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39. Prozesstag: 29. November 2001

Fünf Zeugen und ein Geburtstagsständchen

Der heutige Prozesstag begann mit einem Geburtstagsständchen für den Angeklagten Axel H. eher ungewöhnlich für einen Prozess im Hochsicherheitsbereich. Ein großer Teil der rund 25 Prozess- BesucherInnen hatte sich offenbar in mehreren Probestunden vorbereitet und blieb für eine kurze Gesangsdarbietung nach Eröffnung der Hauptverhandlung stehen. Axel H. freute sich erkennbar über das Lied und den der Situation angepassten Text ("Moabit das ist ein Graus") und selbst der sonst recht düster dreinblickende Richter Alban zeigte ein freundlicheres Gesicht.

Wurde Mousli schon 1995 verdächtigt?

Eher trocken ging es dann mit einem Antrag der Verteidigung von Harald G. weiter.

Diese forderte die Beiziehung sämtlicher Unterlagen vom Bundeskriminalamt (BKA), die sich mit den Sprengstoff- Funden in Berlin vom April 1995 befassen, sowie die Beiziehung der Vorgänge, die Kriminalhauptkommissar Möller (BKA) für die Fertigung eines Auswertungsberichtes vom November 1997 angelegt hatte. Die Verteidigung ist der Meinung, dass durch Herbeiziehung dieser Unterlagen bewiesen werden kann, dass das BKA bereits im April 1995 von einem Zusammenhang zwischen dem Sprengstoff- Fund in Berlin und Aktionen der RZ und/ oder der Roten Zora ausgegangen ist. Nach den bisher vorliegenden Akten seien entsprechende Ermittlungen seitens des BKA jedoch erst am 25.11.97 aufgenommen worden. Auch die Befragung des Zeugen Möller zur Anfertigung seines "Auswertungsberichts" (siehe Prozessbericht vom 22.11.01) hätte, so die Verteidigung, deutlich gemacht, dass dem BKA schon zuvor weitreichende Erkenntnisse zur Herkunft und Verwendung des Sprengstoffes zur Verfügung standen, die in den Bericht eingeflossen seien. Als "merkwürdig" wurde in dem Antrag darüber hinaus bezeichnet, dass der "Auswertungsbericht" in Vorbereitung auf die Hauptverhandlung gegen Corinna Kawaters angefertigt wurde, obwohl Sprengstoff in dem damaligen Verfahren keine Rolle gespielt habe.

Ein Motorrad als Doublette

Nun folgte die Einvernahme von fünf Zeugen, die zu drei unterschiedlichen Komplexen befragt wurden.

Der erste Zeuge, Ulrich B. wurde lediglich zu einem Motorrad befragt, dass er 1987 besessen hatte. Nach den polizeilichen Erkenntnissen wurde der Anschlag auf Dr. Korbmacher am 1.09.1987 mit einem Motorrad ausgeführt, dass mit einer Doublette des Kennzeichens von Ulrich B.'s Motorrad ausgestattet war. B. erinnerte sich heute noch deutlich an das Aussehen seines Motorrads (schwarz lackiert, schwarze Sitzbank) und gab an, es hätte zum fraglichen Zeitpunkt auf einem Parkplatz gestanden.

Zweite Durchsuchung im MehringHof: "Das wäre kein sinnvolles Versteck gewesen"

Von größerem Interesse war der folgende Zeugen, Kriminalhauptkommissar beim BKA, Manfred Wolf, der die zweite Durchsuchung des Berliner Kulturzentrums MehringHof am 30.5.2000 geleitet hatte. KHK Wolf schilderte, dass zum Zweck der Durchsuchung eine Videostandleitung zwischen dem Durchsuchungsteam und Tarek Mousli geschaltet wurde, der sich beim BKA aufgehalten habe. Die Kollegin Pankok vom Zeugenschutz habe per Handy Verbindung zu Mousli gehalten, der dadurch die Videokamera dirigieren konnte. Anlass der Durchsuchung sei eine "Konkretisierung" der Angaben Mouslis zur möglichen Lage des behaupteten Waffen- und Sprengstoffdepots im MehringHof gewesen, die dieser im März 2000 bei zwei Vernehmungen gemacht habe. Man sei auf Grund dieser Angaben "zielgerichteter" vorgegangen und hätte sich auf den Bereich um den Aufzugsschacht gegenüber der Kneipe im MehringHof konzentriert. Der Zeuge gab heute an, dass ihm damals bekannt gewesen sei, dass der Boden des entsprechenden Schachtes schon bei der ersten Durchsuchung im Dezember 1999 kontrolliert worden war. Damals hätten die Kollegen auf Grund der Lage des Schachtes, der von einem daneben liegenden Raum "locker" einsehbar ist, den Eindruck gehabt, dass dieser Ort für ein Waffen- und Sprengstoffdepot denkbar ungeeignet sei. Aus diesem Grund seien bei der ersten Durchsuchung auch keine Saug- oder Wischproben genommen worden. (vgl. auch Prozessbericht vom 23.11.01). Auch KHK Wolf gab heute an, dass er bei der zweiten Durchsuchung den gleichen Eindruck gehabt habe, zumal am Boden des Schachtes - entgegen der Angaben von Mousli - keine Metallplatte gelegen habe, unter der man etwas hätte vermuten können. Trotzdem hätten Kriminaltechniker entschieden, bei der zweiten Begehung zwei Wischproben sowie zwei Wasserproben zu nehmen.

