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Erklärungen BGH/GBA
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(1 2 StE 11/00 (4/00)
Verfügung
Dem von Herrn Christoph Fröhder geleiteten, aus höchstens
drei Personen bestehenden Fernsehteam des ARD- Magazins "Kontraste"
und des Senders Freies Berlin wird gestattet,
im Gerichtssaal fünf Minuten bis zum Beginn und nach dem Ende
der Hauptverhandlung Fernsehaufnahmen anzufertigen, bei Anwesenheit
der Angeklagten Eckle, Glöde, Haug und Schindler mit der Maßgabe,
dass ihre Gesichter vor der Veröffentlichung und im Falle der
Weitergabe der Aufnahmen an andere Fernsehveranstalter so zu anonymisieren
sind, dass nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich
bleibt, und
bei Bestehen der Schleuse ,unmittelbar vor dem Gerichtssaal Fernsehaufnahmen
und Interviews zu fertigen.
Die Anträge, Fernsehaufnahmen von den Richtern und Aufnahmen
in den Verhandlungspausen im Gerichtssaal zu machen, werden abgelehnt.
Fernsehaufnahmen von dem Ergänzungsrichter Wagner werden gestattet.
Fernsehaufnahmen von dem Zeugen Mousli werden nicht gestattet
Gründe:
Mit Schreiben vorn 22. Mai 2002 hat der Sender Freies Berlin für
die regionale Berichterstattung und das ARD- Magazin "Kontraste"
die Gestattung von Fernsehaufnahmen vor Beginn der Verhandlung bis
zum Einzug des Senats von den Richtern und den Angeklagten irrt
Gerichtssaal, in den Pausen und nach dem Ende der Verhandlung im
Gerichtssaal sowie vor dem Gerichtssaal für Fernsehaufnahmen
und Interviews beantragt. Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang Erfolg.
- Die vor allem zu Beginn des Prozesses in einer Reihe von Zeitungen
veröffentlichte Berichterstattung über das Verfahren
deutet zweifellos auf ein Interesse der Allgemeinheit an dem Verfahren
hin und bedarf keiner weiteren Erörterung.
- Entgegen dem Antrag können, um die ungestörte Vorbereitung
der Hauptverhandlung und den ungestörten Abschluss der Sitzung
zu gewährleisten, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal nicht
in unbeschränkter Dauer gestattet werden; jeweils fünf
Minuten erscheinen angemessen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. April
2002 -1 BvR 680/02-).
- Die Angeklagten Eckle, Glöde, Haug und Schindler haben
sich auf Befragen mit der Abbildung ihrer Person ausdrücklich
nicht einverstanden erklärt; der Angeklagte Borgmann hat
keine Erklärung abgegeben. Im bisherigen Verfahren werden
die Angeklagten unter Angabe insbesondere ihrer Vornamen von einer
Solidaritätsbewegung unterstützt, die sich in Veranstaltungen
Aufrufen, fortlaufender Berichterstattung über die Hauptverhandlung
im Internet unter www.freilassung.de sowie Demonstrationen während
der Gerichtsverhandlungen für sie einsetzt. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Angeklagten, die sich mit ihrer
Abbildung nicht einverstanden erklärt haben, wird nach Auffassung
des Bundesverfassungsgerichts in Abwägung mit dem Recht auf
öffentliche Berichterstattung dadurch ausreichend geschützt,
dass die Gesichter dieser Personen anonymisiert werden. Allerdings
weist die Verteidigung der Angeklagten Eckle zutreffend darauf
hin, dass der/die Gerichtsvorsitzende nicht befugt ist, den Angeklagten
vor dem Beginn der Hauptverhandlung, d.h. dem Aufruf der Sache
(§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPo), die Anwesenheit im Sitzungssaal zu
gebieten. Gleiches gilt für die Verteidiger und den Zeugenbeistand.
