TAZ Nr. 2050 Seite 5 vom 30.10.1986 42 Zeilen von TAZ-Bericht Ve.
Negative Konsequenzen befürchtet
"Revolutionäre Zellen" bekannten sich zum Anschlag auf
den Leiter der Berliner Ausländerpolizei Hollenberg /
Flüchtlingsgruppen kritisieren Anschlag / In Berlin wurden U- und
S-Bahnhöfe überwacht
Berlin (dpa/taz) - In einem zweiseitigen, per Hand (!) mit Filzschreiber
unterzeichneten Brief haben sich die "Revolutionären Zellen"
zu den gezielten Schüssen auf den Leiter der Berliner
Ausländerpolizei, Hollenberg, bekannt.
In ihrem Brief legen die "Revolutionären Zellen" zwar ein
detailliert aufgelistetes "Sündenregister" des Chefs der
Ausländerpolizei vor, begründen aber mit keinem Wort, welche
Funktion ihr Anschlag vom Dienstag haben soll, und welchen Sinn sie darin
sehen, einem Menschen in die Beine zu schießen. (s.
Dokumentation)
Die Generalbundesanwaltschaft hat am Mittwoch das Ermittlungsverfahren
im Zusammenhang mit diesem Anschlag aufgenommen und die Berliner Polizei
mit den weiteren Ermittlungen beauftragt. Der Berliner Innensenator hat
eine Belohnung in Höhe von DM 20.000 für Hinweise auf die
Täter ausgesetzt. Obwohl es am Dienstag nur eine sehr ungenaue
Personenbeschreibung von Zeugen gab, nahm die Berliner Polizei den Anschlag
auf Hollenberg zum Anlaß, U- und S- Bahnhöfe zu überwachen
und z.T. mit Maschinenpistolen die Waggons zu durchforsten.
In den Kreisen derer, die sich seit langem für die Belange von
Ausländern und Asylbewerbern einsetzen, fürchten viele, daß
die Schüsse auf Hollenberg "ganz fürchterlich nach hinten
losgehen". Obwohl die Ausländerpolizei, der Hollenberg vorsteht,
unter den Betroffenen gehaßt und gefürchtet ist und zahllose
willkürliche und unmenschliche Entscheidungen zu verantworten hat,
Hollenberg selber hat zu einer Klimaverschärfung innerhalb der
Behörde beigetragen, glauben viele, daß der Anschlag negative
Konsequenzen für die Flüchtlinge haben könnte.
Nach Ansicht der AL bedrohen die politischen Konsequenzen des Anschlags
"jene, in deren Interesse die Täter vorgeben zu handeln."
Andrea Stäritz von der Kontakt- und Beratungsstelle für
außereuropäische Flüchtlinge: "Ein halbwegs
vernünftig denkender Mensch kann angesichts der Aufhebung des
Abschiebestopps und der ganzen Situation zur Zeit keinen Sinn in einem
Anschlag auf Hollenberg sehen."
Sicher nicht ohne Absicht versuchte der Leiter des Berliner
Staatsschutzes, Ganschow, schon am Dienstag vor der Presse einen
Zusammenhang zwischen Flüchtlingsgruppen und dem Anschlag zu
konstruieren, als er einfließen ließ, bei einer Veranstaltung
einer Asylgruppe sei ein Flugblatt der RZs gefunden worden.
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