E. Strafzumessung
1) Bei der Strafzumessung ist bei allen Angeklagten mildernd
die lange Zeit der Untersuchungshaft und die objektiv lange Verfahrensdauer
zu werten. Es kommt hinzu, daß die ihnen jeweils zuzurechnenden
Taten lange zurückliegen und zwischen ihnen ein enger situativer
Zusammenhang besteht. Die Angeklagten sind zudem sozial eingegliedert
und nicht vorbestraft.
Gegen die Angeklagten B. und H. spricht die sehr lange Zeit der
Mitgliedschaft in der Vereinigung. Diese währte bei den Angeklagten
Sch., E. und G. zwar nicht so lange. dauerte aber immerhin auch
mehrere Jahre.
Bei den Taten zum Nachteil von Harald Hollenberg und Dr. Korbmacher
ist zwar Strafverfolgungsverjährung eingetreten, doch hindert
dies den Senat nicht daran, bei den Angeklagten Sch., E., B. und
H. die Taten - wenn auch angesichts der Verjährung in nur geringem
Umfang - erschwerend zu werten.
Bei keinem der Angeklagten kommt nach den §§ 129a Abs.
4 (a.F.), 49 Abs. 2 StGB eine Strafmilderung in Betracht.
Da § 129a Abs. 4 StGB (a.F.) die Rädelsführerschaft
des Absatzes 2 dieser Bestimmung ausdrücklich nicht erwähnt,
kann diese Strafmilderung bei den Rädelsführern Sch.,
E. und B. von vornherein keine Anwendung finden.
Die Angeklagten G. und H. waren nicht bloße Mitläufer.
Ihre Schuld ist nicht gering und ihre Tatbeiträge waren nicht
von untergeordneter Bedeutung. Sie beteiligten sich nicht nur an
den Taten, soweit sie ihnen zuzurechnen waren, sondern leisteten
darüber hinaus bedeutsame Beiträge. So verwaltete der
Angeklagte H. - zum Teil gemeinsam mit Lothar E. - als Teilakt der
terroristischen Vereinigung in dem erkannten Umfang für die
Berliner RZ das Waffen- und Sprengstoffdepot im Mehringhof, und
der Angeklagte G. tat sich während seiner ihm rechtlich zuzurechnenden
Zeit der Mitgliedschaft in den Berliner RZ als Geldbeschaffer der
RZ hervor, nahm damit eine für die Existenz der Vereinigung
bedeutsame Aufgabe wahr, versuchte noch 1994 den Zeugen Mousli zu
reaktivieren und übergab ihm 1995 den restlichen Sprengstoff
zur Aufbewahrung.
2) a) Bei den Angeklagten Sch., E., B. und H. liegt in bezug
auf den Anschlag auf die ZSA kein minder schwerer Fall des Herbeiführens
einer Sprengstoffexplosion (§ 311 Abs. 2 StGB (a.F.)) vor.
Denn die Gesamtwürdigung aller Umstände ergibt, daß
die mildernden Faktoren nicht beträchtlich überwiegen
und der Regelstrafrahmen nicht unangemessen hoch erscheint.
Neben den unter 1) aufgeführten, für alle Angeklagten
geltenden Milderungsgründen der langen Untersuchungshaft und
Verfahrensdauer, ihrer sozialen Eingliederung und Unvorbestraftheit
sowie dem weiten Zurückliegen der Tat wirkt sich zu ihren Gunsten
aus, daß der tatsächlich eingetretene Schaden verhältnismäßig
gering war. Bei dem Angeklagten Sch. ist des weiteren sein zu diesem
Anschlag abgelegtes Teilgeständnis mildernd zu werten.
Bei den genannten Angeklagten fallt demgegenüber strafschärfend
ins Gewicht, daß sie die Tat von langer Hand geplant und mit
großer Sorgfalt vorbereitet haben. Wäre der beabsichtigte
Erfolg eingetreten, hätte dies zu einem beträchtlichen
Gebäudeschaden geführt. Schließlich ist die Tat
im Rahmen der terroristischen Vereinigung Berliner RZ verübt
worden, die darauf gerichtet war, mit bewaffneter Gewalt, auch mittels
Brand und Sprengstoffanschlägen, gegen das herrschende System
zu kämpfen.
b) Bei dem Anschlag auf die Siegessäule, dessen die Angeklagten
B., H. und G. schuldig sind, liegt ebenfalls kein minder schwerer
Fall des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion vor.
Zugunsten der Angeklagten sprechen die unter 2) a) genannten allgemeinen
Strafmilderungsgründe.
