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Übersicht: schriftliches
Urteil
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4) Sprengstoffdepot im Mehringhof
Die Angeklagten Sch. und H. haben sich wie unter III. 1) d) bzw.
3) d) wiedergegeben zu dem Sprengstoffdepot eingelassen und den
Vorwurf bestritten.
Der Zeuge Mousli hat bekundet, 1987 habe der "Norden"
für die RZ eine größere Menge Sprengstoff gestohlen.
Etwa 20 kg davon hätten nach einer Vorankündigung des
Angeklagten Sch. die Berliner RZ im Herbst 1987 erhalten. Es habe
in seiner Gruppe eine Diskussion gegeben, wo dieser Sprengstoff,
zusammen mit einer Maschinenpistole und anderen Waffen, deponiert
werden sollte. Lothar E., damals Hausmeister im Mehringhof, habe
als Ort des anzulegenden Depots den Mehringhof vorgeschlagen und,
wie er, Mousli, später von E. erfahren habe, das Depot dort
auch tatsächlich angelegt. E. und der Angeklagte H. hätten
das Depot gemeinsam verwaltet, nach dem Wegzug E.s nach Kanada 1992/93
habe der Angeklagte H. das Depot allein verwaltet. Davon habe ihm
Lothar E. berichtet. Der Zeuge Mousli hat hierzu ergänzend
bekundet, daß der Angeklagte H. bereits vor seiner Anstellung
als Hausmeister im Mehringhof das Depot mit Lothar E. gemeinsam
verwaltet habe. Er hat das daraus geschlossen, daß sich der
Angeklagte H. häufig im Mehringhof aufgehalten habe und Lothar
E. zur Hand gegangen sei. Des weiteren hat der Zeuge berichtet,
daß E. ihm einmal die Örtlichkeit im Mehringhof gezeigt
habe, wo das Depot angelegt werden sollte. Es habe sich um einen
Schacht gehandelt, der mit einer Metallplatte abgedeckt gewesen
sei. In dem Schacht habe Wasser gestanden, als er einmal kurz hineingeschaut
habe. An seiner früheren Aussage im Ermittlungsverfahren, daß
sich das Depot in einem Aufzugsschacht gegenüber dem Eingang
der Kneipe ,;Ex" befunden habe, hat der Zeuge, worauf noch
einzugehen sein wird, nicht festgehalten und eingeräumt, daß
er sich bei der räumlichen Zuordnung geirrt haben mag. Zu der
Frage, wie lange das Depot sich im Mehringhof befunden habe, hat
der Zeuge erklärt, er wisse es nicht. Ob der Sprengstoff, den
ihm der Angeklagte G. 1995 zur vorübergehenden Aufbewahrung
übergeben habe, vor der Übergabe noch im Mehringhof oder
woanders gelagert habe, sei ihm nicht bekannt.
Die Tatsachenbekundungen des Zeugen sind glaubhaft. Sie sind nachvollziehbar
und im Kernbereich konstant bezüglich des Diebstahls des Sprengstoffs
in Salzhemmendorf für die RZ, die Verbringung eines Teils nach
Berlin, die Deponierung im Mehringhof, die gemeinsame Verwaltung
des Depots durch Lothar E. und den Angeklagten H. und schließlich
die alleinige Verwaltung durch diesen Angeklagten. Der Zeuge machte
auch hier deutlich, was er aus eigenem Erleben und was vom Hörensagen
wußte. Diese Angaben werden durch das Ergebnis der Beweisaufnahme
gestützt. Daß dem Zeugen eine präzise räumliche
Zuordnung des Depots in dem Gebäudekomplex des Mehringhofes
nicht mehr möglich war, begründet für den Senat keine
Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
a) Die Aussage des Zeugen Mousli über die Sprengstoffbeschaffung
der RZ und die Verbringung einer Teilmenge auf die "Insel"
im Jahr 1987 ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt
worden. Entgegen der Mutmaßung der Verteidigung gibt es für
eine andere Herkunft keine Anhaltspunkte.
aa) Durch Vernehmung des Disponenten der Westspreng GmbH, des Zeugen
Boschmann, und des Niederlassungsleiters desselben Unternehmens,
des Zeugen Krausch, sowie ergänzende Verlesung der dazugehörigen
Liefer- und Lagerdokumente ist belegt, daß die Westspreng
GmbH, wie im einzelnen festgestellt, zehn Kisten des vom VEB Sprengstoffwerke
Schönebeck/DDR bezogenen Sprengstoffs Gelamon 40 mit den Kistennummern
000565 bis 000574 an die Klöckner Durilit GmbH in deren Steinbruch
in Salzhemmendorf geliefert hatte.
