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Übersicht: schriftliches
Urteil
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5) Entwicklung bis zum Ausscheiden des Zeugen Mousli
und der Angeklagten E. und Sch.
a) Der Senat hält die Einlassungen der Angeklagten Sch. und
E., sie seien allein wegen der Flüchtlingskampagne wieder politisch
aktiv geworden und der Anschlag. auf Dr. Korbmacher sei für
sie das Ende der Flüchtlingskampagne und das Ende ihrer Arbeit
in den Berliner RZ gewesen, nicht für glaubhaft. Die Berliner
RZ verfolgten nicht nur diese Kampagne, sondern auch die übrigen
in den Feststellungen genannten Ziele der RZ, die eine Massenbewegung
und mit ihr den gesellschaftlichen und politischen Umsturz herbeiführen
wollten. Dies folgt aus dem Bekennerschreiben zu dem Anschlag auf
den Zeugen Dr. Korbmacher, das an seinem Ende von dem Anspruch spricht,
einen Klassenkampf mit dem Volk und für das Volk zu führen,
in dem die Ziele einer freien, egalitären, menschlichen Gesellschaft
aufscheinen. Das Bekennerschreiben spricht des weiteren von revolutionären
Frauen und Männern und setzt sich mit der Frage des politischen
Mordes auseinander, der grundsätzlich abgelehnt wird. Der Angeklagte
Sch. hat sogar - wenn auch nicht glaubhaft - behauptet, die Angeklagte
E. habe das Bekennerschreiben - mit diesem grundlegenden und prägnant
gefaßten Bekenntnis zu den Absichten und Zielvorstellungen
- allein verfaßt. Es ging also nicht um die Flüchtlingskampagne
allein, sondern um die umstürzlerischen revolutionären
Ziele der RZ.
b) Die Angeklagte E. hat sich zum Nachweis ihrer Behauptung, das
Ende der Flüchtlingskampagne sei für sie das Ende der
Arbeit in den Berliner RZ gewesen, auf das Anti-Patriarchats-Papier
gestützt, das unter dem Titel "Das Spiel ist aus. Anmerkungen
zur Geschlechtsdifferenz." von ihr verfaßt worden sei
und das sie als Papier zur Auflösung der Berliner RZ verstanden
wissen will.
Das Diskussionspapier wurde in der Textsammlung "Die Früchte
des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären
Zellen und der Roten Zora. Band 2", dort unter dem Titel"
Was ist das Patriarchat? Diskussionstext der Revolutionären
Zellen von 1989" veröffentlicht. Daß das Papier
tatsächlich mit der Überschrift "Das Spiel ist aus
(Hervorhebung durch den Senat). Anmerkungen zur Geschlechtsdifferenz."
versehen war, wie die Angeklagten Sch. und E. behaupten, ist nicht
belegt.
In dem Diskussionspapier beschreibt die Angeklagte unter anderem
die Situation der schwarzen Frauen in Südafrika zur Zeit der
Apartheid. Sie kritisiert ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen, bezeichnet
die Reservate, die sie für gewaltsame kapitalistische Neuschöpfungen
hält, als Frauenlager, in denen mittellose Frauen unter permanenter
Vormundschaft der Männer leben, beschreibt die Frauenlohnarbeit
in der Stadt und auf dem Land, insbesondere die gesellschaftlich
wichtige, aber nicht entgoltene Arbeit von Frauen bei der Sorge
für Kinder und Alte und spricht vom patriarchalen SA (Südafrika)-
Regime und dem rassistischen Kapitalismus als gesellschaftliche
Bedingungen für die Ausbeutung und Entrechtung der Frauen.
Sie stellt fest, daß Frauen die Gattung (re-)produzierten.
Diese unabweisbare Tatsache widersetze sich dem linken, männlichen
Gleichheitsgedanken und schaffe eine unauflösliche Geschlechtsdifferenz.
Von der Körperarbeit sei der Mann vollkommen frei, frei von
der Last der Gattungsproduktion. Diesen Spielraum benutze der Mann,
um daraus das gesellschaftliche Terrain zu besetzen und daraus einen
Machtraum zu formieren, aus dem er das Geschlecht mit Eigenschaften
gewaltsam vertreibe und unter das Joch der Gesellschaft zwinge.
