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Übersicht: schriftliches
Urteil
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8) Verbleib des Sprengstoffs der Berliner RZ
Der Zeuge Mousli hat die im Zusammenhang mit der Übergabe
des Sprengstoffs durch den Angeklagten G. im März 1995 stehenden
Ereignisse, soweit er hierzu aus eigener Wahrnehmung berichten konnte,
so wie festgestellt glaubhaft geschildert. Die Bekundungen sind
in sich schlüssig und nachvollziehbar, und sie werden durch
das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt,
a) Daß im Keller des Zeugen in der Schönhauser Allee
46 a Sprengstoff gelagert war, ist belegt durch die Aussagen der
Zeugen Slawinski und Weber, die den Diebstahl von Sprengstoff aus
diesem Keller glaubhaft eingeräumt haben, ferner durch das
Gutachten des Sachverständigen Dr. Kolla, der bei der kriminaltechnischen
Untersuchung der dort von dem Zeugen KHK Brandmaier entnommenen
Saug- und Wischproben typische Komponenten gewerblicher Sprengstoffe,
wie sie auch in Gelamon 40 enthalten sind festgestellt hat. Der
entwendete Sprengstoff ist, wie bereits dargelegt (oben unter 4)
a) aa) (5)). in der Wohnung des Zeugen Slawinski und im Seegraben
sichergestellt und als aus dem Diebstahl in Salzhemmendorf stammendes
Gelamon 40 identifiziert worden.
b) Der Senat glaubt dem Zeugen Mousli auch, daß es der Angeklagte
G. war, der ihm den Sprengstoff zur Aufbewahrung zukommen ließ.
Der Angeklagte G. war bereits 1994 an den Zeugen Mousli herangetreten,
um Geld für die RZ zu beschaffen. Da dieser Kontakt erfolgreich
verlaufen war, lag es für ihn nahe, sich erneut an den Zeugen
zu wenden und ihn um die vorübergehende Aufbewahrung des Sprengstoffs
zu bitten, zumal sich der Zeuge bereit erklärt hatte, den RZ
nach seinem Ausscheiden weiterhin für Hilfsdienste zur Verfügung
zu stehen. Der Senat geht zugunsten der Angeklagten davon aus, daß
es sich bei dem übergebenen Sprengstoff um die gesamte, den
Berliner RZ noch zur Verfügung stehende Restmenge handelte.
c) Der Zeuge Mousli hat bereits, wie der Zeuge Trede bestätigte,
in einem sehr frühen Abschnitt des Ermittlungsverfahrens, am
16. Juni 1999, nicht nur den Besitz des von den Zeugen Slawinski
und Weber entwendeten Sprengstoffs gestanden, sondern - was ebenfalls
seine Glaubwürdigkeit stützt - eingeräumt, weiteren
Sprengstoff besessen zu haben. Er habe diesen noch am selben Abend
der Entdeckung des Diebstahls in den Seegraben in Berlin- Buch geworfen.
Das ist im Ergebnis dadurch bestätigt worden, daß das
Sprengstoffpaket in der von dem Zeugen beschriebenen Verpackung
am 24. August 1999 bei einer Durchsuchung des Seegrabens dort von
dem Zeugen Golde mittig unter der Dünnschlickschicht gefunden
wurde.