Der seit 1975 bei der Firma Westspreng beschäftigte Zeuge
Boschmann hat berichtet, daß er über den Außenhandelsbetrieb
Chemie-Export-Import 100 Kisten Gelamon 40, Kaliber 22/200 gr mit
den Nummern 000501 bis 000600 gekauft habe, die am 17. Februar 1987
per Eisenbahnwaggon von Schönebeck an die Westspreng GmbH in
das Lager Finnentrop geliefert und sorgfältig kontrolliert
worden seien. Der Sprengstoff sei zunächst in einem Bunker
in Finnentrop, dann im Außenlager Steinheim, eingelagert worden.
Eine originalverpackte Kiste Gelamon 40 des genannten Kalibers mit
je 100 Patronen bestehe aus 4 Paketen zu je 25 Patronen, die jeweils
in Folienbeutel verpackt seien. Eine Doppelvergabe der entsprechenden
Numerierung (Kisten- und Paketnummern) dürfe es nach den einschlägigen
Rechtsbestimmungen nicht geben. Am 29. Mai 1987 seien aus diesem
Bestand die Kisten mit den Nummern 000565 bis 000574 an die Klöckner
Durilit GmbH in deren Steinbruch in Salzhemmendorf geliefert worden.
Der Zeuge Krausch, seit 1983 Sprengmeister bei der Firma Westspreng,
hat bekundet, er verwalte das Sprengstofflager in Steinheim. Am
30. März 1987 habe er aus dem Lager in Finnentrop per Spezialtransporter
die Kisten 000565 bis 000574 in original verpacktem Zustand erhalten.
Er selbst habe die Lieferung sorgfältig kontrolliert, da er
für die Lagermenge in seinem Lager "geradestehe".
Nach der Einlagerung in dem abgeschlossenen unterirdischen Bunker
seien die Kisten original verpackt am 29. Mai 1987 an die Firma
Klöckner Durilit in Salzhemmendorf geliefert worden.
Die sachlichen, von großer fachlicher Kompetenz getragenen
und widerspruchsfreien, zudem durch die einschlägigen Liefer-
und Lagerdokumente gestützten Aussagen der Zeugen sind glaubhaft.
Beide Zeugen vermittelten den nachhaltigen Eindruck, daß sie
mit größter Sorgfalt und Korrektheit vorgegangen waren.
Der Senat ist danach überzeugt, daß die fragliche Lieferung
aus Schönebeck genau kontrolliert und registriert und ebenso
korrekt der bestellte Sprengstoff an die Klöckner Durilit GmbH
geliefert wurde.
bb) Die Zeugen KHK Deutesfeld und KHK Möller haben glaubhaft
ausgesagt, am 4. Juli 1987 seien im Steinbruch der Klöckner
Durilit GmbH in Salzhemmendorf 110 kg Gelamon 40, 22.5 kg Hablastit
60 und 195 m Zündschnur entwendet worden. Nach den Ermittlungen
habe es sich bei dem gestohlenen Sprengstoff um den von der Westspreng
GmbH gelieferten gehandelt. Ergänzend hat der Zeuge Boschmann
bekundet, von der Klöckner Durilit GmbH die Auskunft erhalten
zu haben, daß der Sprengstoff aus der genannten Lieferung
der Westspreng GmbH entwendet worden sei.
cc) Aus diesem Diebstahl stammender Sprengstoff wurde von den RZ
bzw. der Roten Zora bei Anschlägen eingesetzt und konnte teilweise
auch anderweitig sichergestellt werden.
(1) Bei einem versuchten Sprengstoffanschlag auf das Biotechnische
Zentrum der Technischen Universität Braunschweig zwischen dem
29. Februar und dem 2. März 1988 wurde nach dem Bekunden des
Zeugen KHK Deutesfeld gewerblicher Sprengstoff eingesetzt, den die
Westspreng GmbH zweifelsfrei als Hablastit 60 identifizierte. Zu
dem Anschlag bekannte sich die Rote Zora.
(2) Am 21. September 1988 wurde nach dem weiteren Bekunden des
Zeugen Deutesfeld in Bielefeld-Sennestadt eine im Wald vergrabene,
als Erddepot dienende Mülltonne aufgefunden. Sie enthielt zwei
originalverpackte Sprengstoffpakete "Gelamon 40" zu je
25 Patronen a 200 g, Durchmesser 22 mm. Auf die Patronenumhüllungen
waren die Aufschriften "Gelamon 40", "GN 037"
(= Registriernummer, unter der die Bundesanstalt für Materialprüfung
den Sprengstoff Gelamon 40 zugelassen hat) sowie die Kisten- und
Paketnummern "000574/2" bzw. "000574/4" aufgedruckt.
