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131. Prozesstag: 13.Juni 2003
Ein Richter a.D. gräbt in seinen Erinnerungen
Einziger Zeuge des heutigen Verhandlungstages war der ehemalige
Vorsitzende des 2. Strafsenats des Berliner Kammergerichts Eckart
Dietrich. Unter seiner Leitung war Tarek Mousli im Dezember 2000
zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der sich heute
als "Pensionst" Bezeichnende gab an, zur Vorbereitung
seiner Zeugenaussage, das damalige Urteil, welches weitgehend aus
seiner Hand stamme, noch einmal sorgfältig gelesen zu haben.
Andere Aufzeichnungen der damaligen Verhandlung seien keine mehr
vorhanden.
Lückenhafte Erinnerungen
Zu seinen verbliebenen Erinnerungen befragt, trat Lückenhaftes
zu Tage. Erinnern – so der Richter a.D. auf entsprechende Nachfrage
– könne er sich noch an Aussagen von Mousli betreffend einer
Person mit dem Spitznamen "Drogentod", da dies ja auch
ein recht auffälliger Name sei. Diese Person sei mit einer
weiteren Person, die in der Bundesdruckerei beschäftigt gewesen
sei, befreundet gewesen. Dies hätte der RZ die Möglichkeit
eröffnet an "Rohlinge" (gemeint waren damit wohl
Blankoausweisformulare) heranzukommen. Damit seien dann Ausweise
gefälscht worden. Wie Mousli sich im Einzelnen zu diesen Vorgängen
geäußert hatte, war dem "Pensionisten" heute
nicht mehr erinnerlich.
Zum Stichwort konspirative Wohnungen in Kreuzberg fiel dem Zeugen
nur noch die Oranienstrasse ein. Mousli habe angegeben, gemeinsam
mit anderen dort einen Sender betrieben zu haben. Eine "Funkgruppe"
habe ihre Werkstatt gehabt. Außerdem habe Mousli selbst in
dieser Gegend gewohnt.
Mousli's Widersprüche
Auf Nachfrage von Richter Alban erklärte der Zeuge, dass er
sich damals sehr umfangreich auf das Verfahren vorbereitet und im
Gerichtssaal dann auch alle Komplexe mit dem Angeklagten Mousli
besprochen habe. Das Verhalten von Mousli sei deutlich anders gewesen
als er es von anderen Angeklagten kenne. Man hätte ihm nicht
"die Würmer aus der Nase ziehen müssen", sondern
er hätte "fließend und in gewählter Ausdrucksweise,
beinahe druckreif" seine Aussagen gemacht. Nur bei einem Punkt
seien damals Zweifel aufgetaucht. Dabei sei es um den Tatbeitrag
von Mousli bei einem Anschlag gegangen. In diesem Zusammenhang hätte
eine ehemalige Freundin des Angeklagten bei der Polizei angegeben,
Mousli hätte ihr gegenüber behauptet, selbst auf den Richter
Korbmacher geschossen zu haben. Dem sei das Kammergericht damals
nachgegangen und hätte Frau T. als Zeugin gehört. Frau
T. hätte ihre polizeiliche Aussage erneut bestätigt, sei
dann aber auf intensives Nachfragen unsicher geworden. Das Kammergereicht
sei deshalb "in dubio pro reo" verfahren. An dieser Stelle
war es dem Richter a.D. wichtig zu betonen, dass sich das Gericht
damals nicht nur auf die Aussagen von Mousli verlassen, sondern
diese "verifiziert" hätte.
Insgesamt sei bei ihm der Eindruck entstanden, dass es Mousli um
eine milde Strafe gegangen sei und dass er sozusagen eine Lebensbeichte
abgelegt hätte. Danach sei er dann "im Zeugenschutzprogramm
abgetaucht".
Vorbereitungsgespräche: der sprudelnde Mousli
Zu dem Gespräch mit der Bundesanwaltschaft (BAW) im Vorfeld
des damaligen Verfahrens fiel dem heutigen Zeugen zwar deutlich
mehr ein als seinen Richterkollegen eine Woche vorher, jedoch zeigte
auch er sich heute nicht mehr in der Lage, das Zustandekommen und
den genaueren zeitlichen Ablauf der Kontakte mit der BAW zu rekonstruieren.
Er erinnere sich heute noch – so der Zeuge -, entweder von Staatsanwalt
Monka oder dem Bundesanwalt Griesbaum, angerufen worden zu sein.
Dabei sei ihm ein größeres Verfahren mit einem Angeklagten
angekündigt worden, "der wie ein artesischer Brunnen sprudelt,
weil zum Jahresende die Kronzeugenregelung ausläuft".