d) Während der Zeuge Mousli bei der genannten Vernehmung im
Juni 1999 zu der Verpackung noch ausgesagt hatte, daß sich
der in seinem Keller zurückgelassene Sprengstoff bereits in
einem blauen Müllsack befunden habe, welcher mit einem Klebeband
umwickelt gewesen sei, er habe dieses Paket in einem weiteren Müllsack
verstaut, hat er dies in der Hauptverhandlung dahin richtiggestellt,
daß das Sprengstoffpaket in einem zerfetzten blauen Müllsack
gelegen habe, er habe es daraufhin in einen neuen blauen Müllsack
gepackt und das Paket mit einem Klebeband umwickelt. Daß es
sich so verhalten hat, findet seine Stütze durch die Aussage
des Zeugen Weber. Während der Zeuge Slawinski sich an eine
aus Müllsäcken bestehende Verpackung der im Keller liegenden
Sprengstoffpakete nicht erinnern konnte, ebenso wenig wie der Zeuge
H., den die Zeugen Slawinski und Weber nach dem Einbruch mit der
Beute besucht hatten, hat der Zeuge Weber bekundet, daß der
vorgefundene Sprengstoff mit blauen Müllsäcken und diese
wiederum mit Klebekrepp umwickelt gewesen seien. Sie hätten
die Sachen durchwühlt, teilweise auf den Flur geräumt,
ein Sprengstoffpaket zerrissen und eines mitgenommen. Die Bekundungen
des Zeugen sind glaubhaft. Er ist nach dem persönlichen Eindruck
deutlich intelligenter als die Zeugen H. und Slawinski letzterer
hatte u.a. nicht mehr in Erinnerung, daß er sich wegen Besitzes
des bei ihm sichergestellten Sprengstoffs vor dem Jugendgericht
hatte verantworten müssen - und hat sich wegen der besonderen
Gefährlichkeit der Beute noch gut an das damalige Geschehen
erinnern können.
e) Als der Sprengstoff am 24. August 1999 im Seegraben gefunden
wurde, befand er sich, wie der Zeuge Trede bekundet hat, nicht an
der Stelle, die der Zeuge Mousli bei seiner Vernehmung am 16. Juni
1999 als Einwurfstelle bezeichnet hatte. Seinerzeit hatte der Zeuge
angegeben, das Paket in Höhe des Parkplatzes an der Schönerlinder
Chaussee eingeworfen zu haben. Dieser Parkplatz erstreckt sich ab
der Schönerlinder Chaussee etwa 40 Meter längs zum Seegraben
in das Waldgebiet hinein. Das Paket wurde jedoch hinter dem Parkplatz,
ca. 195 Meter entfernt von der Schönerlinder Chaussee, entgegen
der Fließrichtung des Seegrabens gefunden. Eine vorangegangene
Suchaktion der Ermittlungsbehörden am 16. und 17. Juni 1999
im Bereich des Parkplatzes war erfolglos geblieben.
Verteidiger vertraten die Auffassung, der Zeuge Mousli habe die
Unwahrheit gesagt, als er im Juni 1999 gegenüber den Ermittlungsbehörden
angegeben hatte, er habe den Sprengstoff unmittelbar nach dem Einbruch
im März 1995 in den Seegraben geworfen. Sie brachten vor, er
habe den Sprengstoff erst nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft
am 7. August 1999 zu der Stelle im Seegraben gebracht, an der er
dann letztlich aufgefunden wurde, und ihn dort im Schlick vergraben.
Das Abweichen zwischen der von dem Zeugen angegebenen Einwurfstelle
und dem tatsächlichen Fundort begründet jedoch keine Zweifel
an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Mousli.
aa) Der Zeuge war, wie er berichtet hat und wie dies auch von der
Zeugin T. bestätigt worden ist, nach dem Einbruch in seinen
Keller überaus nervös und hektisch. Das leuchtet ohne
weiteres ein. Denn er mußte damit rechnen, daß ihm die
Polizei auf die Spur kommt, und er mußte daher den übrig
gebliebenen Sprengstoff schnellstmöglich beseitigen. Daß
er in dieser für ihn sehr bedrohlichen Situation "Hals
über Kopf" gehandelt hat und dementsprechend in der Folgezeit
nicht mehr in der Lage war, die Einwurfstelle genau zu lokalisieren,
ist nachvollziehbar, zumal es nach den in sich schlüssigen
Angaben des Zeugen bereits dunkel war, er auf etwaige Passanten
achten mußte und die ganze Aktion schnell gehen mußte.