In dem Depot lagen außerdem neben einer originalverpackten
Sprengstoffpatrone Hablastit 60 drei weitere Patronen Gelamon 40
mit den aufgedruckten Kisten- und Paketnummern 000569/3 bzw. 000569/4
sowie eine Patrone Gelamon 40 mit durch Nässe ausgewaschener
Nummer.
Der Sachverständige Dr. Krannich hat in seinem Gutachten dargelegt,
daß es sich bei den ihm aus diesem Depot vorgelegten beiden
Proben ausweislich der chemischen Zusammensetzung eindeutig um den
vom VEB Schönebeck produzierten gelatinösen Sprengstoff
Gelamon 40 gehandelt habe, dessen einziger Importeur in der alten
Bundesrepublik die Firma Westspreng gewesen sei. Zu demselben Ergebnis
ist der Sachverständige Dr. Kolla in seinem hiervon unabhängig
erstatteten Gutachten gelangt, in dem er den Fund aus Bielefeld
mit weiteren sichergestellten Sprengstoffproben verglichen hat;
hierauf wird unter (4) eingegangen.
Zur Überzeugung des Senats ist. schon aufgrund der Beschriftung
der im Bielefelder Depot und anderenorts sichergestellten Sprengstoffpatronen
erwiesen, daß diese aus dem Diebstahl in Salzhemmendorf stammen.
Der Zeuge KHK Möller, der im November 1997 für das Bundeskriminalamt
eine Auswertung erstellt hatte, in welchen Zusammenhängen 1987
in Salzhemmendorf entwendeter Sprengstoff wieder aufgetaucht war,
hat einleuchtend dargelegt, daß aufgrund der Originalverpackung
und der auf den Patronen aufgedruckten Beschriftungen kein Zweifel
an der Herkunft aus dem Diebstahl in Salzhemmendorf bestehe. Der
Sachverständige Dr. Kolla hat in diesem Zusammenhang ergänzend
darauf hingewiesen, daß es sehr schwierig sei, die Originalpatronierung
des Sprengstoffs nachzumachen". Wenn der Sprengstoff - wie
von einigen Verteidigern vermutet, wofür es allerdings keine
Anhaltspunkte gibt - eine andere Herkunft gehabt hätte, ist
kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum sich die Besitzer
der Mühe unterzogen haben sollten, ihn nachträglich ausgerechnet
mit der Patronierung zu versehen, die mit derjenigen des in Salzhemmendorf
gestohlenen Sprengstoffs übereinstimmt.
(3) In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1991 wurde, wie der Zeuge
KHK Bässmann ausgesagt hat. ein versuchter Sprengstoffanschlag
auf die Staatskanzlei und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit
und Soziales des Landes Nordrhein- Westfalen in Düsseldorf
verübt, zu dem sich die RZ bekannten. Hierbei wurden 3412 gr
einer rötlich-braunen Substanz sichergestellt. Nach dem einleuchtenden
Gutachten des Sachverständigen Dr. Kolla handelte es sich,
wie die chemische qualitative und quantitative Analyse der Einzelkomponenten
und die sensorische Betrachtung ergeben hat, um Gelamon 40, und
zwar aus einem Produktionszeitraum bis 1987. Andere Sprengstoffe
mit vergleichbarer Zusammensetzung sowohl in den absoluten als auch
den relativen Mengenanteilen sind den Angaben des Sachverständigen
zufolge nicht bekannt. Der Sachverständige hat dargelegt, daß
die von ihm festgestellte rötlich-braune Anfärbung des
Sprengstoffs mit Eisenoxidpigmenten auf einen Herstellungszeitraum
bis 1987 schließen lasse, die nur bis zu diesem Jahr verwendet
worden sei; danach sei Gelamon 40 mit dem sich hiervon deutlich
unterscheidenden organischen Farbstoff Sudanrot angefärbt worden.
(4) Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen
Dr. Kolla handelte es sich auch bei dem für den Anschlag der
Berliner RZ auf die Siegessäule am 15. Januar 1991 verwendeten
Sprengstoff um Gelamon 40 aus einem Produktionszeitraum bis 1987.
Der Sachverständige hat dargetan, daß die Zusammensetzung
der dort sichergestellten Proben identisch ist mit denjenigen von
dem versuchten Anschlag auf die Staatskanzlei am 5./6. .Januar 1991
in Düsseldorf. Die Daten beider Proben sind auch, mit Ausnahme
des Gehaltes an Nitroglykol, nahezu identisch mit denen des am 21.
