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10. Juli 2003: 135. Prozesstag
Tabula rasa – Gericht zieht durch
Zwanzig Minuten, die es in sich hatten - länger dauerte die heutige
Hauptverhandlung nicht. Mit den vier verkündeten Beschlüssen dokumentierte
das Kammergericht nicht nur, dass sich die VerteidigerInnen von
Matthias B. ihre heute präsentierten Stellungnahmen zu den Erklärungen
der Bundesanwaltschaft (BAW) vom letzten Verhandlungstag hätten
sparen können. Es macht auch klar, dass es nicht weiter gewillt
ist, irgendwelchen Beweisanträgen überhaupt noch nach zu gehen.
Zu Beginn der Verhandlung hatten Rechtsanwältin Lunnebach und ihr
Kollege Kaleck auf Stellungnahmen der BAW vom letzten Verhandlungstag
reagiert. Der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts hatte damals
sowohl den Nachbau des angeblich von dem Kronzeugen Tarek Mousli
1995 in einem Seegraben im Norden Berlins versenkten Sprengstoffpakets
abgelehnt, wie auch die Zeugenbefragung des Präsidenten des Bundesamtes
für Verfassungsschutz (BfV) zu einem Spitzel innerhalb der RZ sowie
der Einbindung von Mousli in operative Maßnahmen des Dienstes. Die
beiden Anwälte zeigten sich von den Ausführungen der BAW wenig überzeugt.
Ein Nachbau des Sprengstoffpakets sei durchaus möglich, so Frau
Lunnebach, existierten doch Fotos des Pakets, die nach dem Fund
im August 2000 aufgenommen worden seien. Der Interpretation der
BAW, die Hauptverhandlung habe "keinen auch noch so entfernten Anhaltspunkt
für eine bewusste, gesteuerte Verzögerung" der Ermittlungen nach
dem Sprengstofffund bei Daniel S. ergeben, hielt RA Kaleck entgegen,
dass die Beweisaufnahme durchaus "eine Vielzahl von Merkwürdigkeiten"
ergeben habe, wie etwa ein Vergleich der eingeleiteten Ermittlungen
des Bundeskriminalamts (BKA) beim Fund eines angeblichen RZ-Depots
bei Bielefeld gezeigt habe. Ohnehin gebiete es Rechtstaatlichkeit
und Sachaufklärungspflicht jeglichem Hinweis auf Geheimdienst-Operationen
nachzugehen.
Unbeeindruckt von diesen Ausführungen zeigte sich das Kammergericht.
Weder der bislang verheimlichte Sprengstofffund von angeblichem
RZ-Sprengstoff im Mai 1998 in Kempen, noch der Nachbau des im Seegraben
geborgenen Sprengstoffpakets, geschweige denn die Zeugenvernehmung
des BfV-Präsidenten oder die Ladung von drei Zeugen, von denen sich
Aufklärung versprochen wurde, warum ein Magdeburger Polizist im
Zuge der Ermittlungen nach dem Fund von Gelamon 40 bei Daniel S.
seine Berliner Kollegen darüber informierte, dass der im Seegraben
gefundene Sprengstoff aus der ehemaligen DDR nicht nach Westdeutschland
exportiert worden war, sondern an so genannte Sonderbedarfsträger
(Nationale Volksarmee bzw. Ministerium für Staatssicherheit) gegangen
sei, – all diesen ungeklärten Fragen meinte das Gericht – unter
ständigem Verweis auf die BAW-Stellungnahmen vom letzten Prozesstag
– nicht nachgehen zu müssen; alle Anträge wurden abgelehnt.
Und damit auch dem letzten klar wurde, dass das Gericht diesen
Prozess bald zu beenden gedenkt, erklärte die Vorsitzende Richterin
Gisela Hennig, dass ab sofort alle Beweisanträge noch am gleichen
Tag währende der Hauptverhandlung entschieden würden. Insofern sollten
sich die Prozessbeteiligten darauf einstellen, fügte die Vorsitzende
Richterin hinzu, dass es nach der Sommerpause zu längeren Verhandlungstagen
kommen könnte. Zwar hat dieser Verhandlungstag genug Beispiele gegeben,
wie diese Beschlüsse ausfallen werden, doch glauben wir Frau Hennig
gerne, dass nun ein hartes Stück Arbeit auf sie und ihre Kollegen
zukommt - muss doch das Gericht nun selbst, ohne Hilfe und schriftliche
Vorarbeiten der BAW seine Beschlüsse formulieren.
Die anscheinend letzte Etappe in diesem Verfahren vor dem 1. Strafsenat
des Kammergerichts Berlin beginnt am Donnerstag, 7. August, zur
gewohnten Zeit um 9.15 Uhr im Saal 500 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit.
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