GBA: Anklage gegen ein Mitglied der "Revolutionären Zellen
(RZ)"
[12.10.2000 - 10:23 Uhr] Karlsruhe (ots) - Nr. 32
Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageschrift vom 19. September 2000
beim 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin gegen den deutschen
Staatsangehörigen Tarek Mohamad Ali M. Anklage wegen Mitgliedschaft in
der terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) "Revolutionäre
Zellen (RZ)", des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und
wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz erhoben.
In der inzwischen zugestellten Anklageschrift ist im wesentlichen
folgender Sachverhalt dargelegt:
Ende 1973 bildete sich in Deutschland eine terroristische Vereinigung,
die sich zunächst "Revolutionäre Zelle" und ab Sommer
1976 "Revolutionäre Zellen" nannte. Ab Mitte der 70er Jahre
agierte in Berlin eine selbstständige regionale Teilorganisation, die
sich als "Berliner Zelle" der Vereinigung
"Revolutionäre Zellen" sah. Daneben bildete sich 1977 ein
feministischer Zweig mit der Bezeichnung "Rote Zora". Ziel der
"RZ" und damit auch der "Berliner Zelle" war die
gewaltsame Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der
Bundesrepublik Deutschland durch die Begehung schwerer Straftaten wie
Schusswaffen-, Brand- und Sprengstoffanschläge. Ab etwa 1985 richteten
sich die Aktionen der "RZ" vorrangig gegen die Ausländer-
und Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Seit ihrer Gründung
bekannte sich die Vereinigung in Selbstbezichtigungsschreiben zu mindestens
186 Anschlägen. Mindestens 40 dieser Anschläge erfolgten in
Berlin und Umgebung und lassen sich der "Berliner Zelle"
zurechnen. Der bislang letzte Sprengstoffanschlag der "Berliner
Zelle" erfolgte in der Nacht zum 3. Oktober 1993 auf Einrichtungen und
Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes in Frankfurt/Oder und Görlitz. Die
Gesamtvereinigung "RZ" verübte ihren bislang letzten
Sprengstoffanschlag in der Nacht zum 24. Juli 1995 auf eine Werkshalle
einer Werft bei Bremen.
Der 41 Jahre alte Angeschuldigte gehörte der "Berliner
Zelle" der "RZ" von 1985 bis 1995 an. Er war an folgenden
Anschlägen der Vereinigung beteiligt:
1. Am 28. Oktober 1986 kurz vor 8.00 Uhr wurde der damalige Leiter der
Berliner Ausländerbehörde Harald Hollenberg beim Verlassen seines
Hauses in Berlin-Zehlendorf durch zwei gezielte Pistolenschüsse in die
Beine verletzt.
2. Am 1. September 1987 kurz nach 9.00 Uhr wurde der damalige
Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günter Korbmacher
vor dessen Wohnhaus in Berlin-Lichterfelde durch gezielte
Pistolenschüsse am Unterschenkel verletzt.
3. Am 6. Februar 1987 wurde an der Aussenmauer des Gebäudes II der
Zentralen Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in der
Torfstraße 34-36 in Berlin-Wedding ein selbst hergestellter
Sprengsatz zur Explosion gebracht, der die zentrale Gasversorgung des
Gebäudes treffen sollte. Die Explosion riss lediglich ein Loch.
Personenschaden entstand nicht.
Auf Grund seines technischen Sachverstandes war der Angeschuldigte in
Vorbereitung und Durchführung der Anschläge an maßgeblicher
Stelle eingebunden. Sein Aufgabengebiet bestand im Wesentlichen in der
Funkaufklärung. Er hatte jeweils Aufklärungsarbeiten zu leisten
und den Tatort sowie Fluchtwege abzusichern.
Ende des Jahres 1990 hatte der Angeschuldigte beschlossen, an Aktionen
der "RZ" nicht mehr teilzunehmen. Gleichwohl stand er bis
mindestens 1995 der Vereinigung strukturell als sogenannter
"Schläfer" zur Verfügung. In dieser Eigenschaft
bewahrte er im Zeitraum von mindestens Mitte März bis zum 27.
März 1995 für die "RZ" in einem im Bezirk Prenzlauer
Berg von ihm angemieteten Keller etwa 10 kg des gewerblichen Sprengstoffes
Gelamon 40 sowie 4,15 m Sprengschnur auf, die unbekannte Mitglieder der
"Revolutionären Zellen (RZ)" am 4. Juni 1987 aus dem
Zweigwerk einer in Salzhemmendorf ansässigen Firma entwendet hatten.
Der vom Angeschuldigten gelagerte Sprengstoff und die Sprengschnur sollten
bei Sprengstoffanschlägen der "Revolutionären Zellen
(RZ)" zum Einsatz kommen. Dies war dem Angeschuldigten bekannt. In der
Nacht zum 28. März 1995 wurde eine Hälfte des beim
Angeschuldigten gelagerten Sprengstoffs entwendet.
Der Angeschuldigte war erstmals am 19. Mai 1999 wegen des dringenden
Verdachts der Unterstützung der terroristischen Vereinigung
"RZ" festgenommen und am 7. Juli 1999 gegen Auflagen aus der
Untersuchungshaft entlassen worden. Nachdem die weiteren Ermittlungen
ergeben hatten, dass der Angeschuldigte wesentlich stärker in die
Organisation der "RZ" eingebunden war, wurde er auf Grund eines
erweiterten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes am
23. November 1999 erneut festgenommen und am 27. April 2000 gegen Auflagen
aus der Untersuchungshaft entlassen.
Die Schusswaffenanschläge sind unter dem rechtlichen Gesichtspunkt
eines Körperverletzungsdelikts verjährt, haben aber als
mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeschuldigten in der "RZ"
Bedeutung.
ots-Originaltext: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
(GBA)
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Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
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