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Übersicht: schriftliches
Urteil
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3) Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle
für Asylbewerber
Nach dem "Miez"- Treffen etwa im Sommer 1986, auf dem
mehrere Aktionen diskutiert worden waren, trugen die Angeklagten
E. und Sch. die Idee in ihre Gruppe, einen Sprengstoffanschlag auf
das Gebäude 11 der Zentralen Sozialhilfestelle für Asylbewerber
(ZSA) in Berlin- Wedding, Torfstraße 24-36, zu verüben.
Nach dem Anschlag auf Hollenberg begannen die Mitglieder der Gruppe
intensiv über eine solche Tat, über deren Begehung Einmütigkeit
herrschte, zu diskutieren. Nach seiner Rückkehr aus Nicaragua
nach Berlin nahm auch der Angeklagte G. in der Schlußphase
an dem Gedankenaustausch teil und war in die Tatvorbereitungen eingebunden.
Mit dem Anschlag, der Teil der Flüchtlingskampagne der RZ war,
sollte der Umgang des Staates mit den Flüchtlingen aus der
"Dritten Welt" angeprangert werden. Ebenso wie bei dem
Schußwaffenattentat auf den Zeugen Hollenberg stammten auch
hier die Hintergrundinformationen von dem Angeklagten B.. Man war
der Meinung, daß in dem Gebäude ein Zentralcomputer eingerichtet
war, in dem die Daten der Asylbewerber gespeichert waren und der
daher mit dem Anschlag zerstört werden sollte. Tatsächlich
verfügte die Behörde zu der damaligen Zeit noch nicht
über eine derartige Anlage; vielmehr gab es nur einen Einzelplatz-
PC, auf dem die Daten der Asylbewerber gespeichert waren, der sich
aber nicht in diesem Bereich befand. Der Sprengsatz sollte an der
Außenmauer der der Straße abgewandten und dem Bahngelände
zugewandten Seite des Gebäudes abgelegt und gezündet werden.
Dabei ging man davon aus, daß an dieser Stelle im Innern des
Gebäudes der Zentralcomputer installiert war.
Mitglieder beider Gruppen observierten wochenlang nächtens
das sehr weitläufige Gelände. Sie gingen zur Wahrung des
Abschottungsprinzips in der Weise arbeitsteilig vor, daß die
Mitglieder der Gruppe des Angeklagten B., d.h. dieser, der Angeklagte
H. und "Toni". das Areal am Bahngelände und aus der
Gruppe der Angeklagten E. und Sch. der Zeuge Mousli und Lothar E.
das Areal am Friedrich- Krause- Ufer auskundschafteten: in der Schlußphase
betrieb auch der Angeklagte G. nach seiner Rückkehr nach Berlin
gelegentlich gemeinsam mit dem Zeugen Mousli und Lothar E. die Aufklärung.
Plangemäß erkundeten diese beiden auch den Weg zum vorgesehenen
Ablageort des Sprengsatzes. Die Aufklärung wurde zunächst
wöchentlich, später zwei- bis dreimal. in der Woche durchgeführt.
Die Angeklagten Sch. und B. sprachen den Einsatz der Leute ab, um
zu verhindern, daß sich mehrere Gruppenmitglieder zur seIben
Zeit an dem vorgesehenen Tatort aufhielten und das Gelände
beobachteten. Auf Anweisung des Angeklagten Sch. fertigten Mitglieder
der Berliner RZ ein Bewegungs- und Zeitschema über die Kontrollen
der ZSA durch Polizei und Wachschutz für den Zeitraum von 22
Uhr bis 1 Uhr an. Der Angeklagte Sch. erstellte aus den so erhaltenen
Informationen ein Gesamtbild, in das auch die Erkenntnisse der Gruppe
des Angeklagten B. einflossen. Es wurde festgestellt, daß
die Polizei stündlich oder halbstündlich an dem Gebäude
vorbeifuhr.
Vor der Tat verfaßten die Angeklagte E., diese federführend,
und der Angeklagte B. das Bekennerschreiben, das diskutiert wurde.
Der Angeklagte Sch. sollte einen Sprengsatz herstellen, mit dem
der Teil des Gebäudes, in dem sich ihres Erachtens der Zentralcomputer
befand, weggesprengt werden sollte: dabei überließen
die Mitglieder der beiden Gruppen ihm die Verwendung des Materials.