- Mit Ausnahme des Ergänzungsrichters Wagner haben auch die
Richter die Anfertigung von Filmaufnahmen in Bezug auf ihre Person
abgelehnt. Richter stehen zwar Kraft des ihnen übertragenen
öffentlichen Amtes anlässlich ihrer Teilnahme in der
öffentlichen Sitzung im Blickfeld der Öffentlichkeit
und haben regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass sie
nur von den in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen werden. Ihr
Persönlichkeitsrecht überwiegt das Berichterstattungsinteresse
jedoch, wenn besondere Umstände Anlass zu der Befürchtung
geben1 eine Übertragung der Abbildung der Mitglieder
des Spruchkörpers über das Fernsehen werde dazu führen,
dass sie künftig erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt
werden (vgl. BVerfG NStZ 2000, 543).
Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten die Bildung terroristischer
Vereinigungen und einigen von ihnen Schusswaffenanschläge
auf den früheren Leiter der Ausländerbehörde sowie
einen ehemaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
zur Last Die Angeklagten werden von Mitgliedern einer aktiven
linken Szene in der oben beschriebenen Weise unterstützt.
Während der Hauptverhandlung ist es wiederholt zu gerichtsfeindlichen
Reaktionen der Zuhörer gekommen. Der Störung der Hauptverhandlung
mit Trillerpfeifen konnte nur durch Räumung des Saales begegnet
werden, wobei einem Wachtmeister des Kammergerichts - wohl willentlich
- ein Finger gebrochen wurde. Es ist im übrigen allgemein
bekannt, dass der linken Szene aktive autonome Gruppen angehören,
deren Handeln nicht berechenbar ist und die gegenüber ihnen
missliebigen Personen zu Gewalttätigkeiten neigen. Dies sind
besondere Umstände, die Anlass zu der Befürchtung geben,
eine Übertragung der Ablichtung der Mitglieder des Gerichtskörpers
über das Fernsehen, mit der eine unbestimmte Vielzahl von
Menschen erreicht wird, werde dazu führen, dass sie künftig
erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Es kann dahin
stehen, ob dieser Gefahr durch Anonymisierung der Gesichter der
Richter hinreichend begegnet werden kann. Denn ein Mitglied des
Senats hat an dem sog. Mykonos- Verfahren mitgewirkt, in dem zum
Schutz der Richter Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden
sind, die wegen der noch bestehenden Gefährdungslage nicht
aufgehoben wurden. Würde dieser Richter als einziges Mitglied
des Gerichts erst nach Ausschalten der Fernsehkameras den Gerichtssaal
betreten, würde durch diesen Vorgang die besondere Aufmerksamkeit
auf den Richter gelenkt, was im Interesse seiner Sicherheit verhindert
werden muss.
- Fernsehaufnahmen und Interviews können vor der Tür
des Gerichtsaales im Einverständnis mit den Betroffenen gemacht
werden. Diese Gestattung gilt nur bei Bestehen der Schleuse. Ist
diese nicht eingerichtet, ist der Präsident des Amtsgerichts
Tiergarten als Inhaber des Hausrechtes zur Entscheidung zuständig.
- Fernsehaufnahmen während der Verhandlungspausen im Gerichtssaal
können nicht genehmigt werden. Mitglieder des Senats haben
in diesen Pausen im Interesse des Fortganges des Verfahrens im
Saal häufig notwendigen Geschäften nachzugehen die durch
die Berichterstattung des Fernsehteams gestört würden.
Abgesehen davon, dass sich die Notwendigkeit, in den Pausen im
Gerichtssaal Aufnahmen zu fertigen, ohnehin nicht erschließt,
muss aus den dargelegten Gründen das Interesse an der Berichterstattung
hier zurückstehen.
Erst recht können an den Hauptverhandlungstagen, zu denen
der Zeuge Mousli, der die Kronzeugenregelung in Anspruch genommen
hat und der sich unter strenger Abschirmung im Zeugenschutzprogramm
des Bundeskriminalamtes befindet, geladen worden ist - derzeit zum
30. und 31. Mai 2002 -, aus Gründen der Sicherheit in den Verhandlungspausen
im Gerichtssaal keine Fernsehaufnahmen gestattet werden. Auch sonstige
bildliche Darstellungen seiner Person dürfen nicht gefertigt
werden.
Berlin, den 27. Mai 2002.
1. Strafsenat des Kammergerichts
Die Vorsitzende
Hennig
Vorsitzende Richterin am Kammergericht
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