Erklärung des Zeugen Wolfgang B.
"Bevor ich hier auf ihre Frage antworte, will ich Ihnen nur
mitteilen, was ich hier sagen möchte: Mir ist bekannt, daß
Herr Mousli behauptet hat, ich hätte in den Jahren 1986 und
1987 eine konspirative Wohnung in der Oranienstr. 7 oder 9 angemietet
bzw. zur Verfügung gestellt.
Diese Behauptung ist falsch!
Ich habe in den Jahren 1986-1987 und 1988 in der Oranienstr 7 oder
9 noch anderweitig in der Oranienstr. weder eine Wohnung angemietet
oder zur Verfügung gestellt oder ist mir von dritten überlassen
worden.
Im Übrigen muss ich davon ausgehen, daß auf Grund dieser
und anderer Beschuldigungen, die Herr Mousli mir gegenüber
erhoben hat, gegen mich Ermittlungen geführt werden.
Ich werde hier weiter keine Frage beantworten."
14. März 2003
Wolfgang B.
119. Prozesstag: 14.03.2003
Zeuge bezeichnet Behauptung von Mousli zu konspirativen Wohnung
in Kreuzberg als unwahr.
Gut gefüllt waren heute wieder einmal die Zuschauerrängen
im Saal 500 des Berliner Landgerichtes. Grund dafür war der
geladene Zeuge Wolfgang B., der nach Aussagen des Kronzeugen Mousli
in den Jahren 1986 und 1987 der Mieter, einer in Berlin- Kreuzberg
gelegenen, konspirativen Wohnung gewesen sein soll.
Doch bevor Wolfgang B. in den Zeugenstand trat, stellte zunächst
die Verteidigung des Angeklagten G. einen neuen Beweisantrag. Anstoß
dieses Antrags war eine neu aufgetauchte Ermittlungsakte, die bisher
nicht Bestandteil der hiesigen Verfahrensakte war, und woraus hervorgeht,
dass das BKA zwischen dem 06.02.01 und dem 08.03.01 umfangreiche
Ermittlungen zu den Bewohnern der Oranienstrasse 9 in den Jahren
1985 bis 1990 durchgeführt hatte. Dabei handelt es sich um
jenes Haus, in dem, die von Mousli behauptete, konspirative RZ-
Wohnung gelegen haben soll.
"das Ding" war plötzlich da
Auf seinem Schreibtisch "aufgetaucht" sei "das Ding"
- wie Bundesanwalt Bruns die Ermittlungsakte bezeichnete - erst
am 11.03.03 und auch der neben ihm sitzende Bundesanwalt Wallenta
beeilte sich heute dieses Datum zu bestätigen. Bundesanwalt
Griesbaum habe am 10.03.03 mit einem BKA- Beamten namens Schmitz
gesprochen, dazu gebe es auch einen Vermerk, so Bruns heute. Einen
Tag später sei die Akte dann plötzlich da gewesen. Selbst
die Vorsitzende Richterin Hennig blickte für kurze Zeit ernst
daher und bemerkte: "Es wäre angebracht gewesen, wenn
dies zu den Akten gelangt wäre."
Doch nun ist sie da und nun liegt erneut ein umfangreicher Beweisantrag
der Anwältinnen Studzinsky und Würdinger auf dem Tisch,
der umfangreiche Einsicht in umfangreiche Ermittlungen fordert und
der erneut feststellt, dass es offensichtlich sogen. "Strukturakten"
in diesem Verfahren gibt, die dem Senat und der Verteidigung von
den Ermittlungsbehörden vorenthalten werden: "Ziel aller
Ermittlungen" - so wird in dem Antrag formuliert - "ist
aber offensichtlich, die diffusen Angaben des Zeugen Mousli mit
weiteren objektiven Ermittlungsergebnissen zu stützen. Zeitigen
die Ermittlungen nicht dieses gewünschte Ergebnis, werden sie
im hiesigen Verfahren nicht mitgeteilt sondern offensichtlich im
Strukturverfahren abgelegt."
Diesem Antrag schlossen sich auch die anderen Verteidiger an, wobei
Rechtsanwalt Kaleck bemerkte, dass er schon vor einem halben Jahr
einen Aussetzungsantrag mit der Forderung auf Herbeiziehung von
"Strukturakten" begründet hatte, weil mit diesen
Akten entlastende Ermittlungsergebnisse zurückgehalten würden.