Der zweite Anlauf

In einem zweiten Anlauf habe Mousli das Durchsuchungsteam zu zwei weiteren Räumen geleitet, die nahe der ersten vermeintlichen Fundstelle lagen. Im ersten Raum, der als Abstellraum diene, habe man einen "nicht sehr tiefen" 25 auf 25 Zentimeter breiten Schacht gefunden, der mit einer Metallplatte abgedeckt gewesen sei. Auch hier seien Wischproben genommen worden. In zweiten Raum hätten die Beamten einen weiteren Schacht entdeckt, der ca. 30 auf 60 Zentimeter breit gewesen und ebenfalls mit einer Metallplatte zugedeckt gewesen sei. Diese sei in den Estrich eingelassen gewesen, man habe sich deshalb entschieden, die Platte mit einer Flex vom Boden zu lösen. Diese Beschreibung veranlasste Rechtsanwalt Euler zu der Frage, ob die Beamten tatsächlich geglaubt hätten, dass sie nach Sprengstoff suchten. Ihm sei es nicht erklärlich, dass man eine Eisenplatte versuche mit einer Flex, die in der Regel Funken erzeuge, vom Boden zu lösen, unter der man Sprengstoff vermute. KHK Wolf hatte dafür keine Erklärung und verwies auf die "Fachleute" vor Ort. Auf Nachfrage von Rechtsanwalt v. Schlieffen, ob die Videoübertragung und die Anweisungen des Kronzeugen aufgezeichnet worden seien, gab der Zeuge an, dass er beim BKA noch ein solches Videoband habe. Im Rahmen einer Nachbereitung der Aktion beim BKA, die zwei bis drei Tage später stattgefunden habe, hätte man jedoch entschieden, dass es sich dabei um "polizei- internes Material" handele, das nicht zu den Akten gelangen solle.

Unstimmigkeiten bei der Asservation und Munition mit Rost

Über die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Axel H. im November 1999 gaben danach drei der insgesamt sieben daran beteiligten BKA- Beamten mehr oder weniger Auskunft. Bei dieser Durchsuchung war auch Bundesanwalt Griesbaum anwesend.

Im wesentlichen ging es um die Frage, wer wo welche Gegenstände - unter anderem handelt es sich dabei um eine Pistole und Munition - gefunden hat und nach welchem Verfahren sie asserviert wurden. Dabei konnten sich Kriminalhauptkommissar Alfred Hübel, der die Durchsuchung leitete, Kriminaloberkommissar Rolf Breitmeyer, der unter anderem das handschriftliche Asservatenverzeichnis führte und der Kriminalbeamte Thorsten Eggert, der einen Wohnraum und den Fahrradkeller durchsuchte, an vieles nicht mehr erinnern.

Mit Erinnerungslücken behaftet blieben nicht nur die Antworten auf die Frage, wann und wie diese Durchsuchung vorbereitet wurde und wer bei der Vorbesprechung dabei war. Der Leiter der Durchsuchungsaktion Hübel wusste auch nicht mehr, wer wo die Pistole gefunden hatte und ob es sich dabei um eine große oder kleine Waffe gehandelt habe. Allerdings meinte er, die Pistole habe nicht in einem Versteck gelegen. Kommissar Breitmeyer, der die Pistole gefunden haben will, konnte heute aber auch nicht genau angeben, wo er sie gefunden hat. Nur soviel wusste er, dass sie - nicht versteckt - in einem Regal "irgendwo dazwischen" gelegen habe. Auch bei der gefundenen Munition konnte er nicht angeben, wo sie gelegen hatte. Die 16 Schuss seien älteren Datums gewesen und hätten Korrosionsschäden aufgewiesen. Nach seiner Einschätzung habe die Munition auch nicht zur Pistole gepasst.

Revolutionäre Zellen im Hausbesetzerbilderbuch?

Völlig unklar blieb, nach welchen Kriterien Bücher und Broschüren asserviert wurden. Auf Fragen der Verteidigung, warum Titel wie "Hausbesetzerbilderbuch" oder Texte zu Südafrika oder Nicaragua asserviert wurden, kamen keine klare Antworten.

Obwohl es beim BKA für die Asservation bei Durchsuchungen einheitliche Regeln gibt, wurden diese nicht durchgehend eingehalten. So weist ein Vermerk auf einem Asservat zwei unterschiedliche Handschriften auf: wer das Asservat aufgefunden hat, lässt sich somit nicht mehr ermitteln. Es ist offenbar auch zu Nachlässigkeiten oder Schlampereien gekommen. Breitmeyer konnte auch nicht erklären, warum er zwei Telefonverzeichnisse und diverse Notizzettel als "ein Telefonverzeichnis" deklarierte. Insgesamt lässt sich aus der Asservatenliste nicht ablesen, welcher Beamte wo zugegriffen hat. Der "Objektleiter" Hübel räumte schließlich ein: "Ich muss leider zugeben, dass uns da ein Fehler unterlaufen ist".

Welcher Beamte eine von der Wohnung getrennten Abstellkammer durchsucht hat, blieb heute ebenfalls noch offen. Alle drei Zeugen behaupten, sie seien es nicht gewesen.

Sie wurden vereidigt und entlassen.

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