Das Papier gelangt schließlich zu der Feststellung, daß
beide Geschlechter niemals gleich sein werden. Niemals werde der
Mann das Maß aller Dinge sein. Der revolutionäre Mann
verkünde pathetisch das Reich der Freiheit, der Gleichheit,
das Ende aller Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das Ende
der Frauenausbeutung durch den Mann könne er damit unmöglich
meinen, denn dieses Ende zerreiße alle bisherigen Revolutionsentwürfe
als Makulatur, entlarve sie als das, was sie seien: männliche
Herrschaftsidyllen. Das Ende der Frauenausbeutung bedeute das Ende
der Möglichkeiten, aus der existentiellen Mehrarbeit der Frauen
Männermacht zu schlagen. Der Mann ohne Macht - das sei das
Ende des historischen Mannes.
Die Angeklagte E. hat hierzu ausgeführt, nach dem Ende der
Flüchtlingskampagne hätten sie sich mit den Mitgliedern
ihrer Gruppe getroffen und versucht, die veränderte gesellschaftliche
Situation zu analysieren und zu verstehen. Da ihnen dafür das
intellektuelle Rüstzeug gefehlt habe, habe sie in dem Papier
das Patriarchat untersucht, um eine Grundlage für eine fundierte
Auflösungsdiskussion zu schaffen. Die Schlußfolgerung
ihrer Untersuchung sei gewesen: "Das Spiel ist aus", und
"Das zerreißt alle bisherigen Revolutionsentwürfe
als Makulatur."
Der Zeuge Mousli hat bereits in einer frühen Vernehmung in
der Hauptverhandlung dieses Papier angesprochen und bekundet, es
sei von "Judith" verfaßt worden und zeitnah zum
Anschlag auf Dr. Korbmacher aufgetaucht. Auf Vorhalt der Einlassungen
der Angeklagten Sch. und E. hat er ausgesagt, das Papier sei 1988/89
in ihrer Gruppe kontrovers diskutiert worden im Sinne einer Umorientierung
der Strategie der Berliner RZ. "Jon" und "Judith"
hätten das Papier vehement verteidigt. Sie hätten bei
den Diskussionen nicht gesagt, daß sie aufhören wollen
und hätten auch andere nicht dazu gedrängt. Der Titel
"Das Spiel ist aus." sei ihm nicht bekannt. Bei der Diskussion
hätten sie sich gefragt, was das Papier solle und von der Hausfrauisierung
gesprochen, worüber sich "Judith" sehr geärgert
habe. - Dies brachte die Angeklagte heftig und spontan auch in der
Hauptverhandlung zum Ausdruck, indem sie, als der Zeuge den Begriff
Hausfrauisierung erwähnte, ihn barsch mit den Worten unterbrach:
"Jetzt rede ich!", - Der Zeuge hat weiter bekundet, das
Papier sei veröffentlicht worden, er wisse aber nicht, ob vor
oder nach seinem Ausstieg. Er hat energisch der Behauptung widersprochen,
es sei ein Ausstiegspapier gewesen. Vielmehr sei es im Sinne einer
neuen Kampagne der Berliner RZ besprochen worden. Der Senat hält
die Bekundungen des Zeugen für glaubhaft. Bei der Befragung
zu den Einlassungen der Angeklagten E. und Sch. zu diesem Themenkreis
begann der Zeuge sich an Einzelheiten zu erinnern und machte präzise
Angaben. Der Inhalt des Papiers stützt seine Angabe, daß
es sich nicht um ein Auflösungspapier gehandelt habe. Denn
der Text enthält keine Aufforderung zur Beendigung des bewaffneten
Kampfes und der Auflösung der RZ und konnte aus der Perspektive
eines Mitgliedes der RZ auch nicht so verstanden werden. Die Angeklagte
kann nach ihrer bisherigen Einstellung und Lebensführung nicht
gemeint haben, daß diese von ihr beschriebenen schlimmen Zustände
nur deshalb so bleiben müßten, weil sie auch mit der
Geschlechtsdifferenz zusammenhingen, die unabänderlich sei.
