'Kammergericht Berlin
- Strafsenat
13.11.2003
1. Der Antrag der Verteidigung des Angeklagten Borgmann vom 13.
Oktober 2003, dem sich die Verteidigung des Angeklagten Glöde
angeschlossen hat, wird wie folgt beschieden.
Unter I. und II. des Antrages werden bis Seite 6 Erklärungen
abgegeben, die keine Beweisbehauptungen beinhalten, sondern Rechtsauffassungen
enthalten und den Beweisantrag darüber hinaus verständlich
machen sollen.' Auf den Seiten 7 und 8 sind Auszüge aus Berichten
des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Berliner Landesamtes
für Verfassungsschutz aufgeführt, die allein dem Beweis
zugängliche Tatsachenbehauptungen enthalten. Der Senat hat
diese Berichte verlesen, mithin auf diese Weise den Beweis erhoben.
Im übrigen sollen die sachverständigen Zeugen Einschätzungen
und Schlussfolgerun-gen (Seiten 1 und 9 erster Absatz) mitteilen.
Das gilt auch für die Behauptung, die Berliner Sicherheitsbehörden
hätten "sichere Erkenntnisse" darüber, dass sich die Re-olutionären
Zellen spätestens im Jahre 1995 selbst aufgelöst haben.
Wertungen aber können nicht Gegenstand von Beweisbehauptungen
sein. Insoweit handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag,
dem nachzugehen die Sachaufklärungspflicht nicht gebietet.
Abgesehen davon, dass an der Zuverlässigkeit der Einschätzungen
der fragli-chen Sicherheitsbehörden ohnehin Zweifel bestehen,
da ihre Einschätzungen auf ver-übten bzw. nicht verübten
Anschlägen und dem Ausbleiben von Veröffentlichungen
oder Verlautbarungen der RZ beruhten, unterliegt es der Beurteilung
des Senats, ob
für den Fall, dass die Mittäterschaft nachgewiesen wird,
den Angeklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Strafaufhebungsgrund
der §§ 129a Abs. 5,129
Abs. 6 StGB zur Seite steht. Die Auflösung der Berliner RZ
oder Einstellung ihrer
Aktivitäten allein sagt darüber ohnehin nichts aus.
2. Die Verteidigung des Angeklagten Haug hat sich zunächst
dem Antrag der Verteidi-gung des Angeklagten Borgmann vom 13. Oktober
2003 und später dem der Verteidi-gung der Angeklagten Eckle
vom 23. Oktober 2003 angeschlossen. Mit dem zuerst
gestellten soll nachgewiesen werden, dass die RZ seit 1991 bzw.
1993, spätestens aber
1995 ihre Aktivitäten eingestellt haben; demgegenüber
geht der Antrag vom 23. Okto-
ber 2003 davon aus, dass sie seit 1990 oder 1991 nicht mehr bestehen.
Damit werden über die behauptete Auflösung der Berliner.
RZ unterschiedliche, einander widerspre-chende Behauptungen aufgestellt,
wobei der zweite Antrag den ersten einschränkt. Widersprüchliche
Behauptungen aber verletzen das Bestimmtheitsgebot, so dass die
Anträge insoweit als Beweisermittlungsanträge anzusehen
sind, denen nachzugehen die Sachaufklärungspflicht aus den
Gründen zu; Ziffer 1. nicht gebietet.
Im übrigen beinhaltet der Antrag vom 23. Oktober 2003 überwiegend
Einschätzungen, bei denen es sich um Wertungen handelt, die
nicht Gegenstand von Beweisbehauptun-gen sein können. Auch
insoweit handelt es sich um bloße Beweisanregungen; die Sachaufklärungspflicht
gebietet es aus den vorstehenden Gründen nicht, ihnen nach-zugehen.
Soweit Tatsachen behauptet werden, gehen diese nur dahin, dass
seit 1990/ 1991 den
genannten Behörden keine der RZ zugeordneten Aktivitäten,
d.h. Taten und Außen-
darstellungen oder Außerungen, bekannt geworden sind. Dies
aber ist für die Ent-scheidung aus rechtlichen und tatsächlichen
Gründen ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Auf Ziffer
3.a) des soeben verkündeten, den Antrag der Verteidigung der
Angeklagte Eckle betreffenden Beschlusses, der für den Angeklagten
Haug ent-sprechend gilt, wird Bezug genommen. Auch die Einlassung
dieses Angeklagten ist bei vorläufiger Wertung nicht geeignet,
ein auf das Nichtfortbestehen der Berliner RZ zielendes freiwilliges
und ernsthaftes Bemühen zu belegen.
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