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143. Prozesstag: 18.09.2003
Finanzjongleur Mousli und ein erneut belogenes Kammergericht
Am heutigen Prozesstag waren wieder einmal die seinerzeit ermittelnden
Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft, der 55-jährige Bundesanwalt
Griesbaum und sein Kollege Monka (39), diesmal zum Thema angebliche
konspirative Wohnungen in der Kreuzberger Oranienstraße geladen.
Sie wurden zu Widersprüchen befragt, die sich aus dem Aussageverhalten
Mouslis in den vergangenen Wochen und Monaten sowie aus der fehlenden
Dokumentation polizeilich-bundesanwaltschaftlicher Arbeit ergeben
hatten, und sollten vor allem die Frage klären, von wem innerhalb
der BAW ein Ermittlungsauftrag an das Bundeskriminalamt (BKA) ergangen
war, zu angeblichen konspirativen Wohnungen in der Kreuzberger Oranienstraße
zu ermitteln. Ein solcher Auftrag, das geht aus einem im März 2003
aufgetauchten Schreiben hervor, muss bereits am 10. April 2001 erteilt
worden sein, ist aber weder dem Kammergericht noch der Verteidigung
bekannt gemacht worden, sondern diesen durch einen Zufall zur Kenntnis
gelangt.
Beide verweigerten die Aussage in Hinblick auf ihre Aussagegenehmigung,
betonten, sie könnten sich nicht erinnern oder seien nicht mehr
zuständig. Auch zu etwaigen Ermittlungsergebnissen in Hinblick auf
konspirative Wohnungen machten sie keine Angaben und waren ebenfalls
nicht bereit, dazu Stellung zu nehmen, ob die diesbezüglichen Ermittlungen
abgeschlossen seien. Erwartungsgemäß konnten sich die beiden Beamten
wahlweise auch sonst "nicht erinnern" oder waren der Auffassung,
sie hätten für diesen oder jenen Fragekomplex "keine Aussagegenehmigung."
Insbesondere Griesbaum mobilisierte seine gesamte Arroganz, wenn
er Aussagen verweigerte. Ohnehin, so betonte Monka, habe man sich
"um Widersprüche bei den Aussagen von Mousli", die schon in dessen
Hauptverhandlung im Dezember 2000 aufgetaucht waren, "nicht gekümmert,
weil im Kern alles auf Linie" war.
In einem umfassenden Beweisantrag
der Verteidigerinnen Andrea Würdinger und Silke Studzinsky, der
auf der Auswertung von Telefonüberwachungsbändern basiert, die -
wir erinnern uns - zum Teil von der BAW unterschlagen worden waren,
ging es um Mouslis Finanzgebaren. Aus dem Inhalt der Bänder zeichneten
die Anwältinnen detailliert nach, dass Mousli nicht nur seine damaligen
Kollegen im Kampfsportstudio, sondern auch seine Freundin belogen
hatte. Denn nach den anwaltlichen Auswertungen der Telefonprotokolle
hat der Kronzeuge nicht nur zugesagtes Geld an Kunden seines Sportstudios
nicht zurückgezahlt, sondern offenbar für sich selbst eine Summe
von mindestens 7.000 DM verbraucht; darüber hinaus hat Mousli das
Kammergericht in Hinblick auf seine finanzielle Situation systematisch
und wiederholt belogen.
Bereits nach der Hauptverhandlung, die von permanenten Unterbrechungen
gekennzeichnet war, gab die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig,
zur Kenntnis, sie habe die Verteidigung des seit vergangenen Freitag
in kanadischer Auslieferungshaft sitzenden Lothar Ebke gebeten,
ihr mitzuteilen, ob dieser beabsichtige, von seinem Aussageverweigerungsrecht
Gebrauch zu machen. Bundesanwalt Bruns machte auf Nachfrage deutlich,
dass er mit der Überstellung aus Kanada etwa Mitte Oktober rechne;
nach seinen Angaben sei noch unklar, wo Lothar in Haft genommen
werden soll.
Der Prozess wird am Donnerstag, 25. September 2003 um 9.15 Uhr
fortgesetzt.
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