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Berliner Morgenpost, 29.10.1986
Terroranschlag in Berlin nach italienischem Muster
Schüsse auf Chef der Ausländer- Behörde
Im Rahmen einer Großfahndung jagt Berlins Polizei zwei Männer
und eine Frau, die gestern früh einen TerroranschIag auf den Leiter
der Ausländer- Behörde des Landeseinwohneramtes Berlin, Harald
Hollenberg (54), verübten und ihm in die Beine schossen. Für
Hinweise auf die Täter ist eine Belohnung von 20000 Mark ausgesetzt
worden.
Regierungsdirektor Hollenberg wollte, nachdem er gegen 7 Uhr 55 sein
Auto aus der Garage seines Hauses in der Idsteiner Straße 10 in
Berlin- Zehlendorf gefahren hatte, das Tor verschließen.
Plötzlich standen eine Frau und ein Mann hinter ihm. Wie Hollenberg
berichtete, riefen sie "Keine Bewegung" und schossen ihm dann aus
etwa einem Meter Entfernung von hinten gezielt in die Waden. Beide Kugeln
des Kalibers 22 durchschlugen die Unterschenkel von Hollenberg, der im
Krankenhaus liegt und vor seiner Operation von Berlins Staatsschutzchef
Manfred Ganschow zu dem Hergang des Anschlags befragt wurde. Sofort nach
dem Attentat ist eine Großfahndung eingeleitet worden. Eine
Sonderkommission beim polizeilichen Staatsschutz mit 25 Beamten nahm die
Ermittlungen auf. Gefahndet wird nach einem etwa 2Ojährigen Mann und
einer molligen schwarzhaarigen Frau, die Hollenberg aufgelauert hatten und
einem etwa 4Ojährigen Mann mit Oberlippenbart, der ihnen bei der
Flucht mit dem Auto half. Der Mann und die Frau, die auf Hollenberg
schossen, flohen nach der Tat zunächst mit einem Klappfahrrad und
stiegen dann in einer nahegelegenen Straße in einen grünen VW
Passat Kombi, der von dem älteren Mittäter gelenkt wurde. Wenig
später wurde das Auto auf dem Teltower Damm gefunden. Es brannte
lichterloh. Offenbar hatte das Trio, das durch ein falsches Kennzeichen die
Nachforschungen erschwerte, mit Benzin alle Spuren vernichten wollen.
Zusammenhang mit Kölner Anschlag?
Vor Journalisten sagte Ganschow am Nachmittag, er gehe von einem
terroristischen Hintergrund aus. Erst am Montag abend seien bei einer
Veranstaltung im Mehringhof bei einer Veranstaltung der "Asyl e.V."
Flugblätter der "Revolutionären Zellen" aufgetaucht, in
denen Gewaltaktionen allgemeiner Art angedeutet wurden.
Ganschow sagte, möglicherweise gebe es einen Zusammenhang mit dem
in der Nacht zum Dienstag verübten Anschlag auf die Hauptverwaltung
der Deutschen Lufthansa in Köln, bei dem schwerer Sachschaden
angerichtet wurde. Die "Revolutionären Zellen" hatten sich als
Täter dieses Attentats bezichtigt und in einem sogenannten
"Bekennerschreiben" mitgeteilt, daß mit dem Anschlag gegen die
Abschiebung von Asylbewerbern in der Bundesrepublik protestiert werden
solle.
Das gab es in Berlin noch nicht
Der Zusammenhang mit dem Fall Hollenberg schiene um so wahrscheinlicher,
als der Berliner Regierungsdirektor seit rund 16 Jahren mit Ausländer-
Angelegenheiten befaßt ist. Gezielte Schüsse in die Beine habe
es in Berlin bisher nur einmal gegeben, ergänzte Ganschow. Ein
ähnlicher Anschlag wie jetzt auf Hollenberg sei am 31. Mai 1978 auf
einen der Pflichtverteidiger der Lorenz- Entführer, den Rechtsanwalt
Dietmar Hohla, verübt worden. Gezielte Schüsse in die Waden sind
aber in Italien und Nordirland häufig als "Warnung" abgegeben
worden.
Innensenator Wilhelm Kewenig (CDU) erklärte zu dem Vorfall, es sei
noch nicht klar, ob die Tat gegen die Ausländerbehörden gerichtet
war oder ob sie den "neuen Zielen" von Terroristen gelte - der
höheren Beamtenschaft.
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