www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  

Übersicht

Aktuelle Meldung
Meldungen
Berichte
Vorschau
Hintergrund

Mailingliste
Mail
Suche

38. Prozesstag: 23. November 2001

Ein falscher Zeuge, eine etwas zickige Polizeibeamtin a.D. und zwei beflissentliche BKA- Beamte, die das Berliner Kulturzentrum MehringHof durchsuchten

Ein falscher Zeuge und eine Dublette

Der erste Zeuge des heutigen Tages hatte mit gutem Grund "überhaupt keine Erinnerung" mehr. Es stellte sich nämlich schnell heraus, dass der 1. Senat auf Grund einer Namensdopplung einen falschen Zeugen geladen hatte.

Nach Aufklärung dieses einfachen Sachverhaltes wurde als zweiter Zeuge Thomas K. gehört, der zusammen mit seiner Schwester seit 1986 einen roten VW Passat Kombi besessen hatte. Der VW Passat, der vermutlich beim Anschlag auf Günter Korbmacher eine Rolle spielte und später gefunden wurde, trug eine Dublette des Nummernschilds von Herrn K.s Auto. Herr K. dessen "Erinnerungen ziemlich verblasst" waren, konnte sich nur noch an verschiedene Telefonate mit der Polizei und daran erinnern, dass seine Schwester später auf der Zulassungsstelle neue Kennzeichen bekommen hatte.

Ein weiterer Antrag der Verteidigung

Rechtsanwalt von Schlieffen stellte im Anschluss daran einen Antrag, der sich auf die Aussagen der ZeugInnen Olaf und Florence F. am 9. November 2001 bezog. Die beiden hatten ausgesagt, dass ihnen am 30.8.1987 am Grenzkontrollpunkt Drewitz ein Motorrad aufgefallen sei. Später machten sie dann im Zuge der Ermittlungen im Fall Korbmacher Angaben zum Motorrad sowie zum Fahrer und Beifahrer. Bei einer polizeilichen Vorführung im Jahr 1987 hatten die ZeugInnen das Krad eindeutig wiedererkannt. Nach den polizeilichen Ermittlungen handelte es sich dabei um das Motorrad, dass zwei Tage nach dem 30.8.1987 beim Anschlag auf Günter Korbmacher verwendet worden war.

Vor Gericht hatten die ZeugInnen weiter ausgesagt, dass ihnen bei polizeilichen Vernehmungen im Jahr 2000 einmal in Tempelhof und einmal in Ostberlin (vermutlich beim BKA in Treptow) jeweils unterschiedliche Lichtbildmappen zur Identifizierung des Fahrers und des Beifahrers vorgelegt worden waren. Dabei hatten sie nach 13 Jahren den Angeklagten Axel H. mit einem "Wahrscheinlichkeitswert von 40 Prozent" als den Fahrer des Motorrads wiedererkannt.

Von Schlieffens Antrag bezog sich zum einen auf die bisher nicht gerichtsbekannte zweite polizeiliche Einvernahme der Zeugen im Jahr 2000 und in diesem Zusammenhang auf die Frage, welche Bilder den Zeugen bei dieser Gelegenheit gezeigt worden waren. Zum anderen forderte von Schlieffen das Gericht auf, das Bildmaterial herbeizuschaffen, dass dem damaligen Ehepaar bei einer polizeilichen Befragung am 30.9.87 vorgelegt worden war und an Hand dessen sie damals glaubten, anderen Personen eine Ähnlichkeit mit dem Fahrer oder dem Beifahrer beimessen zu können.

Verteidigung rügt Fragen des Gerichts

Die dritte Zeugin des Tages, die Polizeibeamtin a.D. Manuela K., sollte die Entgegennahme eines Bekennerschreiben der RZ in den Redaktionsräumen des Berliner Volksblattes 1987 bezeugen. Dieses Schreiben zum Anschlag auf Richter Korbmacher war der Zeitung, wie auch zwei Nachrichtenagenturen, per Post zugegangen. Die Zeugin hatte lediglich noch eine Erinnerung daran, sich irgendwann mit diesem Bekennerschreiben beschäftigt zu haben. An den polizeilichen Bericht, den sie damals verfasst hatte, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Nach Verlesung des von Frau K. angefertigten Berichts wollte die Vorsitzende Richterin Hennig von der Zeugin wissen, ob man davon ausgehen könne, dass der Bericht die damaligen Tatsachen wiedergebe. Rechtsanwalt Eisenberg rügte diese Frage, worauf Richter Alban versuchte die Frage anders zu verpacken. Er wollte von der Zeugin wissen, ob sie die "Verantwortung" für den Bericht übernehme. Auch diese Frage wurde von Rechtsanwalt Eisenberg als "unzulässig" zurückgewiesen. Er führte aus, dass seine Rügen nicht den Vorhalt, also das Verlesen des von der Zeugin angefertigten Berichts beträfe, sondern die anschließenden Fragen an die Zeugin. Der Vorhalt sei durchaus dazu geeignet gewesen, eine Erinnerungsleistung anzuspornen. Die anschließenden Fragen jedoch zielten suggestiv auf Antworten ab, die die Zeugin nicht geben könne, weil - wie von ihr deutlich gemacht - sie sich nicht mehr erinnere. Nach einer kurzen Stellungnahme von Bundesanwalt Bruns, der die Rüge erwartungsgemäß zurückwies, entschied die Richterin positiv über die Zulässigkeit ihrer Frage. Die Zeugin bejahte dann die Frage von Richter Alban, ob sie die Verantwortung für den vor 13 Jahren erstellten Bericht übernehme, mit "natürlich" und wurde dann entlassen.