September 1988 in Bielefeld-Sennestadt aufgefundenen Gelamons 40.
Der quantitativ geringere Befund an Nitroglykol - der in Bielefeld
sichergestellte Sprengstoff wies einen solchen von 31 % bzw. 32
% gegenüber jeweils 36 % in den bei den vorgenannten anderen
Proben auf - läßt sich, wie der Sachverständige
nachvollziehbar ausgeführt hat, ohne weiteres auf eine unterschiedliche
Lagerung zurückführen. Das Sprengöl Nitroglykol verflüchtige
sich bei ausreichender Belüftung leicht aus dem Sprengstoff,
daher lasse sich der Gehalt an Nitroglykol für Sprengstoffe,
die unter verschiedenen Bedingungen über längere Zeit
gelagert wurden, nicht mehr zu einem Vergleich heranziehen. Wie
der Sprengstoff aus Bielefeld vor seiner Verbringung in das Erddepot
gelagert war und wie es sich diesbezüglich mit den bei den
anderen Teilmengen verhielt, ist nicht bekannt. Die von dem Sachverständigen
geschilderte Verflüchtigung des Sprengöls Nitroglykol
ist danach ohne weiteres möglich. Nach dem überzeugenden
Gutachten des Sachverständigen, das sich der Senat zu eigen
gemacht hat, hat es sich aufgrund des Vergleichs der Mengenanteile
der übrigen Komponenten bei allen Proben um Gelamon 40 gehandelt.
(5) Die von dem Zeugen Slawinski aus dem Keller des Zeugen Mousli
entwendeten und am 6. April 1995 sichergestellten, originalverpackten
Patronen Gelamon 40 trugen nach dem Bekunden des Zeugen KHK a.D.
Krüger den Aufdruck der Kistennummer 000572. Der entwendete
Sprengstoff wurde fast vollständig in der Wohnung des Zeugen
Slawinski sichergestellt, was dieser auch bestätigt hat. Der
sachverständige Zeuge Volk, ein langjähriger Sprengstoffexperte
der Berliner Polizei, der zudem das ehemalige Sprengstoffwerk in
Schönebeck aufgelöst hat und daher Gelamon 40 gut kennt,
untersuchte den Sprengstoff sensorisch, bevor dieser vernichtet
wurde. Der Zeuge hat ausgeführt, daß es sich nach dem
Geruch, der Konsistenz und dem Ergebnis einer Brennprobe mit absoluter
Sicherheit um das ihm bekannte Gelamon 40 des Herstellers VEB Schönebeck
gehandelt habe. Es bestehen daher keine Zweifel, daß es sich
um einen Teil des Sprengstoffs handelte, der bei dem Einbruch in
Salzhemmendorf m 4. Juli 1987 entwendet worden war.
Ebenso verhält es sich mit dem übrigen Sprengstoff, den
der Zeuge Mousli im Seegraben entsorgte und der dort am 24. August
1999 sichergestellt wurde. Die dort aufgefundenen originalverpackten
Sprengstoffstangen Gelamon 40 trugen nach den Bekundungen des Zeugen
Trede, dies hat auch die Inaugenscheinnahme einer der Patronenumhüllungen
ergeben, den Stempelaufdruck 000573/1. Die beiden hiervon entnommenen
Proben wichen war in ihrer chemischen Zusammensetzung teilweise
voneinander ab. Dies ändert aber nichts daran, daß beide
Proben als Gelamon 40 zu qualifizieren sind. Nach den Ausführungen
des Sachverständigen Dr. K.mer wiesen beide Proben eine lediglich
geringfügige Abweichung bei dem Anteil des - für Gelamon
40 charakteristischen - Sprengöls Nitroglykol auf und waren
hinsichtlich des Anteils an den - für Gelamon 40 ebenfalls
charakteristischen - Dinitrotuluolen identisch. Während eine
Probe 25 % Ammoniumnitrat und 10 % Natriumnitrat enthielt, fehlte
allerdings in der anderen die Substanz Ammoniumnitrat völlig,
sie enthielt dafür einen Anteil von 42 % Natriumnitrat. Der
Sachverständige Dr. K.mer hat hierzu einleuchtend dargelegt,
daß beide Stoffe bei der Herstellung austauschbar seien, sich
dies deshalb nicht auf die Sprengwirkung auswirke und es sich immer
noch um denselben Sprengstoff handele. Der Sachverständige
Dr. Kolla hat dies bestätigt und ergänzend ausgeführt,
er habe des öfteren bei Billigprodukten aus der früheren
DDR festgestellt, daß einzelne Bestandteile gefehlt hätten
und durch andere geeignete Stoffe ersetzt worden seien. Die Abweichung
in den Proben könne durchaus produktionsbedingt sein. Sie ändere
nichts an der Einstufung als Gelamon 40.