Etwa zwei oder drei Wochen vor dem Anschlag trafen sich die Angeklagten
Sch., E. und G. sowie der Zeuge Mousli und Lothar E. in einer von
dem Zeugen B. zur Verfügung gestellten Wohnung in der Oranienstraße
in Berlin- Kreuzberg. Dort stellte der Angeklagte Sch. unter Verwendung
von aus Frankreich stammendem orange- rotem Unkraut- Ex und Puderzucker
einen - wie der Angeklagte Sch. wußte, so nicht funktionstüchtigen
- Sprengsatz mit einer aus einem Wecker, einer Blockbatterie, Blitzlichtbirnen
und Zündhölzern gebauten Zündvorrichtung her. Die
Sprengwirkung erzielte der Angeklagte durch die spätere Beigabe
von TNT und Ammoniumnitrat.
In der Nacht zum 6. Februar 1987 begaben sich mit Ausnahme der
Angeklagten E. und G. alle Mitglieder getrennt und, um etwaige Verfolger
abzuschütteln, auf verschlungenen Wegen konspirativ zur ZSA.
Es war abgesprochen, sich dort vor Mitternacht einzufinden. Die
Angeklagten B. und H. sowie "Toni" sicherten die Tat auf
der Seite des Bahngeländes, der Zeuge Mousli auf dem jenseitigen
Ufer des Berlin- Spandauer- Schiffahrtskanals die Nordseite. Planmäßig
zerschnitten der Angeklagte Sch. und Lothar E. mit einem Seitenschneider
einen Zaun, betraten durch die so entstandene Öffnung das Gelände
der ZSA, liefen zum Gebäude, einem Flachbau, und legten vor
24 Uhr den Sprengsatz am hinteren Teil des Gebäudes an der
Stelle ab, wo sie im Innern den Zentralcomputer installiert glaubten.
Der Angeklagte Sch. und Lothar E. sowie die Gruppe des Angeklagten
B. und der Zeuge Mousli verfügten jeweils über ein Amateurfunkgerät,
über die diese mit dem Angeklagten Sch. und Lothar E. verbunden
waren. Der Zeuge Mousli hatte dem Angeklagten Sch. vor der Tat zwei
Geräte überlassen, eines für ihn und Lothar E., das
andere für die Gruppe des Angeklagten B.. Bei einem Funkcheck
des Zeugen Mousli am Tatort meldete sich Lothar E.. Dieser und der
Angeklagte Sch. gaben nach der Ablage des Sprengsatzes über
ihr Funkgerät das "okay". Mit diesem Signal entfernten
sich alle wiederum getrennt vom Tatort. Wie auf der Hinfahrt, benutzten
sie auch auf der Rückfahrt öffentliche Verkehrsmittel,
der Angeklagte Sch. und der Zeuge Mousli erreichten getrennt die
letzte U- Bahn. Nach kurzer Zeit aktivierte die Zeitschaltuhr die
Zündvorrichtung des Sprengsatzes, der sodann gezündet
wurde. Es kam zur Explosion, die in die Außenmauer des Gebäudes
ein Loch von nur etwa 40 x 50 cm riß. Durch die Druckwelle
wurde die gegenüberliegende Trennwand zu den Toilettenräumen
eingedrückt, ein Teil der Außenverkleidung des Gebäudes
abgerissen und der gegenüber liegende Maschendrahtzaun ausgebeult.
Der Anschlag galt, weil er nicht die gewünschte Wirkung erzielt
hatte, als Fehlschlag.
Das unter dem Titel "UNSER ANGRIFF AUF DIE ZSA IN BERLIN RICHTET
SICH GEGEN DIE ASYLPOLITIK DER RASSISTISCHEN SONDERBEHÖRDE"
veröffentlichte Bekennerschreiben hat folgenden Wortlaut:
"Es ist kein Appell für eine menschlichere Asylpolitik.
Es ist fatal zu glauben, durch Forderungen an die Herrschenden
irgend etwas zu erreichen. Am Beispiel der jüngsten Ausweisungen
in den Libanon verdeutlicht sich die eiskalte Logik gnadenloser
Abschiebepolitiker. Bestandteil und Voraussetzung dieser Politik
ist die verwaltungstechnische Umsetzung der Vorgaben des Berliner
Senats bzw des Innenministers. Diese Rolle übernimmt
in Berlin die Zentrale SozialhilfesteIle für Asylbewerber
(ZSA), eine zentralistische Sonderbehörde, speziell geschaffen
fir die hier ankommenden Flüchtlinge.
