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111. Prozesstag: 10. Januar 2003:
Zeugenschutz ist die Gleitcreme der Kronzeugenregelung
Ein langer Vormittag, im Verlaufe dessen die inhaltliche
Leere zu atmosphärischen Entladungen führte, welche das "absurde
Theater" (Bundesanwalt Bruns) unnötig in die Länge zogen.
Die Befragung des Zeugenschützers Torsten Klein, der
den Kronzeugen während dessen U-Haft in Köln-Ossendorf betreute,
war so ergiebig wie Wind um die Ecke zu schaufeln. Die schlacksige
Erscheinung mit frischer Föhnfrisur und Hugo-Boss-Anzug war von
einer Geschmeidigkeit, wie sie der in der Überschrift beschriebenen
Funktion des Zeugenschutzes nur dienlich sein kann. Er wand sich
wie ein glitschiger Fisch aus den Befragungsversuchen und lieferte
Schablonensätze zu seiner Tätigkeit als Zeugenschützer für Tarek
Mousli und dessen Lebensgefährtin Jeanette O. (im Zeitraum zwischen
November 1999 und April 2001), die verbindlich klingen sollten,
was ihrer Dürftigkeit jedoch keinen Abbruch tat.
Er wurde gefragt, inwieweit er sich als Zeugenschützer
mit Mousli über die Zeugenvernehmungen im RZ-Verfahren und dessen
Einschätzung davon unterhalten habe. Dazu erklärte er, es sei Standard
im Zeugenschutz, die Gemütsverfassung der Zeugen abzufragen, um
gegebenenfalls psychologische Unterstützung leisten zu können. Mousli
sei aus den Verhandlungen in unterschiedlichen Gemütszuständen herausgekommen,
"mal schlechter, mal besser". Was im einzelnen insbesondere
über Mouslis jeweilige Aussagen oder Erlebnisse vor Gericht gesprochen
wurde, konnte der Befragte nicht erinnern.
Als Zeugenschützer auch Jeanette O.s habe er eine "Mixtur
aus Zeugenschutz und Gesprächsüberwachung" bei den Besuchen
Frau O.s bei Mousli zelebriert. Mit den Kollegen Ermittlern habe
er nur insoweit Austausch zum Verfahren gehabt, als dies für die
Einschätzung der Gefährdungslage seiner Zeugen relevant war: eben
Zeugenschützer durch und durch. Mit den Ermittlungen selbst habe
er nichts zu tun gehabt. Im übrigen, so stellte sich bald heraus,
hatte er mit Mousli zu Beginn des Prozesses vor dem Kammergericht
nichts mehr zu tun, konnte sich infolgedessen mit ihm auch nicht
über dessen Verfassung nach den Verhandlungstagen unterhalten. Dass
er jedoch seine Klientin Jeanette O. telefonisch Mitte Dezember
1999 davon entband, gegenüber Mouslis damaligem Anwalt Assner weiter
"lügen" (Kleins Wort) zu sollen, widerspricht dieser angeblichen
generellen Beschränkung auf den Zeugenschutz.
Es kam am Rande dieser peinvoll drögen Befragung des
aalglatten Zeugen zu verbalen Auseinandersetzungen, die zu zwei
viertelstündigen Unterbrechungen der Verhandlung führten, welche
die überforderte Vorsitzende anordnete. Bundesanwalt Bruns "störte"
(RA Eisenberg) durch häufige Genervtheitsäußerungen am Rande. Er
nannte die Vernehmung Kleins "absurdes Theater, Eisenberg konterte,
allein der Zeuge zeige "absurdes Theater.
Der Wahrheitsfindung diente all das wenig. Alle weiteren
Nachfragen stießen bei dem Zeugen auf Erinnerungslücken und Standardformulierungen
ohne Inhalt.
Am Ende wies die Bundesanwaltschaft noch die beiden
Anträge der Verteidigung vom 30.12.2002 zurück (vgl.: 109.
Prozesstag), was insoweit für Aufregung sorgte, als Bundesanwalt
Walenta behauptete, die Zeuginnen v.W. und E. seien bei ihrer Vernehmung
zur Literatur innerhalb des "Lesezirkels" ehemaliger RZ-Mitglieder
bereits befragt worden und hätten keine Titel aufzählen können.
Hastig forderte RA Eisenberg die entsprechende Befragung
der präsenten Zeugin E. zu dieser Behauptung, die der Verteidiger
und seine Mandantin Sabine Eckle erbost zurückwiesen. Dazu kam es
nicht mehr.
Der nächste Verhandlungstag ist Donnerstag, 16. Januar,
um 9.15 Uhr und sieht die Befragung eines polizeilichen Lichtbildmappenzusammenstellers
vor. Freitag, 17. Januar, ist als Verhandlungstag aufgehoben.
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