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Revolutionärer
Zorn Nr. 6 - Januar 1981
Der Widerstand wächst - Hausbesetzungen
Billiger Wohnraum wird durch Abriß und Modernisierung unwiderruflich
zerstört bzw. brachgelegt, weil private Hausbesitzer ebenso
wie die großen Wohnungsbaugesellschaften mit Blick auf die
Neuverplanung der Städte auf das dicke Geschäft mit Grund
und Boden setzen.
Untersuchungen
haben ergeben, daß sich die Entwicklung von innen nach außen
um den Kern der Städte vollziehen wird. Bisher war der teure
Boden den Dienstleistungsbereichen vorbehalten. Die Verringerung
des Wohnraums durch Abriß führte aber zu einer Verödung
der Innenstädte. Um dem entgegenzuwirken, wird heute in der
City teurer Wohnraum geschaffen, der den besseren Bevölkerungsschichten
vorbehalten bleibt. Durch Modernisierungsmaßnahmen und Sanierung
werden die Innenstädte gesindelfrei gemacht. Für die neuen
modernen Großstädte werden andere Menschen gebraucht,
die dem Angebot der innenstädtischen Versorgung würdig
sind, die die Vorteile der City nutzen, die sich in den aufgemotzten
Einkaufszentren sehen lassen können, die das Geld haben, in
den teuren Boutiquen einzukaufen. Die Luxusappartements für
die neue Generation der "Singles" aus dem gehobenen Mittelstand
und die nostalgisch aufgemachten, mit Stuck verzierten Großraumwohnungen
für einstige "Kommunarden". Der Ausschuß der
Gesellschaft, die Ausländer, die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger
und auch die jugendlichen "Jobber" hingegen werden an
den Rand gedrängt. Sie werden - wie vor allem die Ausländer
- in die zukünftighen Abrißprojekte verschoben, damit
der Hausbesitzer aus ihnen noch Profit ziehen kann, ehe er zum Kahlschlag
ausholt, das Haus wegsaniert, um dann an derselben Stelle einträglichere
Betonpaläste hochzuziehen.
Die
andere Seite der Medaille sind die Trabantenstädte an der Peripherie,
die von den Wohnungsbaugesellschaften in der Blütezeit ihrer
Spekulationspraktiken hochgezogen wurden. Diese Wohngettos werden
die Slums von morgen sein - eine Tendenz, die den ursprünglichen
Planungen für diese Betonsilos entgegenläuft. Entworfen
als profitable Wohneinheiten für die Gesamtbevölkerung,
in der es keinen Klassen mehr gibt und deren Begriff von Wohnqualität
sich am Vorhandensein von Zentralheizung und Badezimmer misst (so
jedenfalls die Vision der Planer in den 60er Jahren), sind die Trabantenstädte
mehr und mehr zu einem sozialen Pulverfaß geworden. Dies nicht
nur aufgrund der sozialen Zusammensetzung der dort eingepferchten
Menschen, sondern auch aufgrund der Auswirkungen, die die "Lebensqualität
Beton" auf die Köpfe der Menschen hat.
Die Trabantenstädte werden zu Mitteln der Aussonderung und
Kontrolle der nicht mehr vernutzbaren Menschen. Wo die Herausbildung
von Slums durch die Verhängung von Zuzugssperren nicht zu bremsen
ist, wird versucht, die Bewohner des Gettos nach Gesichtspunkten
optimaler Kontrolle zu sammeln. Die entscheidenden Kontrollfunktionen
in diesen Vierteln übernehmen Bullen, Sozialarbeiter, das Arbeits-
und das Sozialamt. Offensichtlich ist, daß die Planungen der
60er zur sozialen Befriedung nicht hingehauen haben. So ist denn
auch die Tatsache, daß das BKA auf seiner vorletzten Jahrestagung
die Situation in den Wohnsilos zum Leitthema gemacht hat, eher ein
Zeichen von Ratlosigkeit als Ausdruck dafür, daß die
Durchplanung der Gesellschaft mit architektonischen Mitteln bereits
gelungen ist.
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