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Übersicht: schriftliches
Urteil
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3) Schußwaffenattentat auf Dr. Korbmacher
a) Der Zeuge Dr. Korbmacher hat das Attentat auf ihn so, wie festgestellt,
geschildert. Der Zeuge Splitt hat bekundet, die Schüsse des
Sozius auf den Zeugen beobachtet und sich deshalb das Kennzeichen
des Motorrades notiert zu haben. Beide Zeugen haben die Helme tragenden
Täter nicht identifizieren können. Die Aussagen der Zeugen
sind glaubhaft: sie haben sie sachlich, ruhig und widerspruchsfrei
gemacht. Der Zeuge Strunk hat ausgesagt, daß sein Motorrad
in Neuss gestohlen worden sei. Dies stimmt mit der Aussage des Zeugen
Mousli, das Motorrad sei vom "Pott" und mit der Einlassung
des Angeklagten Sch., es sei in Nordrhein-Westfalen gestohlen worden,
überein. Der Zeuge Schumacher hat bekundet, er sei aufgrund
von Presseberichten über das Attentat auf das Krad in der Schottmüllerstraße
aufmerksam geworden, und die Zeuginnen Hartmann und Kühling
haben ausgesagt, am Vormittag das Motorrad dort auf dem Gehweg zwischen
10 und 11 Uhr bzw. 10.30 Uhr auf dem Gehweg stehen gesehen zu haben.
An der Glaubhaftigkeit der widerspruchsfreien Angaben dieser unbeteiligten
Zeugen, die sich noch gut an dieses Ereignis erinnern konnten, bestehen
keine Zweifel.
b) Der Angeklagte Sch. hat sich dahin eingelassen, nicht der Zeuge
Mousli, sondern er sei an dem Diebstahl des Fluchtfahrzeugs in der
Bernhardstraße in Wilmersdorf beteiligt gewesen. Der Senat
hält dies nicht für glaubhaft und folgt den Bekundungen
des Zeugen, der sich zu dieser Tat und den Beteiligten so, wie festgestellt,
geäußert hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum er
sich der Begehung einer Straftat - und damit der Vergrößerung
seines Tatbeitrages- bezichtigt haben sollte, die er nicht verübte.
Die Durchführung der Tat schilderte er überzeugend in
allen Einzelheiten und verwickelte sich auch nicht in Widersprüche.
Dabei ist es unbeachtlich, daß er den Tatort nicht genau bezeichnen
konnte. Abgesehen davon, daß dieser Punkt für den Zeugen
Mousli nicht wichtig war und sie sich nach seinen Angaben nur ganz
kurze Zeit am Tatort aufhielten und es dunkel war, als der Diebstahl
begangen wurde, offenbarte er auch in anderem Zusammenhang, wie
bei dem Sprengstoffdepot im Mehringhof und dem Ort, an dem er das
Sprengstoffpaket in den Seegraben geworfen hatte, Schwierigkeiten,
Örtlichkeiten genau zu bezeichnen. Gegen die Glaubhaftigkeit
der in Rede stehenden Einlassung des Angeklagten Sch. spricht ferner,
daß er ohne nähere Darstellung der Vorbereitung und Durchführung
der Tat und seiner Tatbeiträge lediglich behauptete, am Diebstahl
des Pkw's beteiligt gewesen zu sein. Seine Beteiligung an dem Diebstahl
ist auch nicht mit der im "Revolutionären Zorn" Nr.
5 geforderten "1000 % Sicherheit" in Einklang zu bringen.
Er war ein mit Haftbefehl gesuchter illegal in Berlin Lebender,
der auch nach eigenen Angaben um seine Sicherheit sehr besorgt war.
Unter diesen Umständen bricht er zur Überzeugung des Senats
nicht in aller Öffentlichkeit gemeinsam mit anderen ein Auto
auf und entwendet es, um gegebenenfalls bei der Tat gestellt und
möglicherweise inhaftiert zu werden, so wie es nach den Feststellungen
des Urteils des OLG Düsseldorf Gerd Albartus und Thomas K.,
die er kannte, bei dem Versuch, ein Fahrzeug zu stehlen, ergangen
war.
c) Die Zeugen Dr. Korbmacher und Splitt stützten die Bekundungen
des Zeugen Mousli, denen zufolge bei der Tat ein Motorrad benutzt
werden und der Sozius auf Dr. Korbmacher schießen sollte.