Der Zeuge hat zwar angegeben, er sei sich sicher gewesen. das Paket
an der von ihm genannten Stelle im Bereich des Parkplatzes eingeworfen
zu haben, weil er bei späteren Spaziergängen das Blau
des Plastiksackes aus dem Wasser habe durchschimmern sehen. Dies
kann jedoch ohne weiteres darauf beruhen. daß er bei diesen
Spaziergängen dort tatsächlich einen blauen Plastiksack
wahrnahm, dessen sich "Umweltsünder" entledigt hatten,
und daß er infolge der geschilderten hektischen Umstände
bei seiner eigenen "Entsorgungsaktion" diese Stelle später
nicht mehr richtig zuordnete.
bb) Der Senat glaubt dem Zeugen, daß er den restlichen Sprengstoff
noch am selben Tag nach der Entdeckung des Diebstahls beseitigte.
Nachdem der Angeklagte G. es unter Hinweis auf die möglichen
polizeilichen Ermittlungen abgelehnt hatte, den Sprengstoff zurückzunehmen,
war es für den Zeugen Mousli, der in der Gefahr stand, in das
Blickfeld der Ermittler zu geraten, um so dringlicher, sich des
Sprengstoffs zu entledigen. Bei dieser Sachlage schließt der
Senat es aus, daß der Zeuge den Sprengstoff über Jahre
hinweg aufbewahrt hat.
cc) Es gibt auch keinen den Senat überzeugenden Grund, warum
der Zeuge im Juni 1999 der Wahrheit zuwider angegeben haben sollte,
den Sprengstoff in Höhe des Parkplatzes im Seegraben versenkt
zu haben. Denn er mußte damit rechnen, daß seine Angaben,
wie es denn auch geschehen ist, überprüft würden.
Einen Vorteil in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren
hätte er durch diese objektiv falschen Angaben nicht ziehen
können. Die von der Verteidigung geäußerte Vermutung,
der Zeuge habe mit dieser Angabe bereits im Juni 1999 Bereitschaft
zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden signalisieren wollen,
ist nicht plausibel. Denn abgesehen davon, daß der Zeuge in
diesem frühen Stadium des Verfahrens ohnehin nicht zu einer
umfassenden Kooperation mit den Ermittlungsbehörden bereit
war, hätte es sich für ihn aufdrängen müssen,
daß eine objektiv falsche Aussage gerade nicht als Zeichen
der Kooperationsbereitschaft gewertet werden würde.
dd) Der Senat zweifelt auch unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme
im übrigen nicht an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen
Mousli, wonach er das Paket bereits im März 1995 in den Seegraben
geworfen habe, Bei den von der Berliner Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz veranlaßten Begehungen des
Seegrabenufers in den Jahren 1995 bis 1999 ist zwar das Sprengstoffpaket
nicht bemerkt worden. Dies kann jedoch verschiedene Gründe
haben, wie etwa den Umstand, daß das Gewässer saisonal
mit sog. Entengrütze bedeckt ist. Auch der Eintrag von Ästen,
Blättern und ähnlichem biologischem Abfall kann dazu geführt
haben, daß das Paket vom Ufer aus nicht mehr sichtbar war
oder unbemerkt geblieben ist. Im Nachhinein läßt sich
das nicht mehr klären. Soweit die Zeugin T. angegeben hat,
daß der Zeuge Mousli das Gebiet am Seegraben erst etwa ab
August 1995 gekannt habe, hat sie dies allein aus dem Umstand geschlossen,
daß sie und der Zeuge erst ab diesem Zeitpunkt mit ihrem Hund
dort spazieren gegangen seien und nicht der Zeuge ihr vorgeschlagen
habe, "da oder dort hinzugehen", sondern sie ihm. Tatsachen,
die ihre so nicht begründbare Schlußfolgerung ansonsten
hätten stützen können, hat sie nicht zu bekunden
vermocht. Hinzu kommt, daß die Zeugin auch zu anderen Themenbereichen
die Neigung gezeigt hat, sich aus bruchstückhaften Informationen
etwas zusammenzureimen und als Tatsache zu bekunden. Der Zeuge Mousli
hat demgegenüber überzeugend ausgesagt, daß er die
Gegend schon vorher gekannt habe, da er nach der Wende viel, auch
im Norden von Berlin spazieren gegangen sei.
