3. Prozesstag: 25. Mai 2001
Vorlesestunde beim Kammergericht
Der Tag begann mit Anträgen der Verteidigung, die sich gegen die
angeordnete Verlesung ergangener Urteile richteten. Begründet wurden
sie mit dem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot der
Verhandlungsführung und der damit einhergehenden unzumutbaren
Belastung für die gesundheitlich stark angegriffenen Sabine E.
Weiterhin wurde erneut die prozessuale Einführung der Dokumente nach
dem Selbstleseverfahren vorgeschlagen. Nach einer Beratungspause lehnte das
Gericht die Anträge ab. Eine Begründung für die dann
folgende Verlesung zweier Entscheidungen aus den Jahren 1980 und 1998 gab
die Vorsitzende Richterin Hennig nicht ab.
Verlesung von Urteilsauszügen
Das OLG Frankfurt a.M. verurteilte die Studentin Leyla B. am 22. Mai
1980 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe u.a. wg. der
Unterstützung der Revolutionären Zellen (RZ). Die Feststellung
einer einheitlichen Organisationstruktur der RZ durch das Gericht
stützt sich dabei auf ein weiteres Urteil des OLG Düsseldorf vom
19.01.1979 gegen Gerd Albartus und Enno Schwall: eine genaue Struktur, die
Anzahl der Mitglieder und Ansätze für eine zentrale Steuerung und
Planung der Aktivitäten ließe sich zwar nicht ermitteln, doch
über das Druckwerk Revolutionärer Zorn wird eine organisatorische
Einheit von Gleichgesinnten, mit praktischer und ideologischer Schulung und
dem Gefühl der Zusammengehörigkeit konstatiert. Weiterhin werden
den RZ in diesem Zusammenhang in der Zeit von 1973 bis 1978 über 20
Sprengstoff- und Branddelikte zugeordnet.
In einer anderen Entscheidung des OLG Stuttgart aus dem Jahr 1998 wird
Corinna K. wegen Mitgliedschaft in der Roten ZoRechtsanwalt zu 18 Monaten
auf Bewährung verurteilt. Ende 1987, kurz vor einer bundesweiten
Durchsuchungsaktion des BKA , war sie im Ausland untergetaucht und hatte
sich erst Ende 1995 gestellt.
In den verlesenen Teilen des Urteils werden im wesentlichen
Selbstverständnis, Aktionen und Organisationsgeschichte der Roten
Zora, sowie das Verhältnis zwischen Rote ZoRechtsanwalt und
Revolutionären Zellen aus der Sicht des OLG referiert.
Drei weitere Dokumente wurden heute vom Senat im sogenannten
"Selbstleseverfahren" in den Prozess zusätzlich
eingeführt: Abschnitte aus den Urteilen des OLG Frankfurt vom
15.2.1982 und des OLG Düsseldorf vom 10.6.1985 sowie das komplette
Urteil des Kammergerichts gegen Tarek Mousli vom 18.12.2000.
Verhandlungsfähigkeit von Sabine E.
Nachdem Sabine E. wegen einer schweren Migräne, unter der sie schon
länger leidet, am letzten Prozesstag verhandlungsunfähig war, hat
die Vorsitzende Richterin mittlerweile angeordnet, dass die Angeklagte in
den nächsten Tagen von einer Fachärztin für Psychiatrie und
Neurologie medizinisch begutachtet wird. Darüber hinaus soll die
Ärztin zukünftig an Prozesstagen ständig anwesend oder
telefonisch erreichbar sein, um die Verhandlungsfähigkeit von Sabine
E. ohne Verzögerungen begutachten zu können.
Weiterer Prozessverlauf
Am Donnerstag, den 31.5. soll die hinzugezogene Fachärztin
über die Verhandlungsfähigkeit von Sabine E. aussagen und es
sollen weitere Urkunden verlesen werden. Die Vorsitzende Richterin Hennig
kündigte darüber hinaus an, am 7.6. den Zeugen Schulzke und am
8.6. die Zeugen Griesbaum und Monka zu laden. Ab dem 14.6. soll dann der
Kronzeuge Tarek Mousli vernommen werden.
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