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15.01.2004: 162. Prozesstag
Beweisaufnahme geht weiter
Ach wie schön ist Moabit!? Nachdem letzte Woche durch die beiden
Anwälte von Sabine E. der Reigen der Plädoyers abgeschlossen worden
war, hatte das Kammergericht für heute zwei Zeugen geladen, mit
anderen Worten: Die Beweisaufnahme ist wieder eröffnet. Und sie
begann im gewohnten, alten Trott. Nach etwas mehr als einer Stunde
durften die Prozessbeteiligten den Saal 500 des Kriminalgerichts
Moabit wieder verlassen.
Und auch noch die - nennen wir es - Unzulänglichkeit des Senats
in Punkto Verfahrensführung war im neuen Jahr wie gehabt: "Mit dem
neuen Briefzustelldienst sind kurzfristige Ladungen anscheinend
nicht möglich", zeigte sich die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig
scheinbar interessiert und um Abhilfe besorgt. Als wäre es nicht
bezeichnend für diesen Senat, dass er ernsthaft glaubt, wenn er
Montags per Post eine Ladung verschickt, sei es selbstverständlich,
dass ZeugInnen wenige Tage später (konkret: am Donnerstag) springen.
Weil die Zeugin jedoch wenig überraschend wegen der kurzfristigen
Ladung aus terminlichen Gründen nicht vor Gericht erscheinen konnte,
begann die Hauptverhandlung erst um 10 Uhr mit Erscheinen des zweiten
Zeugen - ihm hatte das Gericht immerhin die Ladung per Fax zugestellt.
Die Ladung geht zurück auf einen Hilfsbeweisantrag der Verteidigung
von Axel H., den Rechtsanwalt von Schliefen am Tag seines Plädoyers
gestellt hatte, für den Fall, dass sein Mandant wegen der "Verwaltung"
eines laut Kronzeugen im Mehringhof untergebrachten Sprengstoff-
und Waffendepots der RZ verurteilt werden sollte.
Bei dem Zeugen handelte es sich um Arno R. (53), der in dem im
Mehringhof ansässigen Grafikbetrieb Graf Druckula arbeitet. Die
Firma nutzte seit Anfang der 1980er Jahren den so genannten Garagenraum,
der im Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BAW) zu dem Ort mutierte,
in dem das angebliche Sprengstoff- und Waffendepot in einem Schacht
untergebracht gewesen sein soll.
Ein Schacht existiert dort, wie Arno R. einräumte. In seinen weiteren
Ausführungen musste er allerdings die Bundesanwaltschaft enttäuschen,
und verwies deren neue Theorie zum angeblichen RZ-Sprengstoffdepot
somit ins Reich der Fantasie. Denn wie der Grafiker glaubhaft versicherte,
war dieser Schacht von einer metallenen Platte bedeckt, auf der
Regale, die der Lagerung u.a. von Papier dienten, und seit ca. 1984
bis 1992 eine tonnenschwere Schneidemaschine standen. Auch verneinte
er, dass Axel H. ebenso wenig wie Lothar E., gegen den im übrigen
die BAW am Montag Anklage vor dem Kammergericht erhoben hat, in
ihrer Funktion als Hausmeister im Mehringhof freien Zugang zu diesem
Raum gehabt hätten. Der Raum sei mit einem Vorhängeschloss gesichert
gewesen; Schlüssel hätten nur die beiden Mieter Graf Druckula und
der Buchladen Schwarze Risse besäßen; der Raum sei nicht mit dem
Generalschlüssel der Schließanlage des Mehringhof zu öffnen gewesen.
Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde der Zeuge zum Abschluss noch
von Rechtsanwalt Euler - nicht ohne die Vorwarnung voranzustellen,
der Zeuge solle sich über diese Frage nicht wundern - befragt, ob
in diesem Raum jemals ein Lift oder Aufzug installiert gewesen sei.
Verdutzt verneinte Arno R..
Zur Überraschung der Prozessbeteiligten verkündete die Vorsitzende
Hennig anschließend, dass wahrscheinlich bereits nächste Woche Tarek
Mousli erneut in den Zeugenstand gerufen wird. Zuvor waren die Beweisanträge
der Verteidigung von Axel H. und Matthias B., mit denen die Ladung
zahlreicher Vernehmungsbeamter gefordert worden war, unisono mit
der Begründung abgelehnt worden, die Beweismittel seien ungeeignet
bzw. unzulässig, zudem werde der Verteidigung die Befragung des
Kronzeugen ermöglicht werden.
Zum weiteren Verlauf des Prozesses wollte bzw. konnte der Senat
keine Angaben machen. Nur soviel ist klar, die Hauptverhandlung
wird am kommenden Donnerstag, 22. Januar, um 9.15 Uhr fortgesetzt.
Geplant ist auch, dass nächste Woche der Termin am Freitag ausnahmsweise
nicht aufgehoben wird. Mutmaßlich, weil dann der Kronzeuge seine
wohl letzten Auftritt in diesem Verfahren haben wird.
[ Tarek Mousli wird nun doch frühestens zum 29.01.2004 geladen.]
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