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18. Prozesstag: 24. August 2001

In der ersten Hälfte des heutigen Prozesstages führte die Verteidigung die intensive Befragung Tarek Mouslis von Gestern fort. Schwerpunkt waren dabei weitere Widersprüchen zwischen den Aussagen des Kronzeugen und Angaben, die seine ehemalige Lebensgefährtin Karmen T. gemacht hatte. Auf Nachfrage von Rechtsanwalt Euler, gab Mousli an, gegenüber Frau T. nicht gelogen zu haben. Trotzdem konnte er keine weitere Erklärung für die Widersprüche zwischen ihren und seinen Aussagen liefern.

Widersprüche

So hatte Karmen T., wie heute vorgehalten wurde, in einer vierstündigen Vernehmung am 22.7.99 berichtet, dass sie zum Zeitpunkt ihres Zusammenwohnens in einem Karton Mouslis eine Brille sowie zwei gefälschte Pässe entdeckt habe. Auf Nachfrage, so hatte Frau T. angegeben, hätte Mousli ihr gegenüber gesagt, beide Utensilien früher für Reisen in die DDR unter falschem Namen benutzt zu haben. Mousli bestritt heute jemals Besitzer von falschen Papieren gewesen zu sein. Auch sei er nie unter falschem Namen in die DDR eingereist. Bundesanwalt Bruns beanstandete die anschließende Frage von Rechtsanwalt Euler, wie es denn sein könne, dass Frau T. glaube, Mousli hätte ihr gesagt, unter falschem Namen in die DDR eingereist zu sein.

Dies führte zu einer Unterbrechung der Verhandlung, weil die Verteidigung mit Vehemenz forderte, die Beanstandung unter Ausschluß des Zeugen erörtern zu wollen, damit dieser keine Rückschlüsse ziehen könne. Das Gericht ließ schließlich die Frage von Rechtsanwalt Euler zu, die Mousli mit den Worten beantwortete: "Das kann ich mir so nicht erklären, das ist mir schleierhaft". In einer kurzen Erklärung äußerte Rechtsanwalt Becker seinen Unmut über das "absolut unerträgliche" Verhalten des Beisitzenden Richter Alban, der das Ansinnen der Anwälte, Mousli zur Erörterung der Beanstandung herauszuführen, empört zurückgewiesen hatte und im gesamten bisherigen Verhandlungsverlauf eine "verteidigerfeindliche Einstellung" gezeigt habe.

Auf die Frage, wie er nach dem Einbruch den verbliebenen Sprengstoff aus seinem Keller entsorgt habe, sagte Mousli aus, dass er diesen noch am selben Abend ins Auto geladen und ohne Verzögerung an einer ihm bereits bekannten Stelle in einem Wassergraben versenkt hätte. Auch hierüber habe er mit Frau T. gesprochen. Diese hatte jedoch ausgesagt, so hielt ihm Rechtsanwalt Euler vor, dass sich bei dem Sprengstoff nach Mouslis Angaben auch "Zünder" befunden haben sollen. Außerdem hätte er ihr gesagt beides zunächst in sein Sportstudio verbracht und erst später versenkt zu haben. Auch diese Aussage von Frau T. konnte sich Mousli heute nicht erklären.

Weiterhin sagte Mousli auf Nachfrage aus, dass er 1994 einmal kurz mit dem Auto in Frankfurt/Oder auf einer Karate-Reise gewesen sei. Die Frage, ob er Mitte 1996 für die RZ einen Schaltplan angefertigt habe, verneint er hingegen. Dies hatte aber wiederum Karmen T. in ihrer Vernehmung ausgesagt. Mousli führte dazu aus er hätte in dieser Zeit wiederholt Schaltpläne für eine andere Funkgruppe entworfen, dies hätte jedoch nichts mit der RZ zu tun gehabt.

Vor- und Nachbereitung der "Aktion Korbmacher"

Erneut wurde Mousli von Rechtsanwalt von Schlieffen zur Probefahrt mit dem Motorrad gefragt, mit dem der Anschlag auf Korbmacher verübt worden sein soll. Auf Nachfrage präzisierte Mousli, dass zunächst er und dann "Sebastian" je etwa eine Viertelstunde in Schöneberg umhergefahren seien. Regenkombis und Helme für die Fährt hätten sie selbst aus einer Wohnung in der Oranienstraße in Kreuzberg mitgebracht und auch wieder mitgenommen.

Im Anschluss befragte Rechtsanwalt Becker den Kronzeugen zum "Nachbereitungstreffen" zur Aktion Korbmacher, wobei sich Mousli jedoch kaum an konkrete Dinge erinnern konnte. Er schlussfolgerte vielmehr aus allgemeinen Erfahrungen, dass das Treffen wohl zwei bis drei Stunden gedauert haben müsse, in einem Cafe stattgefunden habe und dass dort wohl auch etwas gegessen und getrunken worden sei. "Jon" habe vom Ablauf der Aktion erzählt. Auf weitere Nachfrage gab Mousli an, zu allen Beteiligten ein herzliches Verhältnis gehabt zu habe, ausser zu "Judith", die immer "dazwischengefunkt" und sich schnell aufgeregt hätte. In diesem Zusammenhang wollte Rechtanwalt Becker wissen ob und in welcher Form "Jon" bei diesem Treffen von der Person gesprochen habe, die das Motorrad gefahren hatte. Mousli sagte erneut, dass er dies nicht mehr rekonstruieren könne, sich aber absolut nicht vorstellen könne, dass er sich damit gebrüstet haben könnte, es selbst gewesen zu sein.Auch der Beisitzende Richter Hanschke harkte an diesem Punkt noch einmal ein und wollte wissen, ob Mousli ausschließen könne, dass ihm der Fahrer des Motorrads benannt worden sei, was der Zeuge verneinte. Auch die Frage von Rechtsanwalt Becker, ob seine heutige Haltung zu politischen Aktionen, bei denen Menschen verletzt werden, eine andere sei als damals, verneinte der Zeuge. Vielmehr, so führte Mousli aus, habe er "immer Angriffe auf Personen abgelehnt" und könne sich auch nicht erinnern dies einmal anders dargestellt zu haben. Kurz vor der Mittagspause kam der Beisitzende Richter Lechner noch einmal auf den Ort zu sprechen, wo das Auto für die Aktion entwendet worden war. Auf Nachfrage gab Mousli an, dass der entsprechende Parkplatz nicht überdacht gewesen sei.

