Darüberhinaus wies die Verteidigung Glöde am 27.09.01 in der Hauptverhandlung nochmals darauf hin, daß der Irrtum der Vorsitzenden und des Beisitzers zeige, daß auf das vollständige Abhören der Bänder nicht verzichtet werden kann.

Die fehlende Distanzierung der Verteidigung Glöde von Veröffentlichungen

Die Hauptverhandlung ist öffentlich.

Alle Anträge und Erklärungen, die in öffentlicher Hauptverhandlung abgegeben werden, können selbstverständlich von jedem in den Medien und auch im Internet veröffentlicht werden.

Für eine Distanzierung von Veröffentlichungen in öffentlicher Hauptverhandlung abgegebener Erklärungen besteht deshalb kein Anlaß.

Grenzen für die Veröffentlichung von Erklärungen und Anträgen ergeben sich aus § 353d StGB.

Danach ist sogar die Veröffentlichung von Schriftsätzen der Verteidigung bei nicht öffentlichen Verhandlungen zulässig, wenn die öffentliche Mitteilung der Verhandlung nachfolgt.

Trotz Diffamierung, Bedrohung und Polemik durch die BAW in ihrer Stellungnahme wird die Verteidigung Glöde daran festhalten im Rahmen der Strafprozeßordnung ihren Verteidigungsauftrag konsequent wahr zu nehmen. Sie ist nach dem Gesetz und auch standesrechtlich dazu verpflichtet.

So war es Aufgabe der Verteidigung, nachzuweisen,

  • daß die GBA zunächst erhebliche und umfangreiche Beweismittel vorenthielt,
  • sodann nur unvollständige Protokolle und wahrscheinlich unvollständige Bänder lieferte und
  • falsche Angaben zum Vorhandensein von Wortprotokollen machte.

Dies hat sie getan.

Es ist auch weiterhin die Aufgabe der Verteidigung, die Angaben des Zeugen kritisch zu hinterfragen. Dies wird auch in Zukunft wie schon bisher von der Verteidigung in sachlicher Weise geschehen.

Die Vorsitzende ist nunmehr gehalten, den Versuch der BAW die Verteidigung Glöde durch Polemik, Diffamierung und Bedrohung an der Ausübung ihrer Verteidigungstätigkeit zu hindern, zu unterbinden.

Dies wird ausdrücklich von dem Angeklagten Glöde verlangt.

Würdinger, Rechtsanwältin Studzinsky, Rechtsanwältin

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