Daß die ontologisch und folglich unaufhebbare Geschlechtsdifferenz
selbst nicht durch revolutionäres Handeln beseitigt werden
kann, ist eine Binsenweisheit. Sind aber die herrschenden gesellschaftlichen
Verhältnisse einer patriarchal strukturierten Gesellschaft
und ein (rassistischer) Kapitalismus für die Lage der Frauen
verantwortlich, so können diese gesellschaftlichen Machtverhältnisse
(in dem Papier: "gesamtgesellschaftliches Herrschaftsmodell")
sehr wohl durch revolutionäres Handeln beseitigt werden. So
heißt es in dem Papier: "Art und Ausmaß der Belastungen
sind allerdings keine Naturkonstanten, in ihnen spiegeln sich bereits
die historischen Machtverhältnisse." Und an anderer Stelle:
"Unabänderlich indes ist allein die Tatsache, daß
beide Geschlechter niemals gleich sein werden."
Richtig mag sein, daß "das Ende der Frauenausbeutung
durch den Mann ... alle bisherigen Revolutionsentwürfe als
Makulatur entlarvt ... als das, was sie sind: männliche linke
Herrschaftsidyllen". Nach der Gesamtaussage ist darin die Forderung
nach neuen revolutionären Konzepten enthalten, die sich der
Geschlechtsdifferenz bewußt sind, sie berücksichtigen,
die gesellschaftlichen Bedingungen entsprechend ändern und
keine bloß formale Gleichheit proklamieren, die zu Lasten
der Frauen geht.
Auf dieser Grundlage sollte den RZ die theoretische Basis für
eine neue, konkret noch zu entwickelnde Kampagne nahe gebracht werden.
So haben es auch der Zeuge Mousli und die RZ im "Pott"
verstanden, allerdings als zu diesem Zweck ungeeignet befunden.
In der Auflösungserklärung des "Pott" "Das
Ende unserer Politik" heißt es unter anderem:
"Unsere Gruppe konnte und wollte umgekehrt die Ausrichtung
der gesamten Politik auf das Thema Antipatriarchalismus
nicht hinnehmen. Obwohl wir uns über die absolute Notwendigkeit
dieser Diskussion im klaren sind, erschien uns der Stand der
Auseinandersetzung nicht ausreichend, die Theorielücken
waren zu groß, die denkbaren Beziehungen zwischen legalen
und illegalen Kampfformen zu unausgegoren, als daß wir
daraus eine bewaffnete Politik hätten ableiten können.
(Das einzige Papier, das in diesem Zusammenhang veröffentlicht
wurde -"Was ist das Patriarchat?" - fiel internen
Spannungen zum Opfer und reichte nicht als Ausgangspunkt für
eine weiterführende Klärung in unseren Reihen.)
Historisch gesehen, hätten wir vielleicht einen emanzipatorischen
Beitrag zur Patriarchatsdiskussion leisten können, wenn
es uns gelungen wäre, mit den Frauen der Roten Zora eine
gemeinsame Politik zu entwickeln, an statt ihnen durch unsere
Ansichten und unser Verhalten die Trennung von uns nahe zu
legen. ... Kurzum: In der bisherigen Entwicklung der RZ-internen
Patriarchatsdiskussion, an deren männlichem Elend wir
mitverantwortlich sind, erkennen wir keinen politikfähigen
Ansatz: Wenn dann noch der Mann als Täter in den Vordergrund
rückt, Kontemplation Politik ersetzt und im Verzicht
auf männliche Definitionsmacht politische Enthaltsamkeit
geübt wird, begreifen wir die ganze Richtung eher als
Selbstentmündigung und Entpolitisierung, denn als
Beitrag zur Neubestimmung sozialrevolutionärer Politik.
Jedenfalls hilft der Antipatriarchalismus nicht über
das dringlichste Problem, über die fehlende Bedingung
hinweg, daß der militante Widerstand und der bewaffnete
Kampf so wie wir ihn zu entwickeln versucht haben, eine
Angelegenheit von immer weniger Leuten geworden ist und keine
soziale Basis mehr zu haben scheint." (Kursivdruck: Hervorhebung
durch den Senat [Hier fett: www.freilassung.de])
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Die Mitglieder des "Pott" waren also nicht bereit, etwa
mit der ideologischen Zielrichtung der "Antipatriarchatskampagne"
den revolutionären Kampf fortzusetzen.