Die politischen. rassistischen Prämissen, unter denen
diese Behörde agiert, stehen im direkten Interesse der
europäischen Verbündeten: systematische Abschottung
gegenüber den weltweiten Migrantenbewegungen durch Schließung
der Grenzen, vor allem des Zugangs in die BRD und nach Westberlin,
durch Kanalisierung und Konzentration der Flüchtlinge
in Sammellager.
Genau wie das Ausländerzentralregister in Köln
und die Ausländerabteilungen der Bullen ist die ZSA absolut
zentral organisiert - in Abweichung zur Struktur sonstiger
Sozialbehörden, die kommunal bzw. bezirklich gegliedert
sind. Mit einem optimierten Verwaltungsapparat und einer rigiden
Anwendung des sozialtechnischen Instrumentariums setzt diese
rassistische Sonderbehörde Maßstäbe für
die Kontrolle kommender sozialer Auseinandersetzungen. Neben
der Verteilung der Flüchtlinge auf die Lager in die BRD
bzw. die Sammellager des Deutschen Roten Kreuzes regelt die
ZSA die "soziale und medizinische Betreuung". Mit
dem DRK besteht eine perfekte Symbiose in der täglichen
Ausbeutung und Unterdrückung der Lagerbewohner. Das beginnt
mit dem Zwang, in der ZSA Soziknete zu beantragen, weil den
Flüchtlingen mit einem 2-jährigen Arbeitsverbot
jede Existenzgrundlage genommen wird. Die ZSA erteilt einen
erheblich verminderten Sozialhilfesatz: die Flüchtlinge
erhalten 50,- DM im Monat und -leben sie außerhalb der
Sammellager -190,- DM an Wertgutscheinen. Mit allen Mitteln
- häufig durch Streichung der Wertgutscheine, der Soziknete,
der Mietzahlungen etc. - versucht die ZSA die Flüchtlinge
in die Sammellager zu zwingen.
Die Konzentration in die Lager hat vorrangig drei Gründe:
Zum einen sichert sie die arbeitsmarktorientierte Vernutzung
der Flüchtlinge, weil sie leichter zu Zwangsarbeit verpflichtet
werden können. Zum zweiten verdient sich das DRK an den
Lagern eine goldene Nase. In unserer Erklärung zu den
Brandanschlägen auf die Autos der DRK-Funktionäre
sind wir darauf eingegangen.
Zum dritten zielt die Zwangskasernierung verschiedener Nationalitäten
auf die Widerstandskraft der Flüchtlinge: die gegeneinandergetriebenen
Flüchtlinge werden von der Organisierung notwendiger
Flüchtlingshilfen abgelenkt und am Aufbau klandestiner
Strukturen gehindert. Nicht zuletzt erschwert der um die Lager
gezogene Stacheldraht eine Vermischung mit dem hier existierenden
Milieu.
Der auf niedrigsten Niveau eingeengte Lebensstandard und
die Mißachtung elementarer Hilfeleistungen - Krankenscheine
werden zurückgehalten, Atteste werden nicht akzeptiert,
Krankenbehandlungen unterlassen - ist nicht der Gipfel der
Willkür, sondern die Methode eines logisch funktionierenden
rassistischen Verwaltungsapparates.
Unser Ziel ist es nicht, für eine verbesserte Sozialtechnokratie
zu kämpfen, unser Angriff auf diese Sonderbehörde
ist grundsätzlicher Natur.
Die ZSA und mit ihr alle rassistischen Behörden müssen
weg.
FÜR FREIES FLUTEN REVOLUTIONÄRE ZELLEN" -
Dazwischen befindet sich ein "RZ- Stern". Zu sehen
ist auf der Tatbekennung außerdem eine Fotografie von
zerstörten Karteikästen. Diese wird erläutert
mit dem Text "Attentat auf das Einwohnermeldeamt Amsterdam
am 27.3.1943, um die Erfassung zur Zwangsarbeit zu verhindern."
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Ein oder zwei Tage nach der Tat trafen sich die Angeklagten Sch.,
E. und B. und einige Tage später die Angeklagten E. und Sch.
mit den Mitgliedern ihrer Gruppe zu einem Nachbereitungstreffen.
Letztere teilten mit, daß alle Mitglieder der anderen Gruppe
am Tatort gewesen seien. Jedes Gruppenmitglied berichtete, was es
gemacht hatte, der Angeklagte Sch. und Lothar E., daß sie
mit einem Seitenschneider den Zaun durchtrennt und den Sprengsatz
abgelegt hätten. Der Angeklagte Sch. vermutete, daß der
Anschlag fehlgeschlagen sei, weil die Dämmung des Sprengsatzes
nicht stark genug gewesen sei.
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