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19. Prozesstag: 30. August 2001

Ein Blick hinter die Fassade. Befragung des Kronzeugen zu seinem geschäftlichen Engagement mehrt die Zweifel an seiner Solidität und seiner Glaubwürdigkeit

Anknüpfend an die Befragung des Kronzeugen am 12. und 13. Prozesstag stand im Zentrum des 19. Verhandlungstages erneut die finanzielle Situation des Kronzeugen in den letzten vier Jahren vor seiner Verhaftung 1999. Zuvor allerdings kam es zu einer Diskussion zwischen der Verteidigung und dem Senat in der Frage, inwieweit das Gericht es hinnehmen will, dass die Zeugenschutzbehörde den Gang der Hauptverhandlung bestimmt. Aktueller Hintergrund ist der Umstand, dass der BKA-Zeugenschutz bereits Mitte August dem Senat eine Mitteilung hat zukommen lassen, dass es ihm am 7. September auf Grund von Personalengpässen nur unter erschwerten Bedingungen möglich wäre, den Auftritt des Kronzeugen vor Gericht zu begleiten. Deshalb schlug der Zeugenschutz vor, auf eine Ladung Mouslis an diesem Tag zu verzichten. Die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig hatte daraufhin Karmen T., eine frühere Lebensgefährtin des Kronzeugen, für diesen Termin geladen. Frau T. hatte Mousli bei Vernehmungen durch die Ermittlungsbehörden schwer belastet.

Sie hätte so nicht zu letzt auf Grund der intensiven Nachfragen von RA Euler zu den Aussagen von Karmen T. am vergangenen Prozesstag entschieden, führte Frau Hennig heute aus. Gleichwohl bekräftigte sie, dass der Senat weiterhin an einer abschließenden Vernehmung Mouslis im Zusammenhang festhalte. Auch die Vertreter der Generalbundesanwaltschaft sprachen sich für eine Weiterführung der Zeugenbefragung ohne Unterbrechung aus.

Umstrittene Durchschnittswerte

Die Befragung des Kronzeugen erfolgte heute in der Regel durch RAin Studzinsky und RAin Würdinger. Zögerlich und oftmals erst nach entsprechenden Vorhaltungen der Verteidigung, die aus Telefonüberwachungsprotokollen oder aus in den Akten befindlichen Schreiben zitierte (wobei von "aussichtsloser Lage", "Liquiditätsschwierigkeiten", "mit dem Rücken zur Wand" die Rede war), räumte der Kronzeuge ein, dass seine finanzielle Situation weniger rosig war, als er sie bislang geschildert hatte. Neben den schon am 12. Verhandlungstag eingestandenen Privatdarlehen (in einer Höhe von rund 50.000 Mark) könnte sich Mousli an keine weiteren "größeren" Darlehen erinnern. Allerdings habe es "halb-private" Darlehen von Bekannten gegeben, die als Privateinlagen in sein Fitnessstudio "Snoops" eingeführt worden seien. Seiner Erinnerung nach waren es "eher fünf als zehn" solcher Anleihen, in einer Höhe von 1.000 bis 3.000 Mark. Darüber hinaus habe er 1996 einen Kredit über 5.000 bis 7.000 Mark von der Deutschen Bank erhalten, den er für den Bau eines Hundezwingers verwandt habe.

Zu seiner eigenen Einkommenssituation führte er aus, dass er im Mittel rund 1.500 DM in den Jahren 1995 bis 1999 zur Verfügung hatte. Zum größten Teil hätte es sich dabei um Privatentnahmen bei "Snoops" gehandelt. Konfrontiert mit einer Äußerung von ihm aus einem abgehörten Telefongespräch mit seinem Kompagnon Frank Z. im Februar 1999, er habe im Monat 300 Mark von Snoops, redete sich der Kronzeuge damit heraus, er habe immer nur von Durchschnittswerten gesprochen. Es könne durchaus sein, dass er in diesem Monat nur 300 Mark aus der "Snoops"-Kasse genommen hätte. Bei dieser Darstellung blieb er auch, nachdem ihm diese Passage aus der Telefonüberwachung erneut vorgelesen worden war, obwohl daraus eine zeitliche Einschränkung nicht hervorgeht.

Als unter Heranziehung einer "vorläufigen Gewinnermittlung" aus dem Jahre 1998, die einen Gewinn von rund 28.000 DM auswies, der Frage nach seinen Einkommensverhältnissen weiter nach gegangen werden sollte, stieß dies auf den Widerspruch des Senats. Ein Senatsmitglied warf der Verteidigung vor, sie gehe von unzutreffenden Prämissen bei der Befragung aus, wenn sie diese Gewinnaufstellung zur Feststellung der Höhe der Privatentnahmen der beiden Geschäftspartner heranziehe. Zu einer Klärung dieser Frage kam es heute nicht. Dies soll erst geklärt werden, wenn auch das Gericht die entsprechenden Unterlagen, auf die sich die Verteidigung bezog, einsehen kann, die dem Senat heute aber nicht vorlagen.