(6) Am 2. Dezember 1992 wurden nach den Bekundungen des Zeugen
Möller in einem Keller des Wolfgang Eppler in der Fröbelstraße
38 in Duisburg u.a. 31 originalverpackte Sprengstoffpatronen Gelamon
40 sichergestellt. Es handelte sich um insgesamt 6.2 kg mit den
Kisten- und Paketnummern 000570/1 und 000570/3.
(7) Bei einer Durchsuchung in einem Kellerflur des Hauses Engerstraße
6 in Kempen am 1. Mai 1998 wurden den Bekundungen des Zeugen Griesbaum
zufolge fünf Patronen Gelamon 40 gefunden. Drei der in Augenschein
genommenen Patronenumhüllungen tragen die Aufschrift 000573/3.
Bei den beiden anderen ist jeweils deutlich die Zahl 000573 zu erkennen;
die jeweils letzte Ziffer nach dem Schrägstrich (= Paketnummer)
ist nicht vollständig aufgedruckt, weist aber jeweils einen
Bogen auf, so daß es sich wahrscheinlich wie bei den drei
anderen Patronen um eine 3, möglicherweise auch eine 2. nicht
jedoch um eine 1 (wie auf den im Seegraben gefundenen, s. oben (5))
handelt.
dd) Bei einer Gesamtschau bestehen für den Senat nach den
glaubhaften Aussagen der Zeugen und den überzeugenden Gutachten,
denen sich der Senat aufgrund eigener Wertung angeschlossen hat,
keine Zweifel, daß der 1987 verübte Diebstahl tatsächlich
der Beschaffung von Sprengstoff für die Zwecke der RZ diente
und die Gesamtmenge auf unterschiedliche Regionen verteilt wurde.
Der in Salzhemmendorf gestohlene Sprengstoff kam bei drei Anschlägen
der RZ bzw. Roten Zora zum Einsatz (Staatskanzlei Düsseldorf,
Siegessäule Berlin, Technische Universität Braunschweig).
Weitere mit ihm verübte Anschläge sind nach den Bekundungen
des Zeugen Möller nicht bekannt geworden. Es ist insbesondere
nicht bekannt geworden, daß etwa andere terroristische Gruppierungen
als die RZ bzw. Rote Zora den Sprengstoff bei Anschlägen verwendet
hätten. Die Aussage des Zeugen Mousli, daß ca. 20 kg
des entwendeten Sprengstoffs auf die "Insel" gelangt seien,
wird in eindrucksvoller Weise dadurch gestützt, daß der
Anschlag auf die Siegessäule mit aus dem Einbruch stammendem
Gelamon 40 begangen wurde und knapp 10 kg des erbeuteten und in
den Besitz des Zeugen Mousli gelangten Sprengstoffs später
in der Wohnung des Zeugen Slawinski und im Seegraben sichergestellt
werden konnten.
Die von der Verteidigung angedeutete Möglichkeit. daß
der Zeuge Mousli von einem anderen Täterkreis als der RZ den
Sprengstoff erhalten habe, schließt der Senat aus. Hierfür
haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben: dies liegt auch bei
der gebotenen Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses völlig
fern.
b) Auch die Aussage des Zeugen Mousli, die 20 kg des beschafften
Sprengstoffs seien zusammen mit einer Maschinenpistole und anderen
Waffen im Mehringhof verwahrt worden, ist zur Überzeugung des
Senats wahr. Bei der Überlegung, wo das Depot angelegt werden
sollte, mußte sich den Mitgliedern der Berliner RZ der Mehringhof
als hervorragend geeigneter Standort geradezu aufdrängen:
Zum einen ist in diesem großen und unübersichtlichen
ehemaligen Industriekomplex eine Vielzahl von Schächten, Gruben
und anderen Hohlräumen vorhanden, die als Depot genutzt werden
können. Dies ist durch die Vernehmung zahlreicher Zeugen erwiesen,
die an der Durchsuchung am 19. Dezember 1999 beteiligt waren. Der
Zeuge Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Homann, der die Durchsuchung
geleitet hatte, hat den Befund salopp, aber zutreffend dahin zusammengefaßt,
es gäbe dort "Schächte ohne Ende". Zum anderen
waren über die RZ-Mitglieder E. und später auch H. die
Kontrolle und der jederzeitige Zugriff auf das Depot gewährleistet.