Trotz gewissenhafter Suche: keine Waffen und kein Sprengstoff im MehringHof

Bei den beiden letzten Zeugen des heutigen Tages handelte es sich um Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA), die maßgeblich bei der Durchsuchung des Berliner Kulturzentrums MehringHof am 19.12.1999 beteiligt waren. Anlass der Durchsuchung waren Aussagen von Tarek Mousli, wonach sich in einem Aufzugschacht im Mehringhof ein Depot der RZ befunden haben soll, in dem Sprengstoff und Waffen gelagert gewesen sei.

Paul Kröschel, 1. Kriminalhauptkommissar beim BKA, war Koordinator der Durchsuchung. Kröschel hatte den Einsatzbefehl eine Woche zuvor erhalten. An der Durchsuchung seien "mehrere Hundert" Beamte beteiligt gewesen. An die genaue Anzahl konnte sich der Zeuge trotz Nachfrage von Rechtsanwalt Kaleck nicht mehr erinnern. Die in der Presse genannte Anzahl von 1000 erschien ihm allerdings zu hoch. Zur Vorbereitung des Einsatzes seien ihm Gebäudepläne zur Verfügung gestellt worden. Am 14.12. habe er eine schriftliche "Anregung" des BKA-Beamten Schulzke erhalten. Außerdem habe er im Vorfeld Gespräche mit Schulzke und anderen Beamten geführt, die mit dem Fall beschäftigt waren. Als Hauptverantwortlicher des Einsatzes habe er verschiedene Kräfte von unterschiedlichen Fachdienststellen angefordert. Schlussendlich beteiligt war die Berliner Bereitschaftspolizei, die vor allem auf der Straße vor dem Gebäude eingesetzt worden sei. Der Bundesgrenzschutz (BGS) sei für die "Herstellung der Sicherheit" verantwortlich gewesen. Beamte von BKA und LKA hätten die Durchsuchung durchgeführt. Kröschel gab heute an, neun Durchsuchungsteams aus insgesamt 100 Beamten gebildet zu haben. Außerdem seien vier Sprengstoffhunde im Einsatz gewesen.

Man habe sich dagegen entschieden die Verwaltung des MehringHofes vorab zu informieren, weil man eine "überraschende" Aktion durchführen wollte. Um 6.00 Uhr morgens habe man begonnen, in das Gebäude einzudringen. Um 8.30 Uhr habe der BGS - dabei handelt es sich bekanntermaßen um die GSG 9 - gemeldet, dass die "Sicherheit im Gebäude hergestellt" sei. Ab diesem Zeitpunkt seien keine Türen mehr aufgebrochen worden. Die Suche konzentrierte sich auf Aufzugschächte, angrenzende Räume, Treppenhäuser, sonstige Hohlräume und die Arbeitsplätze von Axel H. und Harald G.. Um 15.50 sei die Durchsuchung abgeschlossen und ab 17.30 Uhr seien die Beamten abgezogen worden.

Auf die Frage von Rechtsanwalt Euler, ob die "Überraschung" gelungen sei, antwortete der Zeuge, dass er den Eindruck gehabt habe, dass niemand im MehringHof mit einer Durchsuchung gerechnet hätte. Der Zeuge gab weiter an, dass er das "Objekt" mit der Gewissheit verlassen habe, dass gründlich gesucht worden sei. "Ich bin überzeugt, wir hätten den Sprengstoff gefunden, wenn welcher da gewesen wäre."

Diese Einschätzung teilte auch der zweite Zeuge vom BKA, der Kriminalbeamte Kurt Schmitz. Er war während der Aktion für die Suche im Kellerbereich zuständig. Schmitz hatte sich zur Vorbereitung die Aussagen von Tarek Mousli angesehen und eigenständig den Aufzugschacht überprüft. Da dieser Schacht von einem Betriebsraum, der durch ein Vorhängeschloss gesichert war, einsehbar und begehbar sei, habe er sich entschieden, keine Wisch- und Saugproben zu nehmen, da der Ort für ein Waffen- und Sprengstoffdepot denkbar ungeeignet sei. Auch die Konkretisierung der Aussagen bezüglich des vermeintlichen Depots im MehringHof, die Mousli am 21.3.2000 gemacht hat, hatte der Zeuge - wie er heute berichtete - zur Kenntnis genommen. Auch diese hätten jedoch keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Beide Zeugen wurden vereidigt und entlassen.

Suche     Mail
http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte/231101.htm