124. Prozesstag: 17. April 2003
Gericht lobt sich selbst
Ganze zwölf Minuten dauerte heute die Hauptverhandlung in Sachen
Berliner "Revolutionäre Zellen" (RZ). Der frühlingshafte Tag und
die anstehenden Feiertage fordern eben ihren Tribut.
Das Programm dieses Kurztermins wurde mit der Verkündung von zwei
Beschlüssen des Senats bestritten. Die Bundesanwaltschaft (BAW)
steuerte zudem eine Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung der
Verteidigung von Harald G. vom 28.3.2003 bei. Das wars.
Die Beiziehung von Akten zu Daniel S. ist nach Auffassung des Gerichts
nicht notwendig, ebenso wenig wie die Beiziehung der Ermittlungsakten
im Fall Kawaters, des RZ-Anschlags auf die Staatskanzlei Düsseldorf
und eines angeblichen RZ-Sprengstoffdepots in Essen.
Anlass für diesen Antrag der Verteidigung von Harald G. war der
Fund eines so genannten Sprechzettel der BKA-Beamten Schulzke und
Trede in übersandten Unterlagen des Verfassungsschutzes (VS). Darin
ist die Rede von "umfangreichen Ermittlungen gegen die Person, bei
der Sprengstoff beschlagnahmt worden war". Allerdings sind diese
"umfangreichen Ermittlungen" nicht Gegenstand der vorliegenden Ermittlungsakten,
die den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht wurden. (vgl. 120.
Prozesstag)
Diesem Antrag statt zu geben, lobte sich der Senat selbst, gebiete
die "Sachaufklärungspflicht" jedoch nicht. Habe man doch in zahlreichen
Vernehmungen von BKA-Beamten keine Hinweise auf "umfangreiche Ermittlungen",
zumal vor 1997, erhalten. Nach offizieller Version hat das Bundeskriminalamt
(BKA) erst Ende 1997 im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Prozess
gegen Corinna Kawaters eine Verbindung zwischen dem angeblichen
Fund des Sprengstoffs der Marke Gelamon 40 bei Daniel S. 1995 in
Berlin und den RZ herstellen können, die bei Aktionen bevorzugt
Sprengstoff dieser Marke eingesetzt hat.
Welche Relevanz eine Aufklärung dieses Sachverhalts für die Schuld-
und Straffrage in diesem Verfahren habe, konnte das Gericht außerdem
nicht erkennen. Gleiches gelte für die Meldeverhältnisse des Kronzeugen
Tarek Mousli, womit ein weiterer Beweisantrag der Verteidigung von
Harald G. abgelehnt wurde.
Ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die diversen Festnetz- und
Mobiltelefonanschlüsse des Kronzeugen abgehört habe, hat für Bundesanwalt
Bruns keine "Entscheidungsrelevanz" und keinen "Beweiswert". So
jedenfalls der Tenor seiner Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung
der Verteidigung von Harald G.. Darin hatte die Verteidigung gegen
den Beschluss des Gerichts vom 14.3.2003 argumentiert, mit dem die
Ladung mehrere Zeugen in diesem Zusammenhang abgelehnt wurde.
Das Kammergericht habe bereits deutlich gemacht, dass eine Aufklärung
dieser Frage für das Verfahren keine Bedeutung habe, so der Sitzungsvertreter
des Generalbundesanwalts. Auch Bruns bemühte die Schuld- und Straffrage
und warf in diesem Zusammenhang der Verteidigung vor, sie habe sich
dazu nicht geäußert. Zudem sei das Gericht nicht angehalten dem
Interesse der Verteidigung nachzugeben, soweit wie möglich "die
allgemeinen Lebensumstände eines Belastungszeugen" in der Hoffnung
erhellen zu wollen, auf "Zufallsfunde" zu stoßen. Womit einmal mehr
von Bruns das eigene Verhalten, wichtige Ermittlungsergebnisse der
Verteidigung vorzuenthalten, den AnwältInnen angelastet und als
unbilliges Vorgehen denunziert wurde, das auf die Integrität des
Kronzeugen und nicht etwa auf die Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit
ziele.
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