ee) Der Senat hat den Sprengstoffsachverständigen Dr. Kolla
mit einem Gutachten zu der Frage beauftragt, wie lange der Sprengstoff
im Wasser gelegen habe. Ausgehend von dem Umstand, daß die
Verpackung des Sprengstoffs auf einer ungefähren Größe
von 10 bis 12 cm beschädigt und durch diese Beschädigung
offenbar Wasser eingedrungen war, hat der Sachverständige in
einer Modellrechnung den Zeitraum errechnet, den es bis zur vollständigen
Auflösung des wasserlöslichen Bestandteils Ammoniumnitrat
gebraucht hätte. Er hat insoweit einen Ammoniumnitratanteil
von 50 % zugrundegelegt. Die äußere Erscheinung des Pakets
(Algenbewuchs) und die Auffindesituation unter einer Dünnschlickschicht,
so der Sachverständige, ließen für die weitere Abschätzung
darauf schließen, daß das Paket zumindest mehrere Wochen
an dem Fundort gelegen habe. Wäre es zum Zeitpunkt des Einbringens
bereits einseitig geöffnet gewesen, so wäre der Sprengstoff
nach 6 Wochen bis 3 Monaten fast vollständig gelöst worden.
Da er aber nur zu geringen Teilen angelöst gewesen sei, sei
davon auszugehen, daß er erst kurz vor oder während der
Bergung mit Wasser in Berührung gekommen sei. Das Paket könne
über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis mehrere Jahre am
Auffindeort unter Wasser gelegen haben. Ein exakter Zeitraum könne
nicht angegeben werden. In einem weiteren Gutachten hat der Sachverständige
den bereits oben genannten realen Gehalt der Proben an Ammonium-
und Natriumnitrat zugrunde gelegt. Mit Blick auf die nur geringe
Anlösung ist er auch in diesem Gutachten zu dem gleichen Resultat
gelangt, daß der Kontakt des Sprengstoffs mit Wasser erst
kurz oder während der Bergung stattgefunden habe. Ein exakter
Zeitraum der Liegezeit im Wasser könne bei dieser Sachlage
nicht angegeben werden. Der Senat schließt sich dem nach eigener
Prüfung an. Daß die Beschädigung bei der Bergung
des Pakets sehr wohl geschehen sein kann, macht die Aussage des
Zeugen Golde vom Bundesgrenzschutz deutlich, wonach er mit einer
Mistgabel den Schlick durchkämmt habe und dabei auf das im
Schlick nicht sichtbar gewesene Paket gestoßen sei. Da das
Seegrabenwasser erst am Vortag abgepumpt worden und das Milieu dementsprechend
weiterhin wäßrig war, kann der Sprengstoff ohne weiteres
bei der Bergung mit Wasser in Berührung gekommen sein.
ff) Der Sachverständige auf dem Gebiet der Klebtechnik Dr.
Hartwig hat Teile des vom Müllsack abgelösten Klebebandes
untersucht. Entgegen der von ihm geäußerten Vermutung
handelte es sich hierbei nicht um das Produkt "tesa 4100",
sondern, wie der Sachverständige Galle von der tesa AG ausgeführt
hat, wahrscheinlich um das ähnliche, bis 1996/97 hergestellte
"NOPI 4065". Der Sachverständige Dr. Hartwig hat
festgestellt, daß die von ihm untersuchte Klebmasse auf Naturkautschuk
basiert und damit wesentlich wasserbeständiger ist als Klebrnassen
auf Polyacrylatbasis. Der Hauptweg für den Abbau von naturkautschukbasierten
Klebmassen in einem Gewässer sei die mikrobiologische Degradation
durch Bakterien, Algen und Pilze. Für deren Beurteilung sei
er, Dr. Hartwig, als Nichtbiologe jedoch nicht sachverständig.