Es kommt hinzu, daß Exekutivmaßnahmen der Ermittlungsbehörden
kaum zu erwarten waren, da solche, wie der Zeuge Piete, pensionierter
Kriminalbeamter der Berliner Polizei, bekundet hat, wegen des Gewaltpotentials
von Linksradikalen und Linksextremisten aus der Berliner Szene ausgesprochen
schwierig durchzuführen waren. Die Täter konnten zudem
davon ausgehen. daß selbst im Falle einer zufälligen
Entdeckung des Depots durch nicht eingeweihte Angehörige des
Mehringhof- Projekts nicht ernsthaft mit der Einschaltung der Polizei
zu rechnen war. Und schließlich war eine Gefährdung der
im Mehringhof lebenden und arbeitenden Menschen und des Gebäudes
durch Explosion des Sprengstoffs Gelamon 40 nach menschlichem Ermessen
ausgeschlossen. Denn es bedarf hierfür eines speziellen Zünders.
Der Zeuge Mousli hat in diesem Zusammenhang davon berichtet, daß
bei der Diskussion um die Anlegung des Depots auch der Sicherheitsaspekt
erörtert und als unproblematisch angesehen worden sei, da der
Sprengstoff nicht von alleine explodieren könne, sondern "richtig"
gezündet werden müsse.
Eine gewisse Stütze erfährt die Aussage des Zeugen Mousli
außerdem durch den Umstand, daß nach den Bekundungen
der Zeugen Leitender Senatsrat a.D. Spletzer und KHK a.D. Piete
am 6. November 1987 im Vorzimmer des damaligen Berliner Justizsenators
ein anonymer telefonischer Hinweis einging, daß sich im Mehringhof,
und zwar im AL-Büro und in einem Buchladen, Waffen und Sprengstoff
befänden. Zwar bestand das Mietverhältnis zwischen dem
Mehringhof und der AL (Alternative Liste) im Herbst 1987 nicht mehr,
weil es zum 31. März desselben Jahres gekündigt worden
war. Dies belegt aber nicht, daß der Hinweis unzutreffend
war. Das Mietverhältnis hatte über mehrere Jahre bestanden
und es ist nicht ungewöhnlich, daß eingefahrene Begriffe
für die Bezeichnung bestimmter Örtlichkeiten auch dann
noch verwendet werden, wenn der Nutzer, der "dem Kind den Namen
gab", dort nicht mehr ansässig ist. Was den Hinweis auf
einen Buchladen im Mehringhof angeht, wurde in einem solchen bei
der Durchsuchung am 19. Dezember 1999 den Angaben der Zeugin KHK
'in Alles zufolge hinter einer Regalwand ein als Versteck gut geeigneter
Hohlraum vorgefunden. Dem Hinweis vom 6. November 1987 wurde seinerzeit
nicht nachgegangen, weil, so der Zeuge Piete, die Berliner Staatsanwaltschaft
keinen zureichenden Anfangsverdacht für eine Straftat sah und
eine Durchsuchung des Mehringhofes ablehnte.
c) Der Zeuge Mousli hatte im Ermittlungsverfahren neben anderen
Örtlichkeiten im Mehringhof auch den Aufzugsschacht gegenüber
dem Eingang der Kneipe "Ex" als den Standort des Depots
bezeichnet. Am 19. Dezember 1999 wurden dieser und verschiedene
andere Räumlichkeiten im Mehringhof u.a. auf Sprengstoff und
Waffen durchsucht. Aufgrund der Bekundungen zahlreicher an der Durchsuchung
beteiligter Beamter steht fest, daß der Erfolg der - allerdings
nicht den gesamten Mehringhof erfassenden, auf Teilbereiche beschränkten
- Durchsuchung negativ war und auch Spuren von Sprengstoff nicht
nachgewiesen wurden. Eine weitere Durchsuchungsmaßnahme am
30. Mai 2000, die sich auf den Aufzugsschacht gegenüber dem
"Ex" und dessen nähere Umgebung konzentrierte und
zu der der Zeuge Mousli betragt wurde, war ebenfalls erfolglos.
Der über Videotechnik zugeschaltete Zeuge Mousli gab Hinweise,
wo gesucht werden sollte. Im Boden des im Keller liegenden Aufzugsschachts,
der mit aufsteigendem Grundwasser gefüllt war. wurde kein Hohlraum
mit einem Metalldeckel gefunden, auch die dort durchgeführte
kriminaltechnische Untersuchung ergab keine Hinweise auf Explosivstoffe.
