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Übersicht: schriftliches
Urteil
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VI. MitgIieder und Strukturen der Berliner RZ
1) a) Der Angeklagte Sch. hat, wie bereits dargelegt, zu
der Mitwirkung der Angeklagten E. abweichend von der Aussage des
Zeugen Mousli behauptet, sie sei erst 1987 nach Berlin gekommen,
habe sich lediglich an den vorbereitenden Diskussionen über
den Anschlag auf Dr. Korbmacher beteiligt und das Bekennerschreiben
gefertigt. Beide Angeklagten haben darüber hinaus eingeräumt,
die Angeklagte E. habe das Anti- Patriarchats- Papier verfaßt,
das diskutiert worden sei. Der Zeuge Mousli hat letzteres genauso
dargestellt.
Daß die Angeklagte E. ihr Wirken in den Berliner RZ auf diese
Tatbeteiligungen beschränkte, hält der Senat nicht für
glaubhaft. Er ist vielmehr überzeugt, daß sie über
ihr Teilgeständnis hinaus so, wie von dem Zeugen Mousli bekundet
und vom Senat festgestellt. in den Berliner RZ mitwirkte und einen
bestimmenden Einfluß ausübte. Sie trat in der Hauptverhandlung
wiederholt sehr selbstbewußt auf und äußerte sich
zu politischen Themen der RZ. Als der Zeuge Mousli bei seiner Vernehmung
über den Inhalt des Anti- Patriarchats- Papiers abfällig
von "Hausfrauisierung" sprach, unterbrach sie ihn verärgert
und sagte bestimmt: "Jetzt rede ich!". Durch ihr Auftreten
bestätigte sie die Bekundungen des Zeugen, daß sie redegewandt,
diskutierfreudig und dominant sei. Bereits in dem Urteil des OLG
Koblenz vom 19. November 1982 wird sie als sehr intelligent, versiert
in Diskussionen und gewandt beschrieben. Eine Persönlichkeit,
wie die Angeklagte, die zudem großes Interesse an den politischen
Themen der RZ zeigte und dies durch das Anti- Patriarchats- Papier
und ihre Einlassung dazu dokumentierte und versiert ist, hielt sich
zur Überzeugung des Senats nicht zurück und ließ
ihren damaligen Lebensgefährten alleine handeln. Sie lenkte
vielmehr die Geschicke der Berliner RZ mit. Sie und der Angeklagte
Sch. ergänzten sich sehr gut: sie war die Theoretikerin und
der Angeklagte Sch. in erster Linie Praktiker. Der Senat ist nach
alledem überzeugt, daß sie nicht erst 1987 nach Berlin
kam, sondern von Anfang an der Berliner RZ angehörte und gemeinsam
mit dem Angeklagten Sch. den Zeugen Mousli und Lothar E. in die
RZ aufnahm. Auch die Behauptung des Angeklagten Sch., er habe Gerd
Albartus 1976 das letzte Mal gesehen, ist nicht glaubhaft. Es ist
kein Grund ersichtlich. weshalb der Zeuge Mousli wahrheitswidrig
behauptet haben sollte, er sei von Gerd Albartus angeworben worden,
zumal er die hierzu gemachten Bekundungen konstant und, wie der
hierzu festgestellte Sachverhalt zeigt, mit großem Detailreichtum
machte. Der Angeklagte Sch. verlegte zur Überzeugung des Senats
die Ankunft der Angeklagten E. in das Jahr 1987, um sie von dem
Verdacht, an den Anschlägen auf Hollenberg und die ZSA beteiligt
gewesen zu sein, zu entlasten.
b) Der Angeklagte Sch. hat die Aussage des Zeugen Mousli, sie seien
unter den Decknamen "Jon" und "Judith" Mitglieder
der Berliner RZ gewesen, bestätigt, jedoch bestritten, sich
anfangs "Horst" genannt und später seinen und den
Decknamen der Angeklagten E. geändert zu haben. An den Decknamen
"Horst" hatte sich der Zeuge Mousli in seinem Ermittlungsverfahren
erst zu einem späteren Zeitpunkt erinnert. Er konnte sich zwar
nicht erinnern, ob Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz
ihm gegenüber den Decknamen "Horst" erwähnt
hatten, stellte ungefragt aber sogleich klar, daß ihm dieser
Deckname bereits zuvor nach einer Vernehmung in seinem Ermittlungsverfahren
eingefallen sei. Dort seien ihm Decknamen verschiedener Personen
vorgehalten worden, zu denen er sich habe äußern sollen.
Später habe er über die Decknamen nachgedacht und sich
daran erinnert, daß beide ihre Decknamen gewechselt hätten.
"Jon" habe sich anfangs "Horst" genannt, an
den alten Decknamen von .Judith" könne er sich nicht erinnern.
Diese Angaben sind glaubhaft. Der Zeuge war auf diesen Fragenkreis
nicht vorbereitet und äußerte sich hierzu ohne Überlegungspause,
spontan und bestimmt. Es ist keineswegs ungewöhnlich, daß
einem Menschen Ereignisse entfallen und die Erinnerung erst später
eintritt. Daß der Zeuge Mousli in den zahlreichen Vernehmungen
stets die zuletzt benutzten Decknamen nannte und dem Umstand des
Decknamenwechsels - zu Recht - keine Bedeutung beimaß, gibt
keinen Anlaß, seine Aussage in Zweifel zu ziehen.
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