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83. Prozesstag: 27. Juni 2002

Wie kommt das Klebeband nach Asien?

Das Klebeband, was T. Mousli beim Verpacken des angeblichen Sprengstoffes aus seinem Keller, verwendet haben will, soll zum Indikator für die umstrittene Lagerzeit des Gelamon 40 in dem Gewässer 'Seegraben' werden. Hat der Kronzeuge mit seiner Behauptung recht, er habe das Material von der RZ bekommen, bei sich zu Hause eingelagert und nach einem Kellereinbruch 1995 in dem vorbenannten Fließ deponiert? Oder stimmen die Aussagen der bisher gehörten Sachverständigen, die einen höchstens mehrwöchigen Wasserkontakt des Sprengmittels mit ca. 80%iger Sicherheit festgestellt haben wollen. Im zweiten Fall würde der Kronzeuge erneut lügen. Die Verteidigerin Studzinsky hielt heute in einer rechtlichen Stellungnahme die Thesen der Experten für schlüssig und naheliegend, eine Wasserberührung habe vermutlich nur sehr kurze Zeit stattgefunden. Bundesanwalt Wallenta konterte und ließ bei seiner zweiten sprachlichen Hörprobe in diesem gesamten Verfahren erkennen, dass er offenbar irgendwie 'chemisch vorbelastet' ist. In Rahmen einer abgekürzten Vorlesung für Organische Chemie und Mikrobiologie kam er zu der schlichten Bewertung, die bisher vorliegenden Gutachten wären bezüglich des Zeitfaktors unbrauchbar. Die sonst bei längerem Wasserkontakt übliche, mikrobiologische und chemische Zersetzung des Klebebandes könne auch durch andere Gründe ausgeblieben sein. So gäbe es z.B. einen Fluß in Asien, dessen Wasser überhaupt keine klebstofffressende Mikroorganismen führen würde (das war tatsächlich ernst gemeint!Der Autor) und außerdem könne man das soviel später sowieso nicht mehr zuverlässig nachprüfen. Soweit die Nachrichten aus dem Karlsruher Chemiebaukasten.

Ein Klebeband macht Karriere

Die Verteidigung hielt dagegen. RA König beantragte die Ladung einer ausgewiesenen Mikrobiologin zu diesem Thema und eines Vorstandsmitgliedes der Beiersdorf AG, aus dessen Produktion das verwendete Klebeband TESA 4100 stammen soll. Dieses solle Auskunft über die genaue chemische Zusammensetzung geben, sowie über die Rezeptur der Klebemasse und bis wann diese Marke produziert wurde.

Nun stieg das Kammergericht mit in den Ring. Der von der Verteidigung beantragte gutachterliche Vergleich mit demselben - auch im Wasser gelagerten - in Bielefeld aufgefundenen Gelamon 40 wurde abgelehnt. Diesen Fund könne man nicht miteinander vergleichen, war sich das Gericht offenbar sehr schnell einig.

Aber wieder ließ die Verteidigung nicht locker, diesmal beantragte RA Kaleck die Vorladung einer Biologin, die ausgewiesene Expertin für Zersetzungsprozessen in Flüssigkeiten sei, z.B. von Leichenteilen. Diese wäre bereit und in der Lage entsprechende Untersuchungen durchzuführen und ein aussagekräftiges Gutachten zu erstellen.

Keine Wanderungen um den Seegraben

Aber nun kamen erst einmal die geladenen Zeugen zu Wort. Zum wiederholten Male trat der Bundesanwalt Monka auf und widerlegte die Angaben des BKA-Beamten Trede zur Suche am 'Seegraben'. Als Staatsanwalt habe er widerwillig am 16.06.99 die 'touristische' Ausführung des damals noch inhaftierten Kronzeugen zum besagten 'Seegraben' begleitet, der dann vor Ort präzise Angaben über die Einwurfstelle gemacht haben soll. Polizeitaucher suchten damals vergeblich nach einem Sprengstoffpaket, dessen unveränderte und sichtbare Lage Mousli noch mindestens bis 1996 bei gelegentlichen Ausflügen kontrolliert haben will, so seine Angaben bei späteren Vernehmungen. Ein großräumiges Abgehen und -suchen des Geländes bis zu 500 m über den Ausgangspunkt hinaus hätte nicht stattgefunden, schloss Monka aus. Mousli hätte sich gezielt erinnert und das infragekommende Teilstück sehr eingeschränkt. Für das spätere Auffinden (August 1999) eines Sprengstoffpaketes ca. 200 m gegen die Fließrichtung von der Ursprungsstelle entfernt, hätte das BKA ihm gegenüber mit dem Auftreten von unvorhersehbaren Hochwasserlagen begründet..... Aber andererseits hätte er auch die Information besessen, dass es sich beim 'Seegraben' um ein abgeschlossenes System ohne jegliche Abflüsse handeln soll.

Allgemeiner Hinweis auf Kronzeugenregelung

Ergänzend bestätigte er, dass es vor der 2. Inhaftierung von Mousli im Jahr 1999 keinerlei Vorgespräche über die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung gegeben hätte. Entsprechende Vermutungen aus Mitschnitten der Telefonüberwachung und schriftlichen Hinweisen des ermittelnden Bundesanwaltes Griesbaum könne er nun ganz und gar nicht teilen. Dabei könne es sich nur um Reaktionen auf den ganz allgemeinen Hinweis der schlichten Existenz dieser Regelung handeln. Die hätte er schon gegeben, da wolle er sich ja später nichts vorwerfen lassen.