Demgegenüber heißt es in dem Bekennerschreiben zu dem
von den Angeklagten B., H. und G. sowie Lothar E. verübten
Anschlag auf die Siegessäule, daß sie die Siegessäule
"als einen Beitrag zur notwendigen Diskussion über die
Zusammenhänge von Patriarchat, Nationalismus, Rassismus und
Sexismus erschüttert hätten." Die Berliner RZ übernahmen
also, anders als der "Pott", die von der Angeklagten E.
mit ihrem Patriarchatspapier beabsichtigte antipatriarchale Orientierung.
Die Angeklagten Sch. und E. haben ihren Ausstieg nach dem Anschlag
auf Dr. Korbmacher auch damit zu untermauern versucht, daß
sie erklärt haben, sie hätten zum Erwerb neuer geistiger
Grundlagen einen Literaturzirkel gegründet. Die Angeklagte
E. hat sich hierzu weiter dahin eingelassen, sie hätten sich
in dem Zirkel getroffen, um an den Fragen der Geschlechtsdifferenz
weiter zu arbeiten. Der Angeklagte H. hat angegeben, sich dem Arbeitskreis
angeschlossen zu haben. Die von dem Angeklagten Sch. benannten Zeuginnen
W. und E. haben die Teilnahme an dem Literaturzirkel bestätigt
und ausgesagt, daß auch Axel H. daran teilgenommen habe. Der
Zeuge Mousli hatte nach seinen Angaben von diesem Literaturzirkel
keine Kenntnis. Der Senat geht davon aus, daß sich die fünf
Personen zum philosophischen Gedankenaustausch getroffen haben,
wenngleich die beiden Zeuginnen über den Inhalt gelesener Schriften
keine Angaben machen konnten. Dies mag darauf beruhen, daß
die Treffen viele Jahre zurückliegen und die Schriften in Vergessenheit
geraten sind. Die Teilnahme an dem Literaturzirkel steht einer fortdauernden
Mitgliedschaft in den Berliner RZ nicht entgegen. Die Angeklagten
Sch., E. und H. können sich deshalb neben ihren Aktivitäten
in den Berliner RZ mit den Gruppenmitgliedern in einem Zirkel getroffen
und sich dort mit philosophischen Schriften befaßt haben.
b) Zweifel daran. daß die Angeklagten Sch. und E. nach dem
Anschlag auf Dr. Korbmacher ihre Mitwirkung in den Berliner RZ beendeten,
ergeben sich auch aus ihren Einlassungen selbst. In der ersten Einlassung
zu dem von der Angeklagten E. verfaßten Anti-Patriarchats-Papier,
haben sie, wie bereits erwähnt, behauptet, die Angeklagte habe
1987 einen grundlegenden Text mit dem Titel "Das Spiel ist
aus. Anmerkungen zur Geschlechtsdifferenz." geschrieben, der
in den RZ auf scharfe Kritik gestoßen sei; es sei kein Papier
des bewaffneten Kampfes, sondern eines über dessen Ende. Sie
hätten das Papier als unausgesprochene Auflösungserklärung
interpretiert. Nachdem die Verteidigung des Angeklagten B. die Frage
der tätigen Reue der §§ 129a Abs. 5, 129 Abs. 6 StGB
(a.F.) problematisiert hatte, hat der Angeklagte Sch. unter Bezugnahme
auf die erste Einlassung zum Ende ihrer Arbeit in den Berliner RZ
(s.o. III. 1) e)) nachgeschoben, sie hätten mit den weiteren
Mitgliedern der RZ in Berlin über ihre Analyse der politischen
Lage der RZ selbstverständlich diskutiert und keinen Zweifel
daran gelassen, daß ihre Überzeugung dahin gegangen sei,
daß es für weitere Aktionen der RZ weder Anlaß
noch Legitimation gäbe und sie daraus den Schluß gezogen
hätten, die Arbeit müsse eingestellt werden, was sie für
alle an der Diskussion Beteiligten auch erkennbar umgesetzt hätten.