Es gebe zwar Hinweise, daß sich das Band nur kurze Zeit, bis
zu wenigen Monaten, in dem Graben befunden habe, so insbesondere
der Umstand, daß die Klebmasse noch klebte. Es handele sich
insoweit aber, wie er ausdrücklich klarstellte, nicht um Beweise
im naturwissenschaftlichen Sinn.
gg) Die Limnologin (Binnengewässerkundlerin) mit dem Spezialgebiet
Algen Dr. Kasten hat als Sachverständige ein Gutachten darüber
erstattet, ob anhand des auf der Paketverpackung befindlichen Kieselalgenbewuchses
eine Bestimmung der Lagerzeit des Pakets im Seegraben möglich
ist. Grundlage ihres Gutachtens waren drei von dem Müllsack
bzw. dem Klebeband entnommene Proben und fünf weitere Proben,
die sie im September 2002 aus dem Seegraben an der Fundstelle des
Sprengstoffpakets entnahm. Es waren dies Proben der obersten Schlammschichten
in etwa 0,6 m Wassertiefe, der Wasserpflanze Ceratophyllum submersum
(zum einen Pflanzenabschnitte direkt oberhalb des Sediments, zum
anderen solche direkt unter der Wasseroberfläche), der obersten
Schlammschicht mit aufliegendem Detritus (teilweise zersetztes Fallaub)
sowie eine aus dem Wasser geschöpfte Planktonprobe. Der Bewuchs
auf Ceratophyllum kann als Referenz für das Kieselalgenspektrum
der Vegetationsperiode Frühjahr bis Herbst angesehen werden,
da sich diese Wasserpflanze während der Wintermonate fast vollständig
zurückzieht. Die Sedimentproben hingegen repräsentieren
das Kieselalgenspektrum in einer Mixtur aus Sommer- und Wintergemeinschaften.
Zur Bestimmung der relativen Häufigkeiten der verschiedenen
Kieselalgenarten zählte die Sachverständige 500 Kieselalgenschalen
pro Probe aus. Für den Vergleich der Proben verwandte sie die
in der Ökologie üblichen und anerkannten Indices, nämlich
den Sörensen- Index für den Vergleich des Artenspektrums
und den Renkonen- Index für den Vergleich des Artenspektrums
und der Artenhäufigkeitsverteilung. Ausgehend davon, daß
einige Kieselalgen lediglich im Sommer und kaum im Winter vorkommen
bzw. umgekehrt, hat die Sachverständige zunächst geprüft,
ob sich auf dem untersuchten Material solche Algen mit einem ausgeprägten
saisonalen Auftreten befunden haben, was sich jedoch nicht nachweisen
ließ. Die Sachverständige hat jedoch festgestellt, daß
das untersuchte Material zum Teil echten Algenbewuchs aufwies. Dies
spreche für eine längere Verweildauer im Wasser. Echter
Bewuchs könne nur unter Licht entstehen, also nicht, wenn das
Paket die ganze Zeit über von Schlick bedeckt gewesen wäre.