Bei der Durchsuchung zweier weiterer Räume in der Nähe
des Aufzugsschachts, dem sog. Elektroraum und dem sog. Garagenraum,
beide im Erdgeschoß liegend, wurden Schächte mit Metalldeckeln
vorgefunden, deren kriminaltechnische Untersuchung jedoch keinen
Nachweis von Spuren explosionsgefährlicher Stoffe erbrachte.
Letztlich konnten auch durch eine radartechnische Untersuchung des
Bodens im Aufzugsschacht durch den Sachverständigen Niederleithinger,
die allerdings wegen des aufsteigenden Grundwassers nach nur teilweiser
Durchführung abgebrochen werden mußte, keine konkreten
Hinweise entdeckt werden, daß sich jedenfalls in dem untersuchten
Bereich zu einem früheren Zeitpunkt ein Hohlraum im Boden des
Aufzugsschachts befunden habe, der sich als Versteck für den
Sprengstoff geeignet hätte und später durch Verfüllung
beseitigt worden wäre. Was den sog. Garagenraum betrifft, geht
der Senat davon aus, daß der Sprengstoff und Waffen dort nicht
gelagert waren.
Zusammenfassend hat sich die frühere Aussage des Zeugen Mousli,
wonach sich das Sprengstoff- und Waffendepot in dem Aufzugsschacht
befunden habe, nicht bestätigt; auch wurden Waffen und Sprengstoff
nicht gefunden und konnten Sprengstoffspuren eines früheren
Depots in anderen - begrenzten - Bereichen des Mehringhofes, die
durchsucht worden sind, nicht festgestellt werden. Dieser Umstand
gibt dem Senat jedoch keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit
des Zeugen Mousli zu zweifeln.
Ohnehin ist nur ein kleiner Teilbereich des Mehringhofs durchsucht
worden. Überdies haben einige der an der Durchsuchung beteiligten
Beamten nur nach noch vorhandenem Sprengstoff gesucht. Sie haben
deshalb an Orten, die als Sprengstoffversteck durchaus geeignet
waren, das Durchsuchungsergebnis ohne weitere Maßnahmen (Einsatz
von Spürhunden, Spurenentnahme) als negativ gewertet. Daß
Sprengstoff gefunden werden würde, war wenig wahrscheinlich.
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung davon überzeugt,
daß das Depot lange vor der Durchsuchung des Mehringhofs im
Jahr 1999 aufgelöst oder verlegt war. Das Fehlen von Sprengstoffspuren
läßt im übrigen nicht den Schluß zu, daß
an den vereinzelten Stellen, von denen Proben entnommen worden waren,
nie Sprengstoff lagerte. Denn ob solche Spuren entstehen, hängt,
wie der Sachverständige Dr. Kolla überzeugend ausgeführt
hat, von vielen Faktoren, insbesondere auch der Art der Verpackung
des Sprengstoffs ab, die hier nicht geklärt werden konnte.
An welcher Stelle der Sprengstoff genau gelagert war, konnte in
der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Zur Lagerung geeignete
abgedeckte Schächte gab es im Mehringhof genug. Der Zeuge Mousli
hatte, was er auch einräumte, schon im Ermittlungsverfahren
angegeben, daß andere Stellen als der Aufzugsschacht, wie
z.B. Heizungskeller oder die Hausmeisterwerkstatt, ebenfalls in
Betracht kämen. Er brachte damit zum Ausdruck, daß seine
Erinnerung an die genaue Lage des Depots nicht sicher war. Das ist
auch ohne weiteres nachvollziehbar, denn seit der Errichtung des
Depots im Jahr 1987 waren im Zeitpunkt der Vernehmungen mehr als
zehn Jahre vergangen. Der Zeuge hat in der Hauptverhandlung eingeräumt,
daß er sich bezüglich des Aufzugsschachts als Standort
des Depots geirrt haben mag. Sicher sei er sich aber, daß
das Depot in einem Schacht war, der mit einem Metalldeckel abgedeckt
war und auf dessen Boden sich ein Wasserpegel befand. Bei der Inaugenscheinnahme
des Videobandes, auf das die Durchsuchung vom 30. Mai 2000 aufgenommen
worden war, ist deutlich geworden, daß dieses Erinnerungsbild
für den Zeugen ganz lebendig war, während die Erinnerung
an den Ort, wo er diese "Dreier-Kombination" aus Schacht,
Metalldeckel und Wasserpegel wahrgenommen hatte, offenbar verblaßt
war. Bei einer Gesamtschau ist der Senat davon überzeugt, daß
der Zeuge Mousli aufgrund der langen verstrichenen Zeit einer verständlichen
Unsicherheit bei der räumlichen Zuordnung des Schachtes erlegen
ist. Sein Bemühen um eine wahrheitsgetreue Aussage ist dadurch
jedoch nicht in Frage gestellt.