Sie hätten die übrigen aufgefordert, die gleiche Konsequenz
zu ziehen. Alle Teilnehmer an der Diskussion hätten zudem gewußt,
daß sie die einzige ihnen zur Verfügung stehende Waffe
weggeworfen hätten. Die Angeklagte E. hat sich im Anschluß
daran hierzu dahin eingelassen, sie und der Angeklagte Sch. hätten
sich intensiv und redlich bemüht, den Text des von ihr geschriebenen
Papiers und die daraus zu ziehenden Konsequenzen zu erläutern.
Die Reaktion der Berliner Gruppe sei unterschiedlich gewesen. Sie
hätten sich nicht einigen können - so auch der Zeuge Mousli
über das Ergebnis der Diskussion beim Waldspaziergang - und
so hätte sich die Berliner Gruppe aufgelöst. Letzteres
verneinte der Zeuge.
Der Senat hält die Einlassungen der beiden Angeklagten auch
insoweit nicht für glaubhaft, als sie nachträglich behaupteten,
mit den Gruppenmitgliedern über das Ende Berliner RZ gesprochen
und, so der Angeklagte Sch., sie auch aufgefordert zu haben, ihre
Arbeit einzustellen. Der Angeklagte äußerte sich im Rahmen
seiner ersten Angaben eindeutig dahin, daß sie das Papier
"unausgesprochen" als Auflösungserklärung interpretiert
hätten. Es wurde also nicht an Hand des Anti-Patriarchats-Papiers
über das Ende der Berliner RZ diskutiert. Gründe, weshalb
er die nunmehr behaupteten Diskussionen anfangs hätte verschweigen
sollen, sind nicht ersichtlich; eine Erklärung dazu gaben beide
Angeklagten nicht ab. Aus dem Zeitpunkt ihrer Darstellung, d.h.
nachdem die Verteidigung des Angeklagten B. auf die Frage der tätigen
Reue hingewiesen hatte. folgt zur Überzeugung des Senats, daß
sie ihre Einlassungen änderten und die behaupteten Gesprächsinhalte
erfanden, um Straffreiheit oder Strafmilderung zu erlangen.
Dafür sprechen auch die Bekundungen des Zeugen Mousli, der,
wie bereits erörtert, im Zusammenhang mit dem Anti-Patriarchats-Papier
Gespräche über das Ende der RZ bestritt und solche bei
dem Waldspaziergang nur auf die Auflösungserklärung des
"Pott"' bezog. Dabei machte er deutlich, daß die
Angeklagten Sch., E. und B., wenngleich mit unterschiedlicher Zielrichtung
für die Fortführung der RZ plädierten und auch bei
dieser Gelegenheit eine Auflösung nicht beschlossen wurde.
c) Der Zeuge Mousli hat sich zu den sich an die Ermordung des Gerd
Albartus und die Durchsuchungsaktion des Bundeskriminalamtes anschließenden
Ereignisse und zu dem Waldspaziergang und dessen Motiven so wie
festgestellt geäußert. Seinem weiteren Bekunden zufolge
trafen sich die Mitglieder beider Gruppen - "Toni" war
bereits ausgeschieden - in dem gut besuchten Lokal "Loretta"
am Wannsee; der eigentliche Waldspaziergang und die Strategiediskussion
fanden im nahen Waldgebiet jenseits der Potsdamer Chaussee statt.
Der Angeklagte Sch. hat sich dahin eingelassen, es habe keinen Waldspaziergang
gegeben. Dies ist, wenn auch nicht glaubhaft, so indes konsequent,
behauptete er doch, bereits zuvor aus den Berliner RZ ausgestiegen
zu sein. Soweit er weiter angegeben hat, man hätte sich ohnehin
nicht ausgerechnet einen Massenausflugsort für ein klandestines
Treffen ausgesucht, überzeugt dies nicht. Gerade solche Örtlichkeiten
boten den beiden Gruppen der Berliner RZ Schutz vor Entdeckung,
denn im Kreise einer Vielzahl von Menschen ist die Gefahr aufzufallen
äußerst gering. Demgegenüber zeichnete der Zeuge
Mousli ein klares, folgerichtiges. nachvollziehbares und überzeugendes
Bild von den damaligen Geschehnissen. Es leuchtet auch ein, daß
sich die beiden Gruppen der Berliner RZ über die neue Linie
zu verständigen suchten. Hatte man bisher in der Flüchtlingskampagne
eines der Aufgabenfelder für terroristische Aktivitäten
gesehen, war nunmehr eine Neuorientierung erforderlich, die alle
Mitglieder der beiden Gruppen betraf. Die Suche nach einer neuen,
anderen vermittelbaren ideologischen Begründung für weitere
Anschläge gegen das herrschende System war für das Fortbestehen
der Berliner RZ zwingend notwendig. Dies war von so großer
Bedeutung, daß man für das Treffen am Wannsee sogar das
Abschottungsprinzip aufgab.