Deshalb kann die Vermutung der Verteidigung, der Zeuge Mousli habe
das Paket erst nach seiner Haftentlassung am 7. August 1999 im Schlick
des Seegrabens vergraben, nicht richtig sein. Die Sachverständige
hat des weiteren festgestellt, daß das auf dem Paket nachgewiesene
Kieselalgenspektrum 50 % mehr Arten aufweist als die im Sommer 2003
von ihr an der Fundstelle des Sprengstoffpakets entnommenen, für
eine Vegetationsperiode repräsentativen Frischproben. Im Vergleich
der Häufigkeitsverteilung der Kieselalgenarten zeigten zudem
die vom Paket entnommenen Proben deutlich größere Ähnlichkeiten
mit den Proben aus dem - für einen längeren Zeitraum als
eine Vegetationssaison repräsentativen - Sediment des Grabens
als mit dem für die warme Jahreszeit typischen Bewuchs auf
der Wasserpflanze Ceratophyllum. Beide Gesichtspunkte hat die Sachverständige
dahin interpretiert, daß das Paket mit einer größeren
Wahrscheinlichkeit länger als nur innerhalb einer Vegetationsperiode
im Wasser gelegen habe. In einem weiteren Hauptverhandlungstermin,
in dem sie die von ihr verwandten, in der Ökologie üblichen
und anerkannten Methoden für den Vergleich des Artenspektrums
und der Artenhäufigkeitsverteilung erläutert und zur Verdeutlichung
der Entsprechung der Ergebnisse einen weiteren Ähnlichkeitsindex,
die Jaccard'sche Zahl, angewandt hat, wobei sich das gleiche Verknüpfungsmuster
(Ähnlichkeitsverhältnis) zeigte, hat die Sachverständige
zwar betont, daß ihr Befund keine eindeutigen Schlüsse
zuließe. Sie hat auf Nachfrage aber bestätigt. daß
eine größere Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß
das Paket länger als einen Sommer im Seegraben gelegen habe.
Der Senat hat sich dem Gutachten nach sorgfältiger Prüfung
und Wertung angeschlossen.
hh) Der Zeuge Mousli hat angegeben, daß das Paket nach dem
Einwurf in das Wasser gesunken sei. Die Beweisaufnahme, die sich
auch auf diesen Umstand erstreckt hat, hat nicht ergeben, daß
dies unzutreffend ist. Nach den gutachterlichen Angaben der Sachverständigen
Dr. Kolla und Prof. Dr. Gumlich kommt es für die Beurteilung,
ob das Paket (zunächst) schwamm oder (sofort) sank, auf geringste
- im Millimeterbereich liegende - Maßdifferenzen an. Das exakte
Volumen ließ sich nicht mehr ermitteln, da lediglich flächig-
einseitige Fotografien des - zumal aufgerissenen - Pakets nach seiner
Bergung im August 1999 vorlagen. Den übereinstimmenden Berechnungen
beider Gutachter zufolge wäre das zylinderförmige Paket
mit einem unterstellten Gewicht von ca. 4.800 g und einer unterstellten
Ursprungslänge von 45 cm bei einem Durchmesser bis zu 11,66
cm. mit einer solchen von 42 cm bis zu einem Durchmesser von 12,1
cm abgesunken. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. Gumlich
die Auffassung vertreten, daß die kleinstmögliche Querschnittsfläche
des Pakets einen Durchmesser von 12,2 cm gehabt haben müsse
und es daher, gleich ob 42 oder 45 cm lang, nicht untergegangen
sein könne. Dies überzeugt jedoch nicht, weil der Sachverständige
für den empirischen Nachweis eine Versuchsanordnung mit 20-Eurocent-Münzen
verwandt hat. Diese entsprechen zwar im Durchmesser den Gelamon-Stangen,
bestehen jedoch aus Metall. Dies bedingt zwischen den einzelnen
Münzen recht große Zwischenräume. Da es sich bei
Gelamon 40 nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. Kolla
jedoch um eine weiche, knetbare Masse handelt, ist es ohne weiteres
möglich, daß das von dem Zeugen Mousli mit dem Klebeband
geschnürte Paket im Querschnitt kleiner war und folglich ein
sinkfähiges Volumen gehabt hatte.
