132. Prozesstag. 20. Juni 2003
Amnesie als Berufskrankheit anerkannt?
Die wohl kürzeste Zeugenvernehmung des bisherigen Verfahrens wurde
heute mit der Befragung des Richters am Kammergericht Libera, Mitglied
des Senats, der Tarek Mousli im Dezember 2000 zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt hatte (siehe auch vorangegangene Prozessberichte) vollzogen.
Ganze vier Minuten benötigte das Gericht um ihm die Antwort zu
entlocken, dass er sich an Aussagen Mouslis zu konspirativen Wohnungen
überhaupt nicht erinnern könne und das ihm zwar der Spitzname Drogentod
erinnerlich sei, aber sich bei ihm ansonsten keinerlei Erinnerung
mit diesem Spitznamen verbinden würde. Danach wurden zwei Beschlüsse
des Senats zu Anträgen der Verteidigung des Angeklagten G. vom 25.10.2001
bzw. der Angeklagten E. vom 8.11.2001 verkündet, in denen festgestellt
wurde, das sich diese Anträge durch diverse Zeugenvernehmungen erledigt
hätten. Die deutlich gereizte Stimmung des Senats zeigte sich das
erste Mal, als sich die RichterInnen weigerten, einen dieser Beschlüsse
in Kopie auszuhändigen.
Der Rest des insgesamt einstündigen Verhandlungstages wurde dann
wieder durch die Verteidigung mit dem Verlesen mehrerer Schriftsätze
bestritten. Die Verteidigung des Angeklagten B. untermauerte mit
zwei Stellungnahmen ältere Anträge zur Beiziehung von weiteren Ermittlungsakten
des BKA, sowie der vollständigen Herausgabe der über Tarek Mousli
geführten Akten beim Bundesamt bzw. bei mehreren Landesämtern für
Verfassungsschutz. Die anschließende Frage der Rechtsanwältin Lunnebach,
wann denn der Senat über den seit längerem anhängigen Aussetzungsantrag
zu entscheiden gedenke, weil die Verteidigung beabsichtige weitere
Sachanträge zu stellen, wurde von der schlecht gelaunten Vorsitzenden
mit einem überaus aussagekräftigen "demnächst" abgefertigt.
Die Verteidigung des Angeklagten Sch. beantragte die Vernehmung
einer früheren Freundin des Kronzeugen Tarek Mousli, die u.a. bekunden
würde, das sie im Jahr 1987 - vermittelt durch Mousli - die damals
in der Illegalität lebende Angeklagte E. kennen gelernt habe.
Die Vorsitzende weigerte sich anschließend energisch, über den
Antrag der Verteidigung des Angeklagten H. auf Aufhebung des Haftbefehls
in der heutigen Hauptverhandlung zu verhandeln und Stellungnahmen
dazu entgegenzunehmen, und beharrte darauf, dies in einem Haftprüfungsverfahren
außerhalb der Hauptverhandlung durchzuführen. Daraufhin beantragte
die Verteidigung einen rechtlichen Hinweis darauf, ob der Senat
davon ausgehe, das die Verteidigung in ihrem Antrag Zeugenaussagen
unzutreffend wiedergegeben habe.
Rechtsanwältin Studzinsky beantragte
zum Abschluß wiederholt die Herausgabe von Ermittlungsunterlagen,
die durch die Bundesanwaltschaft vorenthalten werden. Diese sind
in sogenannte Strukturverfahren aussortiert (oder besser: versteckt?)
worden.
Der Termin am 26. Juni wurde aufgehoben. Weiter geht es am 27.
Juni 2003 um 9.15 Uhr mit der Verkündung von Beschlüssen.
Der ausführliche Prozessbericht entfällt (4. Richterbefragung ist
nu wirklich ziemlich dünn). Die Anträge demnächst hier auf www.freilassung.de.
|