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RZ / Rote Zora

Rote ZoraZora

Über die Rote Zora müßte eigentlich von kompetenterer Seite geschrieben werden. Falsch wäre es aber auch, die Frauengeschichte hier einfach wegzulassen. -Einige Gründe, die 1984 zur Trennung von den RZ geführt haben, haben die Frauen 1993 in der Broschüre "Mili's Tanz auf dem Eis" dargelegt. Dort kann Authentisches nachgelesen werden, hier nur Anmerkungen.

Seit 1975 gab es Anschläge von "Frauen der RZ" im Zusammenhang mit der 218-Kampagne, und mit einem Anschlag gegen die Ärztekammer traten die Frauen 1977 erstmals als Rote Zora auf. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um eine Gruppe innerhalb des Gesamtzusammenhangs, und ihre Aktionen standen im Bezug zur Frauenbewegung. Bei den Platzhirschen des Zusammenhangs galt die Frauenbewegung eher als Teilbereichsbewegung wie auch AKW oder Häuserkampf, und sie schien keine grundsätzlichen Probleme aufzuwerfen. Weitergehenden Ansprüchen der Frauen trat man nicht immer unwohlwollend, aber mit dem unschlagbaren Argument der längeren Erfahrung entgegen.

Mit dem Text "Jedes Herz ist eine Zeitbombe", der im Zorn 6 1981 veröffentlicht wurde, formulierten die Zorafrauen erstmals einen weitergehenden Anspruch:

"Uns reicht es nicht aus, zu sagen: Aus der Analyse des Imperialismus ergibt sich das Angriffsziel Nato und indem wir Frauen die Nato angreifen, bekommt der Frauenkampf seine revolutionäre Stoßrichtung.

Der Befreiungskampf besteht bei dieser Sichtweise wieder nur im Angriff auf die zentralen Machtstrukturen des Imperialismus; die alltäglichen Gewaltverhältnisse, in denen Zerstörung, Unterdrückung und Ausbeutung erfahrbar wird, werden ausgeklammert. Für uns ist es auch ein Stück Befreiung, ein Gefühl von Lebendigkeit und Stärke, wenn wir einem schweinischen Hausbesitzer oder seinen Handlangern, der Atommafia usw. ein bißchen Feuer unterm Arsch machen. Probleme haben wir damit, daß wir mehr wollen, als wir im Moment praktisch machen können. Aber das wird sich ändern!

Dazu kommt, daß die Aktionen gegen die Alltagsgewalt schon jetzt verständlich sind, und zwar nicht von der Mehrheit, aber all denen, die sich das Gehirn nicht haben klauen lassen... Grundsätzlich denken wir, daß es nicht das "Angriffsziel" gibt, das den Staat "kippen" kann. Die Chance einer revolutionären Bewegung liegt vielmehr im Angriff auf die gesamten staatlich verordneten Lebenszusammenhänge..."

Liest man heute diese Texte heute neu, erkennt man, welche eine Chance zu Beginn der 80er Jahre vertan wurde. Guerilla gegen die Alltagsgewalt - das war eine der zentralen Fragen, an denen die Zellen 10 Jahre später, kurz vor dem Aus, nicht weitergekommen sind. Zehn Jahre vorher hätte man mit der Diskussion darüber beginnen können! Stattdessen diskutierten die Strategen über den Angriff auf Großprojekte! Es erscheint schwer fassbar, wie es die Frauen mit diesen Einsichten noch weitere drei Jahre im Gesamtzusammenhang aushalten konnten. Da spielte die Liebe eine Rolle, und dass die Frauen noch zu wenige waren, um sich eine eigene tragfähige Struktur zutrauen zu können. Richtig ist aber auch, dass sie selbst diese Position nicht konsequent weiterentwickelt haben.

Bei der Trennung 1984 überschnitten sich zwei Gründe: zum einen hatten es die betreffenden Frauen satt, sich mit den Machtverhältnissen innerhalb des Zusammenhangs und dem Habitus des Männervereins länger abzugeben und sich in Diskussionsprozesse einbinden zu lassen, die als blockierend erlebt wurden. Andererseits stellten die Frauen den Anspruch an den Gesamtzusammenhang, seine Kräfte auf den Kampf gegen Bevölkerungspolitik und Gentechnik zu konzentrieren, und dieses Ansinnen stand alternativ zur Flüchtlingskampagne. Während in diese letztere bei den Gemis neue Hoffnungen gesetzt wurden - konkrete Adressaten und eine dialektische Entwicklung -, schien eine Gentechnikkampagne kaum Besseres einbringen zu können als der vorausgehende AKW- Zyklus (und die Alltagsguerilla, von der 1981 die Rede gewesen war, war es jedenfalls auch nicht). Die gemischten Gruppen blieben stur, man trennte sich. So sehr die Zorafrauen im Prinzipiellen richtig lagen - die Flüchtlingsorientierung war ja dann auch nicht schlecht.

Wenn später über die Trennung seitens einzelner Combos Krokotränen vergossen wurden, hat man vielleicht doch übersehen, dass die Geschlechterdiskussion wohl 1981 hätte produktiv werden können - aber dafür war die Zeit noch nicht reif, und niemand hatte auch nur einen Schimmer davon, dass diese Diskussion vielleicht wirklich zu neuen Qualitäten hätte führen können. 1984 war es dann mit Sicherheit zu spät für eine fruchtbare Auseinandersetzung, und die Trennung war für beide Seiten die bessere Lösung. Die Gemis hätten sich auch in einer Gentechnikkampagne nicht antipatriarchal weiterentwickelt - dazu bedurfte es unter anderem erst des Anstoßes durch die Trennung selbst. Und ich habe nie gehört, dass eine Frau aus der Zora die Trennung je bereut hätte.

Neben den zahlreichen Aktionen der Zora zu Frauenhandel, Gentechnik und Bevölkerungspolitik war das vielleicht am stärksten hervortretende Ereignis die Adler- Aktion vom Sommer 1987. Es gelang nämlich mit relativeinfachen Mitteln (einem Paket und 9 Brandsätzen von der Größe einer Zigarettenschachtel), einen Streik koreanischer Weltmarktarbeiterinnen nachdrücklich zu unterstützen - ein Vorschlag, wie konkreter Antiimperialismus in der Metropole umzusetzen wäre, der ohne Zweifel modellhaft gewesen wäre, und zwar auch für die Gemis, die diese Aktionen mit größter Hochachtung zur Kenntnis nahmen - wenn es nicht schon 6 Monate später den Rückschlag vom 18.12. gegeben hätte. In der Rückschau erscheint uns diese Aktion der Zora am Besten auszudrücken, in welche Richtung sich Zora und Zellen gemeinsam hätten weiterentwickeln können.

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