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Diskussion

Wahl und Hierachie der Mittel.

Dazu ist schon viel richtiges gesagt worden: Eigendynamik der Gruppe, Leistungsdenken, Mythen. Ich glaube allerdings nicht, daß Leute, die in den RZ dabei waren, ihre jeweilige politische Meinung wegen dieses Namens plötzlich nur noch in Form von Bomben ausdrücken konnten. Nur, warum sollten sie überall "RZ" darunterschreiben? Daß eine Gruppe, die ein bestimmtes technisches und analytisches Niveau erreicht hat, unter einem identifizierbaren Namen arbeitet, finde ich vernünftig - die Vergangenheit zeigt, daß Debatten über Aktionen oder Texte dadurch befördert wurden, weil es Anknüpfungspunkte gab - es entstand außerdem ganz nebenbei Geschichte. Das ist in der Tat ein "Orientierungspunkt" für die Linke, wenn auch bescheidener, als 1995 vom K.O.M.I.T.E.E vermutlich gemeint. Das ein solcher fester Name für Qualität bürgt, ist wiederum Quatsch. Wer zehnmal Mist verzapft und zehnmal denselben Namen drunterschreibt, wird umso deutlicher die Quittung dafür bekommen, siehe AIZ. Schräg wird diese Identifizierbarkeit dann, wenn die Beteiligten sich selbst soweit gleichsetzen mit dem Projekt, daß sie nicht mehr autonom davon agieren können.

Die Hierarchie der Mittel existiert und läßt sich nicht wegreden mit "ich werfe nicht nur Mollis, gehe auch mal sprühen", denn verschiedene Mittel erfordern verschieden gründliche Qualifikation. Wichtig ist, sich über das Nebeneinander der verschiedenen Ausdrucksformen klar zu werden. Um am Beispiel zu bleiben: Ein militanter Anschlag ist ein materieller Angriff, er soll Sachschaden anrichten und damit den Blick auf das Zielobjekt und dessen ideologische "Umbauung" richten. Eine gesprühte Parole ist eine andere Ausdrucksform, nämlich eine Aussage, ein Appell; ein Aufruf. Es gibt leider massenhaft Sprühereien, die zu nichts anderem dienen als zur Selbstbestätigung der Szene und zur Herstellung des angenehmen Gefühls, selbst etwas verboten-subversives getan zu haben; 95% der Menschen, die diese Parolen sehen, verbinden damit nichts weiter als "Farbe auf der Hauswand. Dadurch verschiebt sich die Ausdrucksform "Sprühen als schriftliche Propaganda" hin zu "Sprühen als militante Tat", was eigentlich völlig albern ist. Wer es damit ernst meint, daß militante Aktionen nur eine Ausdrucksform neben anderen ist, sollte kein Problem damit haben, zu sagen : wenn ich in einer Gruppe militant agiere, agieren wir auf dem Niveau, das wir gemeinsam beherrschen - wenn wir etwas anderes machen, dann gilt dasselbe: sei es schriftliche oder mündliche Propaganda, Demonstration, Aufklärungsarbeit, Kampagne, Weiterbildung, Feste feiern. Also kann ich auch sprühen gehen und Plakate kleben, ohne dabei das Gefühl zu haben, mein Aktionsniveau "verraten" zu haben. Hindern kann mich daran allenfalls die Abwägung, ob ich dadurch andere Tätigkeiten gefährden könnte, die mir wichtiger sind.

Was die Wahl der Mittel militanter Gruppen angeht, gab es über die letzten dreißig Jahre viel "Versuch und Irrtum". Dabei wurden einige Aktionen gemacht, die von anderen von vornherein als falsch kritisiert wurden, es ist also nicht so, daß von einem allgemeinen gleichmäßigen Lernprozeß gesprochen werden kann. Insofern mißtraue ich der manchmal von älteren Militanten vertretene Sichtweise auf die (frühen) siebziger Jahre, derzufolge es damals darum ging, militante Aktionsformen in Deutschland überhaupt erst denkbar zu machen durch die beispielhafte Tat und Erprobung. Dieser "Wir- haben- bei- Null- angefangen"- Mythos macht die Geschichte gar zu glatt und einfach.

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