Erschwerend fällt demgegenüber ins Gewicht, daß
bereits nach dem Anschlag auf Dr. Korbmacher in den Berliner RZ
die Begehung einer solchen Tat diskutiert und diese schließlich
von den Angeklagten nach langer Planung und Vorbereitung verübt
wurde. Sie beabsichtigten, die Statue der Viktoria, eines der Wahrzeichen
von Berlin, vom Sockel zu sprengen, und strebten demzufolge einen
hohen materiellen und ideellen Schaden an. Zur Erreichung ihres
Zieles wurden nicht weniger gefährliche Explosivstoffe, sondern
der hochbrisante Gesteinssprengstoff Gelamon 40 verwendet. Auch
diese Tat verübten sie im Rahmen der terroristischen Vereinigung,
die mit bewaffneter Gewalt unter anderem durch Begehung von Brand-
bzw. Sprengstoffanschlägen gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse
kämpfte.
3) Bei den Angeklagten Sch. und E. sind neben den unter
1) und 2) a) genannten Strafzumessungserwägungen ihre Teilgeständnisse
mildernd zu werten, auch haben sie in nicht geringem Maße
zu ihrer und der Überführung der übrigen Angeklagten
beigetragen.
Nach Abwägung aller für und gegen sie sprechenden Umstände
sind unter Berücksichtigung, daß die Mindeststrafe für
die Rädelsführerschaft 3 Jahre beträgt, Freiheitsstrafen
von jeweils drei Jahren und neun Monaten schuldangemessen und ausreichend.
4) Neben den unter 1) und 2) genannten zu Gunsten und zu
Lasten des Angeklagten B. sprechenden Umständen ist erschwerend
zu werten, daß er an allen Anschlägen beteiligt war.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungserwägungen
und der bei ihm vorliegenden Rädelsführerschaft mit der
so gegebenen Mindeststrafe von drei Jahren ist eine Freiheitsstrafe
von vier Jahren und drei Monaten schuldangemessen und ausreichend.
5) Auch bei dem an allen Taten beteiligten Angeklagten H.
sind die unter 1) und 2) genannten erschwerenden und mildernden
Erwägungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus wirkt
sich zu seinen Gunsten sein Teilgeständnis aus. Demgegenüber
fallt des weiteren die Verwaltung des Waffen- und Sprengstoffdepots
im Mehringhof - wenn auch als Einzeltat verjährt, so doch als
Teilakt der terroristischen Vereinigung - erschwerend ins Gewicht.
Unter Zugrundelegung der Mindeststrafe von einem Jahr (§ 311
Abs. 1 StGB (a.F.) ist nach Abwägung aller für und gegen
den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und zehn Monaten schuldangemessen und ausreichend.
6) a) Hinsichtlich des Anschlages auf die ZSA liegt bei
dem Angeklagten G. nach § 311 Abs. 2 Halbsatz 2 StGB (a.F.)
ein minder schwerer Fall des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion
vor. Denn die Gesamtwürdigung aller Umstände ergibt, daß
die mildernden Faktoren beträchtlich überwiegen und der
Regelstrafrahmen unangemessen hoch erscheint.
Strafschärfend fällt hier ins Gewicht, daß der
beabsichtigte Erfolg des Anschlags zu einem großen Schaden
geführt hätte.
Demgegenüber ist strafmildernd zu werten, daß der Angeklagte
in die Entscheidungsprozesse zu diesem Anschlag nicht eingebunden
war. Er hatte sich in Nicaragua aufgehalten, war von dort erst im
Dezember 1986 zurückgekehrt. Nach seiner Rückkehr betrieb
er nur gelegentlich die Aufklärung des Geländes der ZSA
und war wegen seiner Inhaftierung am 5. Februar 1987 an der unmittelbaren
Tatausführung nicht beteiligt. Darüber hinaus liegen auch
bei ihm die weiteren unter 2) a) genannten, für alle Angeklagten
maßgeblichen Strafmilderungsgründe vor, wobei sich der
Angeklagte G. zudem am längsten in Untersuchungshaft befand.
Die Mindeststrafe von sechs Monaten ist nach Abwägung aller
Umstände schuldangemessen.
b) Bei den übrigen tateinheitlich begangenen Taten muß
sich neben den unter 1) und 2) b) erörterten Strafzumessungserwägungen
strafmildernd auswirken, daß der Angeklagte G. die Mitgliedschaft
in der Vereinigung wegen des Strafklageverbrauchs erst ab dem 28.
Februar 1989 anzulasten ist. Zudem befand er sich am längsten
in Untersuchungshaft. Andererseits ist strafschärfend zu werten,
daß er bis 1995 Aktivitäten für den Bestand der
RZ entfaltete, indem er Geld für die RZ beschaffte und versuchte,
den Zeugen Mousli zu reaktivieren. Darüber hinaus überbrachte
er diesem eine große Menge Sprengstoff der Berliner RZ. Unter
Zugrundelegung der Mindeststrafe von einem Jahr für den Anschlag
auf die Siegessäule (§ 311 Abs. I StGB (a.F.)) ist nach
Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
schuldangemessen und ausreichend.
c) Unter nochmaliger Berücksichtigung aller erschwerenden
und mildernden Strafzumessungserwägungen ist durch Erhöhung
der verwirkten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten eine
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten die schuldangemessene
Strafe für die von dem Angeklagten verübten Taten.
weiter
|