d) Die von dem Zeugen Mousli geäußerte - als solche
kenntlich gemachte - Schlußfolgerung, daß der Angeklagte
H. das Depot bereits vor der Aufnahme seiner Hauswarttätigkeit
im Mehringhof gemeinsam mit Lothar E. betreute, ist zwar plausibel
und wahrscheinlich, aber nicht genügend belegt. Seine Annahme,
die er darauf gründete, das RZ-Mitglied H. habe sich häufig
im Mehringhof aufgehalten und sei E. zur Hand gegangen - nicht,
wie von der Verteidigung des Angeklagten H. in dem für den
Fall der Verurteilung des Angeklagten H. wegen eines Verstoßes
gegen das Sprengstoffgesetz gestellten Hilfsbeweisantrag vom 18.
März 2004 auf Vernehmung der Zeugin Dentler behauptet, als
freier Mitarbeiter - mag zutreffen. Einen diese Schlußfolgerung
stützenden Beweis für eine Mitverwaltung schon zu dem
damaligen Zeitpunkt gibt es nicht. Der Zeuge hat, wie er betonte,
derartiges auch nicht von Lothar E. gehört. Bei dieser Sachlage
brauchte der Senat dem genannten Hilfsbeweisantrag, mit dem unter
Beweis gestellt werden sollte, daß der Angeklagte H. vor seiner
Anstellung im Mehringhof 1989 nicht als freier Mitarbeiter Hauswartsdienste
geleistet habe, nicht, auch nicht aus Gründen der allgemeinen
Sachaufklärungspflicht, nachzugehen.
Der Senat ist aber davon überzeugt, daß der Angeklagte
H. mit der Aufnahme seiner Tätigkeit im Mehringhof die Mitverwaltung
des Depots übernahm. Zum einen hatte er Lothar E. für
die Berliner RZ angeworben, so daß Gründe der gegenseitigen
Abschottung nicht entgegenstanden, zum anderen sprachen Sicherheitsgründe
für eine gemeinsame Verwaltung. Denn so war die Gefahr der
Entdeckung des Sprengstoffs, etwa durch H., erheblich herabgesetzt,
und der Sprengstoff war auch im Falle der Verhinderung eines der
beiden für die RZ verfügbar, konnte gesichert und notfalls
ausgelagert werden.
e) Es konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, wie lange
der Angeklagte H. Umgang mit dem Sprengstoff hatte. Der Zeuge Mousli
hat nur bekundet, daß der Angeklagte H. nach der Ausreise
Lothar E.s nach Kanada das Depot allein verwaltete. Er vermochte
indes nicht zu sagen, ob der ihm im März 1995 übergebene
Sprengstoff unmittelbar zuvor im Mehringhof gelagert war. Dies ist
jedoch entscheidend für die Frage, ob das dem Angeklagten zur
Last gelegte Delikt verjährt ist. Die Verjährungsfrist
für Umgang mit explosionsgefahrlichen Stoffen beträgt
fünf Jahre. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof hat
in dem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten H. mit Beschluß
vom 14. Dezember 1999 die Durchsuchung seiner Wohnung und die Sicherstellung
von Gegenständen angeordnet und damit erstmals gegen diesen
Angeklagten eine die Verjährung unterbrechende Anordnung getroffen.
Ein Schuldspruch hätte daher vorausgesetzt, daß der Angeklagte
H. noch am 15. Dezember 1994 Umgang mit dem Sprengstoff hatte. Der
sichere Aufbewahrungsort und seine Hauswarttätigkeit sprechen
zwar dafür, daß das Gelamon 40 in diesem Zeitpunkt noch
im Mehringhof lagerte und er das Depot auch noch verwaltete. Der
Senat vermochte dies jedoch nicht mit der erforderlichen Gewißheit
festzustellen, zumal ungeklärt geblieben ist, ob der Sprengstoff
im März 1995 von seinem damaligen Depot im Mehringhof oder
bereits von einem anderen Standort ausgelagert worden war. Der Senat
geht zugunsten des Angeklagten davon aus, daß er den Sprengstoff
nur in rechtsverjährter Zeit verwaltete.
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