Das bedeutet, daß die Tat so, wie geplant, auch durchgeführt
wurde. Schließlich hat auch der Angeklagte Sch. dies eingeräumt
und gestanden, auf Dr. Korbmacher geschossen zu haben.
Der Angeklagte hat jedoch behauptet, der Zeuge Mousli habe das
Motorrad gelenkt. Dabei machte er sich die Aussage der Zeugin T.
zu nutze.
Die Zeugin T., damalige Lebensgefährtin des Zeugen Mousli,
hat bekundet, sie habe bei der Polizei zunächst keine Angaben
gemacht, weil sie Angst gehabt habe. Die Beamten Trede und Schulzke
hätten gesagt, sie würden sie beschützen. Sie habe
im Juli 1999 schließlich Mut gefaßt, alles zu sagen,
was sie in Erinnerung gehabt habe. Nach ihrer Aussage habe sie sich
eine Woche bei Bekannten aufgehalten, sei krankgeschrieben gewesen,
weil sie wegen der Aufregung "umgekippt" sei. Weiter hat
die Zeugin ausgesagt, Tarek Mousli habe ihr damals aufgeregt berichtet,
aus ihrem Keller sei Sprengstoff gestohlen worden. Sie sei außer
sich gewesen und habe ihn gefragt, was der im Keller zu suchen habe.
Er habe dazu erklärt, er sei in einer Organisation gewesen,
für die er kleinere Dienste habe machen müssen, so wie
die Aufbewahrung des Sprengstoffs. Im Laute der Zeit habe er ihr
erzählt, er sei mal wo drin gewesen, was nicht ganz legal gewesen
sei; er habe damit aufgehört, sei ausgestiegen und habe damit
nichts mehr zu tun. Er sei ruhendes Mitglied gewesen. Sie hätten
auf einen Richter geschossen. Er, Mousli, habe beobachtet, wann
er aus dem Haus gegangen und wann er wiedergekommen sei. Zwei Männer
auf einem Motorrad - er und ein weiterer - hätten ihm mit Absicht
in die Beine geschossen. Er habe geschossen und habe darauf geachtet,
daß niemand zu Schaden komme; Außenstehende hätten
nicht verletzt werden sollen. Es hätten sich zwei Gruppen gebildet,
die eine sei dafür gewesen so weiterzumachen, die andere sei
dagegen gewesen. Die Gruppe habe sich geteilt. Im weiteren Verlauf
ihrer Vernehmung hat die Zeugin bekundet, Tarek Mousli habe ihr
erzählt, sie hätten auf die Beine gezielt und sodann:
er habe auf die Beine gezielt. Wenn er über diese Dinge Einzelheiten
erzählt habe, habe sie nicht richtig zugehört und nicht
nachgefragt. Sie hätten nicht immer besonders lange darüber
geredet: nach und nach sei alles herausgekommen.
Die Zeugin wirkte bei ihrer Vernehmung unsicher, war nicht in der
Lage, die Ereignisse im Zusammenhang zu schildern, gab nur zögerlich
Antwort auf die gestellten Fragen und räumte ein, sich nicht
mehr erinnern zu können, ob Tarek Mousli in diesem Zusammenhang
von "sie", "wir" oder "er" gesprochen
habe. Fehlverständnis oder eigene Schlußfolgerungen vermochte
sie nicht auszuschließen. Daß sich bei der Zeugin aus
Bruchstücken eigene Vorstellungen bildeten und sie aufgrund
nicht aussagekräftiger Umstände oder Äußerungen
nachträglich Schlußfolgerungen zog und diese als Tatsachen
wiedergab, belegt unter anderem ihre Aussage zur Kenntnis des Zeugen
Mousli vom Bereich des Seegrabens, wie noch auszuführen sein
wird (s.u. 8) e) dd)).
Der Zeuge Mousli hat bekundet, nach dem Sprengstoffdiebstahl habe
er der Zeugin T. Einzelheiten über die RZ erzählt. Sie
stamme aus der ehemaligen DDR und ihr sei das alles fremd gewesen.
