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114. Prozesstag: 31. Januar 2003

Ein ganz normaler Prozesstag (und zwar der 114.)

Zwei Zeugen und eine Vortragsreihe füllten heute die mehr als zwei Stunden kammergerichtlicher Hauptverhandlung. Die gesunkene öffentliche Anteilnahme entspricht ja schon lange dem dargebotenen Niveau. Auch die Stammkräfte der Verteidigung lassen sich zunehmend häufiger von unverbrauchten KollegInnen vertreten. Allein die VertreterInnen des Justizapparates bewahren Haltung und natürlich die unermüdlichen online-GerichtsreporterInnen.

Die Arbeit eines Strafverteidigers

Ein ungewohnter Anblick bot sich dem nahezu leeren ZuschauerInnenbereich: Anwalt Euler, Verteidiger des Angeklagten Rudolf S., war von hinten auf dem Zeugenstuhl zu sehen. "Erzähl'n Sie doch mal!", nach dieser ritualisierten und äußerst motivierenden Eröffnung der Vernehmung durch die Vorsitzende Richterin, ließ sich der Zeuge auch nicht lange bitten. Gegenstand war das Zustandekommen der Aussage der Zeugin Barbara v.W. Diese hatte sich u.a. selbst bezichtigt, den Anschlag auf Hollenberg verübt zu haben und überführte damit den Kronzeugen Mousli einmal mehr der Falschaussage. Tarek Mousli hatte zuvor den Angeklagten Rudolf Sch. damit belastet. Der Zeuge Euler versuchte nun wiederum die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu erhöhen, denn Gericht und Staatsanwaltschaft ignorieren fortgesetzt diese nun so gar nicht in ihr Anklagekonstrukt passenden Aussagen. Er will im Dezember 1999 erstmalig von den Ermittlungen zu dem jetzigen Verfahren gehört haben. Sein Mandant wäre damals zunächst als Zeuge, dann als Angeklagter im OPEC-Verfahren involviert gewesen. Bereits vor seinem Freispruch in diesem Prozess hätte ihm Rudolf. S., anlässlich eines Anwaltbesuches in der JVA Weiterstadt, auf einem Zettel den Namen der Schützin beim Anschlag auf Hollenberg offenbart, um die Falschaussagen des Kronzeugen früh zu entlarven. Nach der Kontaktaufnahme zu der späteren Zeugin, willigte sie angeblich nach mehreren Gesprächen in eine Aussage in diesem Verfahren ein. Ausführlich plauderte der Zeuge dabei über die an den Vorgesprächen jeweils beteiligten AnwältInnen und deren inhaltlichen Verlauf. Dabei hob er hervor, dass es durchaus unterschiedliche Positionen unter den JuristInnen gegeben hätte, z.B. auch die Zeugin ganz von einer Einlassung abzuraten. Letztlich hätte Fr. v.W. ihre Entscheidung aus freien Stücken getroffen, über die Inhalte ihrer Angaben wäre ohnehin verhandelt worden. Hervorzuheben sind zwei weitere Aussagen des bezeugenden Anwaltes. So bezeichnete er seine Zusammenarbeit mit Bundesanwalt Griesbaum in der Prozessvorbereitung als tadellos und korrekt. Weiterhin titulierte er seine mit dem Kammergericht geschlossene Vereinbarung im Vorfeld der Einlassung seines Mandanten als öffentlichen Vertrag. Dieser beinhaltete bekanntlich u.a. dessen Freilassung im Januar letzten Jahres und eine vorzeitige Strafzumessung. Träfe diese Feststellung zu, hätte so ein Vertrag aber von allen Prozessbeteiligten genehmigt werden müssen, was aber gerade nicht geschah....... Der Zeuge blieb unvereidigt, wie die meistens.

Nein, danke, wir wissen schon Bescheid

Der Verwaltungsoberrat Olaf K. wurde anschließend zum beruflichen Werdeganges des Angeklagten Matthias B. an der Technischen Universität Berlin. Der Karrierebericht von der studentischen Hilfskraft 1982 bis zum Referatsleiter ab 1992 blieb allseits unkommentiert und auch unvereidigt.

In der letzten guten Stunde der Aufführung, ergoss sich eine Lawine von Ablehnungsbeschlüssen des Gerichtes auf die Prozessbeteiligten. Die Beschlüsse bezogen sich auf eine Vielzahl von Beweis- und Beweismittelanträgen der Verteidigung der Angeklagten Harald. G, Axel H. und Matthias B. im Zeitraum von März letzten Jahres bis Januar 2003. Unisono wurde vom Gericht angeblich festgestellt, dass eine Zulassung keine Auswirkungen auf die Rechts- und Straffolge gehabt hätte, nicht im Interesse einer Sachaufklärung liegen würde, die möglichen Ergebnisse irrelevant für das Verfahren gewesen wären oder die möglichen neuen Tatsachen ohnehin schon anders beweisen worden seien.....und außerdem ist die Kronzeugenerhaltung ohnehin schon anstrengend genug (der Reporter). Die Anträge bezogen sich u.a. auf Zeugenvorladungen verschiedener Polizisten zu diversen ungeklärten Sachverhalten, auf Oberservierungen des Verfassungsschutzes, das Aufspüren von Kontenbewegungen beim Kronzeugen, die Verfügbarkeit von TU-Räumen für konspirative RZ-Treffen und auf die Aktenbeiziehung aus anderen Ermittlungsverfahren. Immer mehr wird das schon oft beschriebene Desinteresse des Strafsenats auch durch zunehmend pauschale und formularhafte Ablehnungsbegründungen sichtbar. Gerne wird dabei auch verstärkt auf die Begründungen der Bundesanwaltschaft zurückgegriffen. Immer wieder ein makabres Theater, was nicht umsonst 'Kammerspiele' heißt.

Schreibste mir, schreib ich dir........

Die Verlesung von Dokumenten konnte zwischendurch die Monotonie nicht wirklich durchbrechen. So kennen die Prozessbeteiligten jetzt u.a. alle Paragraphen aus dem aktuellen Arbeitsvertrag des Angeklagten Matthias B. oder die höflichen Briefe des Gerichtes an das Landesamt für Verfassungsschutz und die gleichfalls sehr freundlich ohne Erkenntnisse dankend beendeten Antwortschreiben. Anwalt v. Schlieffen rettete heute die Ehre der Verteidigung und brachte zwei neue Anträge ein. So soll u.a. ein Bausachverständiger mittels Spezialbohrungen im Fahrstuhlschacht des Projektezentrums Mehringhof nachweisen, dass da auch vor 10 Jahre keine Sprengstoffdepotgrube unter der vorhandenen Betondecke existiert hätte.....

Und dann wurden alle in die Winterferien verabschiedet!

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http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte/310103.htm