Beginn mit Tatkomplex ZSA

Nach der Mittagspause begann Frau Hennig mit der Befragung des Kronzeugen zum Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) vom Februar 1987. Mousli gab an, dass 1986 innerhalb der Gruppe damit angefangen worden sei, über diese Aktion intensiv zu diskutieren. Ihm sei aus Erzählungen bekannt, dass der Anschlag im Sommer 1996 auf einem überregionalen Treffen besprochen wurde, an dem "Jon" und "Judith" teilgenommen hätten. Diese hätten dann die Idee zu der Aktion in die Gruppe getragen. Ziel des Anschlages sei gewesen, durch die Zündung eines Sprengsatzes an der Außenmauer des Gebäudes den Zentralrechner zu zerstören. Von "Jon" habe er erfahren, dass die Hintergrundinformationen zur ZSA von "Heiner" zusammengetragen worden seien.Auch die später verschickte Erklärung sei wahrscheinlich von "Heiner" unter Mitarbeit von "Judith" verfaßt, jedoch auch in der Gruppe diskutiert worden. Mousli führte weiter aus, dass zum Zwecke der Erstellung eines "Zeitschemas" das Gelände über mehrere Wochen beobachtet worden sei. Er selbst habe dazu gemeinsam mit "Sebastian" über einen längeren Zeitraum regelmäßig abends zwischen 22.00 Uhr 1.00 Uhr an einem, dem ZSA-Gelände gegenüberliegenden Ufer gesessen, um Polizeibewegungen zu beobachten. Im Januar sei nach seiner Erinnerung auch "Sigi" bei dieser Observation zugegen gewesen. Von "Jon" wisse er, dass sich auch die zweite RZ-Gruppe an den Vorbereitungen beteiligt habe. Die verschiedenen Erkenntnisse seien dann von "Jon" zusammengetragen worden.

Mousli gab weiter an, dass der Sprengsatz von "Jon", wenige Tage vor dem Anschlag, unter Anwesenheit von "Judith", "Sebastian" und ihm selbst, zusammengebaut worden sei. "Jon" habe als Brandbeschleuniger Unkrautex und Puderzucker verwandt. Als Zünder seien mit Streichhölzern umwickelte Blitzbirnen, die mit einem Wecker verbunden waren, benutzt worden. Der Zeuge verneinte die Zwischenfrage von Rechtsanwalt Euler, ob in der Gruppe jemals als Konsequenz zum Unfall von Hermann Feiling darüber gesprochen worden sei, wieviel Leute beim Zusammenbauen eines Sprengsatzes in einem Raum sein sollten. Über den Tathergang berichtete Mousli, dass er sich am gegenüberliegenden Ufer aufgehalten habe. "Jon" und "Sebastian" hätten den Sprengsatz an der Außenmauer des Gebäudes angebracht. Allerdings habe er dies nicht sehen können. Von der "zweiten RZ-Gruppe" seien "weitere Leute" auf einem dem Gelände naheliegenden Bahndamm anwesend gewesen. Man hätte mit drei Amateurfunkgeräten in Verbindung gestanden. Nach einem vereinbarten Signal, dass er über das Funkgerät empfangen habe, wäre er dann, wie zuvor vereinbart, mit der letzten U-Bahn nach Hause gefahren. Ihm sei bekannt, dass "Judith" an dem Anschlag nicht teilgenommen habe. Auf Vorhalt von Frau Hennig räumte Mousli ein, dass er in ersten polizeilichen Vernehmungen angegeben hatte, auch "Sigi" sei an dem Anschlag beteiligt gewesen. Heute wisse er, so führte Mousli aus, dass "diese Erinnerung" falsch gewesen sei. "Mir wurde in den Vernehmungen schon gesagt, dass dies gar nicht sein kann", weil "Sigi" zum Zeitpunkt des Anschlages in Polizeihaft saß.

Mousli konnte sich weder an den Ort noch an die näheren Umstände des "Nachbereitungstreffens" erinnern. Ihm sei jedoch noch in Erinnerung, dass "Jon" sich eher unzufrieden geäußert habe. Ansonsten habe man sich über den Verlauf der Aktion ausgetauscht. Dort hätte er auch erfahren, dass sich "Judith" und "Jon" schon mit "Heiner" von der anderen Gruppe getroffen hätten, um die Aktion zu besprechen und das "Bekennerschreiben" zu verschicken.

Wie an den bisherigen Freitagen unterbrach Frau Hennig die Hauptverhandlung um 14.30 Uhr. Der Prozess wird Donnerstag, den 30.8. zur um 9.15 Uhr fortgesetzt.

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