Liquiditätsprobleme

"Ich kann mich an keine Zahlungsschwierigkeiten erinnern", so Mousli auf eine entsprechende Frage von RAin Studzinsky. Im weiteren Verlauf ergab sich allerdings ein anderes Bild über die private und geschäftliche Finanzsituation des Kronzeugen. Ob es nun die Mietzahlungen für das "Snoops" betraf oder Rechnungen für Mobiltelefone, seine Krankenversicherung (die ihm wegen fehlender Beitragzahlungen kündigte), die Leasingraten für eine Auto - immer wieder musste Mousli nach entsprechenden Vorhaltungen der Verteidigung einräumen, dass es dabei zu Unregelmäßigkeiten - von verspäteten Zahlungen bis zum Platzen von Lastschriften - gekommen war.

Beispiel Mietzahlungen: Laut Mousli seien sie regelmäßig erfolgt; es sei lediglich zu einer zeitweiligen Mietminderung wegen defekter Fenster gekommen. Die Verteidigung hielt ihm daraufhin ein Schreiben an den Vermieter vom 16. November 1998 vor, darin heißt es: "Deshalb war es uns im November nicht möglich, die Miete voll zu bezahlen. ... Eine Begleichung der Mietrückstände ist uns nicht möglich. Die Sache erscheint uns ausweglos. Wir senden Ihnen Bankbelege, die beweisen, dass wir fast Zahlungsunfähig sind." Da der Brief von seinem Mitgesellschafter Frank Z. aufgesetzt worden war, leugnete Mousli, den Brief zu kennen. Allerdings räumte er ein, dass ihm die finanzielle Situation "im Prinzip" bekannt war. Jedoch - und das galt für die meisten der heute gestellten Fragen - habe er die entsprechenden Unterlagen nicht zur Hand, und könne sich insofern nicht erinnern. Die Verteidigung führt darauf einem weiteren Brief an den Vermieter vom 8. Februar 1999 ein, in dem es heißt: "Wir sind in den letzten beiden Monaten an die Grenzen unserer Liquidität gegangen." Mit dem Satz "Ich habe das Schreiben nicht verfasst und bin deshalb für die Dramaturgie nicht verantwortlich" versuchte der Kronzeuge die Aussage zu relativieren. Gleichzeitig behauptete er, dies sei ein taktische Zug gewesen, weil er und sein Mitinhaber in Verhandlungen mit dem Vermieter über eine Mietreduzierung bzw. verbesserte Mietkonditionen nach Auslaufen des bestehenden Mietvertrags gestanden hätten.

Verbindlichkeiten all über all

Dennoch, mehr als das Zugeständnis, es habe geschäftlich "nicht rosig" ausgesehen, gestand Mousli nicht ein. Die von der Verteidigung eingeführten Aktenfunde sprechen allerdings eine andere Sprache. In einem Brief an den ehemaligen "Snoops"-Teilhaber Michael R. vom Dezember 1997 heißt es: "Seit Sommer sinkende Umsätze." Das Abhörprotokoll für den Zeitraum 3.2-11.2.99 enthält folgenden Dialog zwischen dem Kronzeugen und seinem Geschäftspartner: Mousli: "Der Laden ist momentan in der Krise", Frank Z.: "Das ist er seit sechs Jahren.", Mousli: "Das wollte ich gerade sagen."

Mousli gestand selbst ein, dass der Überziehungskredit des Geschäftskonto in einer Höhe von 20.000 Mark ab 1996 in der Regel voll ausgeschöpft wurde. Teilweise wurde sogar dieser Kreditrahmen noch mit 7.000 Mark überschritten. ""Wir waren öfter am Limit."

Zug um Zug kam heute auch heraus, dass in fünf bis sechs "Angelegenheiten" Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet wurden. Seit spätestens 1996 führte der Kronzeuge eine Korrespondenz mit dem für ihn zuständigen Gerichtsvollzieher. Im September 1996 sprach er ihm gegenüber das erste Mal von einem Darlehen seines Onkels, dass ihm die Bezahlung der Schulden ermöglichen würde. Auch in Schreiben an das Finanzamt Kreuzberg und andere Gläubiger verwies er auf dieses Darlehen. Am 13. Prozesstag hatte Mousli noch angegeben, er habe außer dem 100.000-Mark-Darlehen seines Onkels kein weiteres erhalten oder erwartet. Dennoch bestritt Mousli heute, er habe damals vor Gericht die Unwahrheit gesagt. Das Geld (zwischen 5.000 und 8.000 Mark) habe er bei einem Besuch seines Onkels in Berlin erhalten. Er sei nie davon ausgegangen, dass es sich bei den Zuwendungen seines Onkels um ein Darlehen gehandelt hätte, der Begriff "Geldgabe" sei wohl passender. Wenn er den Begriff "Darlehen" in diesen Briefen verwendet habe, dann sei dies vielleicht ein Fehler gewesen. Ein weiteres von der Verteidigung in den Prozess eingeführtes Schreiben von Mousli legt allerdings nahe, dass er eine weitaus größere Summe von seinem Onkel erwartet hatte.

Die Verhandlung wurde an diesem Punkt abgebrochen. Wie von Frau Hennig bereits zu Beginn angekündigt, dauerte der Prozesstag heute wegen des angeschlagenen Gesundheitszustandes eine Senatsmitglieds nur bis zur Mittagspause. Insofern konnte der Frage nicht mehr nachgegangen werden, woher das Geld stammt, mit dem Mousli - wie von ihm heute mehrfach beteuert - alle seine Außenstände bezahlt hat.

Der Prozess wird am 7. September, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Die nächsten beiden Verhandlungstage fallen wegen der Erkrankung eines Senatsmitgliedes aus.

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