"Hält die Bundesanwaltschaft das für rechtens"
(Vorsitzende Richterin Hennig)
Nach kurzer Beratung lehnte das Gericht den Antrag ab den Zeugen
Wolfgang B. erst dann zu hören, wenn über den Beweisantrag
entschieden sei. Eine Begründung gab es nicht. Die Aussage
des 50jährigen Bäckers und Taxifahrers Wolfgang B. fiel
eher kurz aus. Dieser bezeichnete die Beschuldigungen von Mousli,
er habe 1986 und 1987 eine Wohnung in der Oranienstrasse 7 oder
9 in Berlin- Kreuzberg angemietet und der RZ als konspirativen Treffpunkt
zur Verfügung gestellt, schlicht als "unwahr". Weitere
Fragen - so der Zeuge - werde er nicht beantworten. Vielleicht verblüfft,
vielleicht aber auch nur wieder mal etwas unbeholfen, suchte die
Vorsitzende Richterin bei den Kollegen der Bundesanwaltschaft um
Rat. Darf das der Zeuge oder darf er das nicht, wer soll es entscheiden?
Bundesstaatsanwalt Bruns sprang rettend zur Seite: der Zeuge dürfe
sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen, weil er von Mousli
"in erheblichem Maße" belastet sei. Das fand dann
auch der Senat und der Zeuge war entlassen. Ob nun gegen Wolfgang
B. ein Ermittlungsverfahren läuft, war nicht herauszufinden.
Der Bundesverfassungsschutz weiß mehr
Was folgte war die Verkündung der Ablehnung eines Beweisantrages
der Verteidigung von Harald G. vom 20.03.03. Darin war u.a. gefordert
worden, Mitschriften und Bänder von Abhörmaßnahmen,
die durch den Bundesverfassungsschutz gegen Tarek Mousli durchgeführt
worden waren, bereitzustellen. Dies - so hatte die Verteidigung
argumentiert - sei zur "Überprüfung der Glaubwürdigkeit
des Kronzeugen Mousli erforderlich, da ausgerechnet in der Zeit
nach der Haftentlassung am 7.7.99 durch das BKA angeblich keine
Überwachungsmaßnahmen bis zum September 1999 mehr geschaltet
wurden, obwohl der Zeuge Trede am 13.12.01 in der Hauptverhandlung
angab, das BKA sei brennend daran interessiert gewesen, was Mousli
täglich gemacht hat, insbesondere nach seiner Entlassung."
Keinen Handlungsbedarf in diese Richtung sieht der Senat, so machte
er heute klar, weil durch Herbeiziehung weitere Unterlagen zu Telefonüberwachungsmaßnahmen
keine "weitere Aufklärung" zu erwarten sei. Das bisherige
Material hätte schließlich auch nichts Wesentliches ergeben,
soweit die Vorsitzende Richterin.
Siegessäule ohne unterirdischen Zugang
In einer Stellungnahme fasste die Verteidigung von Matthias B.
das Ergebnis der Zeugenvernehmung von Dietrich K. vom 27.02.03 zusammen,
die erbracht habe, dass die Siegessäule nicht unterirdisch
begehbar sei. Offensichtlich habe Mousli seine Kenntnisse über
den Anschlag gegen die Siegessäule aus der Presse. Für
den Fall, dass der Senat die Aussagen des Kronzeugen trotzdem als
wahr unterstelle, kündigte er einen neuen Beweisantrag in dieser
Sache an.
Als allerletztes meldete sich heute die Rechtsanwälte Euler
und Eisenberg zu Wort. Euler stellte den Antrag die für nächste
Woche angesetzte Vernehmung von Mousli so lange zurückzustellen,
bis über die Anträge der Verteidigung zur vollständigen
Herbeiziehung der Ermittlungsakten entschieden sei. Die Vorsitzende
Richterin will dies außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden.
Geübte Prozessbeobachter sind sich sicher, Mousli wird nächste
Woche kommen, der Antrag dann also abgelehnt sein.
Die Verhandlung wird am 20.03. fortgesetzt. Der vermutliche Zeuge:
Tarek Mousli.
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