Zu dem Anschlag auf Dr. Korbmacher habe er ihr berichtet, daß
auf einen Richter geschossen worden sei. In diesem Zusammenhang
habe er die Flüchtlingskampagne erläutert. Er habe ihr
nicht erzählt, selbst auf Dr. Korbmacher geschossen zu haben.
Die Zeugin T. müsse damals etwas mißverstanden haben.
Er habe gesagt, daß die Schüsse von einem Motorrad aus
abgegeben worden seien, er eingebunden. dabei gewesen sei. Daraus
werde die Zeugin T. gefolgert haben, daß er geschossen habe.
Er habe ihr auch nicht gesagt, führendes Mitglied gewesen zu
sein. Er habe sich ihr gegenüber nicht hervortun wollen. Er
wisse nicht, wer der Fahrer gewesen sei: er jedenfalls nicht.
Mit Ausnahme der Zeugin T. sprach niemand davon, der Zeuge Mousli
habe auf Dr. Korbmacher geschossen, selbst der Angeklagte Sch. nicht.
Der Senat glaubt auch nicht, daß der Zeuge Mousli ihr solches
berichtete. Wenn sie eigenem Bekunden zufolge ihm nicht richtig
zuhörte, war bei der Schilderung eines komplexen Sachverhalts
das Entstehen eines falschen Eindrucks und von Mißverständnissen
unvermeidbar. In ihrer Aussage: sie haben geschossen, er hat geschossen
und sie haben auf die Beine gezielt, er hat auf die Beine gezielt,
treten Unsicherheiten zutage; hätte er ihr tatsächlich
erzähl, daß er geschossen habe, hätte es für
sie nahegelegen, ihn allein als Schützen zu benennen und nicht
zunächst mehrere oder zwei Personen.
Der Senat ist überzeugt, daß der Zeuge Mousli das Motorrad
nicht fuhr. Auffällig ist allerdings, daß er eine Fülle
detaillierten Wissens über die Planung der Tat preisgab, allein
nicht wußte, wer das Motorrad fuhr. Für die Glaubhaftigkeit
der Aussage spricht .jedoch. daß er sich selbst in erheblichem
Umfang belastete, sich nicht schonte und seine Tatbeteiligungen
als Mittäter und nicht als nur untergeordneter Gehilfe rückhaltlos
einräumte. Gründe, weshalb er wahrheitswidrig nun gerade
bestritten haben sollte, Fahrer des Motorrades gewesen zu sein,
sind nicht ersichtlich. Es ist auch in keiner Weise deutlich geworden,
daß er diesen Tatbeitrag für besonders verwerflich hielt,
und ihn abstritt, um sich in ein besseres Licht zu setzen. Denn
er räumte ein, die Tat - wenn auch nach Diskussionen in der
Gruppe - mitgetragen zu haben. Es spricht vielmehr für seine
Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, einzuräumen und trotz intensiver,
seine Glaubwürdigkeit anzweifelnder Befragung dabei zu bleiben,
daß er nicht weiß, wer das Motorrad fuhr. Denn er hätte
zur Abrundung seiner Angaben ohne weiteres bekunden können,
"Toni", den er nicht identifizieren konnte, sei der Fahrer
gewesen. Er belastete eben andere nicht nach Belieben.
Der Zeuge hat darüber hinaus ausgesagt, "Heiner"
habe das Fluchtfahrzeug fahren sollen. Der Senat ist überzeugt,
daß der Angeklagte B. ebenso wie bei dem Anschlag auf Hollenberg
als einer der führenden Mitglieder der RZ der Fahrer des Fluchtfahrzeugs
war, weil er sich nicht auf untergeordnete Tätigkeiten beschränkte,
sondern sich so wie der ihm ebenbürtige Angeklagte Sch. unmittelbar
an der Ausführung der Tat beteiligen wollte. Bei dieser Sachlage
schließt der Senat aus, daß der Zeuge Mousli das Motorrad
fuhr. Denn wenn es so gewesen wäre, hätte der Angeklagte
B. ihn und den Angeklagten Sch. nach der Tat aufgenommen, so daß
der Zeuge bereits zu diesem Zeitpunkt erfahren hätte, daß
der ihm von der Montagsrunde der Altlinken im "Ex" bekannte
"Matti" "Heiner" war. Das Abschottungsprinzip
verbot eine solche Handlungsweise und ist bis zum "Waldspaziergang".
bei dem es um die Zukunft der Berliner RZ ging, streng gewahrt worden.
d) Der Zeuge Mousli hat bekundet, "Judith" und "Heiner"
sowie "Malte" (Thomas K.) hätten das Bekennerschreiben
abgefaßt. Der Inhalt sei in ihrer Gruppe diskutiert worden.