Auch die Angeklagten H. und G. nahmen an dem Waldspaziergang teil.
Der Zeuge Mousli hat im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung
angegeben, auch "Anton" und "Sigi" seien anwesend
gewesen; im Ermittlungsverfahren hatte er allerdings anfangs diese
beiden Personen nicht erwähnt. Dies spricht nicht dafür,
daß die Angeklagten H. und G. nicht dabei waren. Es handelte
sich um eine nicht ins Gewicht fallende Unaufmerksamkeit, die angesichts
der vielen Namen, die der Zeuge Mousli nannte, verständlich
ist. Überdies berichtete er stets von "Jon", "Judith",
"Heiner" und "Sebastian"; diese Personen waren
wegen ihrer Bedeutung für ihn oder die RZ bei ihm immer präsent.
Der Angeklagte G. gewann für den Zeugen erst nach Beendigung
seiner Mitgliedschaft an Bedeutung. "Anton" spielte als
einfaches Mitglied nach seinen Berichten keine herausragende Rolle.
Von dessen Wirken in der anderen Gruppe hatte er nur aus Erzählungen
der Angeklagten E. und Sch. erfahren, er stand ihm also fern. Darüber
hinaus bezeichnete der Zeuge im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens
die Mitglieder beider Gruppen konstant als Teilnehmer an dem Waldspaziergang.
d) Die Angeklagten Sch. und E. beendeten ihre Mitarbeit in den
Berliner RZ, weil sie die Antipatriarchatskampagne nicht durchsetzen
konnten und die gesellschaftlich- politische Entwicklung in Deutschland
ihnen den Boden für ihre umstürzlerischen Ziele entzog,
ihre Ziele also nicht mehr erreichbar waren.
Aufgrund der Bekundungen des Zeugen Mousli steht fest, daß
es den beiden Angeklagten bei dem Waldspaziergang nicht gelang,
die von ihnen vertretene Antipatriarchats- und Antisexismuslinie
als neue Kampagne durchzusetzen. Der Angeklagte B. sprach sich demgegenüber
für soziale Themen aus. Bei den drei führenden Mitgliedern
bestand keine Einigkeit mehr; sie fanden keine gemeinsame Linie,
die, wie bei der Flüchtlingskampagne, ein wirkungsvolles Handeln
ermöglicht hätte. Es kam hinzu, daß die Angeklagten
Sch. und E., soweit ersichtlich, auch außerhalb Berlins keine
Unterstützung fanden. Denn der "Pott" in Nordrhein-
Westfalen sprach sich gegen eine Antipatriarchatskampagne aus und
löste sich auf. Die politische Entwicklung in Deutschland,
der Untergang der DDR und der damit verstärkt einhergehende
Rückgang des linken und sozialrevolutionären Milieus auch
in der Bundesrepublik entzogen nach ihrer Überzeugung den Angeklagten
E. und Sch. den Nährboden für die umstürzlerischen
Ziele der RZ. Diese Ziele waren somit für sie aufgrund objektiver
Umstände nicht mehr erreichbar, ein Weitermachen sinnlos. Sie
zogen im Laufe der Zeit daraus die Konsequenz, ihre Mitarbeit in
den Berliner RZ zu beenden, ohne deren Auflösung zu fordern
oder die noch verbliebenen Mitglieder dahingehend zu beeinflussen.
Die Angeklagten E. und Sch. beendeten ihre Mitwirkung nach dem Ausscheiden
des Zeugen Mousli im Jahr 1990.
weiter
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