126. Prozesstag: 16.05.2003
Schiffeversenken im Saal 500/Kein Hohlraum im Aufzugsschacht
Einziges Thema der heutigen Hauptverhandlung waren die Bohrungen
und Radaruntersuchungen in einem Mehringhof-Aufzugsschacht, in dem
sich laut Kronzeugen Tarek Mousli in der zweiten Hälfte der 80er
Jahre ein Sprengstoff- und Waffendepot der Revolutionären Zellen
(RZ) befunden haben soll. Gehört wurde dazu ein wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), Ernst N..
Vom Gericht beauftragt, waren in Anwesenheit des Geophysikers am
6. März 2003 Radarmessungen in diesem Aufzugsschacht vorgenommen
worden. Am 29. April 2003 sollten zusätzliche Probebohrungen durchgeführt
werden. Allerdings musste man während der zweiten Bohrung bereits
die Arbeiten beenden, da aus dem ersten Bohrloch mit einer Stärke
von 1l/s Grundwasser in den Schacht schoss. Ziel der ganzen Aktion
war herauszufinden, ob sich ein Hohlraum unterhalb der Schachtsohle
befindet, wie es der Kronzeugen behauptet.
Die Radarmessungen am 6. März ergaben, dass sich unterhalb einer
Grenzschicht von zehn Zentimeter Tiefe keine "Abnormalitäten" feststellen
lassen, wie es der 39-jährige Gutachter ausdrückte. Ein schwaches
Echo in einer Tiefe von fünf Zentimeter unterhalb dieser Grenzschicht
zeigte eine homogene Masse auf der ganzen Fläche der Schachtsohle
an.
Die eine geglückte Probebohrung ergab dann, dass die Sohle aus
einer zehn Zentimeter tiefen Estrichbetonschicht besteht, die von
einem Schweißband abgeschlossen wird, das das Eindringen von Grundwasser
verhindern soll. Dieses Schweißband war in der Radaruntersuchung
als "Grenzschicht" erschienen. Nach diesem Band folgte eine Schicht
von Stampfbeton bis in eine Tiefe von 20 cm. Diese Schicht dürfte
aus der Bauphase des Mehringhofs stammen, handelt es sich doch um
einen sehr grobkörnigen Beton, der heutzutage in einer solchen Bausituation
nicht mehr eingesetzt wird.
Weder die Stampfbetonschicht, noch das Schweißband wiesen bei der
Radaruntersuchung irgendeine "Abnormalität" auf. Beide waren durchgängig
vorhanden. Auf Nachfrage stellte der Geophysiker dezidiert fest,
dass das Schweißband keine Schad- oder Bruchstellen gezeigt habe.
Zum Grundwassersituation in diesem Gebiet führte der BAM-Mitarbeiter
aus, dass er aus Unterlagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
wisse, dass das Grundwasser in den 80er Jahren etwa 40-60 cm über
der Sohle des Schachtes stand, beim Bau des Mehringhofs lag der
Grundwasserstand sogar einen Meter über diesem Punkt.
Die Ergebnisse der Radarmessung und der Probebohrung sowie auf
Grund seiner allgemeinen bautechnischen Kenntnisse und der Kenntnisse
über die Grundwasserstände in diesem Gebiet schloss Ernst N. aus,
dass sich unterhalb der Sohle ein Hohlraum befindet bzw. befunden
habe. Auf Nachfrage stellte er zudem fest, dies gelte auch für einen
nachträglich aufgefüllten Hohlraum, da dies bei der Radarmessung
aufgefallen wäre.
Auch machte er klar, dass ein nachträgliches Ausheben bzw. Auffüllen
einer Grube nach Abschluss der Bauphase auf Grund der Grundwassersituation
nur mit enormen technischen Aufwand möglich gewesen wäre - nämlich
durch eine entsprechende Absenkung des Grundwasserspiegels. Wie
in der laufenden Hauptverhandlung an anderer Stelle bereits eingeführt,
hat es entsprechende Baumaßnahmen oder Veränderungen am Aufzugsschacht
nicht gegeben.
Seine einschränkenden Bemerkungen, dass der normale Wirkungsgrad
der Radargeräte durch die enorme Feuchtigkeit des Untersuchungsgegenstandes
um ca. 20 Prozent reduziert gewesen sei und eine Probebohrung für
die gesamte Schachtsohle eine 100-prozentige Aussage unmöglich mache,
bot dann für Richter Alban die Gelegenheit, die Ergebnisse dieses
Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Allerdings blieb der Gutachter
bei seiner Aussage, dass es keine Hinweise auf einen Hohlraum gebe.
Unvereidigt durfte Ernst N. nach den üblichen Geplänkeln - vor allem
zwischen Rechtsanwalt Johnny Eisenberg ("Bei ihnen muss man sehr
direkt sein, sonst hat man keine Chance.") und Richter Alban - den
Sitzungssaal verlassen.
Der Prozess wird am Freitag, 23. Mai fortgesetzt. Die Termine am
22. Mai und 5. Juni wurden aufgehoben.
|