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Diskussion

Die Frage der Anwendung bestimmter Mittel wie gewerblicher oder militärischer Sprengstoff und Schußwaffen war stets vielschichtig: zum einen ist dazu eine erheblich höhere Qualifikation nötig; zum zweiten ziehen diese Mittel einen viel größeren Repressionsapparat direkt auf sich; drittens ist die allgemeinpolitische Repression hier viel größer; viertens erhebt sich die Frage nach Leben und Unversehrtheit von Menschen ( die , das sollte nicht vergessen werden, sich bei Brand- und Harkenkrallen- Anschlägen genauso stellt). Für viele Militante, auch für mich, ist diese vierte Frage schon Grund genug gewesen, auf absehbare Zeit auf den Einsatz militärischer Mittel zu verzichten. Das bedeutet nicht, sich nicht mit diesen Mitteln zu beschäftigen und sie nicht auch im Arsenal der potenziellen Möglichkeiten zu haben. Übrigens lieber Antonio vom "Runden Tisch", Herrhausen wurde 1989 nicht erschossen, sondern von einer Bombe getötet; dabei hatte die RAF entweder sehr großes Glück, oder sie zog eine ausgesprochen scharf kalkulierte Konsequenz aus der Debatte über die Gefährdung Unbeteiligter bei Aktionen, denn die Sprengladung explodierte so exakt, daß der Fahrer des Autos überlebte.

Die RZ-Schüsse auf die Knie von Schreibtischtätern 1986/87 waren ein Fehler, weil sie nicht der Entwicklung der politischen Kämpfe zu dieser Thematik entsprachen. Die RZ handelten subjektivistisch: sie hatten einige Jahre Ihre eigene Kampagne durchgeführt und eskalierten diese nun ohne ausreichende Rücksicht darauf, ob jemand mitgegangen war. Die Schüsse 1986 auf Hollenberg (Leiter der Ausländerpolizei) wurden von der RZ nicht ausführlich legitimiert, die auf Asylrichter Korbmacher 1987 dann sehr wohl, vielleicht als Reaktion auf Kritik aus der radikalen Linken an der Aktionsform. In dieser Legitimierung die beim "Runden Tisch" von Jonny zustimmend erwähnt wird, haben die RZ viel dazu gesagt, wieso jemand wie Korbmacher ein Schwein ist und die Schüsse verdient hat und wie sie wirken sollen, aber nichts dazu, in welchem Verhältnis die Aktionsform zur politischen Situation rundum steht. Das heißt, die Aktion war Teil des Privatkriegs "RZ gegen das Böse in der Welt" und nicht Teil einer linksradikalen Strategie - und deswegen war sie falsch, so sehr sie dem individuellen Gefühl einiger entgegenkommen mag.

Wie subjektiv beeinflußt die Frage nach der Vermittelbarkeit und dem Rückhalt solcher entscheidender Aktionen ist, zeigt sich immer wieder auch in der Theorie. Als die RAF 1985 den MTU-Chefmanager Zimmermann erschossen hatte, kritisierte eine RZ dies mit dem Tenor, bei seinem Tod habe niemand "aufgeatmet", anders wäre es gewesen, wenn Altnazi Reder erschossen worden wäre. Eine andere RZ antwortete empört, der sei doch nun gar nicht richtig, sondern wenn, dann der österreichische Außenminister. Im Nachhinein ein gespenstischer Wortwechsel...

Als 1987 die Rote Zora ihre erfolgreiche Kampagne gegen die Firma Adler zur Unterstützung der streikenden Frauen in Südkorea durchführte, gab es laute Stimmen der Kritik daran aus der bestehenden Solidaritätszene, die meinten, jegliche andere politische Solidarität mit dem Streik sei dadurch zerstört worden. Beim "Runden Tisch der Militanten" erklärt Antonio aber dazu, die Zora-Aktionen seien in vielen Ländern des Trikont begeistert aufgenommen worden. Ich frage mich woher Antonio das weiß, und falls es stimmt und nicht wie ich vermute - stark übertrieben ist, erhebt sich ja dennoch die Frage, was wichtiger ist: die Ablehnung der einen oder die Zustimmung der anderen? Wessen Zustimmung legitimiert sie, macht sie undurchführbar? Diese Fragen können nur von Gruppen vernünftig beantwortet werden, die den Bezug zur Realität und zu ihrer eigenen Rolle darin behalten haben.

In einigen militanten Gruppen wurden beispielsweise schon ende der 80er diskutiert, ob es richtig oder gar notwendig sei, führende Nazi-Kader zu töten. Es war zum einen Humanismus, der entscheidend dagegen sprach - nicht durch die Aktionsform dem ähnlich zu werden, das du bekämpfst -, zum anderen aber auch die obenerwähnte dritte Frage, nämlich: wäre eine solche Aktion eingebettet in eine politische Szene, die den Folgen standhalten kann, sei es staatliche Repression, sei es Rache von (zweifellos besser bewaffneten) Nazis? Die Anwort damals war ein klares Nein. Also: es muß nicht alles ausprobiert werden, manchmal genügt es auch, vorher ein paar Fragen zu stellen.

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