f) Der Zeuge KHK Möller erstellte, wie bereits an anderer
Stelle angesprochen, im November 1997 eine Auswertung, in welchen
Zusammenhängen 1987 in Salzhemmendorf entwendeter Sprengstoff
wieder aufgetaucht war. Dies führte dazu, daß die Ermittlungsbehörden
den RZ-Bezug des bei dem Zeugen Slawinski sichergestellten Gelamons
40 erkannten und in der Folge den Zeugen Mousli als Tatverdächtigen
ermittelten. Einige Verteidiger haben vorgebracht. daß der
Zeuge KHK Brandmaier bereits im Jahr 1995 durch das EDV-System dieselben
Informationen wie später der Zeuge Möller erhalten habe,
als er, Brandmaier, die Sprengstoffsofortmeldung vom 7. April 1995
bearbeitet habe, die der Zeuge KHK a.D. Krüger von der Berliner
Kriminalpolizei an das Bundeskriminalamt betreffend den Fund bei
Slawinski gerichtet hatte. Es seien daher bereits zu diesem Zeitpunkt
der RZ-Bezug festgestellt und Ermittlungen aufgenommen worden, die
allerdings nicht in den Akten dokumentiert worden seien. Der Zeuge
Krüger sei angewiesen worden, den RZ-Bezug nicht zu verfolgen.
Diese Hypothese ist schon aus sich heraus nicht plausibel. Die
Ermittlungsbehörden hatten großes Interesse, die Straftaten
der Berliner RZ aufzuklären, deren Mitglieder aufgrund der
erfolgreichen klandestinen Vorgehensweise lange Jahre unbekannt
geblieben waren. Es hätte sich daher aufgedrängt, daß
das Bundeskriminalamt bereits 1995 an den Zeugen Slawinski herangetreten
wäre, wenn es denn bereits zu diesem Zeitpunkt den RZ-Bezug
des bei ihm sichergestellten Sprengstoffs erkannt hätte. Eben
dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat sich das BKA nach
den glaubhaften Bekundungen der Zeugen Schulzke und Trede erst auf
der Grundlage des Auswertungsberichts des Zeugen Möller an
den Zeugen Slawinski gewandt, dessen Angaben über den Kellereinbruch
dann letztlich zur Ermittlung des Tatverdächtigen Mousli führten.
Es haben sich in der Beweisaufnahme auch sonst keine Belege für
diese Hypothese ergeben. Der Zeuge Brandmaier hat bekundet, daß
er seinerzeit bei der EDV-Recherche im Anschluß an die Sprengstoffsofortmeldung
vom 7. April 1995 keinen "Treffer" erzielt habe. Er hatte
im nachhinein keine Erklärung dafür und hat einen Eingabefehler
für möglich gehalten, der ein positives Ergebnis verhindert
habe. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß der Zeuge
die EDV- Recherche versehentlich gar nicht durchgeführt hat.
Die Frage, ob jemand an ihn herangetreten sei, die Recherche zu
Slawinski ins Leere laufen zu lassen bzw. den Fund bei diesem nicht
mit anderen Funden von Gelamon 40 in Verbindung zu bringen. hat
er verneint. Der Zeuge Krüger hat bekundet, daß das BKA
keinen Einfluß auf seine Ermittlungstätigkeit bezüglich
des Sprengstoffundes genommen habe; es habe insbesondere nicht die
Ermittlungen an sich gezogen. Soweit es in dem als Antwort auf die
Sprengstoffsofortmeldung übermittelten Telex des BKA vorn 11.
April 1995 an die Berliner Kriminalpolizei heißt: "hiesige
erkenntnisse zu o.a. personalien" - gemeint: des Zeugen Slawinski
- "sind dort bekannt", hat die Verfasserin dieses Telex,
die Zeugin Mrogalla dies dahingehend erläutert, daß es
sich hierbei um eine Standardformulierung handele, die sinngemäß
nichts anderes zum Ausdruck bringe, als daß das BKA über
keine weiteren Informationen als die in dem Bezugsschreiben (Sprengstoffsofortmeldung)
genannten verfüge. Die Bekundungen der Zeugen sind nachvollziehbar
und glaubhaft. Sie stehen im Einklang damit, daß für
das von Verteidigern behauptete Verhalten der Ermittlungsbehörden
ein plausibler Grund nicht erkennbar ist.
weiter
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