Nachdem er sich die Anklageschrift habe zukommen lassen, sei er
mit den anderen vier Richtern des zuständigen Senats, den Staatsanwälten
Monka und Griesbaum für die BAW und dem Verteidiger von Mousli,
Rechtsanwalt RA Püschel, zu einem persönlichen Gespräch
zusammen getroffen. Dabei habe die BAW für Mousli eine Strafe
in Aussicht gestellt, die gerade noch zur Bewährung ausgesetzt
werden könne. Nach Rücksprache mit seinen Richterkollegen
sei auch er zu dem Schluss gekommen, dass die Kammer nicht über
das von der BAW beantragte Strafmass hinausgehen müsse. In
ihrer richterlichen Schlussberatung seien er und sein Richterkollegen
dann zu der Einschätzung gekommen, dass "wir keine Kronzeugenregelung
brauchen, um auf dieses Strafmass zu kommen".
Der alte Richter und die Frauen von T. Mousli
Dagegen bewies der Zeuge auch bei seiner heutigen Vernehmung insbesondere
an den Stellen ein erstaunlich gutes Gedächtnis, wo es um besondere
Details in der persönlichen Biographie von Mousli ging. Damit
bestätigte sich der Eindruck, den auch damalige ProzessbeobachterInnen
formuliert hatten, dass der Richter sich mehr für Mouslis Liebesbeziehungen
als für seine widersprüchlichen Aussagen interessiert
hatte. So fiel ihm denn auch heute eine Frau H. ein, die eine "linksgewendete
Dame" gewesen sei und die Mousli "nach Berlin gelotst"
habe, um einen Sender ("Radio Kebab oder Döner")
zu betreiben. Auch wisse er, dass Mousli wegen Erbstreitigkeiten
ein schlechtes Verhältnis zu seiner Mutter habe. Insgesamt
zeichnete der Zeuge von Mousli's Mutter eher ein schlechtes Bild.
So sei ihm in Erinnerung, dass sie eher der Selbstverwirklichung
zugeneigt und "die Kinder im Internat abgestellt" habe.
Das Internet würde er nicht nutzen, so der Zeuge auf Nachfrage.
Allerdings sei er damals von der Polizei darauf hingewiesen worden,
dass im Internet zum Besuch des Prozesses aufgerufen worden sei.
Darüber hinaus sei ihm ein Bericht vorgelegt worden, der eine
markierte Passage enthalten habe. Darin sei er als "lustiger
Opa" bezeichnet und zwei seiner Beisitzer seien als Personen
beschrieben worden, die auf den Ruhestand warteten und dem Prozess
"in kontemplativer Einkehr, schweigend" beigewohnt hätten.
Warteschleife soll beendet werden; Richterin kündigt schnelles
Prozessende an
Nach Abgang des Zeugen wollte die Verteidigung von Matthias B.
wissen, wie das Gericht angesichts der Warteschleife, in der sich
das Verfahren gerade mal wieder befindet, weiter zu verfahren gedenke.
Dabei wurde angekündigt, dass von Seiten der Verteidigung noch
weitere Beweisanträge gestellt werden sollen. Allerdings vertrat
die Verteidigung die Meinung, dass zunächst Seitens der Kammer
über den aktuellen Aussetzungsantrag entschieden werden müsse.
Die Vorsitzende Richterin kündigte an, jetzt "zügig"
die Beweisanträge der Verteidigung abarbeiten zu wollen, Mousli
noch einmal anzuhören und damit vor der Sommerpause die Beweisaufnahme
abzuschließen. Jedoch sollten die Schlussvorträge nicht
mehr vor der Sommerpause stattfinden. Die momentane Warteschleife
sei hervorgerufen worden durch das Warten auf Akten des Verfassungsschutzes.
Diese seien nun angekommen und der Verteidigung am 7.6. ausgehändigt
worden. Die Vorsitzende Richterin machte deutlich, dass der Senat
beabsichtigt, den Antrag auf Aussetzung abzulehnen.
Abschluss des heutigen Verhandlungstages bildete der Antrag der
Verteidigung von Axel H. auf Aufhebung des gegen diesen weiterhin
existierenden Haftbefehls. In der Begründung des Antrags wurde
ausführlich dargelegt, dass die Behauptungen Mouslis zum Sprengstoffdepot
im Mehringhof offensichtlich unwahr sind. Mousli hatte Axel H. als
einen der Verwalter dieses angeblichen Depots beschuldigt. Außerdem
– so die Verteidigung - habe sich auch die angeblichen Tatbeteiligung
von Axel H. bei den Anschlägen auf die ZSA 1987 und auf die
Siegessäule 1991, nicht bestätigt. Auch will Mousli Axel
H. nie bei der Durchführung oder Vorbereitung von Anschlägen
unmittelbar begegnet sein. Damit wäre für Axel H. kein
dringender Tatverdacht gegeben. Auch Fluchtgefahr sei nicht mehr
zu unterstellen, da Axel H. seit Februar 2002 auf freiem Fuß
und regelmäßig zu den Verhandlungen gekommen sei. Darüber
hinaus wurden ihm mehrere Auslandsaufenthalte genehmigt von denen
er jeweils wieder zurückgekehrt sei, ohne sich dem Verfahren
zu entziehen.
Zum Abschluss des Verhandlungstages wurde der Termin vom 19.6.
aufgehoben. Weiter geht's am 20.6. um 9:15 Uhr.
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