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79. Prozesstag: 7. Juni 2002
Die Aktion 'Wasserschlag' im Mehringhof
Zwei an der Durchsuchung des Projektezentrums Mehringhof in Berlin-
Kreuzberg beteiligten StaatsanwältInnen wurden heute vernommen.
Beide hätten damals im Dezember 1999 angeblich nur das staatsanwaltliche
Großaufgebot verstärkt, wären ansonsten mit den
Ermittlungen aber nicht vertraut. Entsprechend den Behauptungen
des Kronzeugen wäre schon ernsthaft und gründlich nach
Waffen und Sprengstoff gesucht worden, gaben beide übereinstimmend
zu Protokoll. Doch fehle ihnen angeblich der Überblick der
Gesamtgeschehnisse, da sie selber nur an sehr wenigen Durchsuchungsorten
gewirkt hätten.
Alles, nur nicht hochdeutsch
Walter Hemmberger, 48jähriger Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof
in Karlsruhe, will bei der Aktion nur in einem Fahrradladen, einem
Musikraum und dem Büro der Forschungsstelle für Flucht
und Migration (FFM) tätig gewesen sein. Er habe sich zur Amtshilfe
den sachbearbeitenden KollegInnen für den Großeinsatz
in Berlin zur Verfügung gestellt. Er könne ja vieles,
nur nicht hochdeutsch reden, gab er gleich zu Beginn seiner Vernehmung
an. Das konnte die hartnäckigen und handverlesenen ProzessbesucherInnen
heute nicht besonders beeindrucken, bestätigte er doch nur
den schon prozessbekannten Ablauf der vollständig erfolglosen
Maßnahme im Mehringhof. Immerhin wurden logistische Einzelheiten
bekannt. So hätten die beteiligten BKA- BeamtInnen und StaatsanwältInnen
im Neuköllner Estrel- Hotel logiert und am Vorabend in einem
Veranstaltungsraum dort eine Einsatzbesprechung abgehalten. Am nächsten
Morgen sollten zunächst Einheiten der GSG 9 (Anti- Terror-
Einheit der Bundesgrenzschutzes) 'die Sicherheit' im Gebäude
herstellen, bevor die Schar der Staatsanwälte und die Teams
des BKA mit bis zu 90 BeamtInnen ihr Werk vollbracht hätten.
Die Berliner Polizei mußte derweil draußen in der Kälte
bleiben, sie wurde nur bei der 'Außensicherung' eingesetzt.
Gefühle lasse ich zu Hause
Staatsanwältin Silke Ritzert, 37 Jahre und in Stuttgart aktiv,
hätte sich damals natürlich Notizen gemacht, wenn sie
von ihrer heutigen Vernehmung gewußt hätte. Eine Anwaltskanzlei,
die Hausmeisterei und das FFM-Büro wäre ihr Aktionsfeld
gewesen. Sie will die Öffnung der Büros veranlasst haben
und die erfolglosen Probebohrungen in den Räumen der RechtsanwältInnen
überwacht haben. Sie hätten sich strikt nach dem vorliegenden
Untersuchgungsprogramm gerichtet, was auch den Einsatz von TechnikerInnen
und Sprengstoff-Spürhunden eingeschlossen hätte. Nach
Hohlräumen in der Nähe von Schächten wäre gesucht
worden, aber auch nach Unterlagen eines Koordinierungsausschusses,
der angeblich die RZ unterstützt haben soll. Ob dabei beschlagnahmte
Papiere, z.B. mit dem Schriftzug des angeklagten Axel H., in die
Ermittlungen eingeflossen wären, entzog sich ihrer Kenntnis,
behauptete jedenfalls Fr. Ritzert. Selbstverständlich wäre
die Suche systematisch und intensiv betrieben worden, sonst hätte
sich doch der ganze Aufwand nicht gelohnt.....(so ist es! der Autor).
RA Becker war abschließend am Seelenzustand der Justizbeamtin
interessiert. Ob die Enttäuschung denn arg groß gewesen
sei, wollte er wissen. Gefühle ließe sie bei der Arbeit
zu Hause, erwiderte Fr. Staatsanwältin irritiert lächelnd.
Nichts Genaues will mensch nicht wissen......
Zum Abschluß des erneut sehr kurzen Verhandlungstages, demonstrierten
KammerrichterInnen und Bundesanwälte wiederholt ihre gemeinsame
Prozessstrategie: nur so viel wie nötig. Diverse im Mai gestellte
Anträge der Verteidigung wurden komplett abgewiesen bzw. widersprochen.
Ob die Beiziehung fehlender Ermittlungs- und Spurenakten, die erneute
Vernehmung von BKA-Beamten zu den offensichtlich manipulierten Sachstandsberichten,
erneute Gutachten zur angeblichen Sprengstofflagerung im Seegraben
oder die Beantragung der Verlesung von Telefonüberwachungsmitschriften,
alles wurde unisono als nicht relevant für die Schuld- und
Rechtsfolgenfrage erklärt. Die wie gewöhnlich völlig
gelangweilt vorgetragenen Abweisungsanträge der Staatsanwaltschaft,
beinhalteten - auch wie gewöhnlich - fast ausnahmslos formaljuristische
Begründungen. Um bei diesem Gericht erfolgreich zu sein reicht
beides allerdings auch völlig aus. Es übernimmt im Tenor
seiner Entscheidungen regelmäßig diese Argumentation.
Wieder hätte das Gericht die Chance verpasst endlich alle zurückgehaltenen
Ermittlungsunterlagen lückenlos in das Verfahren einzuführen,
kommentierte RA Kaleck die Entscheidungen. Gerade wegen der mangelnden
Kenntnis über diese unterschlagenen Akten müssten einige
Beweisanträge notgedrungen allgemein formuliert bleiben. Diese
erzwungene Ungenauigkeit aber gerade als Ablehnungsgrund der Verteidigung
gegenüber zu benutzen gleiche einem Circulus vitiosus, mit
dem sich der Rechtsanwalt auch zukünftig nicht zufrieden geben
will. Wohl an!
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