"Sigi", "Sebastian" und er hätten gemeint,
daß es schwer verständlich sei; es solle für das
Volk geschrieben werden, würde aber von ihm nicht verstanden.
Die Aussage des Zeugen gewinnt auch dadurch an Glaubhaftigkeit,
daß er anschaulich und lebendig von einer Auseinandersetzung
berichtete, weil die Angeklagte E. das Bekennerschreiben vor seiner
Veröffentlichung eigenmächtig abgeändert habe. Demgegenüber
hat der Angeklagte Sch. behauptet, die Angeklagte E. habe es allein
gefertigt. Der Senat glaubt dem Zeugen. Die Selbstbezichtigungsschreiben
zu den Anschlägen auf Hollenberg und die ZSA wurden ebenfalls
von mehreren Personen verfaßt. Da der Angeklagte Sch. sich
auch nicht dazu erklärte, warum die Angeklagte E. es allein
geschrieben haben soll, drängt sich der Verdacht auf, daß
er die Aussage des Zeugen nur aus den mehrfach erörterten taktischen
Erwägungen, den Zeugen Mousli als Lügner hinzustellen,
bestritten hat.
e) Aufgrund des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen
Prof. Dr. Saternus, dem sich der Senat nach eigener Würdigung
angeschlossen hat, steht fest, daß der Geschädigte die
in den Feststellungen beschriebenen Verletzungen erlitten hat. Schwere
neurologische und Durchblutungsstörungen lagen, so der Sachverständige,
nicht vor. Der Zeuge Dr. Korbmacher hat bekundet, daß bleibende
Schäden nicht eingetreten seien.
f) Der Zeuge POK Nickel hat bekundet, der Pkw Passat habe längere
Zeit in der Ihnestraße gestanden. Am 11. April 1988 habe er
den für die Halterin zuständigen Polizeiabschnitt wegen
des Pkw's angerufen. Es sei festgestellt worden, daß es sich
- wie vom Zeugen Mousli bekundet - bei dem Passat in der Ihnestraße
um eine Doublette gehandelt habe: das andere Fahrzeug habe am Erkelenzdamm
gestanden. Die PTU habe die Bombe entschärft. Der Zeuge Bethke
hat ausgesagt, sie hätten die Meldung erhalten, daß in
der Ihnestraße eine Fahrzeugdoublette stehe. Vor Ort habe
er den Wagen vorgefunden, dessen Fensterscheiben wohl zur Sauerstoffzufuhr
etwas geöffnet gewesen seien. Hinter dem Fahrersitz hätten
Kleidungsstücke gelegen. Sie hätten einen Motorradhelm
hochgehoben, ein Kabel gesehen und sich daraufhin schnell entfernt.
Der Zeuge Löber, nunmehr Dozent für Kriminaltechnik, hat
bestätigt, alle Seitenscheiben seien zwei Finger breit geöffnet
gewesen. Er habe das Auto geöffnet. Ein Kollege habe einen
Motorradhelm hochgehoben und gerufen: "Hilfe, Hilfe, hier tickt
was." Daraufhin habe er, Löber, die Drahtverbindung des
Sprengbrandsatzes getrennt. Die Zeitschaltuhr sei durch den Helm
blockiert gewesen. In dem Fahrzeug sei ein Kanister mit 5 l Benzin
gewesen. Bei dem Sprengbrandsatz habe es sich um ein Selbstlaborat
gehandelt, bei dem Benzin, Chlorat, Zucker und Öl verwendet
worden sei. Die Wirkung eines solchen sei teuflisch; es entstehe
eine Flammenwand, die problemlos Menschen einhole; Passanten seien
hoch gefährdet gewesen. Die Bekundungen der drei Zeugen sind
glaubhaft. Sie waren sicher und widerspruchsfrei und deckten sich
in ihren Überschneidungen.
weiter
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