Richterin Hennig, ohnehin nicht sehr an Einzelheiten interessiert, wollte den Zeugen schon erleichtert entlassen, da musste er selbst das Gericht an den Inhalt der Vorladung erinnern. Zu der Erstellung unterschiedlicher Sachstandsberichte über die RZ durch das BKA im August 1999 sollte er befragt werden. Der ursprüngliche 53seitige Bericht vom 20.08.99 wäre tatsächlich auf 40 Seiten gekürzt worden, bevor er zur Begründung der Verhaftung des späteren Kronzeugen Mousli zu den Akten genommen wurde. Einziger Grund für eine zweite Version wäre die Neugier der Anwälte. Die zukünftigen VerteidigerInnen sollten bei der Akteneinsicht zum damaligen Zeitpunkt nicht über laufende Ermittlungen gegen zwei weitere Verdächtige, Lothar E. und Harry St., informiert werden. Alle entsprechenden Passagen seien deshalb gekürzt worden. Die andere Möglichkeit einer Beschränkung der Akteneinsicht durch die VerteidigerInnen hätte zu viel Begehrlichkeiten und Mutmaßungen geweckt, aber von einem 'frisierten' Bericht wollte er nun auch nicht sprechen. Der kommt noch mal wieder!

Gemeinheit wird besonders hoch bestraft

So begrüßte Richterin Hennig den zweiten Zeugen ... aber ob sie nun eigentlich 'Meineid' oder tatsächlich 'Gemeinheit' gedacht hatte, macht bei diesem Verfahren ohnehin keinen großen Unterschied.

Michael Kluckert, 30 Jahre, Kriminalbeamter und auch nicht über Meckenheim hinausgekommen, war ganze sieben Monate mit der Auswertung von Asservaten beschäftigt, die bei der Hausdurchsuchung beim Angeklagten G. am 19.12.99 sichergestellt wurden. Das von ihm dabei geschaffene zentrale Werk wäre angeblich in der Fertigung einer lesbaren Reinschrift eines Terminplaners vollbracht worden, der in der Wohnung des Angeklagten Harald G. gefunden und ihm zugeordnet wurden sei. Natürlich, diese Arbeit muß ja beim BKA auch jemand machen, doch diesem noch recht jungen BKA-Kollegen schlich die belastende Bedeutungslosigkeit sichtbar hinterher. Auf die Frage zu einer aufgefundenen Erklärung zum Anschlag auf Hollenberg kam die Antwort: ja, das ist dann wohl eine Erklärung zu dem Anschlag.... Und auf die Nachfrage zu einer beschlagnahmten Presseerklärung des Generalbundesanwaltes: richtig, das war eine Presseerklärung, die wird wohl an die Presse gegangen sein ....... Auch den von ihm damals untersuchten Druckwerken, wie Wild Cat, 'Tiefe Einblicke', 'Rote Zora' (nicht die Kinderfassung) oder 'Der Weg zum Erfolg' hätte er sich nicht über die ISBN-Nummer hinaus genähert!

Sein Chef, Torsten Scholl, 38 Jahre, von der selben Firma, hatte ihm alles eingebrockt und dann mit der Reinschrift des Terminplaners im Okt./Nov. 2000 die Ermittlungen selbst weitergeführt. Abkürzungen, Telefonnummern, Namen, alle wurden überprüft und versucht zu identifizieren. Allein knapp 500 Telefoninhaberermittlungen habe er veranlasst. So zählte er munter 8 Personen und vier Firmennamen auf, die in dem Buch vermerkt, aber auch schon in anderen Verfahren, beim Verfassungsschutz oder durch die Aussagen des Kronzeugen belastet worden wären. Der Kronzeuge hätte einige von denen der Mitgliedschaft in den angeblichen Gruppen 'Amazonen' und/ oder 'Revolutionären Viren' bezichtigt und der Beteiligung an Brandanschlägen in den Jahren 1986 und 1987, u.a. auf ein Gentechnisches Forschungslabor, nachgesagt. Anderen hätte er die Beihilfe zur Passfälschung oder die Mitgliedschaft in einem Koordinierungsausschuss zur Last gelegt, der legale und illegale Projekte finanziert haben soll.

Abschließend bestätigte der Beamte seine Beteiligung an der gewissenhaften Durchsuchung des Mehringhofs, wie auch die absolute Erfolglosigkeit der Großmaßnahme.

Macht ja alles so viel Arbeit....

VEB SchönebeckKurz vor Ende des heutigen Verhandlungstages verlas das Gericht weitere Ablehnungen von Anträgen der Verteidigung. Der Lieferweg des angeblich aus dem VEB Schönebeck stammenden Gelamon 40, über die Firma Westspreng, ein Haupt- in ein Zwischenlager nach Salzhemmendorf und die widersprechenden Angaben der Hersteller über den Abnehmer ggü. den späteren Anwendungsort, bleibt weiter unergründet. Weitere Zeugenvorladungen dazu würden keine neuen Erkenntnisse bringen, so die schmucklose Begründung. Auch die Differenzen zwischen den original Telefonüberwachungs-Tonbändern und den an die Verteidigung ausgelieferten Kopien bedürfen keiner weiteren Erhellung. Das BKA hätte das doch alles gut erklärt....nicht wahr? Sind ja auch lästig diese ganzen Details! - Aber auch der Kronzeuge muss sich nicht wie angekündigt nächste Woche in den Gerichtssaal bemühen, da er nach Aussagen des Zeugenschutzes auch in acht Tagen noch krank sein werde. Ist ja eigentlich auch nicht nötig.....!

 

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